Waldmeyers Länderanalyse (Teil IV)

Oder: Könnte der Body Mass Index ein Entscheidungs-Parameter für die Wahl des zweiten Wohnsitzes werden?

Waldmeyer wollte Charlotte schon früher erklären, dass er eigentlich am liebsten in ein Land mit einem möglichst niedrigen Body-Mass-Index (BMI) ziehen würde. Es wäre ja nicht sehr erbauend, wenn sich durch die hübschen Einkaufsstrassen und an den schönen Boulevards und Stränden nur übergewichtige Leute schleppen würden. Waldmeyers ketzerische Frage also: Sollte der BMI bei der Auswahl des „Second Homes“, also für den besten zweiten Lebensmittelpunkt (2.LMP) ein eigener Parameter darstellen? 

Tatsache ist, dass die Welt zusehends verfettet. Ein Länder-Ranking würde Fürchterliches zutage bringen, selbst bei der Beschränkung dieser Beobachtung auf ein paar reduzierte Länderoptionen: Die USA, Neuseeland und Australien liegen weit vorne, sie sind die Adipositas-Anführer. Sie buhlen zusammen mit Kuwait und Samoa um die höchsten Werte. Weiter vorne liegen nur noch ein paar ganz kleine pazifische Inseln.

Waldmeyer forschte nach den Ursachen. So verglich er die BMI-Rangliste mit dem Zivilisationsindex der Länder – was aber keinerlei Korrelation ergab. Auch das Prokopfeinkommen schien kaum ein massgebender Faktor zu sein, welcher die Essgewohnheiten – und damit den BMI –  stringent beeinflusst. 

Eine gesunde und ausgeglichene Ernährung sei eine Frage des Bildungsstandes, meinte Charlotte, und er solle doch bitte ablassen von diesen erniedrigenden Betrachtungen in Sachen BMI. Aber das mit dem Bildungsstand stimmt eben nur bedingt, denn warum verfügt Deutschland in Europa über den höchsten BMI, die Schweiz und die Niederlande über den niedrigsten? Studien kamen zum Schluss, dass es wohl „sozioökonomische Faktoren“ seien, welche den BMI eines Landes beeinflussen. Das hilft allerdings auch nicht weiter, um die handfesten Ursachen zu erkennen, welche Waldmeyers Länderbewertung bestimmen würden.

Waldmeyer entging es nicht, dass die Bevölkerung Italiens und Frankreichs über einen sehr tiefen BMI verfügt, übrigens auch Vietnam und Thailand (vielleicht genetisch bedingt?). Portugal, Spanien, Griechenland und Zypern dagegen verzeichnen nur mittlere Werte; das ging nicht nur aus den Statistiken hervor, sondern deckte sich durchaus mit Waldmeyers Beobachtungen an den verschiedenen Strandabschnitten in diesen Ländern. 

Plötzlich fiel es Waldmeyer wie Schuppen von den Augen: Es ist die Gastronomie!

Richtig, hier gibt es eine klare Korrelation, denn Länder mit einem tiefen gastronomischen Level haben einen hohen BMI, Länder mit einer guten Wertung in Sachen Food & Beverage haben eine schlankere Bevölkerung. Und dieser F&B-Index wiederum, so hatten wir in früheren Beiträgen bereits erfahren, liess sich auf die unterschiedliche Kolonialisierung der Welt zurückführen. Die Briten hinterliessen, historisch gesehen, nämlich weltweit diese gastronomische Blutspur, die Franzosen hingegen kolonialisierten (rein gastronomisch gesehen) sehr intelligent.

Waldmeyer war beruhigt. Es braucht also keinen neuen Parameter für seine Länderbewertungen, die BMI-Betrachtung war in seinen Analysen bereits berücksichtigt, sozusagen „eskomptiert“, wie Waldmeyers früherer Anlageberater, Pierino Caduff, es formulieren würde. Man könnte nun ganz einfach die Gastronomie-Wertung zu Rate ziehen, dann würden automatisch Länder in der Gesamtbewertung nach vorne rücken, welche über ansprechende Strassen- und Strandbilder verfügten.

