Hilfskredite der Staaten: die 10 roten Linien

Oder warum die staatliche Verbilligung eines Joghurtbechers um einen Cent einfach nicht geht.

Unter dem Deckmantel der Coronahilfe – oder auch sonst nur in Form von „Konjunkturhilfe“ – greifen die Staaten tief in die Taschen. Sei es mit Subventionen oder Krediten: Das Füllhorn wird ausgeschüttet. Dabei werden oft rote Linien überschritten. Staaten begehen gerade in Krisenphasen oft ordnungspolitische Sünden oder erlauben sich Grosszügigkeiten, die zuweilen nur politisch motiviert sind. Die vorauseilende Hilfe an die Swiss zum Beispiel war ein solcher Sündenfall, das Zusammenkaufen von Börsenwerten durch das Fed oder das Euro-Manna an kränkelnde Südstaaten. Leider sind die roten Linien oft mit grosser Schuldenbildung verbunden. Unser Beitrag wird 10 rote Linien aufzeigen.

Die Corona-Kredite in der Schweiz konnten in Rekordgeschwindigkeit gesprochen werden – ein Husarenstück der Schweizer Behörden, in der Tat. Die Effizienz wurde für einmal der Geschwindigkeit untergeordnet, Schrotschuss dem genauen Treffen vorgezogen. Das war sicher richtig. Natürlich war eine überaus hohe Dringlichkeit („Krediterteilung in 30 Minuten“) in dieser krassen Form nicht notwendig, hinterliess aber immerhin ein gutes Image. Man hätte es auch etwas differenzierter orchestrieren können, zumal die Geldinstitute die Kredite vergeben mussten: Eine Risikokategorisierung durch die Banken hätte gewisse Firmen ausschliessen können, deren Überleben so oder so nicht gesichert war. Eine Darwin’sche Triage fast, das Regelwerk liess es indessen nicht zu. Als „Pfand“ hätte man auch die Hinterlegung von Aktienanteilen fordern können, die in einem von den Banken und dem Bund verwalteten Krisenfonds hinterlegt werden. Diese Sicherheiten hätte man zum Beispiel binnen eines Monats erbringen können. Aber Achtung: Das Modell hätte berücksichtigen müssen, dass der Staat nie Eigner werden darf. Wie dem auch sei, man ist mit den Kreditvergaben nur knapp an der roten Linie vorbeigeschrammt, hat aber immerhin gehandelt. Wir lassen es durchgehen.

Echte rote Linien wurden jedoch weltweit überschritten. Im Folgenden sollen ein paar aufgeführt werden:

Rote Linie Nummer 1: Hilfe an nicht systemrelevante Betriebe

Für die grossen Investitionen (nicht die Coronakredite) hätte alleine die Systemrelevanz die Hilfsbedürftigkeit diktieren sollen. Die Swiss-Kreditierung war in diesem Sinne weder dringend, noch ordnungspolitisch korrekt. Es wurde eine Firma in ausländischem Besitz subventioniert, deren Aktivitäten hätten ersetzt werden können. Nostalgie und falsch interpretiertes Heimatgefühl sind schlechte Begleiter von Unterstützungsübungen. Systemrelevanter wären die Kitas gewesen: Hilfe an dieser Stelle hätte ermöglicht, dass solche Betriebe in irgendeiner Form beitragen könnten, vor allem Arbeitnehmerinnen berufliche Handlungsfreiheit zu sichern.

Rote Linie Nummer 2: Hilfe an „fallen angels“

Die USA – also das Fed – investiert nicht nur generell an der Börse, sondern kauft sogar morbide Firmen zusammen. Damit wurde eine rote Linie krass überschritten. Auch die EZB macht es nicht besser und übersteigt mit ihrem „quantitative easing“ in nie dagewesener Form sogar – vermutlich – ihre formellen Kompetenzen. Aber auch in der Schweiz gibt es unsinnige Investitionen: Hilfe für schon vor der Krise hoffnungslos operierende Vorortsgastronomen, das Garnihotel ohne Konzept oder Unterstützung für andere ungelenk Operierende und schon früher annähernd dem Tod Geweihte ist sinnlos. Zoombiefirmen zu unterstützen heisst, rote Linien zu überschreiten.

Rote Linie Nummer 3: Verlängerung der Kurzarbeit über eine Krise hinaus

Der Sinn der Kurzarbeit war immer von vorübergehender Natur. Es gilt, momentane Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Wenn Firmen indessen um ein Downsizing oder die Aufgabe ihrer Tätigkeiten mittelfristig gar nicht herumkommen, so nützt auch Kurzarbeit nichts. Es ist nur ein Hinauszögern des Todes, Strukturhilfe oder falsch verstandenes Sozialempfinden. Hier muss besser der Stecker gezogen werden, anstatt den Staat zusätzlich unnütz zu belasten. Man denke besser an Schumpeters „schöpferische Zerstörung“. Mit den falsch verstandenen Hilfen werden nur die nötigen Anpassungen und das Ergreifen von Effizienzmassnahmen aufgeschoben, was weder betriebswirtschaftlich noch volkswirtschaftlich sinnvoll ist. Dem Staat sei also geraten, vor einer Verlängerung der Kurzarbeit in dieser bald post-coronitten Ära genau hinzuschauen. Das könnte so aussehen, dass die Firma nach Bewilligung der ersten Kurzarbeitsphase binnen einem Monat einen kleinen Businessplan vorlegt, wohin die Reise gehen soll. Die Hausbank mag dabei helfen – es wird auch in ihrem Interesse sein. Nur schon die Aufgabestellung für den Businessplan könnte positiv regulierend wirken. Die Schweiz plant nun eine Ausweitung der Kurzarbeit auf 18 Monate – vordergründig vielleicht sympathisch, aber eine Milliardenausgabe, welche sich volkswirtschaftlich in diesem Ausmass kaum rechtfertigen lässt.

Rote Linie Nummer 4: Übertriebene Hilfe an Exponenten in Kultur, Sport und Medien

Diese Institutionen sollten genau die gleichen Rechte haben wie andere, welche von Corona-Krediten profitierten. Es gibt keinen Grund, diesen Exponenten in einer Krise direkte Subventionen zufliessen zu lassen. Die Konditionen für zinslose Kredite sind bereits hervorragend, sie müssen zudem erst in fünf oder sieben Jahren zurückbezahlt werden. Sollten diese Institutionen es nicht schaffen, damit über die Runden zu kommen, werden sie sich neu konstituieren müssen. Eine kleine Bruchlandung und ein Wiederaufbau wäre der Volkswirtschaft zuzumuten. De facto weiss der Bund nämlich, dass selbst eine Beschränkung auf Kredite (also ohne die Verteilung von Subventionen) die Rückzahlung in vielen Fällen eh illusorisch ist – womit allein schon die Hilfskredite einen Apanage-Charakter aufweisen. Weitergehendes Manna, das im Rahmen dieser Krise über diesen Institutionen ausgeschüttet wurde oder würde, lässt sich kaum rechtfertigen – auch wenn diesen Geschenken, auch hier, ein gewisser Sympathiewert nicht abzusprechen ist.

Rote Linie Nummer 5: invasive staatliche Industriepolitik

Eine soziale Marktwirtschaft dürfte sich nicht aktiv in Angebote der Industrie einmischen. Wenn Frankreich nun seine verschlafen agierenden Renault-Werke mit 5 Milliarden unterstützen möchte, wird das kaum nachhaltig sein. Mit Geld allein kann man Märkte und Innovationskultur nicht beschleunigen. Die 35h-Woche und Managementfehler lassen sich damit nicht beseitigen – im Falle Renaults zwei ursächliche Gründe für die Misere, welche selbstredend nicht erst durch Corona produziert wurde.

Auch die bis zu 9‘000 Euro schwere deutsche Kaufprämie für Elektrofahrzeuge ist eigentlich nur verdeckte Industriepolitik: Die ökologische Effizienz ist fragwürdig, zumal die Energiegewinnung im Moment noch alles andere als ökologisch ist. Die den deutschen Fahrzeugbauern aufoktroyierten neuen Technologien setzen sich nicht ab, deshalb die grosszügigen Kaufprämien. Das ist zusätzlich falsch, weil inländische Käufer so (im Vergleich zu ausländischen) subventioniert werden. Selbst mit der Idee oder dem Vorwand, ein „Smartphone auf vier Rädern“ zu fördern: Eine solche „Konjunkturpolitik“ führt zu Marktverzerrung und stellt eine einseitige Begünstigung einer Branche dar. Industriepolitik eben, welche rote Linien überschreitet.

Rote Linie Nummer 6: Hilfe an Staaten ohne Auflagen

True Economics verweist auf den Beitrag von Paul Carpenter vom 1. Juni („Maastricht ist tot“). Euro-Manna auszuschütten über Staaten, welche ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben, ist Verschwendung. Wenn Hilfe in Form von Investitionen parallel zu Reformen erfolgt, kann dies sinnvoll sein. Einige Südstaaten in der EU sind jedoch gar nicht aufnahmefähig für Investitionen; „Hilfe“ heisst in diesen Fällen also „Durchfüttern“. Das ist Verrat an den Steuerzahlern der Nordstaaten. Wann wehren sich diese endlich? Es würde nur zu einer klugeren Mittel-Allokation führen und zu einer Stärkung des europäischen Wirtschaftsblockes.

Rote Linie Nummer 7: überbordende Geldschöpfung

Die Notenbanken fast aller Staaten schöpfen nun Geld in absolut unverantwortbarer Weise. Die damit zusammenhängenden Kreditaufnahmen der Staaten für ihre explodierende Verschuldung können nur verkraftet werden, wenn die Zinsen noch für Dezennien auf null bleiben. Auch dies ist Verrat – diesmal  an den künftigen Generationen, welche so um ihre Renten und Sparanstrengungen gebracht werden. Rote Linien werden auch hier überschritten, nicht nur ordnungspolitisch, sondern auch moralisch.

Rote Linie Nummer 8: falsche Konjunkturprogramme

In Krisen bringt Hilfe nur etwas, wenn diese sofort erfolgt. Deshalb verpuffen Konjunkturhilfen oft wirkungslos – sie kommen meistens zu spät, wirken dann bisweilen zyklisch, anstatt antizyklisch. Keynesianische Modelle waren deshalb nur zu oft nicht sehr zielführend. Konjunktur lässt sich selten „kaufen“. Eine Erhöhung der Staatsausgaben bringt das Räderwerk der Wirtschaft nicht nachhaltig zum Laufen – vor allem, wenn es sich nicht um staatliche Investitionen (so zum Beispiel um Infrastrukturprojekte) handelt, sondern nur um staatlichen Konsum. Im Wissen darum, dass dem so ist, da man über die letzten Dezennien ja dazu gelernt hatte, werden mit den falschen staatlichen Konjunkturprogrammen deshalb sehenden Auges rote Linien überschritten.

Wenn die deutsche Regierung nun ihre Mehrwertsteuer vorübergehend vom 1. Juli bis 31. Dezember in homöopathischer Form um zwei bzw. drei Prozent runtersetzt, um die Konjunktur anzukurbeln, wird das ein 15-Milliarden-Schuss in den Ofen sein. Ein Becher Joghurt verbilligt sich so um einen Cent. Ob das wohl eine Nachfragelawine auslösen wird…? Die Regierung weiss doch, dass das Problem derzeit bei der Kauflust generell und bei der erhöhten freiwilligen Sparneigung liegt. Wieso tut sie es trotzdem?

Bei einem Fahrzeugkauf von 100‘000 Euro lohnt es sich indessen, besser zu planen: Der neue BMW wird dann nicht jetzt, sondern mit einem Discount von 3‘000 Euro erst ab dem 1. Juli geordert, und vor dem 31. Dezember wird vielleicht noch schnell ein Kauf getätigt, der für den Januar 2021 geplant war. Wem das am Schluss wohl geholfen hat…?

