Bye-bye Wachstum

Explodierende Arbeitslosenzahlen

Ein unangenehmer Outlook zum Tag der Arbeit: Steigt die Schweizer Arbeitslosenrate bald auf über 10%? Und fällt das BIP im gleichen Ausmass…?

Es ist davon auszugehen, dass die reduzierten verfügbaren Einkommen der Arbeitslosen und Kurzarbeitenden das Bruttoinlandprodukt der Staaten noch länger negativ beeinflussen werden. Es wird einfach weniger konsumiert, weil weniger konsumiert werden kann. Und wenn weniger konsumiert wird, produzieren mittelfristig auch andere Wirtschaftszweige, ausserhalb der direkt betroffenen Konsumgüter- und Dienstleistungsindustrie, weniger.

Die Schweiz zählt heute etwa 1.5 Mio Kurzarbeitende – fast jeder dritte Arbeitnehmer wird damit zur Hauptsache vom Staat durchgefüttert. Auch in Deutschland ist es jeder Vierte.

Natürlich kann das kein längerfristiger Zustand sein. Nach spätestens 6 oder 9 Monaten Kurzarbeit wird das nicht mehr finanzierbar sein. Vielleicht liegt da und dort noch eine ausserordentliche Verlängerung auf 12 Monate drin – der Staat gibt sich aktuell ja sehr grosszügig. Irgendwann aber ist Schluss mit lustig, und es geht zurück in den regulären Arbeitsmarkt. Aber nicht alle werden längerfristig zurück dürfen.

Ein Teil der Kurzarbeitenden wird arbeitslos

Nach Ablauf der Kurzarbeitszeit werden wohl nicht alle mehr beschäftigt werden können. Mittelfristig wird also ein Teil der Kurzarbeitenden zu Arbeitslosen mutieren. Einerseits, weil es gewisse Firmen nicht schaffen, über den Berg zu kommen. Oder andererseits, weil aufgrund des Nachfragerückgangs eh ein Downsizing angezeigt ist. Oder aber, weil plötzlich die Erkenntnis oben aufschwingt, dass es betriebswirtschaftlich mit weniger auch geht. Unsere Prognose also für die Schweiz: Es werden nur 80% der Kurzarbeitenden längerfristig wieder beschäftigt werden, einem Fünftel wird der Weg zum Arbeitsamt nicht erspart bleiben. 20% von 1.5 Mio ergibt zusätzlich 300‘000 Arbeitslose – ein noch nie dagewesener Zustand in der Schweizer Wirtschaftsgeschichte. Ein Szenario nur, aber wir beurteilen dieses als nicht ganz unwahrscheinlich.

Allein die hohe Arbeitslosenrate wird – auch weltweit – die Konjunktur mit sofortiger Wirkung negativ beeinflussen.

Schweizer Arbeitslosenquote von über 10% per Mitte 2021?

Per Ende April 2020 wird die Arbeitslosenrate schätzungsweise um die 4% betragen, nach internationaler Zählung allerdings werden es gegen 6% sein („Erwerbslosenquote“). Zu den rund 160‘000 Arbeitslosen werden in den nächsten Wochen und Monaten nochmals schätzungsweise 40‘000 dazukommen, wir wären dann bei 200‘000. Und dann müssten wir – mittelfristig – noch die „verlorenen“ 300‘000 Kurzarbeiter dazurechnen, die keine Arbeit mehr kriegen. Wir lägen per Mitte 2021 so bei 500‘000 Arbeitslosen. Das würde einer Arbeitslosenquote von gut 10% entsprechen.

Das sind zwar nur gewagte Zahlenspielereien. Wir hätten auch auf 12% kommen können. Das Seco wird das bestimmt fundierter berechnet haben (und gab eine Spannbreite von 7% bis 10% an). Aber dem Seco liegen auch nur Szenarien und Informationen zugrunde, über welche wir alle ebenso verfügen – oder nicht verfügen: Wo passiert in Sachen Pandemie was auf der Welt? Wie und wann erfolgen die Lockdowns? Wie reagieren die Firmen? Wie reagieren die Konsumenten nach den Lockdowns? Was sind die Langzeitschäden? Auch die besten Ökonomen tappen nur im Dunkeln – oder lassen eben gar nichts verlauten, weil alles nur auf sehr vagen Annahmen beruht und nicht auf zahlenbasierten Fundamentaldaten. 

Bundesökonomen scheinen übrigens noch immer mit einem V-Shape der Rezession zu rechnen. Das grenzt entweder an Augenwischerei oder an Wunschdenken – oder es ist die vermeintliche Mission, positives Denken verbreiten zu müssen. Vielleicht so etwas wie eine Trumpologie.

True Economics versucht es zwar auch nur mit einer Schätzung, aber vielleicht etwas ungeschminkter. More true eben… Es geht dabei nicht um Schwarzmalen, sondern um die Erstellung eines möglichst realistischen Szenarios – auch wenn dieses unangenehm ist.

Die Schweiz wird global trotzdem relativ gut dastehen

Es ist davon auszugehen, dass sich die Schweiz ökonomisch besser halten wird als viele andere OECD Staaten. Das wird auch die Arbeitslosigkeit betreffen. Ein relativer Gewinn also, immerhin.

In den USA ist die Arbeitslosenrate binnen Wochen von 3.7% auf zurzeit schätzungsweise 18% hochgeschnellt. Es könnten auch 25% daraus werden (nur eine weitere gewagte Annahme). Und viele Länder im südlichen Europa könnten kurzfristig die 20% Marke knacken (nochmals eine gewagte Annahme). Natürlich werden insbesondere Staaten mit gnadenlosen Lockdowns höhere Arbeitslosenraten davontragen: Frankreich, Italien, Spanien, etc.

Bei diesen Zahlen wird insbesondere die westliche Welt am Ende nicht mehr von einer vorübergehenden Rezession sprechen, sondern von einem ziemlich dramatischen Konjunktureinbruch mit Depressionscharakter. Die vielen Arbeitslosen werden alle deutlich weniger konsumieren, da nützen auch die explodierenden Staatsausgaben nicht, um kompensatorische Effekte zu erzielen. Das BIP sinkt einfach, und zwar deutlich. Die Umsatzverluste werden vor allem bei Branchen mit aperiodischen Produkten und Dienstleistungen signifikant sein. Auch bei erschwinglichen Luxusgütern, denn bei klammem Budget wird Nötiges dem Unnützen immer vorgezogen. Ganz teure Luxusgüter, so unsere Prognose, werden trotzdem immer ihre Abnehmer finden. Das oberste Promille in der Nahrungskette wird sich dem Konsum wohl nicht gleich verweigern.

Wenig regulierte Arbeitsmärkte werden gewinnen

Positiv: In weniger regulierten Arbeitsmärkten wird es rascher wieder aufwärts gehen, so in den USA, auch in der Schweiz. In Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien jedoch werden sich die Unternehmer hüten, gleich wieder Personal einzustellen – welches in der nächsten Krise kaum entlassen werden kann.

2022 frühestens erst wieder aufwärts

2020 können wir konjunkturmässig komplett kippen. Leider wohl auch 2021. Im Jahr 2022 oder 2023, so unsere Prognose, wird es frühestens wieder aufwärts gehen. Sind wir zu pessimistisch? Nun, das Szenario gibt einfach nicht mehr her!Aus Unternehmersicht ist es auf jeden Fall weise, nicht mit einem raschen allgemeinen Aufschwung zu rechnen. Das wird findige Unternehmer hoffentlich trotzdem motivieren, auch in einer schwierigen Phase ihre Firmen so klug aufzustellen, dass diese gleichwohl erfolgreich sind!

Swiss: Die Schweiz sollte notfalls besser Aktionärin der Lufthansa werden!

Eine Kreditvergabe ist völlig unbedacht

Der Lufthansakonzern und so auch die Swiss stehen kurz vor der Illiquidität. 

Der Bundesrat hat nun ziemlich voreilig Bundesgarantien für Sonderkredite an Luftfahrtgesellschaften und ihr nahestehende Infrastrukturen abgeben. Die Kreditinjektion sollen vornehmlich direkt der Swiss verabreicht werden. Noch ist die Tinte dazu nicht trocken – es scheint allerdings nur eine Sache von Stunden oder Tagen zu sein.

Es wäre ein staatspolitischer Sündenfall. Eigentlich wäre es nun angezeigt gewesen, sowohl volkswirtschaftlich als auch betriebswirtschaftlich glasklar zu analysieren und dann richtig zu entscheiden. Es ist zu befürchten, dass der Bundesrat nicht den nötigen ökonomischen Überblick hat.

Keine Systemrelevanz

True Economics hatte schon gestern darauf hingewiesen, dass aus Schweizer Sicht für Airlines keine Systemrelevanz gegeben ist. Bedauerlicherweise müsste die Swiss also pleitegehen – das wäre konsequent. Das liesse sich auch rechtfertigen, da andere oder neue Carriers (die z.B. aus einer Insolvenz heraus entstehen könnten) mit Sicherheit betriebswirtschaftlich interessante Verbindungen wieder bedienen würden. Von Zürich und Genf aus wird immer geflogen werden – mit welcher Airline auch immer. Das gilt für Passagiere, aber auch für Fracht.