Waldmeyer war sich dieser sozial heiklen Erkenntnisse durchaus bewusst. Er meinte deshalb gegenüber Charlotte, er wolle das BMI-Thema nicht weiter verfolgen – im geheimen Wissen darum, dass die ausgewählten Länder mit guten Küchen eben gleichzeitig auch über weniger optische Defizite verfügen. „Es hat sich erledigt, Charlotte, wir konzentrieren uns besser auf die F&B-Wertungen!“

Ist Max Waldmeyer paranoid? (Teil II)

Oder: Waldmeyer veröffentlicht seine 13 Theoreme in Sachen Katastrophen-Vorsorge

Katastrophen haben es nun einmal in sich, dass sie sich leider selten ankündigen. Sie sind etwa mit der gleichen Genauigkeit vorauszusehen, wie Bankanalytiker den Verlauf der UBS Aktie prognostizieren. Also gilt es, bestmöglichst Vorsichtsmassnahmen zu treffen. Von einem Katastrophenfall kann man z.B. auch während einer Reise erfasst werden. Frei nach Murphy’s Law könnte beispielsweise der Vesuv genau dann ausbrechen, wenn sich Waldmeyer in Neapel befindet. Wenn wir uns nur etwas weiter von zu Hause entfernen, laufen wir in vielen Fällen eher Gefahr, wenn nicht von Katastrophen, so doch zumindest von Infrastrukturdefiziten heimgesucht zu werden. Wir müssen uns also vorsehen. Waldmeyer hat dafür eine Checkliste ausgearbeitet, welche fairerweise nichts mit Paranoia, sondern einzig mit intelligenter Umsicht zu tun hat. 

Seit dem 8. Januar 2021 wissen wir, wie nahe wir an einem Blackout vorbeigeschrammt sind. Der Bundesrat hatte schon vor Jahren definiert, welche möglichen Krisen die höchsten Wahrscheinlichkeiten aufweisen. An erster Stelle steht dabei gerade eine Strommangellage. An zweiter Stelle eine Pandemie. Hohe Wahrscheinlichkeiten weisen beispielsweise auch Cyberattacken auf. Andererseits fehlen auf dieser Krisenliste klassische militärische Kriegsszenarien – so etwa die Gefahr, dass die Russen den Rhein überschreiten. Waldmeyer amüsierte sich, dass wir in der Schweiz jährlich sechs Milliarden für die Armee ausgeben – für ein Szenario also, dass der Bundesrat selbst gar nicht mehr als solches aufführt. Und das Peinliche nun: Für ein echtes Krisenszenario mit einer selbst deklarierten hohen Wahrscheinlichkeit – so einer Pandemie – waren wir nicht vorbereitet.

Waldmeyer ist überzeugt, dass wir auch auf eine Strommangellage nicht vorbereitet wären. Der Bundesrat würde dann wieder vor die Presse treten und wahrscheinlich erneut lügen. So wie bei den Masken. Er würde erklären, dass es Strom gar nicht braucht. Strom würde generell überschätzt, und der Bundesrat würde die Lage ausserdem studieren. Vermutlich würde man auf Bundesrat Bersets bewährte Formulierungen zurückgreifen: „Wir müssen jetzt einfach schauen, dass wir gut studieren können, wie wir dann entscheiden sollen…“ Oder ähnlich. Leider würde es im Falle eines Blackouts beispielsweise, einfach departementbedingt, insbesondere Simonetta Sommaruga treffen; sie wird als ausgebildete Pianistin vielleicht keine Traumbesetzung für die oberste Infrastruktur-Krisenchefin sein, aber sie wird bestimmt wieder dazu beitragen, dass ein Ruck durch die Bevölkerung geht. Nur wird damit das Licht nicht wieder angehen.

Genau deshalb meint Waldmeyer: „Selbst ist der Mann“ und hat dafür die 13 Waldmeyer’schen Theoreme entworfen (die sog. WM-Theoreme 1 bis 13). Im Wissen darum im Übrigen, dass die meisten künftigen Krisen wohl strombedingt sein werden.  

WM-Theorem Nummer 1: Der Mensch muss immer genügend Wasserreserven halten. (Wasser kann verseucht sein, die Versorgung gekappt oder lokal aufgrund von Stromunterbrüchen nicht hochgepumpt werden.)

WM-Theorem Nummer 2: Der Mensch darf die Reserven an haltbaren Lebensmitteln nie ganz ausgehen lassen (ebenso wenig die Reserven an Hygienemitteln, wir erinnern uns an die Geschichte mit dem Toilettenpapier).

WM-Theorem Nummer 3: Fahrzeuge sollten nie ohne mindestens eine halbe Tankfüllung stehen gelassen werden (Fahrzeuge müssen auch als Fluchtmittel betrachtet werden).

WM-Theorem Nummer 4: Der Mensch soll vom Netz unabhängige Leuchtmittel immer an den strategisch richtigen Orten bereithalten.