Die hochindustrialisierten Staaten hängen in der Regel bis zu 50% eh sehr stark vom Export ab. Klassische Konjunkturprogramme helfen also so oder so nur partiell. Im Wissen um alle diese Zusammenhänge – und eben mit der verdeckten Erkenntnis, dass es sich bei diesen Giesskannen-Manövern nur um politische Geschenke handelt – werden tief-rote Linien überschritten!

De facto handelt es sich (wie die vorübergehende deutsche Kinderzulage für alle) nicht um eine Verteilung an Hilfsbedürftige, sondern um teures und nicht punktuell eingesetztes  Helikoptergeld.

Rote Linie Nummer 9: Helikoptergeld

Verschiedene Staaten haben in indirekter Form schon Helikoptergeld abgeworfen. Der Begriff entstand aus dem Bild einer breitflächigen direkten Verteilung von Geld an alle. Es ist ein Verzweiflungsakt, welcher die Stabilität der Währung und des Finanzsystems gefährdet, Geld an sich psychologisch entwertet und zudem sehr unsozial ist. Siehe falsche Konjunkturprogramme Deutschland. Die USA haben im Rahmen der Corona-Krise an alle – alle! – Haushalte Geld verteilt. Donald Trump ist eben ein netter Kerl, die Wähler werden ihn vielleicht mit ihrer Stimme belohnen.

Rote Linie Nummer 10: der Stil…

Nein, hier handelt es sich nicht um eine makroökonomische rote Linie. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass gewisse Regierungschefs gerade in der aktuellen Krise vermehrt auch rote Linien in Sachen Stil und Verkennung von Faktenlagen überschreiten. Wir denken hier keinesfalls an Donald Trump, denn True Economics möchte ja apolitisch bleiben.

Fazit: Werden die roten Linien überschritten, überschreitet der Staat seine ursächlichsten Aufgaben und Kompetenzen. Er produziert Schulden, welche die Zukunft belasten oder verzerrt Angebot und Nachfrage. Corona muss eben für vieles herhalten – vor allem für Probleme und Strukturschwächen, die schon lange vor der Krise bestanden. Was wir dagegen tun können? Wir prangern sie einfach an, diese überschrittenen roten Linien.

Sieht True Economics alles viel zu negativ?

Unser persönlicher Newsletter hat erfreulicherweise zahlreiche Leser zu Kommentaren bewegt. Es waren viele positive dabei – das hat uns gefreut! Es gab allerdings auch ein paar negative. So kam vereinzelt Kritik auf, dass wir doch nicht alles so negativ sehen sollten.

Wohlan, denn. Hier also unsere vorwärts gerichtete Reflexion. Wir versuchen heute der Pandemie-Krise einmal etwas Positives abzugewinnen! Allerdings müsste Greta wohl ihren Lebensentwurf überdenken.

Es kehrte Ruhe ein

Ja, wir konnten endlich etwas innehalten. Ruhe kehrte ein, die Lockdowns reduzierten die Hektik. Man konnte sich wieder vermehrt der Familie widmen, so tun, als ob man arbeitet im Homeoffice, den Keller aufräumen. Man stand weniger in den Staus, und der öV bot uns ein  erstaunliches Mass an Privatsphäre. Die Besitzer von Einfamilienhäusern konnten sich an einem ganz gewöhnlichen Montagmorgen in den Garten setzen, Kurzarbeit (oder eben Homeoffice) machten es möglich. Von der Gartenarbeit blieb man verschont, denn die Gartencenter und Baumärkte wurden – im Vergleich zu den Nagelstudios zum Beispiel –  auf wundersame Weise geschlossen (unsere deutschen Nachbarn hingegen verharrten in der Pflicht zur Gartenarbeiten, denn ihre Center waren offen).

Der Konsumverzicht war vielleicht heilsam: Plötzlich entdeckte man, dass es auch ohne ging. Der eine oder andere besann sich unter Umständen gar auf wahre Werte.

Und es gab auch weniger Kriminalität, weniger Unfälle. Unser Leben wurde – aufgrund einer Pandemie? – also in der Tat sicherer!

Ein neuer Lebensentwurf für Greta?

Es wurden erstaunliche Klimaverbesserungen gemessen: So war der Himalaya aus weiter Distanz plötzlich wieder sichtbar, die CO2-Belastung am Rosengarten in Zürich sank ein bisschen, der Smog in vielen Städten auf der Welt lichtete sich merklich. Das Meer war weniger trüb, der Himmel von Flugzeugen, Lärm und Verschmutzung durch Kerosin befreit. Und so weiter. Von Greta hörte man nichts mehr, was für einmal auch ganz angenehm war; allerdings wird die junge Dame nun vielleicht auf der Suche nach einem neuen Lebensentwurf sein, denn plötzlich erfüllte sich vieles fast von selbst.

Dass die Klimaverbesserungen eventuell nur ein vorübergehendes Phänomen waren, konnte für den Moment – im Sinne des positive thinking eben – elegant ausgeblendet werden.

Der Buntspecht ist auf dem Vormarsch

In Deutschland freuten sich die Ornithologen, dass nun offenbar der Buntspecht sich etwas mehr verbreiten konnte – dem Lockdown sei Dank. Und aufgrund des reduzierten Energieverbrauches träumten gewisse Kreise in Zürich von einer vorgezogenen Einführung der 2000-Watt-Gesellschaft. Ja, Lockdowns wirken sich ökologisch vorübergehend positiv aus – ohne Frage. Also Lockdowns for ever…?

Auch ökonomisch Positives

Da wäre noch die Deflation. Der können wir durchaus etwas Positives abgewinnen: Aufgrund der Nachfrageschwäche und vieler nachgebender Preise werden wir nun etwas mehr für unser Geld erhalten. Unsere Rentengelder werden dadurch auf die Länge nicht sicherer, aber sollten wir demnächst in den Genuss von deren Verzehr geraten, werden wir uns mehr dafür leisten können! Auch die Schwäche auf dem Immobilienmarkt hat ihr Gutes: Lasst uns eben zugreifen. Und wenn der Schweizer Franken wieder steigt, werden wir unsere Finca in Spanien bald kostenlos erwerben können. Wir könnten uns auch ein Second Home in Buenos Aires anlachen. Vielleicht noch ein paar Monate zuwarten bis zum definitiven Staatsbankrott (erst vor ein paar Tagen war das Land tatsächlich zahlungsunfähig) und der endgültigen Implosion des Peso, dann sollten wir auf der Matte stehen und investieren. „Buy low, sell high“ haben uns doch unsere Banker immer gepredigt. Wenn wir jedes Mal das Gegenteil von dem gemacht hätten, was unsere weitsichtigen Bankanalysten gesagt hätten, hätten wir vielleicht schon früher Geld verdient. Die Idee mit einer Investition in Buenos Aires hatten unsere Bankanalysten noch nicht. Wir könnten folglich goldrichtig liegen! Also viele positive Aspekte.

Innovationspotentiale werden freigesetzt

Nachhaltiger ist wohl eher der Technologieschub, den diese Pandemiekrise ausgelöst hat: Die Gesellschaft hat mit Sicherheit einen Quantensprung in der Digitalisierung vollzogen, Einkaufs- und Kommunikationsverhalten wurden modernisiert, neue Innovationspotentiale wurden freigesetzt. Effizienzsteigerungen im Informationsaustausch in der Arbeitswelt konnten erprobt und raffiniert werden. In einigen Bereichen des privaten und geschäftlichen Lebens haben wir viel dazugelernt – und zwar nachhaltig.

Der Autonomiegedanke

Natürlich könnte die erlebte Ohnmacht und Abhängigkeit vom Ausland nun zu Isolationismus führen – nichts Positives. Aber umgekehrt könnte die Erkenntnis, dass wir in einigen Belangen etwas mehr Autonomie und bessere Vorkehrungen für Krisen brauchen, auch positiv gewertet werden! Wir werden dabei allerdings vernünftig bleiben müssen, ein Abgesang an die Globalität und das Hochziehen von Schranken würde uns beileibe nicht weiterbringen.

Tolle Erkenntnisse

Insgesamt ist der Pandemie-Erfahrung also in der Tat etwas Positives nicht abzusprechen. Unsere Gesellschaft hat in wenigen Wochen unglaublich viel dazugelernt. Also Friede, Freude, Eierkuchen…?

Vieles wird nicht mehr so sein wie früher, vieles muss nun revidiert werden. True Economics sieht sich dafür verantwortlich, die Augen zu öffnen und Probleme zu erkennen. Da ist leider oft nicht immer nur Positives dabei. Und was die Pandemie und deren Bewältigung betrifft: Die langfristigen volkswirtschaftlichen Schäden werden enorm sein. Sie werden uns ein neues Handeln aufzwingen, um weitere Schäden abzuwenden. Wir werden nicht drum herumkommen, weiter über Krisen zu reden. Krisen werden unser künftiges Leben generell  vermehrt mitbestimmen, das gesicherte Überleben der Volkswirtschaften wird dabei zentral sein. Ob eine dramatische Strommangellage, eine grosse Cyberattacke oder eine neue Pandemie: Wir müssen unsere Volkswirtschaften künftig besser schützen. Die Volkswirtschaft ist übrigens das kollektive Tun eines Volkes, falls das gewisse Kreise vergessen haben sollten. Die „Wirtschaft“ ist nicht eine externalisierte Grösse, das sind wir. Der vermeintliche Konflikt zwischen „Gesundheit“ und „Wirtschaft“, wie er in den letzten Wochen herbeifabriziert wurde, gibt es gar nicht. Wenn wir die Wirtschaft nicht schützen und am Laufen halten, kommen alle zu Schaden – diejenigen, die das nicht erkennen, meist zuerst. Nur erkennen sie es oft nicht.

Der Bundesrat hat in diesen Tage entschieden, 20 neue Stellen für die Bekämpfung möglicher Cyberkrisen zu schaffen. Das ist ein guter und positiver Beginn eines Lernprozesses! True Economics wird sich demnächst noch analytisch und kreativ mit möglichen Krisenszenarien und deren volkswirtschaftlicher Bewältigung auseinandersetzen.

Fazit: Wir müssen weiter mit viel Realitätssinn Krisen erkennen, um sie besser bewältigen zu können. Und wir müssen uns künftig besser auf neue Krisen vorbereiten.

Gerade eine moderne und gut aufgestellte und vorbildlich ausgebildete Volkswirtschaft hat die Gnade, dies zu tun: Sie hat genügend Mittel, Gemeinsinn, Wissen.

Verbesserungsvorschläge und Hinterfragen gerade des aktuellen Krisen-Managements sollen damit nicht per se als negativ gewertet werden – das kann auch durchaus kreativ sein. Mit positivem Effekt dann. Ein gutes Krisenmanagement reduziert das Negative. Die Arbeit beginnt immer im Kopf! Ja, in diesem Sinne sieht True Economics auch vieles positiv…

Wie denken Sie darüber? Schreiben Sie uns!

Maastricht ist tot

Oder was der hundertste Geburtstag Ursula von der Leyens mit der neuen gigantischen Euro-Verschuldung zu tun hat

Es erstaunt nicht, dass es heute niemand mehr wagt, über die einst gesetzten Maastricht-Regeln für die europäischen Staaten auch nur schon ansatzweise nachzudenken: maximal 3% Budgetdefizit, maximal 60% Staatsverschuldung. Diese Benchmarks sind inzwischen Makulatur. Die EU-Kommission legt nun einen gigantischen „Wiederaufbaufonds“ in Billionenhöhe vor, welcher vielen Ökonomen das Blut in den Adern gefrieren lassen muss. Er suggeriert so etwas wie einen Marshallplan, als ob es einen „Wiederaufbau“ nach einer Zerstörung bräuchte. Tatsächlich werden indessen vor allem Löcher gestopft. Gibt es wirklich nur diesen Weg…?