Die Hilfeverweigerung liesse sich auch rechtfertigen, weil die Misere der Swiss nicht vorübergehend sein wird: Das nötige Downsizing würde über einen längeren Zeitraum nämlich noch Unsummen verschlingen. Eine never ending story wohl – mit Rufen nach immer weiteren Liquiditätsspritzen.

Einzig eine Kapitalbeteiligung wäre knapp vertretbar

Ein Durchfüttern maroder und angesichts der Marktlage auch künftig tendenziell defizitärer Airline-Strukturen mit laufenden und direkten Kreditvergaben ist fahrlässig.

Die einzige noch knapp vertretbare Lösung wäre eine Kapitalbeteiligung an der börsenkotierten Lufthansa Muttergesellschaft. In der Tat könnten die vier betroffenen Staaten Deutschland, Schweiz, Österreich und Belgien vorübergehend eine Staatsbeteiligung vorsehen – mit der Auflage, dass die neu zugeführten Mittel dann auch in die betroffenen Tochtergesellschaften fliessen.

Und um willfährige politische Einflussnahme zu unterbinden, sollten die Kapitalübernahmen als stille Beteiligungen erfolgen – unter Verzicht auf Sitze im Aufsichtsrat. 

Gleichzeitig könnte vielleicht so der Luftlärmknatsch zwischen der Schweiz und Deutschland ganz elegant gelöst werden.

Ein Exitplan für den eher unappetitlichen Beteiligungsausflug müsste vorbereitet werden, denn zumindest die Eidgenossenschaft müsste sich zu einem geeigneten Zeitpunkt wieder zurückziehen können. Staatsbeteiligungen passen nämlich nicht zum Schweizer Selbstverständnis.

Aktien sind sicherer als Kredite

Aktien können zwar ebenso ihren Wert verlieren, sind aber immerhin handelbar. Für Kredite trifft das kaum zu. 

Die Eidgenossenschaft hätte also auf keinen Fall einfach Liquiditätsspritzen in Form von Krediten bzw. Bürgschaften verabreichen dürfen. Auch „Garantien“ von Gesellschaften oder Muttergesellschaften sind dabei nicht wirklich hilfreich. Eine hundertprozentige Bundesbürgschaft  ist fahrlässig, der entsprechende Betrag dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit als verloren gelten.

Auch keine Option: die Übernahme der kranken Swiss durch den Bund beispielsweise. Dieser Plan wurde glücklicherweise noch nicht präsentiert, True Economics wartet nur noch auf diese absurde Idee.

Fazit: Aus Schweizer Sicht sind alle staatlichen Refinanzierungsübungen für Airlines eigentlich falsch, da keine Systemrelevanz besteht. Sollte sich eine Staatshilfe aus politischer Sicht als unumgänglich erweisen, so müsste die beste von allen schlechten Refinanzierungsvarianten gewählt werden: eine direkte Kapitalbeteiligung an der börsenkotierten Muttergesellschaft. Diese Kröte dürfte jedoch nur geschluckt werden, wenn alle beteiligten Länder mitmachen. Und zumindest für die Schweiz gälte dann: bitte nur vorübergehend.

Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen, denn die zugesagten Liquiditätsspritzen werden das Problem nicht lösen.

Der Staat darf die Swiss nicht retten

Die Staatshilfe läuft aus dem Ruder: Es wird ein deutscher Konzern unterstützt…

Ist die Swiss „systemrelevant“? Denn nur dann dürfte der Staat eingreifen. Aus Nostalgiegründen wäre das nicht opportun. In der Finanzkrise musste die UBS gerettet werden – aber damals war der landesweite Zahlungsverkehr in Gefahr, und die Aufräumarbeiten für alle Konten, Anlagen, Kredite und Hypotheken wären gigantisch gewesen. Die Schweiz hatte zu jenem Zeitpunkt rasch und schwungvoll reagiert und den Laden gerettet. Beim späteren Verkauf der Anteile (mit Gewinn) konnte ein kleines Husarenstück präsentiert werden. 

Bei der Swiss ist es anders: Auch ohne Swiss könnten wir weiter fliegen. Die Misere geht zudem weit über den vorübergehenden Betriebsstillstand hinaus – das notwendige künftige Downsizing würde zu untragbaren Folgekosten führen. Der Bundesrat muss nun sowohl ein Mikro-, als auch ein Makroproblem lösen. Es ist offensichtlich, dass er dem nicht gewachsen ist – oder einfach nur politisch handelt.

Die ersten falschen Schritte sind nun erfolgt: Der Staat möchte Milliardenkredite sprechen. Ob auch für  andere Carriers (so Easyjet) ist noch offen. Das liesse sich insoweit noch rechtfertigen, falls mit gleichen Ellen gemessen würde. Die Airlines könnten also einen Corona-Kredit erhalten, wie sie ihn auch andere Schweizer Firmen beanspruchen können – einfach einen etwas fetteren Batzen. Aber es müsste die Tragfähigkeit geprüft werden – und hier liegt genau das Problem. 

Der Bundesrat und einige Politiker haben wohl noch weitergehende Hilfen im Hinterkopf. Wir sprechen dabei von fahrlässigen Milliardenkrediten – ohne zwar ohne Due Diligence…

Für die nachfolgenden Überlegungen wollen wir uns auf die Swiss konzentrieren. Sie ist die einzige „richtige“ Airline in der Schweiz, andere Betreiber verfügen mehr oder weniger nur über Verwaltungsgesellschaften in der Schweiz, ohne nennenswerte Assets.

Ein Grounding bedeutet oft ein Aus

Falls eine Fluggesellschaft nun über mehrere Wochen nicht fliegt, sind die aufgelaufenen Verluste fast nicht aufzuholen. Dazu kommt, dass im Jahr 2021 vermutlich weltweit nur mit 50% Flugvolumen gerechnet wird. 2022 mag es dann ein bisschen besser aussehen, das Niveau von 2019 wird jedoch mittelfristig nicht mehr erreicht. Die Lufthansa selber rechnet erst 2023 mit einem „Gleichgewicht“ (was aber wohl nicht mit einem ausgeglichenen Ergebnis verwechselt werden darf, schon eher mit einem Zustand ohne Sonderhilfen). 

Die Auslastungsquoten für die nächsten Jahre werden sich also auf einem komplett unrentablen Niveau befinden, der Liquiditätsbedarf wird steigen, die Schulden werden sich auftürmen. Die ersten in Aussicht gestellten Hilfszahlungen werden kaum reichen.

Mit gigantischen Krediten könnte auch eine Swiss am Leben gehalten werden. Nur könnten solche Kredite wohl nie zurückgezahlt werden: So viele tolle Jahresabschlüsse mit Gewinnen kann es in der Zukunft gar nicht geben.

Teures Downsizing weltweit

Noch über Jahre werden die Airlines also unrentabel bleiben. Das Downsizing wird Unsummen verschlingen, denn das Runterfahren der Personalbestände und die Strukturanpassungen werden über längere Zeit Blutspuren in den Bilanzen hinterlassen. Die überzähligen Flieger werden unter den aktivierten Werten veräussert werden müssen, denn niemand erscheint jetzt als interessanter Käufer, weltweit herrscht ein Überangebot. Nebst dem Stopfen von laufenden Betriebsverlusten stehen also noch ausserordentliche Abschreibungen auf den aktivierten Flotten an – auch bei der Swiss werden die Bilanzen damit nur noch röter. Soll der Bund nun gerade in ein solches Geschäft investieren? Das wäre im besten Fall unüberlegt.

Kredite für überschuldete und klamme Firmen sind oft Ausgaben à fonds perdu. Geld verteilen in Form von Krediten und ohne sichere Gegenwerte ist unvernünftig. Wenn schon, dann müsste in Aktienkapital investiert werden. Aber auch dann: Der künftige reelle Wert einer Beteiligung wäre ungewiss. 

Gibt es staatspolitische Gründe für eine „eigene“ Airline?

Ja, es gibt ganz klar Staaten, die würden verkümmern ohne die eigenen Airlines. Nur zwei Beispiele: Singapur Airlines und Emirates. Die beiden Gesellschaften sind weltumspannende riesige Gebilde, sie sind zu einem treibenden Wirtschaftsfaktor der beiden Staaten geworden. Gigantische Hubs, in der Tat too big to fail. Es geht in diesen Fällen also nicht nur um die gute Vernetzung des Landes mit für sie wirtschaftlich interessanten Regionen. Es sind eigene Businessmodelle, mit riesigen nach- und vorgelagerten Strukturen, welche viel Wertschöpfung bringen.

Die Schweiz braucht gute Verbindungen, klar. Mehr nicht. Sie braucht nicht zwingend ein Businessmodell zu unterhalten, welches globale Erträge erwirtschaftet. Fazit: Es gibt keinen zwingenden staatspolitischen Grund für eine „eigene“ Airline, sofern andere Airlines Verbindungen anbieten. Eine Airline ist damit für uns nicht systemrelevant.

Wichtig ist die Flughafen-Infrastruktur

Die Flughafen-Infrastruktur hingegen ist Staatsaufgabe. Allenfalls auch eine funktionierende Betreibergesellschaft. Hier ist eine Systemrelevanz gegeben, hier muss der Staat das Feuer löschen, wenn es brennt.