WM-Theorem Nummer 5: Der Mensch sollte immer genügend Bargeld in passender Währung im Safe und in der Brieftasche halten – in nicht zu grossen Noten.

WM-Theorem Nummer 6: Insbesondere der Digitale Mensch sollte unterschiedliche Provider für Mobiltelefone, Laptops und/oder Tablets wählen (nicht alle Anschlüsse über den gleichen Netzanbieter!).

WM-Theorem Nummer 7: Der kluge Mensch notiert alle Notfallnummern nicht nur in seinem Smartphone, sondern steckt zusätzlich einen ganz analogen „Notfallzettel“ mit den lebensrettenden und wichtigen Nummern in die Brieftasche (Aufführen der Blutgruppe nicht vergessen).

WM-Theorem Nummer 8: Der moderne Mensch soll die örtliche Bankverbindung auf zwei unabhängige Banken ausweiten (gilt auch für das Ferienhaus, wo immer sich dieses befindet).

WM-Theorem Nummer 9: Der Mensch muss die Notapotheke immer ausreichend bestückt halten (diese muss auch Schmerz- und Desinfektionsmittel sowie neu auch Masken, Schutzüberzüge und Handschuhe enthalten). 

WM-Theorem Nummer 10: Der umsichtige Mensch muss seine Versicherungsleistungen so anpassen, dass er sich von jedem Ort aus weltweit und jederzeit ins richtige Krankenhaus begeben oder ausgeflogen werden kann.

WM-Theorem Nummer 11: Der kluge Mensch unterhält im Haushalt so wenig wie möglich digitale Systeme: Schliesssysteme und Klospülungen beispielsweise dürfen nur analog vorgesehen werden („smart home“ Lösungen sind i.d.R. alle nicht krisentauglich).

WM Theorem Nummer 12: Der clevere Mensch deponiert Wertsachen, Schlüssel, Pass und wichtige Dokumente (Impfpass, in Papierform, nicht vergessen) zusammen an einem definierten Ort, damit diese jederzeit rasch und komplett greifbar bleiben.

WM-Theorem Nummer 13: Der moderne Mensch hält sich einen Generator. Bei jeder unabhängigen und/oder grösseren Immobilie gehört ein solches Gerät zur zwingenden Grundausstattung. Diese Regel gilt für fast alle Länder, von Florida über alle mediterranen Länder bis Bali. Und seit dem 8. Januar 2021 auch für die Schweiz. Ein Stromunterbruch über mehrere Stunden oder Tage zerstört nicht nur den kostbaren Inhalt des Kühlschrankes oder des Weinkellers, er kappt den Menschen ganz einfach von seiner Aussenwelt. Sogar die Klospülung könnte so lahmgelegt werden, da die Wasserpumpe nicht mehr funktioniert. Und Mobiltelefone und Laptops müssen selbstverständlich immer aufgeladen werden können. Ein paar Kanister Treibstoff gehören ebenso zur Grundausrüstung. Bei der Wahl des Generators gelten zwei Regeln: erstens eher etwas stärker und zweitens das Modell so auswählen, dass der Treibstoff kompatibel mit dem Fluchtfahrzeug ist (also entweder Benzin oder Diesel). 

Das 13. Theorem betrachtet Waldmeyer übrigens als fast das wichtigste, auch wenn er damit in der Nachbarschaft in Meisterschwanden nur Spott erntet. Waldmeyer lächelte und dachte dabei an seine Nachbarin Bettina Honegger (die mit den Verschwörungstheorien), wie sie im Dunkeln angekrochen käme und um zehn Minuten Aufladezeit für ihr Handy betteln würde. Waldmeyer würde die Hilfe vielleicht verweigern und sie daran erinnern, dass so eine Auszeit doch auch der Gesundheit zuträglich sein könnte. Waldmeyer würde Bettina auch daran erinnern, dass es doch 5G-Antennen waren, die (mithilfe Bill Gates) die Pandemie ausgelöst hatten!