Die neueste Entwicklung der europäischen Verschuldung nimmt eine weitere Eskalationsstufe. 750 Milliarden soll die EU nun zusätzlich verteilen dürfen, plus das bereits abgesegnete Sieben-Jahres-Budget – insgesamt sind es 1‘850 Milliarden, wie die NZZ präzise hochrechnete, also fast 2 Billionen Euro. Es soll für den „Wiederaufbau“ nach der Pandemie verwendet werden. Es spielt dabei nur eine akademische Rolle, ob das zusätzliche Geld als Zustupf (500 Milliarden) oder als Kredit (250 Milliarden) qualifiziert wird – an Rückzahlungen zu denken, ist so oder so nur Wunschdenken. Theoretisch wird dafür das Jahr 2058 genannt. Der Zufall will es, dass Ursula von der Leyen dann genau 100 Jahre alt sein wird. Es wäre ihr vergönnt, zu beobachten, wie dannzumal die Kredite – nebst den noch folgenden, uns heute noch nicht bekannten) – eben gerade nicht zurückbezahlt werden. Vermutlich wird zu jenem Zeitpunkt dann gar nicht mehr von „Refinanzierung“, sondern ganz einfach von „Schuldenerlass“ gesprochen.

„Bedingungen“ für die Alimente sind schon heute Makulatur

Natürlich, so die Message, plane man strenge „Bedingungen“, die an den grossen Geldsegen verknüpft sein sollen. Es ist heute schon absehbar, dass diese politisch nur sehr verwässert durchsetzbar sein werden. Die Südländer wollen eben schon mit Mitte 50 in die Rente. Sie wollen zum Teil auch Ferienbons von 500 Euro an die Bevölkerung verteilen. Einige Länder denken an ein bedingungsloses Grundeinkommen – oder haben es schon eingeführt. La grande nation – auch eine der künftigen grossen Begünstigten des Eurosegens – beginnt gerade jetzt, mit fünf Milliarden ihre technologisch rückständigen Automobilwerke von Renault zu unterstützen. An der 35h-Woche möchte man indessen lieber nicht rütteln.

Einige europäische Staaten möchten die Schattenwirtschaft nicht konsequent bekämpfen, und die Ineffizienz der Verwaltungen ist sozusagen in der DNA dieser Länder verankert – auch die verkrusteten Märkte gelten mehr oder weniger als gegeben. Also viele alte Zöpfe und demotivierende Umverteilungs-Konstruktionen. Ob das Euro-Manna diese Länder nun wieder wie Phönixe aus der Asche auferstehen lässt? Es ist zu befürchten, dass das nicht stattfindet.

Die „sparsamen Vier“ werden sich nicht durchsetzen können

Schon bisher konnten „strenge Bedingungen“ für europäische Subventionen nicht durchgesetzt werden. Es sei beispielsweise an Griechenland erinnert, wo die für die Aufforstung der Olivenbaum-Plantagen verteilten Gelder gar nie gross zum Pflanzen von Bäumen verwendet wurden. Es ist nicht daran zu denken, wie überdimensioniert ein Kontrollapparat aussehen müsste, welche die richtige Kanalisierung der neuen Euro-Billionen überwacht.

Die „sparsamen Vier“, also Dänemark, Holland, Schweden und Österreich, werden ihre Opposition irgendwann aufgeben. Notfalls „kauft“ sie die EU eben; sie erhalten vielleicht  irgendetwas anderes. Brexit-bedingt fehlt leider künftig das natürliche und früher gewichtige Ausgaben-Korrektiv Grossbritannien.

Nicht alles sind Corona-Blessuren

Der Term „Wiederaufbau“ gaukelt vor, dass die Länder nun eben Corona-versehrt sind und, gleich einem Marshall-Plan, sozusagen Entwicklungshilfe für den Aufbau benötigen. Wir wissen natürlich, dass die Misere schon früher angerichtet wurde. Zudem sind die Länder zum Teil selber schuld, in der Pandemie-Bekämpfung übermässige Kosten produziert zu haben. Die überstrengen Lockdowns, zum Teil in willkürlicher und diktatorischer Franco- oder Duce-Kontrollmanier, versetzten die Gesamtwirtschaft in Schockstarre und hinterlassen nun immense Schäden und Schulden.

Ein „Wiederaufbau“ wäre nur nach einer richtigen Zerstörung notwendig, die ganze Kreditierung und Unterstützung wird so indessen zur Augenwischerei. De facto werden – trotz der vorgenommenen Kontrollen und in Aussicht gestellten „neuen Projekte“ – die Gelder vorab zur Erhaltung des Status Quo in schwachen EU-Ländern verwendet.

Gigantische Summen am Kapitalmarkt

Die 750 Milliarden sollen am Kapitalmarkt aufgenommen werden. Es ist allerdings kaum anzunehmen, dass private und institutionelle Anleger diese Summe ganz absorbieren werden. Sie ist einfach zu gigantisch. Also werden dann vermutlich die europäischen Zentralbanken und Körperschaften in die Bresche springen und die kostbaren Scheine zeichnen. Das hatten wir doch schon bei anderen EU-Institutionen: Man kauft sich selbst, also mit Mitteln, die man gar nicht besitzt. Man schöpft Geld. Das einzige Nicht-Virtuelle an dem fahrlässigen Vorgang ist dann das Ausgeben der grossen Summen. Ja, das Fed sündigt hier auch – was indessen keinen Freipass für andere sein sollte.

Jeder Ökonom weiss, dass dieses Vabanquespiel mit der wundersamen Geldvermehrung  irgendwann einmal ein hässliches Ende nehmen wird. Investitionen und Ausgaben einer Volkswirtschaft dürfen letztlich nur aus faktischer Wertschöpfung und nicht monetärer Schöpfung entstehen. Das geplante Bühnenstück ist ein Spiel mit dem Feuer.

Weiss Frau von der Leyen, wieviel zwei Billionen sind…?

Ob Frau von der Leyen und alle Mitglieder der EU-Kommission sich die Grössenordnung von zwei Billionen Euro tatsächlich vorstellen können? Hier ein paar Vergleiche: Die zwei Billionen entsprechen ziemlich genau dem BIP ganz Italiens (allerdings dem von 2019). Oder dem Russlands. Oder dem 15-fachen Umsatz des gesamten Neuwagenmarktes in Deutschland. Die Schweiz baute einst das Kernkraftwerk Gösgen für zwei Milliarden CHF – also entspricht die inkriminierte Summe 1‘000 mal der für Gösgen. Frau von der Leyen könnte wohl nichts mit  dem Vergleich anfangen, zumal sie den „Green Deal“ im Kopf hat. Aber man könnte der offenbar etwas überforderten, ausgebildeten Kinderärztin vorrechnen, dass sich mit den 750 Milliarden das gesamte UNICEF Kinderhilfswerk 100 Jahre lang komplett finanzieren liesse. Oder ein etwas handfesterer Vergleich für die weiteren zahlreichen Nicht-Ökonomen in den Wandelhallen in Brüssel: Würde man 1-Euro-Münzen übereinander stapeln, so könnte man mit 750 Milliarden mehr als vier Mal die Strecke zum Mond zurücklegen. Der Vergleich ist trotz der Reduktion auf das Handfeste nicht hilfreich, weil die schiere Dimension dieses unvernünftigen monetären Ausflugs für die EU-Beamten damit gleichwohl nicht transparenter wird.

Was passiert mit dem Euro?

Uns ist natürlich nicht entgangen, dass auch die USA und das Fed ähnliche ordnungspolitische und finanzielle Frevel begehen wie die EU. Auch Japan verhält sich mit seiner welthöchsten Staatsverschuldung (2020 wohl gegen 250% des BIP) nicht besser, und Grossbritannien liebäugelt mit Negativzinsen, weil es auch dort noch einiges zum Finanzieren gibt. Wenn alle gleich sündigen, werden sich die Währungen untereinander nicht sonderlich abwerten. Aber der Aufwärtsdruck auf den Schweizer Franken wird sich kaum abschwächen. Selbst wenn unser Staat nun ebenso mit bis vor kurzem noch undenkbar hohen Schuldensummen hantieren wird.

Europa krankt – nicht an Corona

Europa tut sich keinen Bärendienst, wenn es meint, mit einem „Wiederaufbaufonds“ nun im globalen Wettbewerb eine stärkere und modernisierte Rolle spielen zu können. Andere Länder – trotz vielen immanenten Defiziten – sind stärker: China wird sich wieder aufrappeln, denn die Bevölkerung hat die Energie dafür und es herrscht ein Wachstumsglaube, die USA werden ihre kräftige Stellung nicht preisgeben, Indien und Emerging Markets stehen trotz vorübergehenden Blessuren in den Startlöchern. Europa – als Ganzes gesehen, wohlverstanden – ist im globalen Wettbewerb heute in vielen Belangen nicht mehr konkurrenzfähig. Die „kreative Zerstörung“ fehlt leider, die es für einen  „Wiederaufbau“ bräuchte – nebst dem Manko einer gemeinsamen Strategie.

Die Alternative?

Europa müsste erst einmal seine Verkrustungen aufbrechen, bevor Geld investiert werden kann. Die Uralt-Strukturen und hemmende Regelwerke in vielen, gerade südlichen Ländern müssten vorab beseitigt werden, die Schattenwirtschaft eingedämmt und die Effizienz an vielen Ort erhöht werden. Gerade jetzt bestünde die Chance, Hilfskredite (nicht Subventionen!) nur zu vergeben, wenn damit deutliche Strukturverbesserungen einhergehen. Also müssten strenge Reform-Bedingungen an Investitionen (ja, „Investitionen“, nicht „Ausgaben“) geknüpft werden. Der IMF hat bei seinen Kredithilfen nicht immer alles brillant erledigt, aber der Grundgedanke dahinter hat in vielen Fällen immerhin zu längst überfälligen Reformen geführt. Die EU-Kommission und Deutschland – welches seine Führungsrolle leider noch nicht wiedergefunden hat – könnten gerade jetzt einen grundlegenden Reformplan für die Wirtschaft Europas vorlegen. Und sonst gibt es eben kein Geld. Das würde einiges an Häme produzieren, würde vielen europäischen Staaten indessen längerfristig helfen. Ob so ein nachhaltiger Plan, anstatt Euro-Manna, je Wirklichkeit wird? Die Hoffnung stirbt zuletzt. 

Geht jetzt alles unter null…?

Bereits hatten wir uns daran gewöhnt, dass die Zinsen unter null gehen können. Und nun kürzlich sogar das Erdöl (zumindest für Terminkontrakte)! Dass ein Rohstoff, dessen Preis vor nicht allzu langer Zeit durch die Decke ging, einen negativen Preis aufweisen kann, schockiert uns. Aber es entspricht einer ökonomischen Realität. Wir stellen uns die Frage: Welche anderen Werte könnten auch noch unter null gehen?

Schön, dass gewisse Märkte noch richtig spielen, sie kommunizieren die Wahrheit! Lehrbuchmässig nach Angebot und Nachfrage. Und wenn es beispielsweise einfach keine Nachfrage mehr gibt nach Erdöl, alle Lager voll sind und zu wenig verbraucht wird, sinkt der Preis gegen null. Oder eben unter null, wenn mit einem zusätzlichen „Kauf“ zu hohe organisatorische Kosten verbunden sind.

Negative Werte kennen wir doch schon!

Eigentlich hätten wir in Sachen negative Werte bereits genügend konditioniert sein sollen – nur schon aufgrund der unsäglichen negativen Zinsen. Und bis vor kurzem herrschte in der Schweiz teilweise eine negative Inflation – also eine kleine Deflation. Zudem sind in der Finanzwelt negative Werte mit den Futures und Optionen tägliches Brot. Mit der Deflation werden wir wohl bald wieder Bekanntschaft schliessen, denn der Nachfragemangel bei den Konsumgütern wird die Preise drücken.

