Explodierende Arbeitslosenzahlen
Ein unangenehmer Outlook zum Tag der Arbeit: Steigt die Schweizer Arbeitslosenrate bald auf über 10%? Und fällt das BIP im gleichen Ausmass…?
Es ist davon auszugehen, dass die reduzierten verfügbaren Einkommen der Arbeitslosen und Kurzarbeitenden das Bruttoinlandprodukt der Staaten noch länger negativ beeinflussen werden. Es wird einfach weniger konsumiert, weil weniger konsumiert werden kann. Und wenn weniger konsumiert wird, produzieren mittelfristig auch andere Wirtschaftszweige, ausserhalb der direkt betroffenen Konsumgüter- und Dienstleistungsindustrie, weniger.
Die Schweiz zählt heute etwa 1.5 Mio Kurzarbeitende – fast jeder dritte Arbeitnehmer wird damit zur Hauptsache vom Staat durchgefüttert. Auch in Deutschland ist es jeder Vierte.
Natürlich kann das kein längerfristiger Zustand sein. Nach spätestens 6 oder 9 Monaten Kurzarbeit wird das nicht mehr finanzierbar sein. Vielleicht liegt da und dort noch eine ausserordentliche Verlängerung auf 12 Monate drin – der Staat gibt sich aktuell ja sehr grosszügig. Irgendwann aber ist Schluss mit lustig, und es geht zurück in den regulären Arbeitsmarkt. Aber nicht alle werden längerfristig zurück dürfen.
Ein Teil der Kurzarbeitenden wird arbeitslos
Nach Ablauf der Kurzarbeitszeit werden wohl nicht alle mehr beschäftigt werden können. Mittelfristig wird also ein Teil der Kurzarbeitenden zu Arbeitslosen mutieren. Einerseits, weil es gewisse Firmen nicht schaffen, über den Berg zu kommen. Oder andererseits, weil aufgrund des Nachfragerückgangs eh ein Downsizing angezeigt ist. Oder aber, weil plötzlich die Erkenntnis oben aufschwingt, dass es betriebswirtschaftlich mit weniger auch geht. Unsere Prognose also für die Schweiz: Es werden nur 80% der Kurzarbeitenden längerfristig wieder beschäftigt werden, einem Fünftel wird der Weg zum Arbeitsamt nicht erspart bleiben. 20% von 1.5 Mio ergibt zusätzlich 300‘000 Arbeitslose – ein noch nie dagewesener Zustand in der Schweizer Wirtschaftsgeschichte. Ein Szenario nur, aber wir beurteilen dieses als nicht ganz unwahrscheinlich.
Allein die hohe Arbeitslosenrate wird – auch weltweit – die Konjunktur mit sofortiger Wirkung negativ beeinflussen.
Schweizer Arbeitslosenquote von über 10% per Mitte 2021?
Per Ende April 2020 wird die Arbeitslosenrate schätzungsweise um die 4% betragen, nach internationaler Zählung allerdings werden es gegen 6% sein („Erwerbslosenquote“). Zu den rund 160‘000 Arbeitslosen werden in den nächsten Wochen und Monaten nochmals schätzungsweise 40‘000 dazukommen, wir wären dann bei 200‘000. Und dann müssten wir – mittelfristig – noch die „verlorenen“ 300‘000 Kurzarbeiter dazurechnen, die keine Arbeit mehr kriegen. Wir lägen per Mitte 2021 so bei 500‘000 Arbeitslosen. Das würde einer Arbeitslosenquote von gut 10% entsprechen.
Das sind zwar nur gewagte Zahlenspielereien. Wir hätten auch auf 12% kommen können. Das Seco wird das bestimmt fundierter berechnet haben (und gab eine Spannbreite von 7% bis 10% an). Aber dem Seco liegen auch nur Szenarien und Informationen zugrunde, über welche wir alle ebenso verfügen – oder nicht verfügen: Wo passiert in Sachen Pandemie was auf der Welt? Wie und wann erfolgen die Lockdowns? Wie reagieren die Firmen? Wie reagieren die Konsumenten nach den Lockdowns? Was sind die Langzeitschäden? Auch die besten Ökonomen tappen nur im Dunkeln – oder lassen eben gar nichts verlauten, weil alles nur auf sehr vagen Annahmen beruht und nicht auf zahlenbasierten Fundamentaldaten.
Bundesökonomen scheinen übrigens noch immer mit einem V-Shape der Rezession zu rechnen. Das grenzt entweder an Augenwischerei oder an Wunschdenken – oder es ist die vermeintliche Mission, positives Denken verbreiten zu müssen. Vielleicht so etwas wie eine Trumpologie.
True Economics versucht es zwar auch nur mit einer Schätzung, aber vielleicht etwas ungeschminkter. More true eben… Es geht dabei nicht um Schwarzmalen, sondern um die Erstellung eines möglichst realistischen Szenarios – auch wenn dieses unangenehm ist.
Die Schweiz wird global trotzdem relativ gut dastehen
Es ist davon auszugehen, dass sich die Schweiz ökonomisch besser halten wird als viele andere OECD Staaten. Das wird auch die Arbeitslosigkeit betreffen. Ein relativer Gewinn also, immerhin.
In den USA ist die Arbeitslosenrate binnen Wochen von 3.7% auf zurzeit schätzungsweise 18% hochgeschnellt. Es könnten auch 25% daraus werden (nur eine weitere gewagte Annahme). Und viele Länder im südlichen Europa könnten kurzfristig die 20% Marke knacken (nochmals eine gewagte Annahme). Natürlich werden insbesondere Staaten mit gnadenlosen Lockdowns höhere Arbeitslosenraten davontragen: Frankreich, Italien, Spanien, etc.
Bei diesen Zahlen wird insbesondere die westliche Welt am Ende nicht mehr von einer vorübergehenden Rezession sprechen, sondern von einem ziemlich dramatischen Konjunktureinbruch mit Depressionscharakter. Die vielen Arbeitslosen werden alle deutlich weniger konsumieren, da nützen auch die explodierenden Staatsausgaben nicht, um kompensatorische Effekte zu erzielen. Das BIP sinkt einfach, und zwar deutlich. Die Umsatzverluste werden vor allem bei Branchen mit aperiodischen Produkten und Dienstleistungen signifikant sein. Auch bei erschwinglichen Luxusgütern, denn bei klammem Budget wird Nötiges dem Unnützen immer vorgezogen. Ganz teure Luxusgüter, so unsere Prognose, werden trotzdem immer ihre Abnehmer finden. Das oberste Promille in der Nahrungskette wird sich dem Konsum wohl nicht gleich verweigern.
Wenig regulierte Arbeitsmärkte werden gewinnen
Positiv: In weniger regulierten Arbeitsmärkten wird es rascher wieder aufwärts gehen, so in den USA, auch in der Schweiz. In Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien jedoch werden sich die Unternehmer hüten, gleich wieder Personal einzustellen – welches in der nächsten Krise kaum entlassen werden kann.
2022 frühestens erst wieder aufwärts
2020 können wir konjunkturmässig komplett kippen. Leider wohl auch 2021. Im Jahr 2022 oder 2023, so unsere Prognose, wird es frühestens wieder aufwärts gehen. Sind wir zu pessimistisch? Nun, das Szenario gibt einfach nicht mehr her!Aus Unternehmersicht ist es auf jeden Fall weise, nicht mit einem raschen allgemeinen Aufschwung zu rechnen. Das wird findige Unternehmer hoffentlich trotzdem motivieren, auch in einer schwierigen Phase ihre Firmen so klug aufzustellen, dass diese gleichwohl erfolgreich sind!