Fluggesellschaften indessen kommen und gehen. Sie sind wie die Autos auf den Autobahnen, sehr vereinfacht dargestellt. Strassen müssen her – und zwar gute. Autos werden dann schon rollen. Auch Busse oder Lastwagen.

Wir haben heute schon eine Schweizer Fake-Airline

Natürlich stiftet eine eigene Landes-Fluggesellschaft Identität. Das Schweizerkreuz am Himmel ist etwas Schönes. Nur, nochmals: Bereits heute gehört es nicht mehr uns. Es gehört vor allem deutschen und internationalen Aktionären. Das Schweizer Kreuz ist also schon lange durch und durch teutonisch kontaminiert und hat seinen sinnstiftenden Wert nur noch marketingmässig erhalten können. Wir verfügen bereits seit 2001 nur mehr über eine Schweizer Fake-Airline – das ist die Wahrheit. Wenn wir diese nicht existierende eigene Airline also verlieren, verlieren wir etwas, das wir gar nicht haben. 

Schweizer Staatshilfe für Deutschland?

Nach der geplanten Sanierung könnte der Lufthansakonzern eventuell, zumindest teilweise, dem deutschen Staat gehören. Die Schweizerische Eidgenossenschaft würde dann also mit Krediten eine Firma unterstützen, welche ihr gar nicht gehört. Pikanter noch: Wir würden indirekt quasi den deutschen Staat mit Krediten unterstützen! Sozusagen mit „Flugkohäsions-Milliarden“. Und je nachdem, was nun unser Bundesrat unterschreibt, sogar ohne sicheren Gegenwert! Unser Finanzminister könnte der Einfachheit halber gleich Berlin direkt  einen Blankocheck ausstellen. Es kann also nicht sein, dass einfach nur Kredite gewährt werden.

Die Eidgenossenschaft könnte in Lufthansa investieren

Falls also Kredite zugunsten der Swiss gesprochen würden, müssten diese abgesichert werden: mit einer deutschen Staatsgarantie, sollte der Lufthansakonzern verstaatlicht oder teilverstaatlicht werden. Oder die Gelder müssten nicht in Form von Krediten, sondern mittels Übernahme von Aktienkapital fliessen. Warum nicht via Aktienkapitalerhöhung beim börsenkotierten Lufthansakonzern? So könnte ein künftiger Ausstieg des Staates einfacher vorbereitet werden – wie damals bei der UBS. Und der Deal müsste an die Verpflichtung geknüpft werden, die Finanzspritze nach unten in die Schweizer Tochtergesellschaft weiterzureichen. Aber wirklich nötig ist ein solcher Schritt trotzdem nicht.

Lösung des Fluglärmstreites?

Eine Beteiligung der Eidgenossenschaft an der Lufthansa könnte allerdings einen kleinen Zusatznutzen bringen. Ein altes Problem könnte vielleicht gelöst werden, denn sollte der deutsche und auch der Schweizer Staat – hoffentlich auch nur vorübergehend – in die Lufthansa investieren, so könnte vielleicht ein gordischer Knoten durchtrennt werden: Eine Beilegung des Fluglärmstreites könnte als Investitionsbedingung ausgehandelt werden.

Es bleibt aber ein Notszenario – weil jegliche Investition eben nicht unter dem Deckelmantel der Systemrelevanz erfolgen dürfte.

Der Schweizer Markt ist hoch interessant

Die Schweiz wird nie ohne Flugverbindungen dastehen. Wenn flugwillige Passagiere da sind, wird es auch Flüge geben. Der Markt wird funktionieren. Ja, er wird sich um die zahlungswilligen Schweizer Passagiere streiten.

In unserem Fall würde irgendeine Gesellschaft die Flieger der konkursiten Swiss bestimmt kaufen und Linien wieder bedienen. Selbst wenn die Assets der Swiss separat verscherbelt würden: Binnen Kürze würden andere Airlines Flugverbindungen übernehmen. Linien werden bedient, wenn sie betriebswirtschaftlich rentabel sind. Ob die Swiss wohl – aus ganz altruistischen Gründen – bisher vorsätzlich unrentable Linien bedient hat? Mit Bestimmtheit nicht. Der Markt wird also wieder diejenigen Linien betreiben, welche auch eine durchgefütterte und marode Swiss später wieder betreiben würde.

Was passiert konkret, wenn Lufthansa die Swiss pleite gehen lässt?

Wenn die Swiss in den Konkurs oder (bestenfalls erst mal in die Nachlassstundung) geht, stehen die Flieger alle am Boden – eigentlich wie gerade jetzt, wo offenbar nur 6 Geräte von knapp 100 im Einsatz sind. Im Falle der Pleite gehören sie dann dem Insolvenzverwalter. Lufthansa wird einen kleinen Abschreiber machen in der Bilanz – was allerdings kaum eine Rolle spielt, da sie als Muttergesellschaft auch fast nichts mehr wert ist. Mit hoher Wahrscheinlichkeit erhält diese dann staatliche Unterstützung und wird gerettet.

Die Swiss könnte in diesem Szenario unabhängig von der Muttergesellschaft grounden. Das geht spielend, die Tochtergesellschaft wird einfach fallengelassen. Mit Grounding haben wir Erfahrung. Es wird in Windeseile vielleicht eine vorübergehende Lösung gefunden, es kommen neue Eigner. Diese übernehmen anschliessend nur diejenigen Flieger, die sie sinnvoll einsetzen können. Dann wird das Logo wieder ein bisschen geändert, vielleicht auch der Name. Intelligenterweise würde man reumütig zu „Swissair“ zurückfinden – sofern sich die Namensrechte auch kurzfristig so nutzen liessen. Natürlich würde es ein paar Rechtsaussen-Parlamentarier stören, wenn die neue „Swissair“ von einer ausländischen Gesellschaft betrieben würde. Aber das ist ja auch heute mit der Swiss der Fall!

Wenn dieses Szenario nicht eintrifft – wenn die Airline also zerschlagen würde und kein neuer Betreiber gefunden wird, welcher die Scherben wegkehrt – wird es auf unseren Flughäfen eben andere Airlines geben. Wir fliegen ab Zürich und Genf dann mit einer Gesellschaft, die auch heute schon diese Linien bedient, oder mit einer Newworld Air, mit Happyairline – oder womit auch immer. Die Welt würde nicht untergehen.

Fazit: Eine einfache Kreditvergabe (bzw. eine Bürgschaft für Kredite) an die Swiss käme nicht einer Investition gleich, sondern einer Ausgabe à fond perdu. Und es würde zudem in eine ausländische Firma investiert, nicht in eine „eigene“ Airline. Es wäre die unklugste von allen Optionen – aber der Bundesrat scheint nun gerade diesen Weg zu gehen.

Es wird immer Fluggesellschaften geben, welche rentable Linien von Zürich und Genf aus betreiben werden; ein Manko an „systemrelevanten“ Verkehrsverbindungen wird es nicht geben.

Also Hände weg von faulen Krediten für eine vermutlich „never ending story“. Notfalls muss die Lufthansatochter eben pleitegehen. 

Stochern im Nebel – immer noch

Interview mit Rebecka Carpenter, Dubai

Pandemie-Management: ein Datengau

Die meisten Regierungen agieren immer noch im Blindflug auf die Pandemie. Das heisst, sie agieren kaum, denn sie können aufgrund der Datenarmut nur reagieren. Mittels Erhebungsmetoden aus der Marktforschung könnte hier rasch Abhilfe geschaffen werden. 

Rebecka Carpenter lebt in Dubai und in der Schweiz. Sie engagiert sich für Fragen aus den Bereichen der Soziologie, der Makroökonomie und der Marktforschung. Ihr Beitrag in True Economics vom 9. April hat einige Wellen geworfen, unter anderem bis zu Entscheidungsträgern im Fernen Osten. Wir haben nun nachgefasst – ein spannendes Interview!

Corona – Informationspyramide

T-E: Rebecka, sind Sie nun auch Epidemiologin?

RC (lacht): Ja, klar! Es gibt nun ja gut 8 Millionen Epidemiologen – alleine in der Schweiz! Wir befinden uns zurzeit eben in einer Sondersituation: Die Regierungen und eigentlich auch die Epidemiologen verfügen über kaum mehr Informationen als ein aufmerksamer Bürger, der versucht, die Flut an Medieninformationen zu bewältigen. Da ist plötzlich jeder Epidemiologe. Nicht Virologe natürlich, das wäre zu technisch.

T-E: Sie verfolgen einen anderen Ansatz: die systematische Datenerhebung mittels Random-Methode. Wieso wird denn das bei der Krisenbewältigung nicht gemacht?

RC: Da und dort wird das nun gemacht – aber sehr zögerlich. In Südkorea seit Monaten schon, in Island, Österreich vereinzelt, punktuell jetzt in München. Oder in den USA beispielweise, allerdings auf falsche Weise: 3‘000 willkürlich getestete Personen vor einem Supermarkt sind nicht repräsentativ – ein Fake-Random, sozusagen. 