Auch Firmenwerte können mal ins Negative rücken. Nicht nur im sehr aktuellen Fall von Insolvenzen; kurzweiliger sind eher die Nachrichten von Firmenverkäufen zu Negativpreisen. Der Migros-Konzern kann ein Lied davon singen, stiess sie doch kürzlich ihre über Jahre schlecht geführten Firmen mit einem Zustupf ab – in Millionenhöhe (so Depot oder Office World). Wir sind gespannt darauf, was Coop und Migros demnächst noch als Draufgabe offerieren, wenn sie weitere unrentable Tochtergesellschaften abstossen werden.

Vielleicht könnte im April 2025 die Bundesverwaltung noch ein paar negativ bewertete Firmen übernehmen (dann sollten nämlich die Corona-Kredite zurückbezahlt werden). Auch die Aktien der Swiss darf der Bund vielleicht einmal mit einem negativen Wert übernehmen – so hatte er sich dies ja mit seiner schlecht orchestrierten Kreditvergabe eingehandelt.

Negative Werte auch für Immobilien oder Energie

Auch Immobilienpreise können ins Negative kippen, die Übernahme von Industrie-Brachen beispielsweise muss zusätzlich alimentiert werden, damit sie überhaupt aus dem Markt gehen. Während der Finanzkrise 2008 gingen in Detroit auch Wohnhäuser zu Preisen von einem einzigen symbolischen US$ weg – mit den eingerechneten Transaktionskosten damit auch zu Negativpreisen.

Oder noch ein Beispiel: die Preise für elektrische Energie. Schon seit Jahren beziehen Schweizer Elektrizitätswerke zu gewissen Nachtzeiten Atomstrom aus dem Ausland und erhalten Geld dafür. Die grossen Meiler können eben nicht kurz runter- und dann wieder raufgefahren werden. Also muss der überflüssige Strom raus, koste es, was es wolle. Das ist gelebte einfache Makroökonomie. Wir Schweizer amüsieren uns dann, dass wir nächtlicherweile mit dem Strom, für den wir sogar Geld erhalten haben, Wasser in die Stauseen zurückpumpen. Am Tag darauf produzieren wir mit unseren sauberen Wasserkraftwerken unseren eigenen Strom. Der Schweizer Strom ist dann nicht nur ökologisch konvertiert, sondern auch viel besser, weil mehr wert zu jenem Zeitpunkt, und wir verkaufen ihn womöglich wieder an die Betreibergesellschaften der Atommeiler, die uns den Strom in der Nacht zuvor geliefert hatten. Ja, so geht Mikroökonomie.

Apropos Energie: Wussten Sie, dass unsere Elektrizitätswerke im Sommer auch überschüssigen Strom an die SBB liefern – und dafür noch Geld drauflegen? Nicht, dass dann die sauberen Loks damit betrieben würden, nein: Die SBB stellt mit dem Überschuss-Strom die für den Winter gedachten Weichenheizungen an und vernichtet so Elektrizität. Ein gutgehütetes Geheimnis, keine Fake News!

Noch mehr negative Werte?

Wir meinen damit nicht negative Stimmungen oder gar Beziehungen… Sondern tatsächlich negative Werte. Zum Beispiel Italien: rein bilanztechnisch eigentlich überschuldet, auch Spanien. Müsste man die Länder kaufen, bekäme man vielleicht Bares raus. Denn ihre Bilanzen sind negativ, die Unternehmung Staat ist überschuldet, und sie kriegen aus eigener Kraft kein Geld mehr an den Kapitalmärkten. Sanierungsfälle also. Leider gibt es keinen Markt für Länderkäufe (Donald Trump überraschte zwar kürzlich mit seinem irrlichternden Wunsch, Grönland zu kaufen).

Wir kennen auch die „inversen Nachfragekurven“: Die Nachfrage nach einem Produkt kann steigen, obwohl der Preis steigt. Bei den Nespresso-Kapseln wird es gefühlt wohl auch so sein, allerdings ärgern wir uns dabei, dass mit einer Verkleinerung der Kaffeemenge und einer klugen Verpackung der Preis steigen konnte – ein geniales Geschäftsmodell. Hervorragend funktioniert die inverse Nachfragekurve bei einem Luxusgut mit starkem Brand, so beispielsweise beim Kelly-Bag. Funktioniert es nun auch umgekehrt? Offenbar schon, es ging einfach etwas vergessen in der Lehre. Wenn der Preis komplett sinkt, ist die Nachfrage eben nicht mehr da, weil das Produkt nicht mehr interessant ist. Erst wenn der Preis ins Negative kippt, werden wieder Opportunitätsgewinne geprüft. Wir werden uns daran gewöhnen müssen.

(Vielleicht werden wir 2025 für die Entsorgung von ungebrauchten Masken bezahlen müssen, die wir erst 2020 überteuert eingekauft hatten – ein kleiner ökonomischer Fauxpas.)

Wird doch noch alles gut?

Die Notenpressen werden demnächst auf Hochtouren laufen. Es gibt ja einiges zu finanzieren: laufende und neue Schulden, Rettungskredite, neue Sozialkosten, Auffangschirme für Staaten. Diese neuen, nun noch höheren Schuldenberge überleben die Staaten nur, wenn sie auch längerfristig kaum Zinsen bezahlen müssen. Also ist damit zu rechnen, dass die Zinsen noch für Jahre weiter um null oszillieren werden, für stärkere Währungen sogar unter null. Wir würden uns nicht einmal die Augen reiben, wenn demnächst auch das Fed die Leitzinsen unter null setzen würde. Grossbritannien denkt jetzt gerade an ein solches Unterfangen.

Sollte der Markt die Unmengen an neuen Staatsanleihen von klammen Ländern nicht aufnehmen können, kaufen die Zentralbanken die überschüssigen Anleihen einfach auf. So können die Zinsen schön unten bleiben. Gerade so macht es das Fed im Moment. Also so funktioniert Makroökonomie heute? Unsere grossen verstorbenen Ökonomen werden sich im Grabe umdrehen.

Fazit: Vielleicht werden wir – in der Schweiz – binnen Kürze tatsächlich negative Hypotheken aufnehmen können. Wir arbeiten weiter von zu Hause aus und sparen so viel Geld. Wir legen uns einen grösseren Öltank zu, in der absurden Hoffnung vielleicht, dass wir mit einer Tankfüllung zum richtigen Zeitpunkt obendrauf noch Geld erhalten. Weil draussen im Einzelhandel nichts mehr geht, herrscht Deflation – wir können uns also noch viel mehr leisten. Wir müssen das Geld ja ausgeben, denn sonst werden wir mit Negativzinsen bestraft. Wir studieren die Immobilienangebote und freuen uns, dass doch einiges günstiger geworden ist. Wird also doch alles gut…?

„R“ what…?

Die Corona-Statistiken sind Augenwischerei, aber sie begründen folgenschwere volkswirtschaftliche Entscheidungen

Die Lockdown-Entscheide in vielen Staaten wurden und werden entweder emotional oder politisch gefällt – oder sie beruhen auf sehr ungenauen Zahlen. So werden der Faktor „R“ oder „Fallzahlen“ als Entscheidungsmodule genommen, um wirtschaftliche und gesellschaftliche Rest-Aktivitäten zu definieren. Wir verlassen uns jedoch auf Zahlen, die wenig aussagen; sie beziehen sich nämlich nur auf die getesteten Personen mit Symptomen. Das ist unseriös. Es sollte flächendeckend oder zumindest repräsentativ getestet werden. Und, halleluja: Es besteht zudem der Verdacht, dass wir – nach den Masken – auch die Beschaffung von Testkits verpasst haben!

Bei True Economics zählen nur die Fakten. Wir sind zudem apolitisch und nur der nachhaltigen Prosperität der Volkswirtschaft verpflichtet. Wir sind auch keine Epidemiologen. Aber wir wissen Zahlen zu deuten. Und gerade hier liegt das Problem: Die Zahlen liegen gar nicht vor, um sie richtig zu deuten – womit die Deutungshoheit dann bei der Politik liegt. In gewissen Ländern liegt die Zahl der Infizierten sehr hoch, weil unter anderem auch viel getestet wurde. In anderen Ländern liegt sich tief, weil nur punktuell und bei Symptomen getestet wird. Vergleiche unter den Ländern bringen damit nichts. Auch die täglich gemeldeten „Fallzahlen“ sind deshalb nur sehr beschränkt aussagekräftig – und unter den Ländern schon gar nicht vergleichbar.

Winston Churchill vermerkte einst, dass man den Statistiken nur trauen sollte, wenn man sie selbst gefälscht hat. Nun, natürlich sprechen wir hier nicht von „Fälschungen“ durch die Politiker und die zum Teil selbsternannten Krisenstäbe. Aber es liegen schwere Miss-Interpretationen vor. 

Der ominöse „R“ Faktor

Der Reproduktionsfaktor „R“ definiert bekanntlich das Ansteckungsrisiko. Faktor 1 bedeutet, dass 1 Person eine weitere ansteckt. Sinkt der Faktor unter 1, geht die Epidemie zurück. Es wird über einen Zeitraum von 7 Tagen gemessen, so wird die wahrscheinliche Inkubationszeit einbezogen. Basis bildet aber nur die Auswahl an Probanden, welche irgendwelche Symptome zeigen oder die zumindest meinen, Symptome aufzuweisen.

Die Fallzahlen

Deutschland hat vor einigen Tagen definiert, dass es eine Grenze von maximal 50 neuen Ansteckungen pro 100‘000 Einwohner in einem Landkreis geben darf, bevor „Massnahmen ergriffen werden müssen“. Basis bildet auch hier die beschränkte Auswahl an Fällen, welche sich fast einzig aus den Probanden ergeben (welche Symptome aufweisen oder es zumindest meinen).

Es wird nicht korrekt getestet

Getestet werden also grösstenteils nur Personen mit Krankheitsanzeichen. Bis heute wurden in Deutschland von 83 Mio Einwohnern rund 3 Mio getestet. Lediglich 2.7% der Tests fielen positiv aus. Es werden also nicht alle Einwohner, oder zumindest nicht random-mässig repräsentative Samples getestet, sondern nur eine sehr kleine (zum Teil „befangene“) Auswahl. Wir wissen nicht, wie viele Personen im Land – oder einem Landkreis, bei uns in einem Kanton – tatsächlich infiziert oder immun sind. Wir tappen im Dunkeln. Im deutschen Heinsberg (dem bekannten Corona-Ausbruchs-Cluster) stellte sich nach einer profunden Testserie heraus, dass 15% der Bevölkerung immun sind – aber eben nur in diesem Cluster. In ganz Deutschland, so die Schätzung, könnten es 5% sein, in Mecklenburg-Vorpommern vielleicht weniger als 1%. In Frankreich wird eine Schätzung von 3-7% herumgereicht. In der Schweiz könnte es etwas mehr sein, Stockholm schätzt die Zahl auf gegen 20%. Tatsache ist, dass wir nicht wissen, wie sich Covid-19 landesweit ausgebreitet hat. In Südkorea, Taiwan oder Island wissen sie es besser – und können entsprechend handeln.

Der Faktor „R“ und die „Fallzahlen“ (also die neu Infizierten pro Zeiteinheit pro Bevölkerungsgruppe) ergeben sich bei uns nur aus den mehr oder weniger willkürlichen Tests. Nochmals: Getestet wird mehrheitlich nur, wenn Symptome auftreten! Das ist komplett unvollständig.

Kein klares Bild

Die Zahlen – nicht das Gesamtbild – sind in Deutschland etwas genauer als in der Schweiz. Deshalb beleuchten wir das Problem anhand dieses Landes. Das Statistikproblem der beiden Länder ist allerdings ziemlich vergleichbar. Von Deutschland wissen wir, dass sich zurzeit noch etwas über 500 Personen pro Tag neu infizieren, dass es gegen 200‘000 getestete Infizierte gibt und bis heute rund 8‘000 Tote („mit“ oder „aufgrund“ Corona). Sollte die geschätzte Zahl von 5% Immunität in Deutschland stimmen, so müssten also 4 Millionen infiziert worden sein. Aber aufgrund der Tests haben wir nur weniger als 200‘000 davon gefunden! Also gingen sie in 19 von 20 Fällen „verloren“. Schätzungsweise, wir wissen es einfach nicht.