Zu seinen 13 Theoremen meint Waldmeyer generell: kleine Vorsichtsmassnahme, grosse Wirkung. Er orientierte Charlotte mittels einer abschliessenden Konklusion: „Und diese Denke gilt auch als Vorbeugung für die nächste Pandemie, so zum Beispiel Covid-27.“

Wieder einmal unterbrach Charlotte dieses singuläre Brainstorming Waldmeyers und erinnerte ihn an die Ferienplanung: „Was ist jetzt mit Italien im September, Schatz?“ Waldmeyer blickte entgeistert zurück: „Aber nicht bis Neapel runter, ja!“

Max Waldmeyer im Gespräch in Sachen weltweiter Gastronomie

Ein Interview mit Daniel Füglister, CEO Hotelfactory AG

Daniel Füglister ist CEO der Gastronomie- und Hotelberatungsfirma Hotelfactory AG. Er versucht, Max Waldmeyer ein paar Statements zu entlocken in Sachen weltweiter Gastronomiegeschichte. Waldmeyer kocht gerne auch einmal selbst – aber er lässt vor allem kochen und kann dabei auf seine polyglotten Erfahrungen zurückblicken. Daniel Füglister versucht, ihn in die Zange zu nehmen.

Daniel Füglister (DF): Max, du erklärst immer, die weltweit unterschiedliche Gastronomie sei einfach „gesellschaftsbedingt“. Die Aussage erscheint mir doch etwas dürftig. Wie meinst du das?

Max Waldmeyer (WM): Nun, schau dir nur mal Europa an. Der Deutsche sieht sich als Kunde des Staates. Der Schweizer als Teil von ihm. Den Briten andererseits ist der Staat völlig egal, solange dieser ihn in Ruhe lässt. Der Franzose sieht den Staat als Gegner, der Spanier ebenso (er hat Angst vor dem Staat). Der Italiener ist frei vom Staat, er hat den Glauben an ihn schon lange verloren und richtet sich autark ein (alternativ glaubt er an die Familie und an die Mafia). 

DF: Schön und gut, aber was, bitteschön, hat das nun mit Gastronomie zu tun?

WM: Gar nichts. Es zeigt nur auf, wie sich die Gesellschaften unterschiedlich entwickelt haben. Genauso wie die Geschichte der Staaten – und entsprechend eben deren Gastronomie.
Und wenn wir schon über Geschichte sprechen: Absolut prägend beispielsweise war die unterschiedliche Kolonialisierung der Welt.

DF: Kannst du das ein bisschen erläutern?

WM: Schau dir mal die Briten an: Ihre kulinarische Basis war, historisch gesehen, immer schon sehr bescheiden. Dann zogen sie los und eroberten die Welt – und verbreiteten dabei in ihren Kolonien die schlechte Küche. Überall dort, wo sie ihre Überseegebiete errichteten, zogen sie eine gastronomische Blutspur hinter sich her: in den USA, Australien, Neuseeland, sogar in der Karibik, im Atlantik und im Pazifik. Die Spanier und die Portugiesen machten es übrigens auch nicht besser. Rein kulinarisch gesehen war da die französische Kolonialisierung geradezu ein Segen. Überall dort, wo sie ihre Kolonien bildeten, isst man auch heute noch hervorragend! 

DF: Du erklärst allerdings die italienische und nicht die französische Küche zur besten der Welt. Da bin ich einverstanden, das Statement könnte auch von mir kommen. Aber warum ist das so…?

WM: Schau dir doch nur mal die merkwürdige Geografie des Landes an. Dieser Stiefel hat es in sich, denn insgesamt verfügt das Land über eine Küstenlänge von 7‘600 km. Zur Römerzeit war es natürlich bedeutend mehr. Aber noch heute ist das rekordverdächtig, denn so grenzt Italien mit 7‘600 km an das Mittelmeer. Italien ist also das mediterranste Land der Welt. Geht man nur etwas ins Landesinnere, z.B. in der Toscana, landet man gleich wieder auf der anderen Seite am gleichen mediterranen Meer. Dazwischen liegen nur Weinberge und bestenfalls ein paar Trüffel. Italien ist also durchtränkt mit „mediterran“, mit Olivenöl, Früchten des Meeres, guten Weinen. Kein Wunder, liegt Italien so auf dem 1. Platz.

DF: Mir fehlt nun aber der gesellschaftliche Link.

WM: Anstelle an den Staat glaubt der Italiener wie gesagt an seine Familie, er glaubt an die Kirche und die Mafia. Aber eben vor allem an seine Küche. Die Italiener haben hier einfach einen bemerkenswerten kollektiven Wettbewerbsvorteil – gerade aufgrund dieses fundamentalen Ersatzglaubens. Schade, hatte Italien früher nicht mehr Kolonien.

DF: Italien kolonialisiert die Welt heute vielleicht einfach mittels Export seiner Küche, auch weltweit! Nun, gehen wir nochmals zurück zur französischen Küche. Sie gilt ja als die raffinierteste weltweit. Wie siehst du hier den gesellschaftlichen Hintergrund?