Testen bringt viel. Aber wenn nicht genügend Testmaterial zur Verfügung steht, bleibt nur die Stichprobe. Wenn nur Leute mit Symptomen getestet werden, bringt das auch nur eine Teilinformation. Wir möchten hingegen wissen, wie es im ganzen Land und/oder einer Region aussieht, also müssen Daten random-mässig erhoben und hochgerechnet werden. Dafür braucht es gar nicht so viel Testmaterial.

Marktforschungsinstitute könnten binnen Tagen Abhilfe schaffen. Die wissen, wie man solche Stickproben repräsentativ auf die Beine stellt. Die ausgewählten Personen können anschliessend sofort zu einem Test aufgeboten werden, und hinterher könnten, zusammen mit den Epidemiologen, fundierte Entscheide vorbereitet werden – die volkswirtschaftlich vermutlich weit weniger schädlich wären.

T-E: Also wären jetzt die Politiker gefragt, solche Randomtests einzuleiten!

RC: Nein, bitte nicht die Politiker! Sondern die Krisenstäbe. Und hier liegt schon mal das erste Problem: Unsere Krisenstäbe bestehen vorab aus Politikern oder Verwaltungsleuten, welche ungeeignet sind für ein Krisenmanagement. Ein Krisenstab sollte ein professioneller Führungsstab mit Spezialisten sein. Bundesräte z.B. eignen sich hier nur bedingt.

Dieser Krisenstab sollte also Marktforscher, Epidemiologen und Virologen zusammenbringen. Wohlverstanden: zusammenbringen. Der Stab selber muss natürlich aus führungs- und kommunikationserfahrenen Krisenspezialisten bestehen. Marktforscher und Epidemiologen reden übrigens nicht freiwillig miteinander; man müsste sie also dazu verdonnern.

T-E: Das verwundert. Beide Seiten sind doch in statistischen Fragen beschlagen!?

RC: Es ist ein psychologisches und ein narzisstisches Problem: Die Naturwissenschaftler pflegen empirische Statistik und extrapolieren Kurven. Marktforscher sind ungenau, machen Stichproben, erhalten so jedoch ein Big Picture. Das passt eben nicht genau zusammen. Die Genauigkeit via Random-Methode würde indessen absolut ausreichen, um den Nebel zu lichten. Dann kann auch vernünftig entschieden werden.

T-E: Aber das Bild verändert sich doch laufend. Die Daten von gestern sind nicht die Daten von heute!

RC: Klar, deshalb müssen die Untersuchungen periodisch erfolgen, mit vergleichbaren Samples. Dann sehen wir auf der Zeitachse genau, was passiert. 

T-E: Im Moment scheinen fast alle Staaten nichts zu wissen: wie viele sind infiziert, wie viele sind immun, usw.

RC: Genau. Es geht noch weiter, sie wissen in der Regel auch nicht, ob die aufgeführten Todesfälle wirklich alle auf Covid-19 zurückzuführen sind. 

T-E: Wohl ein Problem der Pathologie, nicht der Marktforschung…

RC: Jein. Man muss ja nicht gleich alle aufschneiden. Auch hier könnten Stichproben reichen. Das wäre Random-Pathologie.

Wenn das alle Staaten einigermassen gleich machen würden, gäbe es wohl bessere Erklärungen für die grossen Unterschiede bei den heutigen Todesfallraten. In Deutschland z.B. wird viel mehr pathologisch untersucht als in der Schweiz. So entsteht vielleicht die hohe Todesfallrate bei uns – wenn nämlich gleich jeder infizierte Tote als Coronaopfer identifiziert wird, ohne dies auch genau zu untersuchen. Wir wissen einfach zu wenig, leiten dann aber auf Basis dieses Unwissens Lockdown-Entscheide ab, die vielleicht unnötig sind. Mit fatalen wirtschaftlichen Auswirkungen. Das ist unseriös.

T-E: Was wären also die konkreten Massnahmen für eine Informationsgewinnung, die nur die wirklich nötigen Einschränkungen auslösen würde?

RC: Wir brauchen ein Informationsmodell in Pyramidenform (Redaktion: siehe Chart oben). Erstens Random-Methoden zur Erhebung der Infektionsrate und deren Entwicklung. Wir vermuten, dass die Infektionsrate in der Schweiz beispielsweise bei ein paar wenigen Prozenten liegt. Wir wissen es aber nicht, wir testen ja nur Leute mit Symptomen. Und dann vergleichen wir zu allem noch die Länder miteinander, welche, in unterschiedlicher Weise und auch nur entsprechend der Verfügbarkeit von Testmaterial, ihre Tests durchführen. Es wird ja nur getestet, wer ein bisschen hustet – nun ziemlich übertrieben dargestellt. Wir vergleichen also Äpfel mit Birnen. Aber täglich werden in den Medien die Anzahl entdeckter Infektionen heruntergebetet. Das hat rein gar nichts mit der Infektionsrate zu tun!

Gleichzeitig, so zweitens, könnte mittels Random-Methode die Immunitätsrate für ein Gebiet oder ein Land eruiert werden, auch hier repräsentativ und periodisch; die Zeitachse müssen wir gut im Griff haben. Wenn wir beispielsweise verlässlich hochrechnen könnten, wie viel Prozent der Bevölkerung immun sind, und wie schnell sich die Immunität entwickelt, könnten wir seriöser extrapolieren. Vielleicht kämen wir zum Ergebnis, dass es mit unseren Lockdown-Massnahmen zwei Jahre dauern könnte, bis wir eine Herdenimmunität von heute vielleicht 2-3% auf 60-70% erreicht hätten. Dann würden wir sofort erkennen, dass unsere Einschränkungen nicht reell waren – auch nicht im Hinblick auf die künftige unsichere Erhältlichkeit von Medikamenten und Impfstoffen. Aber das ist nur Spekulation – wir kennen die Immunitäts- und die Infektionsraten einfach nicht, und wir wissen nicht, wie sie sich entwickelt. Marktforschungsinstitute könnten ziemlich zuverlässig Samples definieren und die entsprechenden Personen definieren, die es dann zu testen gilt. Das wäre kein grosses Unterfangen. 

Die weiteren Pyramidenstufen, die mit den Hospitalisierten und Intensivbetreuten, sind einfacher zu erheben. Wir müssen nur aufpassen, dass wir streng definieren, was „Corona-Patienten“ sind. Und die Daten sollten rascher erhoben und zentral professionell gemanagt werden. Bis vor kurzem mussten Daten unserem BAG via Fax übermittelt werden und deren Auswertungen waren nicht einmal IT-fähig. Solche Defizite sind natürlich peinlich.

T-E: Falls wir alle Daten zusammenhätten: Wir wüssten dann, wie hoch die Infektionsraten und die Immunitätsraten sind, wir kennen deren Entwicklung, und wir verfügen auch über die Daten der Hospitalisierten und der Intensivbetreuten, auch die genaueren Todesursachen – was wäre dann anders?

RC: Das wären Meilensteine! Dann könnten wir die sozialen und wirtschaftlichen Einschränkungen minimalisieren und zielgenau operieren. Wir könnten auch besser nach Regionen unterscheiden. Wir hätten schon früher mit punktuellem Social Distancing oder Quarantänen und Isolierungen beginnen können. Und wir könnten dort lockern, wo eine Einschränkung kaum etwas bringt. Schon vorher hätten wir ein besseres Bild mittels elektronischem Tracking erhalten – ein Thema, was sich jetzt erst einmal überlangsam und demokratisch setzen muss. Die Dringlichkeit würde aber einen sofortigen Einsatz dieses Mittels erfordern, notfalls auf Freiwilligkeit. Die Software dazu bestünde. 

Mit diesem Wissen und den Massnahmen wären die volkswirtschaftlichen Kosten viel geringer. Heute wird vor allem politisch entschieden: Im Supermarkt bleibt der Verkauf von gewissen Sortimenten gesperrt, weil der Kleinhandel nicht benachteiligt werden soll. Der Teppichhändler bleibt geschlossen, das Nagelstudio jedoch geht auf. Das sind keine Entscheide auf Basis medizinischer Erkenntnisse über die virologische Entwicklung. Und sie sind auch ökonomisch falsch und fatal.

T-E: Es scheint, dass die Balance von Pandemiebekämpfung und Wirtschaft nicht gefunden wurde.

RC: Richtig. Aber es geht noch weiter: In einzelnen Ländern werden die ökonomischen Kollateralschäden der falschen Lockdowns so gross sein, dass diese Staaten nicht mehr über die nötigen Mittel für eine ordentliche Gesundheitsversorgung verfügen werden. Das wird bedeutend mehr Tote zur Folge haben als Coronatote, insbesondere in Entwicklungsländern.

Das ist schade, denn mittels besserem Wissensstand – auch wenn es nur Random-Wissen ist – hätten viele Staaten ihre Lockdowns vielleicht intelligenter orchestrieren können. 

T-E: Es ist zu früh, um Bilanz zu ziehen, auch ökonomisch. Man spricht von Depression – weltweit. Sind wir zu spät dran?