Testbereitschaft unterliegt psychologischen Einflüssen

In gewissen Landesgegenden oder zu einem gewissen Zeitpunkt führt Corona zu Angst: Man lässt sich sofort testen, wenn irgendwelche Symptome auftreten. Andererseits lässt man sich vielleicht nicht testen, weil Angst besteht, damit eine ganze Bezugsgruppe in die Quarantäne zu schicken. Das bedeutet, dass die ausgeführten Tests für die hypothetisch hochgerechnete Zahl der Infizierten nicht repräsentativ sind. Sie sind mehr oder weniger zufällig. Und von diesen Zahlen werden dann die Entscheidungs-Faktoren abgeleitet und wichtige Massnahmen getroffen: soziale Einschränkungen, Lockdowns in der Wirtschaft, etc.

Es dauert ewig bis zur „Herdenimmunität“

Ausgehend von unseren Immunitätsschätzungen (5% z.B. in Deutschland, die sich in den letzten 3 Monaten ergeben haben) und unter der Annahme, dass die Immunität weder degressiv noch progressiv, sondern linear steigt, müssten unsere deutschen Nachbarn (und wohl auch wir) theoretisch noch rund 60 Monate warten, bis die ganze Bevölkerung immun ist. Oder rund 4 Jahre, bis eine Immunität von rund 70% erreicht ist, womit eine Epidemie als „gebannt“ betrachtet werden kann. Ausser natürlich, vorher ist die Impfung da – vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Heisst das nun, dass unsere wirtschaftlichen Einschränkungen im dümmsten Fall noch 4 Jahre weiterlaufen sollen? Die Antwort erübrigt sich, weil uns ein wirtschaftlicher Kollaps vorher einholen würde. 

Immer noch dringend notwendig: Testen, testen, testen…

Die ganze Wuhan-Gegend mit 11 Mio Einwohner soll komplett getestet werden. Wer ist infiziert? Wer ist im Moment immun? Dieses Vorgehen ist eine mögliche richtige Massnahme, um Erkenntnisse zu produzieren, welche dann in adäquate Entscheide münden können. Nun hat auch Luxemburg beschlossen, seine ganze Bevölkerung von 630‘000 Einwohnern (plus die über 100‘000 Grenzgänger) zu testen. Die Regierung möchte dies in abrufbaren Gruppen vornehmen, welche später wieder erneut getestet werden können – ein sehr vorbildliches Vorgehen, quasi ein Totaltesten mit random-mässigen Schritten. Kombiniert mit der Nachverfolgung der Infektionen können punktuelle Insolationen vorgenommen werden. Das sind intelligente Alternativen zu Einschränkungen der Wirtschaft. Auch in Island möchte man möglichst die ganze Bevölkerung testen. Das kleine Land geht ebenso intelligent nach dem Zufallsprinzip vor und hat heute bereits einen ziemlich klaren Überblick, wo es steht. Wieso sind wir in der Schweiz (mit einer überblickbaren Grösse) nicht auch in der Lage, so vorzugehen? 

Testen: besser „quick and dirty“

Testen geht auch random-mässig. Die Genauigkeit wird etwas reduziert, aber die Informationen stünden rasch zur Verfügung. Stichproben pro Land, Kanton, Landkreis, ausgewählte Region: Testen also „quick and dirty“. Das Resultat würde reichen, um Klarheit über die Situation zu erlangen. Warum machen wir keine breit angelegten Stichproben-Tests? Es ist zu befürchten, dass wir – wie bei den Masken – nicht vorgesorgt hatten und nicht über die nötige Anzahl Testkits verfügen! Falls dem so sein sollte, gibt es eigentlich keine Entschuldigung mehr für die Politiker und die Behörden: Seit Monaten wissen wir, dass wir à fonds testen sollten! Da repräsentative Stichproben reichen würden, müssten keine Unmengen an Tests eingesetzt werden. 

Fazit: Unsere Volkswirtschaften können nicht warten, bis sich die Immunität verfestigt hat und der Staat so lange Lockdowns und andere strenge Einschränkungen festlegt. Das überlebt keine – keine einzige – Volkswirtschaft. Es gibt nur einen Weg: richtig testen, um rasch Überblick zu erlangen. Dann Spitalkapazitäten bereithalten, punktuelle Schutzmassnahmen ergreifen, Social Distancing, strenge Hygieneregeln, Tracing, Masken punktuell bei Dichterisiko, grosse Menschenansammlungen verhindern, Wirtschaft am Laufen halten. Wann lernen wir?

Swiss: Schweizer Kredite für Deutschland?

Es ist vollbracht: Die Eidgenossenschaft unterstützt einen teilstaatlichen deutschen Konzern…

Nachdem nun jeder Fussballer, Künstler oder Vorortsgastronom Corona-Hilfe erhält,  entspricht es nur dem Gleichheitsgebot, dass sich auch die Swiss einen Wurstzipfel abschneiden darf. Nur: Bei der Swiss-Milliarde handelt es sich um einen Kredit mit einem grossen Klumpenrisiko – zudem möglicherweise um ein Fass ohne Boden. Es ist nämlich zu erwarten, dass die Kredite nicht reichen werden. Das Swiss Management plant offenbar ein makroökonomisches Husarenstück: ein Downsizing der Umsätze, ohne ein symmetrisches Downsizing der Kosten – auch der Personalkosten. Zumindest scheint jetzt der Fortbestand der Lufthansa gesichert: Wie soeben bekannt wurde, setzt sich der deutsche Staat ins Cockpit und übernimmt 25% des Lufthansa-Kapitals.

Unsere Grafik verdeutlicht den Plan des Swiss Managements: In ziemlich optimistischer Manier werden die künftigen Flugauslastungen geschätzt. Dabei soll es kaum zu Personalabbau kommen (10-15% nur, vor allem durch natürliche Abgänge oder offenbar Mindereinsätze von ad-hoc Personal). Die Personalausgaben stellen jedoch einen wesentlichen Teil der Kosten dar. Dass bei einem Downsizing alle Kosten – eben auch die Personalkosten – möglichst kongruent zur Umsatzentwicklung heruntergefahren werden müssen, entspräche dem Einmaleins der Betriebswirtschaft. Ansonsten entsteht ein immenser Kosten-Gap (siehe Grafik, rote Fläche).

Wer bezahlt den Überbestand an Personal?

Es ist anzunehmen, dass das Swiss-Management mittels Kurzarbeit über eine längere Periode die Unter-Auslastung des Flugbetriebes aussitzen möchte. Das wird dem Bund allerdings noch zusätzlich mehrere hundert Millionen CHF kosten. Da auch mittelfristig nur von einem deutlich bescheideneren Flugbetrieb ausgegangen werden kann, werden bei der Swiss hohe Zusatzverluste anfallen.

Offenbar sollen erst einmal 1‘500 von 9‘500 Stellen gestrichen werden. Neuerdings soll es sogar „vorerst keine Entlassungen geben“, laut Geschäftsleitung. Das klingt sehr grosszügig, ja vorbildlich sozial. Heisst das übersetzt, dass erst mal alle auf Kosten des Steuerzahlers kurzarbeiten, später dann erst sollen Entlassungen folgen?

Die Milliarde soll auch Personal retten

Hintergrund der Hilfeleistungen des Bundes war nicht zuletzt auch die Idee, Personal zu retten. Man wollte grössere Entlassungen verhindern. Leider können mittels Geldüberweisungen an die Swiss nicht mehr Fluglinien und bessere Auslastungen produziert werden. Bei einem V-förmigen Einbruch des Geschäftes wäre das zu rechtfertigen, nicht jedoch bei einem L-förmigen Verlauf – welcher inzwischen offensichtlich ist.

Effektive Umsatzprognose liegt unter dem geplanten Flugplan

Die Swiss möchte ab Juni 10-15% der ursprünglichen Flugziele anfliegen, ab Januar 2021 könnten es dann 50% sein. Allerdings möchte die Airline vor allem kleinere Flugzeuge einsetzen und vorerst eher kürzere Strecken bedienen. Die prozentuale Auslastung wird also nicht entsprechend korrelierende Umsatzgrössen generieren. Das erhöht die Schuldenprognose (vergleiche Grafik, die gelbe Fläche stellt den zusätzlichen Gap aufgrund der Umsatzschätzung von True Economics dar).

Abschreiber auf der Flotte

Für die Flieger am Boden wird ein Teil der Kosten weiterlaufen. Ein kongruentes Downsizing von Kosten im Verhältnis zum Flugbetrieb und zum Umsatz ist so gar nicht möglich. Zudem werden die Verkaufserlöse für überzählige Flugzeuge angesichts des künftigen Überbestandes im Markt unter den Bilanzwerten der Swiss zu liegen kommen. Also besteht wohl noch zusätzlicher Abschreibungsbedarf, vielleicht in Milliardenhöhe.

Gigantische Defizite werden sich auftun

Alle weiteren grossen Kostenblöcke, auch der immense Kreditorenbestand an vor-verkauften Tickets oder zum Beispiel vorausdisponiertes Flugbenzin zu hohen Preisen werden es verunmöglichen, die Kosten im Gleichschritt mit einem Downsizing herunterzufahren. Also werden sich noch zusätzliche Defizite auftun – und zwar über eine längere Zeit. Es ist nicht davon auszugehen, dass mittelfristig wieder ein 100%-Flugvolumen erreicht werden kann. Selbst grössere international aufgestellte Airlines wie Singapore Airlines oder Emirates rechnen für das Jahr 2021 nur mit einer durchschnittlichen gut 50%-Auslastung, mit besseren Zahlen erst in den Folgejahren – aber selbst längerfristig nicht mit einem Volumen von 2019.

Ob der Bund sich heute schon bewusst ist, dass er den kleinen Finger gereicht hat, ihm künftig jedoch die ganze Hand genommen wird…?

Unsere Prognose: Die Liquidität wird nicht reichen, neue Kredite müssen dann her. Und die Insolvenz wird nicht angetreten, weil der Bundesrat die Übung wohl als Point of no Return ansieht. Also weiter durchfüttern!

Die Kreditabsicherung ist mehr als blauäugig

Als „Pfand“ für die Kredite hatte der Bund die Absicherung mit Swiss-Aktien verhandelt. Nun, zu welchem Kurs denn? Da nicht börsenkotiert, gibt es eh keinen, und bei einem erneuten Grounding sind die Aktien wertlos – schlimmstenfalls weisen sie sogar einen negativen Wert aus. Im „normalen“ Geschäftsleben hätte ein „normaler“ Verhandlungs-Deal als Absicherung Aktien der Muttergesellschaft eingefordert. Aber wenn es um die Swiss geht, die uns gar nicht gehört (sondern internationalen Aktionären und nun auch 25% dem deutschen Staat) scheinen offenbar die bundesrätlichen und parlamentarischen Sicherungen durchgebrannt zu sein.

Vorauseilender Liebesdienst

Es ist zudem unklar, warum mit der Kreditvergabe dermassen Eile geboten war. Zurzeit gibt es noch genügend Liquidität im Konzern, und erst muss der Deal mit der deutschen Regierung formell unter Dach und Fach sein. 

Besser ein kontrolliertes Grounding

Noch ist es nicht zu spät, denn der Hilfskredit für die Swiss ist noch nicht in allen Details validiert. Die Vernunft würde es gebieten, ein kontrolliertes Grounding einzuleiten. Dann sollte, im Einklang mit der Lufthansa, wieder neu aufgebaut werden. Mit einem Teil des Personals, einem Teil der Flotte und einem knapp geschnittenen Teil der Strukturen.

Verlieren würden die Aktionäre und Gläubiger (auch die Besitzer vorausbezahlter Tickets). Die Arbeitnehmer würden kaum verlieren: Man kann ja nicht Arbeit verlieren, die es so oder so gar nicht mehr gibt.