WM: Böse Zungen behaupten, die Italiener hätten ihre Küche nach Frankreich gebracht. Es war jedoch eher so, dass die Haute Cuisine mit ihrer endlosen Menüabfolge einfach aus Langeweile am französischen Hof entstand. Dieser war zudem gesellschaftlich bestimmend in ganz Europa. Ja, und dann haben die Franzosen die Restaurants erfunden. In ihrer monarchischen Denke sind sie heute nicht weiter, und nur schon der Glaube an die Grande Nation hilft ihnen, dauernd an die herausragende Küche zu denken. Paul Bocuse mit seiner marketingmässig exzellent lancierten Nouvelle Cuisine trug dann das Ihre zum Mythos bei. Bocuse war übrigens ein lustiger Kerl, er mischte auch schon mal etwas Kuhmist in ein Gericht.

DF: Ansonsten nehmen die Franzosen ihre Küche natürlich sehr ernst.

WM (seufzt): Todernst. Hier hört der Spass auf. Ich selbst wurde im Restaurant nicht nur einmal von Kellnern zurechtgewiesen.

DF: Hier ein paar Stichworte: Was fällt dir zu Sauce Hollandaise ein?

WM: Ja, diese ist wohl ein Ärgernis für die Franzosen, weil sie nicht Sauce Française heisst. Aber die Holländer verfügten damals wohl einfach über die bessere Butter.

DF: Und Tournedos Rossini?

WM: Dieser Rossini konnte gar nicht kochen; er war nur Komponist.

DF: Und Filet Wellington?

WM: Wir kennen diesen Typ, den Wellington, gar nicht richtig. Er war sicher auch kein Koch. Wohl eher ein zweitklassiger General, der sein totes Pferd aufgegessen hat – zumindest das Filet davon.

Gehen wir besser nochmals zurück zur Kolonialisierung: Während die Briten nur etwas Chutney und Pfeffer nach Hause trugen, brachten die Franzosen viel mehr an Ideen aus der ganzen Welt an den heimischen Herd. Ich meine damit nicht den Couscous, der heute in den Banlieus von Paris gekocht wird. Sondern z.B. die Gewürze und Rezepte, die aus Indochina und Afrika stammen. Das führte sicher zu den Höchstleistungen.

DF: Solche Höchstleistungen gab und gibt es auch immer noch in Fernost!

WM: Einverstanden, die japanische Küche beispielsweise ist hervorragend; die Japaner essen aber einfach viel zu schnell. Ist auch kein lustiges Volk, auch beim Essen nicht. Ebenso hervorragend ist die thailändische Gastronomie – oder die vietnamesische, die notabene gerade dank der französischen Kolonialisierung weiter verfeinert wurde. Auch dürfen wir die Peruaner nicht vergessen, zumal sie die spanischen Konquistadoren zumindest kulinarisch überlebt hatten. Die Peruaner, bzw. die Inkas, kennen „Ceviche“ seit tausend Jahren. Die Spanier klauten den Inkas jedoch nur ihr Silber, nicht aber die Rezepte. Das war ziemlich dumm. Die Spanier frittieren auch heute immer noch alles, ein Jammer.

DF: In vielen Ländern ist der Stellenwert der Küche natürlich eine Frage der Zivilisation.

WM (überlegt kurz): Der neue Internationale Brutvögelatlas hat 1‘000 Seiten. Und Finnwale können bis zu 150 Jahre alt werden.

DF: Max, konzentrier dich bitte aufs Interview!

WM: Was ich damit sagen möchte: Viele Gesellschaften und viele Menschen interessieren sich einfach für ganz andere Dinge, nicht für die Gastronomie. Das ist schade. Beispielsweise die Amerikaner. Sie könnten sich eine anspruchsvollere Küche leisten, tun es aber nicht.

DF: Du meinst, das geht über die historische Schuld der Briten hinaus?

WM: Betreffend der britischen Verantwortung, so denke ich, können sich die Amerikaner heute auf die Gnade der späten Geburt berufen. Nicht aber betreffend der aktuellen Vergehen. Die USA trifft eine kollektive Schuld, nämlich durch die weltweite Verbreitung des Fast Food. Sie sind u.a. verantwortlich für den in vielen Ländern explodierenden BMI (Anmerkung Red.: Body Mass Index).

DF: Danke für das Interview, Max. Genau hier werden wir das nächste Mal unser Gespräch fortsetzen: Wir werden über die schlechtesten Küchen der Welt sprechen!

WM: Gerne, das wird allerdings ziemlich unappetitlich werden!