RC: Ja, zum Teil haben wir das Momentum verpasst. Die Pandemie ist nicht besiegt, dafür aber die Wirtschaft. Wir können natürlich Gegensteuer geben, einige Kollateralschäden können jedoch nicht rückgängig gemacht werden.

Eine nächste Pandemie wird kommen. Wir brauchen also handfeste Pläne. Singapur weiss seit 2010 genau, was im Falle einer Pandemie zu tun ist und konnte entsprechend gewandt reagieren (hat dann allerdings, mit massiven Folgen, nicht an die ungeschützten Immigranten-Arbeiter auf den Baustellen gedacht). Die Schweizer Regierung hat eine Pandemie 2015 als eine der höchsten Fatalrisiken eingeschätzt – und kaum etwas getan. Wir brauchen Pläne, die gut austariert sind und die wir aus der Schublade nehmen können. Das nächste Mal zumindest, denn bei Covid-19 haben die meisten Staaten versagt! Die Schlüssel für das künftige Krisenmanagement ist also erstens die richtige Vorbereitung für Szenarien, zweitens das intelligente Datenmanagement beim Eintreffen eines Szenarios. Wir müssen es das nächste Mal einfach besser machen!

Ein zu tiefer Erdölpreis ist Gift

Ein Barrel Öl der Sorte Brent um die 60 USD: Das war die bisherige neue Benchmark. Mit der könnten alle leben. Noch vor einiger Zeit lag er auf unangenehmen 100 USD, jetzt tendiert er gegen null. Die Ausschläge sind Gift für die Wirtschaft. Doch keine Lösung ist in Sicht. 

Ein hoher Erdölpreis freut natürlich die Produzentenländer. Aber sie haben gelernt, dass ein zu hoher Preis die Konjunktur in den nicht-produzierenden Ländern schwächt – was letztlich auch den produzierenden Ländern nicht dient. Ein möglichst tiefer Preis freut insbesondere die Amerikaner: sie könnten dann ihre SUVs unbeschwerter über den Highway bewegen, und es bleibt mehr Geld für den Cheeseburger. Ein zu tiefer Preis ist aber trotzdem nicht gut für die USA, denn dann kann der heute grösste erdölproduzierende Staat der Welt seine Frackingindustrie nicht mehr profitabel betreiben.

Also müsste der Preis schön in der Mitte liegen, dann tut er keinem weh. So würde weltweit alles gut planbar bleiben: für die Produzentenländer, für alle andern Volkswirtschaften, die Industrie, die Haushalte. 

Und nun dies: die komplette Preiserosion.

Erdölproduzierende Länder in Finanznöten

Dass bei einem lächerlich tiefen Ölpreis Venezuelas korruptes Regime kollabieren könnte, käme uns ja ganz willkommen. Wenn allerdings die Golfstaaten fast pleite gingen, mag uns das – kurz nur – mit einer gewissen Schadenfreude erfüllen. Bis wir uns daran erinnern, dass diese Volkswirtschaften auch für uns als Konsumenten wichtig sind. Auch Russland, welches ausser Waffen, Wodka (und auch Trolls) wohl nie etwas Brauchbares exportiert hatte – ausser Rohstoffe eben! – ist ein wichtiger Markt für uns, der intakt bleiben sollte. Bei aller Häme nämlich. Auch Brasilien und viele andere Staaten werden in ernsthafte Schwierigkeiten kommen, wenn der Erdölpreis nicht ein Niveau behält, welches diese Volkswirtschaften am Leben lässt. Für den Moment wenigstens, denn nachhaltig mag es nicht sein, vorab von Erdölverkäufen zu leben. Denn nur echte Wertschöpfungen werden das langfristige Überleben dieser Staaten sichern. 

Kurz- und mittelfristig brauchen wir für diese Länder auf jeden Fall einen attraktiven Preis an den Spotmärkten.

Der Innovationskiller

Der tiefe Erdölpreis schadet selbstredend allen Investitionen in alternative Energien. Die gesamte Branche, die auf den Innovationen, den Entwicklungen und dem Verkauf aus Leistungen aus dem Alternativenergiebereich basieren, wird leiden. Von Investitionen in diesen Feldern  müsste jetzt eigentlich abgeraten werden, sollte sich der Erdölpreis nicht markant erholen. Schade. 

Der Erdölpreis muss sich also dringend wieder auf einem höheren Niveau etablieren, sonst wird es zu Innovationsverwerfungen kommen.

Politischer Zündstoff

In den USA, wo die Erdölindustrie ein starker Supporter der derzeitigen Regierung ist (und umgekehrt), wird ein erodierender Ölpreis zum Desaster für die Trump-Show. True Economics möchte keine politische Stellung beziehen. Nur: Der Erdölpreis wird Einfluss auf die Politik haben – und damit eben auf das künftige Staats-Management. Das kann Hoffnungen oder Stirnrunzeln produzieren.

Die Chance: neue Steuern auf Energie

Es ist damit zu rechnen, dass die OECD-Staaten das neue Ölpreisniveau nicht einfach so hinnehmen werden. Sie werden neue Steuern auf fossilen Energien erheben, und das Geld so abschöpfen. Aber das muss nicht schlecht sein – im Gegenteil: Es wird helfen, mit willkommenen und bitter nötigen Mehreinnahmen aus der Krise zu finden. 

Wenn die Steuern auf billigsten und letztlich problematischen Energieträgern nicht erhöht werden, werden keine weiteren Innovationen möglich sein. 

True Economics ist eine liberale, der freien sozialen Ökonomie verpflichtete Plattform mit dem Glauben an einigermassen gut funktionierende Marktmechanismen. Steuern sind sehr oft nur ineffiziente Umlenkungs- und Umverteilungsvehikel. Aber hier nun die Ausnahme: Absurd tiefe Energiepreise sollten sofort genutzt werden für eine sinnvolle staatliche Abschöpfung. Besser als unternehmerfeindliche oder konfiskatorische Steuern für Privatpersonen.

Vonnöten: eine starke Opec++

Ein Kartell ist eigentlich immer ein ökonomischer Sündenfall. Nun sollten wir indessen eine zweite Ausnahme machen: Ein stabiler, moderat kontrollierter und sich auf einem für die ganze Weltwirtschaft vernünftig einpendelnder Ölpreis wäre für alle wünschbar. Das kann leider – und es wird jedem freien Ökonomen das Herz brechen – nur gelenkt erfolgen. Ob zum Beispiel Opec++ oder wer auch immer: Es muss eine neue Ordnung her. 

Der Börsencrash ist überfällig

Mit Verwunderung verfolgen wir zurzeit die Börsenkurse. Der Einbruch kam nicht überraschend, wir konnten uns triumphierend zurücklehnen („wir hatten es doch gewusst“)! Wir rieben uns allerdings die Augen, als es wieder aufwärts ging. Die Ausschläge zurzeit sind ein Traum für jeden Daytrader und die Hedgefunds: So lässt sich Geld verdienen. Die Richtung spielt keine Rolle, es zählt die Veränderung. 

Mit der schwersten Rezession oder gar Depression vor Augen lässt es sich ökonomisch allerdings kaum nachvollziehen, warum die Kurse jetzt nicht einmal gehörig runterrasseln. Börsenkurse sollten die künftigen Unternehmensgewinne doch „exkomptieren“. Tun sie das wirklich?

True Economics wird sich hüten, jetzt einen „Börsenbrief“ zu erstellen – oder auch künftig „Börsentipps“ abzugeben. Aber ein paar Fundamentalüberlegungen sollten erlaubt sein.

Wishful Thinking der Anleger

Vielleicht glauben die Anleger – und die weisen Analysten – dass die angekündigte Rezession bald durchgestanden ist? Dass der Corona-Knick nur kurz wirkt, dass es nachher gleich weitergeht?

Die meisten Unternehmen können in der Tat nichts für den Einbruch im 2020. Sie sind quasi „unschuldig“, die Krise kam über Nacht, gleich einem Black Swan. Einfach ein Unfall. Ein exogener Einfluss, sodass die Firmen an sich als „fundamental intakt“ bewertet werden könnten. Also einfach einen Strich unter das verhauene Ergebnis 2020, nach vorne schauen in Richtung 2021 und später.

Wer so denkt, blendet den Langzeiteffekt der globalen Lockdowns aus. Die Verwerfungen in der Wirtschaft werden länger anhalten, die Ergebnisse in vielen Branchen werden auch nachher noch „verhauen“ sein. Spätestens nach der Aufhebung der Lockdowns werden wir mit Entsetzen feststellen, dass nicht einfach dort wieder weitergemacht wird, wo vor der Krise aufgehört wurde. Viele Branchen werden sich zum Teil mit Verwunderung auf einem deutlich tieferen Niveau wiederfinden, von wo aus sie sich mühsam aufzurappeln müssen. Das Wishful Thinking betreffend eines „Unfalls“ wird dann jäh der Erkenntnis weichen, dass dummerweise falsch exkomptiert wurde. Und spätestens dann – wenn also festgestellt wird, dass nach dem Lockdown die Welt nicht mehr die gleiche ist – werden die Kurse nach unten korrigieren. Dann vielleicht aber richtig…

Leider kaum Anlagealternativen

Natürlich sind momentan – und auch nicht auf absehbare Zeit – keine gescheiten alternativen Anlagemöglichkeiten vorhanden. Mit Cash allein verliert man (in unseren Währungen sicher), mit Obligationen und Staatsanleihen ist auch keine Rendite auszumachen, und mit Investitionen in Immobilien oder Direktinvestitionen in Unternehmen ist wohl erst einmal zuzuwarten, bis sich der Nebel lichtet. Den grossen Goldkauf haben wir zudem vielleicht auch verpasst… Also bleibt doch nur die Börse?