Eine Insolvenz der Swiss wäre ein eleganter Weg für einen Neustart: Aus den Scherben könnte sehr rasch eine Newswiss entstehen, unter Federführung der Lufthansa und mit allfälliger (vorübergehender) Beteiligung der Eidgenossenschaft. Vorübergehend bitte, denn „der Staat gehört nicht ins Cockpit“, wie René Höltschi in der NZZ bereits vor ein paar Tagen treffend formulierte. 

Nützliches kann übernommen werden, der Rest kann liquidiert werden. 50% des Personals könnten zu Marktkonditionen übernommen werden.

Wenn mittelfristig weniger geflogen wird, braucht es auch weniger Personal, der Staat kann dieses beim besten Willen nicht retten. Es ist nicht einzusehen, warum der Staat mit Liquiditätsspritzen letztlich nur ihr zum Teil fremden Gläubigern und einer ausländischen Aktionärin mit Staatsbeteiligung helfen soll. Auch ist es nicht am Staat, indirekt Einzelverluste von bereits bezahlten Flugtickets von Passagieren oder Reisebüros abzudecken. Das sind zwar bedauerliche, aber zumutbare Einzelverluste – Risiken, welche ein Bürger oder Unternehmen einfach tragen müssen.

Falsche Argumente des Bundes

Das Argument, mit den generös versprochenen Krediten die „Anbindung der Schweiz“ sicherzustellen, war so oder so ziemlich weltfremd: Selbst wenn ein Projekt Newswiss scheitern würde, würden andere Airlines blitzschnell in die Bresche springen und alle attraktiven Flugverbindungen ab Zürich und Genf bedienen – für Passagiere wie Fracht. Ausländische Carriers könnten zwar nicht gleich einen richtigen Hub errichten. Richtig. Aber Linien können auch von aussen bedient werden.

Eine kleine Feasability Studie mit realistischen Auslastungsvarianten für 2022 und 2023 würde wohl sofort zu Tage bringen, dass die Swiss im heutigen Kleid nicht überleben kann, ohne dass ihr noch längerfristig massiv Liquidität zugeführt und auch Eigenkapital eingeschossen werden muss. Wollen wir das wirklich?

Noch absurder fast ist die Hilfe an Edelweiss: eine durchaus sympathische Arline, aber die Ferienflieger sind nun wirklich nicht systemrelevant.

Fazit: Jetzt sollte die Reissleine gezogen werden. Das Swiss Management sollte das mit Abstimmung des Lufthansa-Konzerns und des Bundes selber tun. Wenn nicht, sollte konseqenterweise der Bundesrat den Stecker ziehen – und dann mithelfen, mit der Lufthansa zusammen eine neue, schlanke Airline aus den bestehenden Assets aufzubauen. Eine stille Beteiligung des Bundes könnte dabei helfen. Aber bitte nur vorübergehend – und ohne Einflussnahme in Verwaltungs- und Aufsichtsräten.

Wie viele Lockdowns erträgt eine Volkswirtschaft?

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronakrise können Staaten in den Ruin treiben. Heute sehen wir, dass es nicht die medizinischen, sondern die kollateralen Schäden durch die Lockdowns sind, welche in die grosse Misere führen. Wie viele Lockdowns kann sich denn ein Land überhaupt leisten?

Gouverner, c’est prévoir. Aber offenbar waren wir nicht nur schlecht vorbereitet auf diese Pandemie, wir meisterten sie auch an vielen Orten nicht professionell. Einzelne Staaten haben die Wirtschaft mit Lockdowns dermassen in den Würgegriff genommen, dass deren ökonomisch unabhängiges Fortbestehen in Frage gestellt ist – oder dass sie in ihrer Entwicklung um Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, zurückgeworfen werden.

Streckt Russland bereits die Waffen?

Russland war im letzten Jahrhundert schon mehrere Male zahlungsunfähig. Das letzte Mal 1998 – wir erinnern uns, die grosse Russlandkrise. Wie wir wissen, exportiert Russland ja nur Waffen, Wodka, Trolls und Rohstoffe (v.a. Erdöl). Letzteres ist preislich implodiert, Russland fehlt es an Staatseinkommen. Die Lockdowns reissen nun ein weiteres grosses Loch in die Taschen. Nachdem die Spitalkapazitäten im ganzen Land nun im Eiltempo ausgebaut wurden, sind die Intensivstationen bereit, die Coronagäste zu empfangen: dobro pozhalovat – was so viel wie „herzlich willkommen“ bedeutet. Deshalb werden die meisten Lockdowns aufgehoben, die Wirtschaft wieder zum Laufen gebracht. Mehr Lockdown erträgt das Land nicht. Sollte eine zweite Pandemie-Welle kommen, ist Russland vorbereitet. Die Regierung wird nicht im Traum daran denken, die Wirtschaft wieder runterzufahren, die Seuche muss jetzt ausgestanden werden. Für einmal müssen wir Putin recht geben: Er handelt richtig, denn er hat gar keine andere vernünftige Wahl. So muss die Wiedereröffnung der Wirtschaft jetzt eben auf dem Höhepunkt der Epidemie stattfinden.

Viele Staaten waren schon vor Corona pleite

Libanon und Argentinien waren schon vor der Pandemie de facto pleite. In den nächsten Wochen wird sich weisen, was mit diesen Ländern passiert. Argentiniens Anleihen werden zurzeit noch zu 35% gehandelt. Die Schulden können nicht zurückbezahlt werden, das hat Argentinien bereits deklariert, und Zinsen werden so oder so keine bezahlt. Laut IMF ist das Land „überschuldet“, die Definition „Default“ wird wohl folgen. Bereits grassiert eine alarmierend zunehmende Armut in Libanon und Argentinien, die Lockdowns haben die Situation nun verschlimmert, die staatlichen sozialen Auffangnetze funktionieren nicht mehr. Die Situation ist noch fataler geworden, als sie ohne ein striktes Abwürgen der Wirtschaft gewesen wäre. Ein einziger Lockdown war also schon zu viel.

Es gibt andere Länder, welche de facto schon länger bankrott sind: Puerto Rico, Jemen, Sudan, Bangladesh. In diesen Ländern konnten Lockdowns zum Teil nicht einmal organisiert werden. Bangladesh zum Beispiel leidet nur schon erheblich aufgrund der importierten Lockdowns (es fehlen die Aufträge für die Textilindustrie). Gar keine Frage: Ein selber verordneter strenger Lockdown hätte diese Staaten in ein noch grösseres Desaster getrieben, als Covid-19 anrichten könnte.

Staaten können übrigens gar nicht in die Insolvenz gehen, weil es keine übergeordnete Institution gibt, welche diese anordnet. Es handelt sich oft um eine Selbstdeklaration, oder der IMF und Ratingagenturen stellen die Zahlungsunfähigkeit fest. Das hilft uns allerdings auch nicht weiter, denn de facto sind diese Staaten einfach pleite. 

Die Insolvenz kann auch moderne westliche Staaten treffen

Dass auch durchaus entwickelte Staaten zahlungsunfähig werden können, kennen wir spätestens seit der Finanzkrise: Irland traf es damals genauso wie Island. Da die Staaten gerettet wurden, verwischt die Zeit die Erinnerungsspuren. Es gäbe noch viele Beispiele. So Neufundland etwa, welches 1933 noch ein eigener Staat war und den Bankrott erklären musste. Kanada adoptierte dann das Land…

Oft braucht es nur noch einen letzten Auslöser für eine Insolvenz. Corona – bzw. die verordneten Massnahmen gegen die Seuche – kann für ein paar Länder gerade dieser berühmte Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Südliche europäische Länder können den Lockdown gar nicht finanzieren

Italien und Spanien hatten ihre Lockdowns besonders streng gehandhabt: So wurde grossen Teilen der Volkswirtschaften eine totale Zwangspause verordnet. In der Folge steigen die Haushaltsdefizite und die Staatsverschuldung mit Quantensprüngen nun auf ein Niveau, welches die eigene Aufnahme von Schulden an den Kapitalmärkten gar nicht mehr ermöglicht. Europa wird diese Länder retten. Aber nicht einmal einen einzigen Lockdown hätten sie selber finanzieren können.

Auch Länder wie Griechenland oder Zypern sind nach den Lockdowns nun wieder schwächer auf der Brust. Aber auch sie werden sich aus den Eurotöpfen alimentieren dürfen. Alleine schaffen sie es wohl nicht.

Globales Finanzsystem vor einem grossen Stresstest

Demnächst wird also mit neuen Staatspleiten zu rechnen sein, es wird zu weiteren Währungsverwerfungen und zu Instabilitäten im globalen Finanzsystem kommen. 

Italien ist das Sorgenkind Nummer eins, mit einer Explosion der Staatsverschuldung auf 2.5 Billionen Euro. Das Land wurde von Fitch auf BBB gesetzt – also fast auf Junkbond-Level. Sollten Sie persönlich noch italienische Staatsanleihen halten, so wäre es jetzt wohl aller-spätestens angezeigt, diese abzustossen. 

Sollte Italien tatsächlich einmal zahlungsunfähig werden, so werden inländische Investoren am meisten bluten müssen – und zwar Private, Banken sowie institutionelle Anleger. Aber auch ausländische Notenbanken und Banken sind grosse Schuldner. Französische und spanische Banken haben besonders viele italienische Anleihen gezeichnet. Französische und deutsche Banken liessen sich in hohem Masse einst auch von den attraktiven Zinsen griechischer Staatsanleihen verführen (und so wurde zwischen 2010 und 2015 nicht Griechenland „gerettet“, sondern es wurden französische und deutsche Banken geschützt).

Um Defaults zu verhindern – wir ahnen es schon – werden die Eurotöpfe nun wieder vergrössert, um allerdings auch sofort wieder geleert zu werden. Lustigerweise wird dann beispielsweise Italien selber auch wieder höhere Beträge an Euroschulden der EZB ausweisen. Letztlich ein ganz raffiniertes, aber brandgefährliches System: Man gewährt sich selber Schulden – man kreiert also Guthaben mit etwas, das man gar nicht besitzt. In der Privatwirtschaft wäre das qualifizierter Betrug. Das wahre Drama ist die totale Verknüpfung der EZB mit den europäischen Nationalbanken, den Staaten und Banken sowie den institutionellen Anlegern.

Die Lösung? Länder wie Italien kämen – theoretisch – um einen tiefen Schnitt gar nicht herum. Sie müssten die grassierende Schattenwirtschaft reduzieren, um Steuersubstrat zu schaffen. Viele Märkte müssten liberalisiert werden, und der Staatsapparat müsste verkleinert und modernisiert werden. Ob sich das überhaupt je durchziehen lässt, ohne vorher eine richtige „Insolvenz“ und einen Bailout zu produzieren, ist sehr fraglich.

Was heisst das für Anleger?

Auch Staatsanleihen anderer südlicher Länder sollten – aus Sicht des Privatanlegers – jetzt dringend liquidiert werden, denn die tatsächlichen miesen Zahlen sind in den Staatspapieren vielleicht noch nicht ganz eingepreist. Es werden zwar die zusätzlichen Corona-Verschuldungen grob geschätzt, nicht aber das erodierende Steuersubstrat, das die Haushaltbudgets zusätzlich längerfristig belasten wird. Südafrika beispielsweise ist ein weiterer Kandidat, welcher wohl herabgestuft werden müsste. Die zum Teil absurden Lockdowns haben der Wirtschaft und dem sozialen Frieden ungemein geschadet und werfen die Volkswirtschaft um viele Jahre zurück. Sollte man gar südafrikanische Staatsanleihen in Rand halten, multipliziert sich das Risiko – also lieber jetzt weg damit. Nein, es soll heute nicht wieder ein „Börsenbrief“ werden… Wir gehen nur davon aus, dass die tatsächlichen Probleme noch nicht ganz an der Oberfläche sind, sich binnen Monaten nun aber präsentieren werden. Also könnte man heute noch handeln.

