Das Bild des Meteorologen Lorenz mit dem Schmetterling kennen wir: Ein Orkan in Texas könnte durch den Flügelschlag eines Schmetterlings ausgelöst werden. Leider sind die Auswirkungen von Lockdowns ähnlich, denn die Kollateralschäden sind mannigfaltig und werden unterschätzt.
Nicht, dass Frau Sommaruga jetzt dafür verantwortlich wäre, dass der Ölpreis auf null gesunken ist. Es ist jedoch so, dass insbesondere „planwirtschaftliche“ Auswirkungen zuweilen zum nicht vorhersehbaren Desaster führen.
Negative Multiplikatoreffekte
Die Volkswirtschaft lehrt uns die Bedeutung der Multiplikatoreffekte: Positive Wirtschaftsimpulse bewirken weitere solche. Investitionen oder Konsumausgaben multiplizieren sich im Schneeballsystem: Wird mittels höherem Paycheck im Restaurant ein teureres Menü bestellt, so erhöht das Restaurant die Bestellung beim Metzger, der Metzger stellt einen neuen Bankmetzger ein, welcher sich schliesslich auch einen zusätzlichen Kebab an der Strassenecke leistet – und so fort. Natürlich streiten sich die Ökonomen, was mehr wirkt: zum Beispiel Geld unter die Leute zu bringen, staatliche Ausgaben zu erhöhen oder die Zinsen zu senken? Allerdings hatten in den letzten Jahren weder die Monetaristen noch die Keynesianer Recht, denn die Wirtschaft hat sich leider anders verhalten, als die Lehre es vorsah.
Die Volkswirtschaftslehre und insbesondere die Ökonometrie pflegten zwar die Behandlung des Multiplikatoreffekts – aber vor allem nur in eine Richtung. Es war offenbar zu wenig interessant, Multiplikatoreffekte à fond auch im negativen Sinne zu untersuchen.
Lockdowns sind Infarkte
Lockdowns bewirken bekanntlich einen sofortigen Stillstand von Teilen der Wirtschaft. Im entsprechenden Wirtschaftszweig wird mit unmittelbarem Effekt ein Nullumsatz erzielt. Dem Staat entstehen immense Kosten (Zahlungen für Kurzarbeit, höhere Arbeitslosigkeit, Reduktion des Steuersubstrates, etc.).
Gleichzeitig setzt jedoch ein negativer Multiplikatoreffekt ein: Der Unterbruch der Lieferketten setzt sich dominoartig rückwärtig fort. Die Gastronomie bestellt also nicht mehr bei der Grossmetzgerei, der Bankmetzger wird entlassen, dieser leistet sich einen Kebab weniger. Allerdings verschiebt die Metzgerei auch den Ersatz des Kühlgerätes, die Produktion und Installation von Kühlgeräten wird betroffen – und so fort. Die Effekte finden natürlich nicht so plakativ statt, wie dargestellt. Es sind jedoch sublime winzige Einzeleffekte, die in deren Addition und Wechselwirkung letztlich in einer BIP-Reduktion münden.
Der wahre Virus ist der negative Multiplikator
Perverserweise ist der böse Virus eigentlich der negative Multiplikatoreffekt, welcher sich unkontrolliert ausbreitet. Je länger ein Lockdown dauert, desto mehr Teile der Wirtschaft werden infiziert, wobei die Rückverfolgung der Infizierung sehr rasch unmöglich wird. Dauert der Negativeffekt zu lange, sind die Kollateralschäden dauerhaft, da ganze Strukturen beschädigt werden. Der Konkurs eines einzelnen Restaurants ist zwar bedauerlich, es wird jedoch wieder neue Betreiber geben. Optisch hält sich der Schaden damit im Rahmen. Mit den neuen Investitionen werden auch neue positive Multiplikatorimpulse freigesetzt. So weit, so gut.
Nur sind die bereits erfolgten negativen Multiplikatoreffekte dabei vergessen gegangen. Zudem wird es Branchen geben, welche sich nicht sofort erholen können, weil deren Gerüste beschädigt sind. Und es wird, aufgrund der direkten Schliessungsauswirkungen und der Dominoeffekte noch länger Arbeitslose und Kurzarbeitende geben, welche nicht im üblichen Masse konsumieren werden.
Längerfristiger Schaden
Bis sich die ganzen rückwärtigen negativen Auswirkungen wieder erholt haben, muss also von vorne (Investitionen oder Konsum) ein positiver Schneeballeffekt einsetzen. Es wird Monate und Jahre dauern, bis alle Blessuren verheilt sind.
Wenn der Schweizer Bundesrat meint, dass mit der Wiedereröffnung des Blumenladens jetzt diese Branche gerettet ist, hat er den rückwärtigen Multiplikatoreffekt vermutlich vergessen. Der hält nämlich noch an. In der ganzen Liefer- und Dienstleistungskette aller geschlossenen Läden und blockierten Aktivitäten wird der entstandene Gap nicht einfach wieder aufgefüllt, er bleibt vorerst, vor allem zuhinterst, am Ende der gefallenen Dominosteine, länger bestehen.
Die Schliessung von Teilen der Wirtschaft, welche mit den nötigen Schutzmassnahmen und Social Distancing durchaus arbeiten könnten (z.B. Fachmärkte), wird damit zu einer fahrlässigen, vordergründig medizinischen und hintergründig zu einer politisch motivierten Entscheidung mit wirtschaftlichen Auswirkungen, welche unterschätzt werden. Mit jedem Tag der Einschränkung werden eben nicht nur Millionenverluste aus entgangenen Umsätzen und zusätzliche Sozialkosten produziert, sondern auch nicht aufholbare ökonomische Kollateralschäden.
Sehenden Auges in die Depression?
Nicht nur der Schweizer Bundesrat, auch die meisten Regierungen fahren also sehenden Auges (oder eben doch blind) in ein wirtschaftliches Desaster, welches sich nicht einfach in einer wieder gutzumachenden kleinen Rezession manifestiert, sondern in nachhaltigen Schäden. Wir werden rückblickend wohl von einer Depression sprechen. Nicht von der bekannten grossen Depression in den 1930-er Jahren, sondern von der, welche 2020 ausgelöst wurde. Sie wurde indessen nicht durch Covid-19, sondern durch falsch orchestrierte Lockdowns verursacht. Die weltweiten Lockdowns hatten letztlich auch Auswirkungen auf den Ölpreis, der in diesen Stunden nahezu auf null abgesunken ist. Neue Flügelschläge des Schmetterlings setzen ein. Diesmal sind es vielleicht Flügelschläge des Albatros.
Ob jemals ehrlich abgerechnet wird?