Meine Antwort lautet: Ja, als begnadeter Daytrader lässt sich jetzt ein Haufen Geld verdienen. Falls man sich diese Qualitäten des Daytraders nicht zutraut, sollte man jetzt einfach die Hände von dem Vabanquespiel an der Börse lassen. Erst mal den Scherbenhaufen begutachten!

Jetzt alles verkaufen?

Falls wir also der Ansicht sind, dass „die Börse“ falsch liegt, dass die wahre Misere wohl nicht eingepreist ist, müsste unzweifelhaft ein grosser Crash bevorstehen. Die Konsequenz: alles verkaufen? Das könnte nicht das Dümmste sein, mit ein paar Ausnahmen vielleicht: Papiere aus Branchen mit grossem Innovationspotential, aus dem IT- und Kommunikationsbereich, Medtech, Pharma, Lebensmittel beispielsweise könnten wir halten. Aber den Rest liquidieren!

Der gesunde Menschenverstand würde uns dazu raten. Der Blick in die Glaskugel hilft dabei auch nicht weiter. Wir könnten nun einfach das Gegenteil tun von dem, was uns die Bankanalysten raten: Wir hätten in den letzten Jahren damit ein paar Mal gutes Geld verdienen können.

Zum Beispiel könnten wir uns jetzt aus den Emerging Markets verabschieden: Implodierende Rohstoffpreise, gestoppter Tourismus und massive Überschuldungen könnten uns zu diesem sofortigen Schritt bewegen. Zumindest vorübergehend. Echte Emerging Markets werden sich allerdings ziemlich schnell wieder erholen.

Fazit: Wir können nur spekulieren. Zumindest eine Empfehlung kann abgegeben werden: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Gerade jetzt, in diesem Umfeld. Also doch besser alles verkaufen? Natürlich nur als intelligenter Zwischenschritt – denn die Hoffnung stirbt zuletzt, dass es irgendwann später wieder hinaufgehen muss.

Der 10-Jahreshorizont

Die Philosophie ist uns bekannt: „Wenn man Aktien nur lange genug hält, geht die Rechnung immer auf“. Stimmt, über eine sehr lange Periode ging die Rechnung meistens auf. Es gibt jedoch auch unappetitliche Ausnahmen mit miesen Zwischenzeiten. So hat der Nikkei-Index die Höchststände der 80er-Jahre bis heute bei weitem nicht erreicht. Auch viele europäische Börsen konnten zu Beginn dieses jungen Jahrhunderts ein verlorenes Jahrzehnt verbuchen. Die wahre Regel lautet: Langfristig wird man Geld verdienen an der Börse – jedoch nicht dann, wenn man zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt einsteigt!

Vielleicht ist dieser Zeitpunkt gerade jetzt gegeben. Oder vorsichtiger formuliert: Es besteht eine grosse Chance, dass der heutige Zeitpunkt für den Einstieg gerade falsch sein könnte.

Die Zeit nach dem Crash ist interessanter!

Im Moment kaufen die Notenbank in absurdem Umfang Wertschriften auf, gleichzeitig wird die Notenpresse mit Höchsttempo bedient. Irgendwann einmal – irgendwann – wird zu viel leergekauft sein und die Nachfrage an der Börse sinkt. Auch dies wird einer der spätesten Zeitpunkte sein, an denen eine Preiserosion stattfinden wird. Das Zusammentreffen dieser Einflüsse, also das Ende des „Quantitative Easing“ und der Erkenntnis, dass die Welt nach Corona doch eine andere ist, könnte endgültig die Wende an der Börse bringen.

Die Zeit nach dem Crash wird dann umso interessanter sein: Einmal angekommen in der BIP-Talsohle der einzelnen Volkswirtschaften, wird die Börse – weil letztlich trotzdem intelligent – den Aufschwung vorausnehmen. Dann gilt es, rechtzeitig wieder einzusteigen. Aber vorher besser noch heute liquidieren!

Also doch ein Börsenbrief…? Nein, nur gesunder Menschenverstand, basierend auf einem wahrscheinlichen ökonomischen Szenario. Leider ist die Börse oft ein „unguided missile“. Oft kommt es nicht so, wie man denkt. Aber so, wie man gedacht hat.

Sollen wir es also künftig eher lassen mit den „Börsenbriefen“?

Kennt Frau Sommaruga den Flügelschlag des Schmetterlings?

Das Bild des Meteorologen Lorenz mit dem Schmetterling kennen wir: Ein Orkan in Texas könnte durch den Flügelschlag eines Schmetterlings ausgelöst werden. Leider sind die Auswirkungen von Lockdowns ähnlich, denn die Kollateralschäden sind mannigfaltig und werden unterschätzt. 

Nicht, dass Frau Sommaruga jetzt dafür verantwortlich wäre, dass der Ölpreis auf null gesunken ist. Es ist jedoch so, dass insbesondere „planwirtschaftliche“ Auswirkungen zuweilen zum nicht vorhersehbaren Desaster führen.

Negative Multiplikatoreffekte

Die Volkswirtschaft lehrt uns die Bedeutung der Multiplikatoreffekte: Positive Wirtschaftsimpulse bewirken weitere solche. Investitionen oder Konsumausgaben multiplizieren sich im Schneeballsystem: Wird mittels höherem Paycheck im Restaurant ein teureres Menü bestellt, so erhöht das Restaurant die Bestellung beim Metzger, der Metzger stellt einen neuen Bankmetzger ein, welcher sich schliesslich auch einen zusätzlichen Kebab an der Strassenecke leistet – und so fort. Natürlich streiten sich die Ökonomen, was mehr wirkt: zum Beispiel Geld unter die Leute zu bringen, staatliche Ausgaben zu erhöhen oder die Zinsen zu senken? Allerdings hatten in den letzten Jahren weder die Monetaristen noch die Keynesianer Recht, denn die Wirtschaft hat sich leider anders verhalten, als die Lehre es vorsah. 

Die Volkswirtschaftslehre und insbesondere die Ökonometrie pflegten zwar die Behandlung des Multiplikatoreffekts – aber vor allem nur in eine Richtung. Es war offenbar zu wenig interessant, Multiplikatoreffekte à fond auch im negativen Sinne zu untersuchen.

Lockdowns sind Infarkte

Lockdowns bewirken bekanntlich einen sofortigen Stillstand von Teilen der Wirtschaft. Im entsprechenden Wirtschaftszweig wird mit unmittelbarem Effekt ein Nullumsatz erzielt. Dem Staat entstehen immense Kosten (Zahlungen für Kurzarbeit, höhere Arbeitslosigkeit, Reduktion des Steuersubstrates, etc.). 

Gleichzeitig setzt jedoch ein negativer Multiplikatoreffekt ein: Der Unterbruch der Lieferketten setzt sich dominoartig rückwärtig fort. Die Gastronomie bestellt also nicht mehr bei der Grossmetzgerei, der Bankmetzger wird entlassen, dieser leistet sich einen Kebab weniger. Allerdings verschiebt die Metzgerei auch den Ersatz des Kühlgerätes, die Produktion und Installation von Kühlgeräten wird betroffen – und so fort. Die Effekte finden natürlich nicht so plakativ statt, wie dargestellt. Es sind jedoch sublime winzige Einzeleffekte, die in deren Addition und Wechselwirkung letztlich in einer BIP-Reduktion münden.

Der wahre Virus ist der negative Multiplikator

Perverserweise ist der böse Virus eigentlich der negative Multiplikatoreffekt, welcher sich unkontrolliert ausbreitet. Je länger ein Lockdown dauert, desto mehr Teile der Wirtschaft werden infiziert, wobei die Rückverfolgung der Infizierung sehr rasch unmöglich wird. Dauert der Negativeffekt zu lange, sind die Kollateralschäden dauerhaft, da ganze Strukturen beschädigt werden. Der Konkurs eines einzelnen Restaurants ist zwar bedauerlich, es wird jedoch wieder neue Betreiber geben. Optisch hält sich der Schaden damit im Rahmen. Mit den neuen Investitionen werden auch neue positive Multiplikatorimpulse freigesetzt. So weit, so gut.

Nur sind die bereits erfolgten negativen Multiplikatoreffekte dabei vergessen gegangen. Zudem wird es Branchen geben, welche sich nicht sofort erholen können, weil deren Gerüste beschädigt sind. Und es wird, aufgrund der direkten Schliessungsauswirkungen und der Dominoeffekte noch länger Arbeitslose und Kurzarbeitende geben, welche nicht im üblichen Masse konsumieren werden.

Längerfristiger Schaden

Bis sich die ganzen rückwärtigen negativen Auswirkungen wieder erholt haben, muss also von vorne (Investitionen oder Konsum) ein positiver Schneeballeffekt einsetzen. Es wird Monate und Jahre dauern, bis alle Blessuren verheilt sind.