Sollten Sie übrigens noch Staatsanleihen von Venezuela halten, so lassen sie sich diese bitte am besten physisch aushändigen. Vielleicht lässt sich mit den Papieren zumindest Ihr Kaminholz anzünden – für mehr sind sie nicht mehr wert.

Die nächste Krise wird kommen

Ob eine zweite Pandemiewelle, eine Strommangellage oder echte „black swans“: Neue Krisen werden kommen. Volkswirtschaften werden aber nur überleben, wenn sie sich darauf vorbereiten – und Pläne zur Hand haben, wie man beim Eintreffen der Krise dann so reagiert, damit die Ökonomie nicht abgewürgt und die ganze Zukunft eines Landes verbaut wird.

True Economics ist der Meinung, dass eine ausführliche Übungsbesprechung von Corona erfolgen muss, für Regierung, Behörden, alle Entscheidungsträger. Nun stehen wir jedoch möglicherweise kurz vor einer zweiten Pandemiewelle, und wir haben diese Übungsbesprechung noch nicht einmal richtig angedacht. Trotzdem ist jetzt und sofort ein Plan zu entwerfen, wie wir eine zweite Welle hinter uns bringen – und zwar ohne nennenswerte Ladenschliessungen, ohne den Rest der Wirtschaft in Schockstarre zu versetzen (wie wir es in Italien, in Spanien oder im Tessin gesehen haben). Wir sollten jetzt dringend gelernt haben, dass eine Pandemie nicht ein einmaliger Vorgang ist, sondern deren nichtadäquate Bewältigung nachhaltige Schäden verursacht. 

Was heikel ist: Es müssen möglichst viele Staaten durch diesen Lernprozess. So sind beispielsweise fast 50% der Schweizer Volkswirtschaft vom Ausland abhängig. Es nützt also nur partiell, wenn ein einzelnes Land umsichtig handelt. Die internationale Verzahnung der meisten entwickelten Länder führt zur Erkenntnis, dass nur ein koordiniertes Vorgehen Schaden abwenden kann.

Fazit: Lockdowns kosten Unsummen. Die wirtschaftlichen Einbussen können eine Volkswirtschaft in den Ruin treiben und deren Entwicklung um Jahre zurückwerfen. Viele Staaten ertragen ökonomisch nicht einmal einen einzigen Lockdown. Gesunde Staaten wie die Schweiz könnten (in gleichem Ausmass) einen zweiten finanzieren. Das Gros der OECD Staaten wird jedoch keinen weiteren (vergleichbaren) Lockdown bezahlen können. Es ist jetzt Zeit, sich blitzartig einen Massnahmenplan zurechtzulegen, wie wir einer zweiten Pandemiewelle begegnen können, ohne nochmals einen vergleichbaren wirtschaftlichen Schaden zu produzieren.

Wer hat noch nicht, wer will noch mal?

Der Staat verteilt das Geld mit vollen Händen. Und die Schuldenexplosion wird unsere Zukunft blockieren.

Blanker Egoismus

Mit einer gigantischen Schuldenaufnahme für allerlei Hilfeleistungen verschieben wir die Probleme auf nächste Generationen. Das ist sehr egoistisch.

Jetzt wissen wir auch, was uns die Corona Hilfeleistungen kostet: eine Unsumme. Sie entspricht ziemlich genau den bisherigen Schulden des Bundes (Ende 2019: 96 Milliarden CHF). Um die Kirche im Dorf zu lassen: Nicht die ganzen geschätzten 100 Milliarden Hilfeleistungen sind Ausgaben – bei einem Teil handelt es sich „nur“ um Kredite. Auch der Swiss-Kredit ist hier dabei, dieser nimmt sich im Vergleich zur Gesamtsumme geradezu als Trinkgeld aus. Aber es sind auch Hilfen für die Medien, für Kitas, für Selbständige, für Kunst und Sport, und und und dabei. Die Liste wird noch länger werden – allein schon, weil die Pandemie noch länger andauern wird. Der Bundesrat, das Parlament und auch Teile der Bevölkerung haben die Verhältnismässigkeit verloren. Nun spielt es nämlich auch keine Rolle mehr, zusätzliche weitere Geschenke zu verteilen, es fällt fast nicht mehr ins Gewicht. Die Begehrlichkeiten wachsen und wachsen, und je mehr Geld verteilt wird, desto mehr muss an zusätzlichen Orten nochmals verteilt werden – damit ja auch alles gerecht und verhältnismässig bleibt.

„Systemrelevanz“? Schnee von gestern!

Heute werden die Hilfeleistungen so versprochen, wie sie reinkommen. In Deutschland möchte die gebeutelte Autoindustrie Prämien, und auch bei uns wird bald jede Branche zum Bittsteller werden. So fordert zum Beispiel unsere Industrie bereits eine Verlängerung der Kurzarbeit auf 18 Monate. 

Parlament und die Behörden navigieren auf Sicht: first come, first serve. Es fehlt ein volkwirtschaftliches Konzept, um die Systemrelevanz und die Dringlichkeit (aus Sicht der gesamten Volkswirtschaft) zu determinieren. Je konzeptloser, desto teurer wird es wohl.

50% der Arbeitnehmer vom Staat bezahlt

Zurzeit füttert der Staat rund die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung durch (Arbeitslose, Kurzarbeitende, alle Angestellten von Bund, Kanton und Gemeinden, etc.). Um das Mass vollzumachen, dürfen wir noch alle AHV-Rentner und alle Bezüger von anderen Sozialleistungen dazurechnen. Wir verzichten an dieser Stelle auf eine präzise Addition und stellen nur fest: Ein signifikanter Teil der Bevölkerung sitzt an der Tafel des Staates, und nur ein kleiner Teil der Bevölkerung sollte diese decken. Natürlich geht das nicht, deshalb die Schuldenexplosion. 

Dazu kommen die Unternehmen, die der Staat ebenso durchfüttert. Bei vielen macht das Sinn, bei vielen nicht: Das eine oder andere Restaurant z.B. wird die Corona-Kredite nie und nimmer zurückbezahlen können. Aber diese Ausfälle hat unser Finanzminister wohl eingerechnet. Als Unternehmer müsste er heute schon eine kräftige Delkredere-Rückstellung in der Bilanz vornehmen.

Wir müssen einen dringenden Ausweg aus dieser Ausgabenorgie finden. Die Kredite müssen eingegrenzt werden, die Hilfs- und Sozialausgaben raschmöglichst zurückgefahren werden. Die Schweiz wird dazu hoffentlich in der Lage sein. Viele andere Länder werden schon vorher an den neuen Schulden ersticken. 

Haushaltsdefizite explodieren

In vielen Staaten werden nicht nur die Haushaltsdefizite im 2020 und wohl auch 2021 gigantische Dimensionen annehmen. Damit werden auch die Staatsverschuldungen Quantensprünge vollziehen.

Deutschland wird die nach Jahren stolz erreichte 60% Staatsverschuldung des BIP (präzise die Maastricht-Benchmark) binnen einem Jahr um 20 Prozentpunkte nach oben verschieben. Auch die Schweiz wird vermutlich einen 15%-Sprung vollziehen. Italien geht weiter: plus 25%, auf rund 160%. Spanien mit seinem absurd extremen Lockdown nach Franco-Muster ist noch am Rechnen, der Sprung wird wohl ähnlich aussehen. Portugal wird die Nach-Corona-Verschuldung bescheidener erhöhen, war aber schon vorher schwach auf der Brust. Griechenland wird bald eine 200% Marke avisieren. Frankreich wird, ausgehend von einem  bereits hässlichen 100% Vor-Corona-Niveau, wohl gegen 120% kommen, die USA vollzogen unter der brillant-unternehmerischen neuen Führung schon im Jahre 2019 ein Haushaltdefizit von 6% und platzierten sich damit bereits bei deutlich über 100%. Mit Corona wird nun ein doppelt- oder dreifaches Jahresdefizit draufgeladen.

Auch Russland, China, Indien und vielen anderen grossen Volkswirtschaften werden die Lockdowns teurer zu stehen kommen – wohl um ein X-Faches teurer, als ein besser vorbereitetes Gesundheitssystem und eine minimale Krisenvorsorge gekostet hätten.

Es geht nur mit Nullzinspolitik

Die Hilfeleistungen und die markante Erhöhung der Staatsverschuldungen werden nur mit Billiggeld möglich sein. Die Zinsen müssen also noch sehr lange unten bleiben, ansonsten eine ganze Reihe von Staaten den Löffel abgeben kann. Das heisst aber auch, dass die junge Generation heute nie mehr sparen kann. Ihr Hedonismus wird gestärkt werden: lieber hier und heute, also dort und morgen. Ohne „old money“ wird sich der Grossteil von ihnen zum Beispiel  kein Eigenheim ersparen können. Sie werden die Zinseszins-Rechnung vielleicht in der Schule noch kurz streifen, ihre Früchte aber nie geniessen können. 

War es den Lockdown wert?

Angesichts der ökonomischen Auswirkung und der dramatischen Schuldenzunahme von Staat und Unternehmen (und vielleicht auch Privaten!) muss die Frage bereits aus heutiger Sicht mit einem NEIN beantwortet werden. Die Folgeschäden schlagen finanziell höher zu Buche als es ein etwas erhöhtes Risiko von reduzierten Lockdowns gewesen wäre. Zudem betreffen die Folgeschäden in ihrer Dramatik vorab schwächer Gestellte und künftige Generationen. 

Viele Staaten werden wieder einmal Hilfe beanspruchen müssen – auf dem regulären Kapitalmarkt wird es für sie kaum mehr finanzierbares Geld geben. War es das wert, die Wirtschaft so hinunterzufahren? Viele Volkswirtschaften werden ihre Verpflichtungen (nicht zuletzt in Sachen Gesundheitswesen) künftig noch schlechter wahrnehmen können. Ein Schuss ins Knie?

Die Renten sind nicht mehr gesichert

Es ist anzunehmen, dass nun die Renten nicht mehr im gleichen Umfang gesichert sein werden. Da hilft auch eine etwas deflationäre Periode – die uns demnächst bevorsteht – kaum. Ohne Verzinsung gehen die Rentenberechnungen nie auf – weder für die staatlichen Rentenkassen (bei uns in der Schweiz die AHV), noch für betriebliche oder private Sparkapitalien. 

Eine besonders intelligente Anlagepolitik in Wertschriften zum Beispiel, welche eine höhere Rendite versprechen könnte, wäre wünschenswert – aber sie gilt nicht als sicher. Der stringente Gedankenpfad Corona>Staatsschulden>Nullzinspolitik>Renten führt unweigerlich zum Schluss, dass das Corona-Management die Renten schwächen wird.

Unvermeidlich: Steuer- und Beitragserhöhungen

Nur schon zur Finanzierung der höheren Arbeitslosigkeit und der staatlichen Rente sowie anderen sozialen Auffangnetzen wird man mittelfristig um höhere Steuern nicht herumkommen. Höhere Steuern reduzieren jedoch das verfügbare Einkommen, die Sparquote und damit unsere persönlichen Gestaltungsmöglichkeiten. Die nächsten Generationen werden uns dankbar sein…

Selbst mit einer Reduktion der staatlichen Leistungen – sollten diese überhaupt umsetzbar sein – reichen mögliche Einsparungen nicht. Eigentlich haben sie schon früher längerfristig nicht gereicht, die coronitten Kollateralschäden jedoch machen es nun erst recht unmöglich, wieder eine Balance ohne Steuer- und/oder Beitragserhöhungen zu finden.