Wenn der Schweizer Bundesrat meint, dass mit der Wiedereröffnung des Blumenladens jetzt diese Branche gerettet ist, hat er den rückwärtigen Multiplikatoreffekt vermutlich vergessen. Der hält nämlich noch an. In der ganzen Liefer- und Dienstleistungskette aller geschlossenen Läden und blockierten Aktivitäten wird der entstandene Gap nicht einfach wieder aufgefüllt, er bleibt vorerst, vor allem zuhinterst, am Ende der gefallenen Dominosteine, länger bestehen. 

Die Schliessung von Teilen der Wirtschaft, welche mit den nötigen Schutzmassnahmen und Social Distancing durchaus arbeiten könnten (z.B. Fachmärkte), wird damit zu einer fahrlässigen, vordergründig medizinischen und hintergründig zu einer politisch motivierten Entscheidung mit wirtschaftlichen Auswirkungen, welche unterschätzt werden. Mit jedem Tag der Einschränkung werden eben nicht nur Millionenverluste aus entgangenen Umsätzen und zusätzliche Sozialkosten produziert, sondern auch nicht aufholbare ökonomische Kollateralschäden. 

Sehenden Auges in die Depression?

Nicht nur der Schweizer Bundesrat, auch die meisten Regierungen fahren also sehenden Auges (oder eben doch blind) in ein wirtschaftliches Desaster, welches sich nicht einfach in einer wieder gutzumachenden kleinen Rezession manifestiert, sondern in nachhaltigen Schäden. Wir werden rückblickend wohl von einer Depression sprechen. Nicht von der bekannten grossen Depression in den 1930-er Jahren, sondern von der, welche 2020 ausgelöst wurde. Sie wurde indessen nicht durch Covid-19, sondern durch falsch orchestrierte Lockdowns verursacht. Die weltweiten Lockdowns hatten letztlich auch Auswirkungen auf den Ölpreis, der in diesen Stunden nahezu auf null abgesunken ist. Neue Flügelschläge des Schmetterlings setzen ein. Diesmal sind es vielleicht Flügelschläge des Albatros.

Ob jemals ehrlich abgerechnet wird?

Lockerung des Lockdowns: alles nur Politik?

Der Bundesrat und die Behörden feilschten wohl wochenlang hinter den Kulissen um einen Lockerungsplan. Eigentlich sollten medizinische und wirtschaftliche Prämissen den Fahrplan bestimmen. Das Resultat indessen ist nun ein politisches und nur beschränkt nachvollziehbar.

Kosmetikgeschäfte sicherer als Fachmärkte?

Die Epidemiologen hätten natürlich einen möglichst scharfen Lockdown belassen, die Wirtschaft dagegen eine möglichst rasche Öffnung gewünscht. Der Staat als Ganzes musste die Balance finden, um die medizinischen Auswirkungen nicht aus dem Ufer laufen zu lassen, während die Wirtschaft wieder atmen kann. Denn nur so lassen sich die Gesamtkosten in den Griff kriegen. Dass grosse Veranstaltungen, Partys, Gastronomie und andere Aktivitäten und Wirtschaftszweige das Social Distancing nicht gewährleisten können, leuchtet ein. Also warten. Dass mit Auflagen die Schulen nächstens wieder irgendwie funktionieren müssen und generell wieder flächendeckend normaler gearbeitet werden muss, leuchtet ebenso ein.

Aber nun dies: Blumenläden, Coiffeurgeschäfte, Kosmetik- und Massagesalons sind offenbar sicherer und wirtschaftlich relevanter als z.B. Fachmärkte, Möbelmärkte, etc.? Ein Jux…?

Übertragungsrisiko zu hoch bei über 800 m2 Verkaufsfläche?

Die Deutschen verblüfften uns schon kurz zuvor: Unter 800 m2 Verkaufsfläche scheint die Epidemie besser einzudämmen zu sein, als über 800 m? Es ist schlichtweg nicht nachvollziehbar, wieso sich die Ladengrösse invers zur Sicherheit verhalten sollte. Das Gegenteil ist der Fall: Je grösser die Ladenfläche, desto geringer die Frequenz – und desto geringer die Übertragungsrisiken.

Schon vorher unlogische Einschränkungen

Was in der Schweiz schon vorher nicht nachvollziehbar war: Warum durfte die kleine Bäckerei und Metzgerei, wo hinter der Theke das Personal ungeschützt über die Auslagen hustet (wie auch im Supermarkt übrigens), offen bleiben, der weitflächige Elektronikfachmarkt (Media Markt z.B.)  aber nicht? Ebenso waren die Bau- und Gartenmärkte bis jetzt geschlossen, dies zum Beispiel im Gegensatz zu Deutschland.

Grosse Fachmärkte weisen im Vergleich zu den Grossverteilern im Lebensmittelhandel in der Regel eine lächerliche Frequenz auf. Mit den nötigen Sicherheits-Auflagen hätten auch Möbelgeschäfte (Ikea z.B.) oder andere grosse und frequenzarme Anbieter spielend und ohne Risiko offen bleiben können. Nun müssen diese Angebotskonzepte in der Schweiz auch beim neuen  Öffnungsschritt noch geschlossen bleiben. 

Handys durften schon bisher, aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen (unter Verharren in Warteschlangen bis nach draussen), nur im kleinen Mobilfunkshop gekauft werden, und es mussten über Wochen verkaufsfertige Setzlinge aus den gut durchlüfteten Gartencentern auf den Müll geworfen werden. Das kurzarbeitende Personal dieser frequenzarmen Fachmärkte wurde vom Staat einfach durchgefüttert. Nun gut, vielleicht war das einfach ein Regiefehler. Der Staat musste handeln, ganz rasch. Da kann man einmal daneben schiessen.

Nichts gelernt? Oder alles nur Politik?

Inzwischen ist die Informationslage klarer, das Wissen um die Pandemie geschärft und die Behörden sollten dazugelernt haben. Sollten. Denn der jüngste Lockerungsentscheid spricht eine andere Sprache: Wie ist es möglich, einem Möbelhändler oder andern grossen Detailhandelsbetrieben auf der grünen Wiese die Öffnung zu verbieten, dem Blumenhändler hingegen nicht? Der Entscheid kann nur politisch sein, denn aus Frequenz- und Ansteckungsgründen lässt er sich nicht nachvollziehen. Gelten die grossen Konzerne als überlebensfähiger und muss ihnen nicht geholfen werden? Oder geht es eher darum, das „einheimische“, also nicht-ausländische Gewerbe zu schützen? Um Konkurse kleinerer Geschäfte zu vermeiden? Oder um die Basiswähler von Gewerbetreibenden bei der Stange zu halten? Es muss so sein. Ein Coiffeurbetrieb stellt ein grösseres Coronarisiko dar als ein grosser Sportfachhändler. Es mag einleuchten, dass ein Haarschnitt nun langsam dringender geworden ist als der Kauf eines neuen Tennisrackets. Aber epidemiologisch können diese Öffnungsentscheide nicht begründet werden. Ökonomisch auch nur bedingt. Gewisse Branchen haben wohl einfach das bessere Lobbying.

Zu allem Übel befinden sich die kleineren Geschäfte in den Innenstädten, mit deren Öffnung erhöht sich die Frequenz in den Fussgängerzonen und öffentlichen Nahverkehr. In die Fachmärkte indessen gelänge man geschützt im eigenen Fahrzeug, ohne zu Fuss die virologisch stärker gefährdenden Boulevards zu passieren. Diese Öffnungs-Selektion macht damit weder wirtschaftlich, noch medizinisch Sinn!

Kosmetiksalon statt Golfplatz

Ebenso wenig nachvollziehbar ist, dass nun ein Kosmetiksalon wieder öffnen darf, der Golfplatz aber bis auf weiteres geschlossen bleibt. Wie eine Gesichtspflege ohne Körperkontakt erfolgen soll, wird uns der Bundesrat wohl noch erklären müssen. Und warum das Golfspiel – erwiesenermassen eine Sportart mit eher kontrolliertem Körpereinsatz, aber sicher ohne Körperkontakt – verboten sein soll, bleibt wohl ein grosses virologisches Rätsel.

Oder ist es doch nur ökonomisches Unvermögen?

Entweder liess sich der Bundesrat schlecht beraten, er knickte vor gewissen Gewerbelobbys ein, oder er macht einfach generell sein politisches Ding. Mit gigantischen ökonomischen Folgekosten. Umsatzverluste sind letztlich auch Verluste von Steuersubstrat, abgesehen von den Kurzarbeits- und anderen Unterstützungskosten. Ökonomie scheint den Bundesrat zurzeit so oder so nur noch am Rande zu interessieren. Zwar hat er in den letzten Jahren erfolgreich gespart. Nun aber gibt er das Geld mit beiden Händen aus und erhält allenthalben viel Support dafür. Geld kostet ja eigentlich nichts, da zinslos. Zur partiellen Entschuldigung vielleicht: Kaum ein Mitglied des siebenköpfigen Schönwetterclubs konnte je eine fundierte ökonomische Ausbildung geniessen. Sie können zwar Trauben ernten, Klavier spielen oder kennen sich in der Juristerei etwas aus. Im besten Fall bringen sie – im Falle von Ueli Maurer – etwas buchhalterische Verbandsführung mit. Der Staat wird also von einem Stab geleitet, welcher bar jeder mikro- oder makroökonomischen Ausbildung oder Berufserfahrung ist. Kein Wunder, werden gerade jetzt Entscheide gefällt, welche vorab politisch sind.

Verquere Entscheide betreffend den Grenzöffnungen vorprogrammiert

Zu befürchten ist, dass nebst den Entscheiden in Sachen Gastronomie und Veranstaltungen der Entscheid betreffend Wiederöffnung der Grenzen ebenso politisch gefällt werden wird.

Schon bisher war die Grenzschliessung für den Privatverkehr nur teilweise nachvollziehbar. Viren wissen nämlich nicht, wo die Landesgrenze liegt. Deren wirkungsvolle Eindämmung müsste so oder clustermässig für einzelne besonders stark verseuchte Gebiete erfolgen. Nicht nur die Schweiz, die ganze EU hatte hier sehr eigennützig und unkoordiniert gehandelt. Die Schweizer Übergänge für die Grenzgänger indessen blieben weit offen wie ein Scheunentor. Als ob diese zwar bitter nötigen, aber privilegierten Personen quasi virenlos passieren könnten. Das Schweizer Gewerbe freute es, der Einkaufstourismus ins nahe Ausland konnte gekappt, Milliardenausgaben wieder in die Schweiz geholt werden. Gleichzeitig durfte dergestalt bei den Schweizer Grossverteilern an der Preisschraube gedreht werden, denn auf einen Schlag fiel die böse ausländische Konkurrenz mit den unanständig tiefen Preisen weg. 

Was zum Geier wird hier vorbereitet?

Wetten, dass die Schweizer Gewerbelobby noch länger versuchen wird, die Grenzöffnungen möglichst hinauszuzögern? Nicht aus medizinischen Gründen natürlich, sondern schlicht und einfach aus Eigeninteresse. Wieder einmal zum Schaden der Konsumenten und zur Stärkung des Ungleichgewichtes im Preisgefüge Schweiz – Ausland. Der jüngste Entscheid des Bundesrates, Einkaufstourismus, welcher heute immer noch stattfindet (welcher…?), ab sofort mit Bussen zu ahnden, bestätigt unsere Vorahnung. Was zum Geier wird hier vorbereitet?

Protektionismus ist ein schlechter Begleiter einer erfolgreichen sozialen Marktwirtschaft. Die politischen und damit letztlich wirtschaftlichen Corona-Kollateralschäden summieren sich weiter.   

Corona-Kosten: Verschuldung mit links?

Je nach Definition bewegt sich die Staatsverschuldung der Schweiz bei knapp 40% der Wirtschaftsleistung. Deutschland liegt bei rund 60%, die USA und Frankreich bei 100%, Italien bei 130%, Griechenland bei 180%. Wir sind also wieder mal die Musterknaben: Spare, dann hast du in der NotJetzt können wir also das Geld mit vollen Händen aus dem Fenster werfen!

2020: ein katastrophaler „Bilanzabschluss“ 

2020 wird die Schweiz allerdings einen Bilanzabschluss vorliegen, der jeder Revisionsstelle die Schamröte ins Gesicht treiben würde. Binnen eines Jahres werden wir zusätzliche Schulden von 20 bis 25 Milliarden CHF anhäufen. Bestenfalls. Es ist ja erst April, das Jahr ist noch lang, die Aussichten ungewiss. 2021 wird der Abschluss dann wohl auch noch mit einem Defizit aufwarten, denn die getroffenen Massnahmen und die verteilten Gelder wirken zwar nachhaltig in wirtschaftlicher und sozialer Sicht, aber ebenso nachhaltig in Sachen Anhäufung von Schulden. 

Eklige Verschuldungs-Prognose?

Ende 2020 ergibt die Hochrechnung für die Schweiz eine Staatsverschuldung von mindestens 50%, Ende 2021 könnten es 55% sein. Die virtuelle Maastricht-Richtlinie von maximal 60% würde das Nicht-EU-Land Schweiz also spielend einhalten. Bei den meisten EU-Staaten ist dieses Thema nicht mehr so aktuell, denn erstens haben sie die 60% schon immer elegant überschritten, zweitens werden sie es 2020 und 2021 noch deutlicher tun. Italien zum Beispiel wird vermutlich eine Verschuldung von gegen 160% anvisieren. Das wird die Italiener nicht ausserordentlich nervös machen, denn neues Geld wird dank Euroschirm- und anderen Konstruktionen spottbillig aufgenommen werden, und es werden wenig schwere Gedanken daran verschwendet werden, es je einmal zurückzahlen zu müssen.

Time to say goodbye

Auch die Schweiz wird die zusätzlichen Mittel mit links zinslos aufnehmen können. Also kostet die ganze Geldverteil-Übung eigentlich gar nichts? Finanztechnisch ist das in der Tat so. Oder müssten die Schulden irgendwann einmal doch zurückbezahlt werden? Nein, im Falle der Schweiz nicht. Im schlechtesten Fall müssten diese Schulden nur refinanziert werden, irgendwann eventuell einmal, viel, viel später. Auch dann werden die Zinsen vielleicht immer noch bei 0% liegen. Denn wäre dem dannzumal nicht so, hätten viele andere Staaten die Waffen schon längst gestreckt. Werden wir also überhaupt nie mehr Zinsen sehen? Time to say goodbye? Vielleicht.

Die Konsequenzen? Finanziell vorerst einfach keine. Es bleibt indessen der schale Nachgeschmack, dass in der Nullzinswelt die nächste Generation wohl nie richtig Geld sparen kann. Und unsere Renten werden so auch nicht sicherer.

V-Shape, U-Shape, L-Shape….?

Natürlich geht es bei diesen Fragen nicht um die Ausschnittform eines T-Shirts. Inzwischen sind sich wohl alle Ökonomen einig, dass wir uns bereits mitten in einer Rezession befinden. Über den künftigen Verlauf lässt sich bestens spekulieren.

Das Unwort des Jahres 2020 könnte „Depression“ lauten

Der Wirtschaftsverlauf einer Rezession in V-Form kann wohl als vorübergehender Verlust des Gleichgewichtes betrachtet werden: ein kurzer Taucher, dann ist die Balance wiedergefunden und es geht weiter, das alte Niveau wird wieder hergestellt. Beim U-Shape ist der Verlauf der Rezession hartnäckiger; der Rückgang des BIP dauert länger, die Talsohle wird sehr langsam durchschritten – bis es dann tatsächlich wieder aufwärts geht. Wenn unsere Kristalina vom IMF nun von einer „schweren“ Rezession spricht, wollte sie wohl mindestens einen U-Shape andeuten. Die Bezeichnung dieser „schwersten Rezession seit der grossen Depression in den Dreissigerjahren“ ist allerdings eine Beschönigung. Eigentlich meinte sie wohl, dass wir nun kurz vor einer Depression stehen – das Unwort indessen galt es zu vermeiden. 

Wohl eher ein L-Shape?

Vermutlich steuert die Weltwirtschaft, angeführt von den meisten westlichen Länderwirtschaften, in der Tat auf einen L-Shape zu: Der Rückgang des BIP wird signifikant sein, sich über mehrere Quartale erstrecken, der Aufschwung danach wird nicht gleich einsetzen. Eben eine L-Kurve. Die definitionsgemässe Depression wird damit vorliegen, denn diese wird durch ein paar Faktoren bestimmt, welche dannzumal unzweideutig vorliegen werden: starker Rückgang der Wirtschaftsleistung, kein sofortiger Aufschwung, Verwerfungen in der Mikroökonomie, beschädigte Strukturen, massives Eingreifen der staatlichen Institutionen. Die Verschuldung verschiedener Staaten wird in schwindelerregende Höhen steigen, welche normale Finanzierungen nicht mehr zulassen. Die längerfristig nötige Beschaffung der Mittel durch die Staaten (bei Privaten und Unternehmen) wird wohl sehr unappetitlich werden und damit den Aufschwung zusätzlich behindern. L-Shape for ever? Nein, wohl kaum – jedoch sicher längerfristig. Also doch Depression – einfach definitionsgemäss.

Konsequenzen für Unternehmer?

Was gilt es also zu tun? Wie können wir uns vorsehen? Noch mehr Geld in die Wirtschaft pumpen? Oder besser die Motoren ankurbeln, indem die Wirtschaftsordnungen liberalisiert werden, „aufmachen“, Innovationen und Initiativen mehr Spielraum lassen? Überlassen wir das Problem (nur für heute!) einmal den Makroökonomen und verbrennen uns nicht die Finger. Aus Sicht der Mikroökonomie – und damit der Unternehmer – bedeutet es: Die sehr realistischen Szenarien einer Depression müssen unverzüglich in die mittelfristige Planung der Unternehmen einfliessen – ohne einfach auf einen V-Shape zu hoffen. Also die Märkte komplett neu einschätzen und die Strukturen blitzartig anpassen. Besser früher als später.

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