Too late to cry

Die Misere ist nun mal angerichtet. Nicht durch die Krise, sondern durch die Lockdowns. Wir könnten jetzt lamentieren, dass wir die Krise besser hätten meistern können. Wir hätten beispielsweise nach Südkorea schauen können, wir hätten für eine vorübergehende Periode unsere Privatsphäre etwas aufgeben und Tracing Apps einrichten können. Wir hätten umfangreiche Random-Testings einrichten können, rasche Isolationen, Quarantänen akzeptieren können, eine Maskentragpflicht. Und all das ohne nennenswerte Lockdowns. Wir hätten uns schon viel früher mit Szenarien und Vorbereitungen seriös auseinandersetzen können. Too late to cry. Die Folgekosten sind jetzt da, wir können sie nicht rückgängig machen. Wir könnten indessen raschmöglichst dazulernen, um es bei einer nächsten Krise besser zu machen. Nur schon bei einer eventuellen zweiten Pandemie-Welle.

Fazit: Die Verteilung der Hilfsgelder ist nötig geworden, weil wir schlecht auf eine Pandemie vorbereitet waren und ein ebenso defizitäres Krisenmanagement durchziehen. Aber nicht alle Hilfeleistungen sind wirklich dringend notwendig und sinnvoll. Die gut gemeinte Grosszügigkeit kommt uns unverhältnismässig teuer zu stehen. Unsere Generation dürfte die angehäuften Schuldenberge nicht einfach auf die nächste Generationen verschieben – aber sie tut es, und das ist äusserst egoistisch. Zusätzlich verhindern wir mit den Schuldenbergen künftigen staatlichen Gestaltungsspielraum: die Erneuerung gewisser Infrastrukturen, die Lösung von vielen Herausforderungen in den Bereichen Gesundheit, Renten, Bildung – und wenn Sie wollen: auch Klima. Aber noch schlimmer: Lässt sich nun eine weitere ähnliche Krise finanzieren…?

True Economics wird demnächst eine Antwort dazu liefern.

Nach der Corona-Ära: Folgt nun Inflation oder Deflation?

True Economics Prognose

Die Schweizer Bundesökonomen haben in den letzten Tagen verschiedene Szenarien entwickelt: Inflation, ein bisschen Deflation, oder keines von beiden. Eine Auswahlsendung also, je nach Szenario – allerdings ohne Hinweis darauf, welches Szenario am wahrscheinlichsten eintreffen wird. Ein helvetischer Kompromiss quasi. Auch Thomas Fuster in der NZZ vom 9. Mai wollte sich nicht genau festlegen („Folgt nun die grosse Inflation?“).

True Economist wagt die Prognose: Es folgt eher eine Deflation!

Die Begründung unserer Prognose ergibt sich aus einem Puzzle von Einflüssen; wir werden dieses kurz zerlegen:

Gibt es einen Nachfragerückstau, der zu Inflation führt?

Bundesökonomen gehen in einem der Szenarien von einem Nachfragerückstau aus, der nun nach der Pandemie plötzlich zu Überkonsum führen könnte. Weil das Angebot nicht mithält, könnten die Preise erhöht werden. Dieses Szenario betrachten wir jedoch als ziemlich weltfremd. Selbst wenn in einzelnen Branchen ein kleiner Boom einsetzen sollte: Der Markt wird das Angebot in Windeseile regeln. Wenn nicht mit Inlandangeboten, so mit der bald wieder lückenlos hergestellten internationalen Vernetzung. Im Vergleich zu früher verfügen die Märkte heute über eine nahezu totale Information, Angebote können blitzschnell organisiert werden – trotz dem nun aufkommenden Abgesang auf die Globalisierung.

Konsumverzicht sollte zu Deflation führen

Die Konsumenten werden demnächst weniger konsumieren. Der Grund liegt einerseits beim reduzierten verfügbaren Einkommen (40% der arbeitenden Bevölkerung arbeitet kurz oder ist arbeitslos), andererseits wird die Konsumlust erst langsam wieder zurückkommen. Zudem springt der Tourismus nicht an, die internationalen Gäste werden noch länger als Konsumenten fehlen. Kurzfristig wird ein Nachfrageschock zu verzeichnen sein, mittelfristig bleibt die Nachfrage zumindest schwach. Das drückt auf die Preise – also eine deflationäre Wirkung.

Die Sparquote wird sich erhöhen

In westlichen entwickelten Ländern wird sich die Sparquote tendenziell erhöhen (zumindest bei dem Teil der Bevölkerung, welcher nicht von Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit betroffen ist). Lerneffekte werden zumindest in den nördlichen europäischen Staaten zu einer eher verhaltenen Konsumneigung führen. Vielleicht ist die Zukunft doch nicht so sicher…? Die Altersvorsorge ist zudem nicht mehr gleich garantiert, die Nullzinspolitik lässt die künftigen Renten schrumpfen. Und alle, die nun selber von Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit betroffen sind oder waren, lernen jetzt ebenso: Sie werden ihre persönlichen ökonomischen Zukunftsszenarien revidieren. Die daraus resultierende höhere Sparquote führt zu Nachfragerückgang und zu einer deflationsfördernden Tendenz. 

Führt die Verknappung des Angebots zu Inflation?

Verschiedene Branchen werden nun beschädigt aus der Krise herauskommen; die Angebotspalette schrumpft etwas. Einerseits, weil gewisse Akteure die Waffen strecken, andererseits weil ein paar Lieferketten unterbrochen sind und das Angebot deshalb nur schon aus Beschaffungsgründen schmaler wird. Normalerweise führt eine Angebotsverknappung zu Inflation – aber nur bei gleichbleibender Nachfrage. Da diese nicht gegeben ist, wird aus der Angebotsecke kaum Inflation zu erwarten sein, der Markt würde Preissteigerungen nicht aufnehmen. Das Angebot würde nämlich sofort ausgeweitet werden, wenn die Nachfrage wieder steigt. Siehe Luftfahrt: Trotz beschädigter Strukturen wird künftig wohl genau so viel geflogen werden, wie das die Passagiere auch wollen.

Was ist mit den Grenzschliessungen?

Kurzfristig könnten aufgrund des zum Erliegen gekommenen Einkaufstourismus leicht inflationäre Tendenzen auftreten. Insbesondere  in den Grenzkantonen werden die Schweizer Detailhändler zurzeit in die Hände klatschen und die Preise etwas erhöhen – wie es der Lebensmittelhandel schon während den letzten Wochen praktiziert hatte. Der Wettbewerb wird aber wieder spielen, sobald die Grenzen wieder offen sind, dann eben wieder deflationär. Über einen längeren Zeitpunkt betrachtet wird der Effekt ausgeglichen.

Viel Geld, und es kostet nichts

Wenn Geld nichts kostet, muss von der Zinsfront her mit keiner Verteuerung gerechnet werden. Weder Wohnen noch kapitalintensive Produktionen oder generell Konsumgüter und Dienstleistungen sollten dadurch, also aufgrund der Kapitalkosten, teurer werden.

Wenn viel Geld gedruckt wird, droht Inflation. So das Lehrbuch. Leider hat sich die Ökonomie in den letzten Jahren nicht so verhalten, wie sich das die Ökonomen ausgedacht hatten. Da die Wirtschafts- und Geldpolitik fast aller Staaten sich im Moment mehr oder weniger kongruent verhalten, entstehen zwischen den betroffenen Ländern keine nennenswerten Ungleichgewichte – welche dann, je nachdem, Inflationen oder Deflationen auslösen könnten. 

Kommt es jedoch aufgrund falscher Währungs- und Finanzpolitik zu einer starken Währungsabwertung, kann aufgrund der verteuerten Importe eine Inflation oder gar eine Hyperinflation drohen. Länder wie Argentinien, Libanon oder die Türkei können ein Lied davon singen – ganz zu schweigen von Simbabwe oder Venezuela.

Für die meisten OECD Länder gilt jedoch: Aufgrund der Geld- und Währungspolitik sollte keine nennenswerte Inflation drohen, solange die wundersame Geldvermehrung schön gleichmässig weitergeht und die Zinsen tief gehalten werden. Das wird noch sehr lange so bleiben, denn sonst können die Staatsdefizite nicht berappt werden.

Die europäischen Südstaaten lechzen nach Inflation

Die hoch verschuldeten Staaten haben ein grosses Interesse daran, mit ein bisschen Inflation (der Italiener Draghi definierte einst ziemlich selbstherrlich so um die 2% als ideal…) langfristig die Staatsschulden zum Verschwinden zu bringen. Nach ein, zwei Generationen mit tiefen Zinsen und ein bisschen Inflation, so der kühne Plan, könnten sich die Kredite ja von selbst sublimieren. Das ist einfacher als eine Rückzahlung. 

Die Idee ging bis jetzt aber nicht auf. Und da die Schuldenberge nun weiter angehäuft werden, muss die Geldvermehrung mit Nullzinsen unweigerlich weitergehen. Es kann einem schwindlig werden bei der Vorstellung, wer die Zeche einmal zu bezahlen hat – und wann. Après nous le déluge, mag jetzt auch die (Nicht-Ökonomin und Französin) Lagarde sagen.

Eine nennenswerte Inflation steht trotz dieser Geld- und Währungspolitik des Westens in den nächsten Jahren aber nicht auf dem Radar. Schon alleine deshalb, weil alle gleich sündigen…

Was passiert bei höheren Steuern?

Es ist anzunehmen, dass viele Staaten ihre Steuern erhöhen müssen. Welche neue Steuern auch immer erhoben werden: Sie beschleunigen zwar den Staatskonsum, reduzieren aber letztlich den privaten Konsum. Die Wirkung ist alles andere als inflationär. Ausnahme: stärkere Erhöhungen der Mehrwertsteuer.

Die Stärkung des Schweizer Frankens wird die Deflation begünstigen

Die Nationalbank scheint sich zurzeit mit Händen und Füssen gegen eine Höherbewertung des Schweizer Frankens zu stemmen. Wir gehen davon aus, dass sie zum jetzigen Zeitpunkt der Exportwirtschaft nicht noch ein zusätzliches Problem in Form eines unvorteilhafteren Wechselkurses aufladen möchte. Aber es ist anzunehmen, dass das Problem nur verschoben wird, der Schweizer Franken wird mittelfristig wieder stärker werden. Im EU- und Euro-Raum gilt es nun, wieder immense Summen Geld zu produzieren, um die Schuldenberge zu finanzieren. Und Griechenland, Spanien, Portugal und Italien müssen wieder einmal gerettet werden. Die Euroschwemme wird nicht aufzuhalten sein, genau so wenig wie der Aufwertungsdruck auf den Schweizer Franken. Das wird unsere Importe in die Schweiz verbilligen – also ist von dieser Front her auch eher mit Deflation zu rechnen, zumindest für unser Land.

Rohstoffpreise liegen tief

Nicht nur das Öl, auch viele andere Rohstoffe verzeichnen ein tiefes Preisniveau. Das wird sich vielleicht mittel- oder langfristig wieder ändern. Kurzfristig aber sind die Preisrückgänge noch nicht einmal in den Verbrauchsgütern eingepreist. Aus dieser Sicht ist vorerst mit einem deflationären kleinen Schub zu rechnen, mittelfristig mit neutralem Einfluss.

Wirkt die Handelspolitik der USA inflationär?

Die politisch motivierten Spiele der Administration Trump mit den Zöllen und anderen Importrestriktionen werden vorerst inflationär wirken: Die Importe verteuern sich, die Produktionskosten steigen, die Kosten werden auf das Angebot überwälzt. Das senkt nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der USA, sondern bleibt mit Preiserhöhungen letztlich beim Konsumenten hängen – allerdings vorab in den USA. Der europäische Westen ist davon (preismässig zumindest) kaum betroffen.  Also ist für uns auch von Seiten Handelspolitik kaum mit Inflation zu rechnen.

Führt ein Abbau der Globalisierung zu Inflation?

Natürlich würde mehr eigene inländische Produktion zu erhöhten Preisen führen. Die nun ins Auge gefasste erhöhte Autonomie für Krisenzeiten ist berechtigt. Sie wird künftig alle möglichen Krisenszenarien einschliessen müssen, nicht nur eine neue Pandemie (sondern auch eine Strommangellage, Erdbeben, Cyberattacken, usw.). Die Erhöhung der Vorsorgesicherheit wird etwas kosten, aber nur punktuell. Eine allgemeine Inflation aus diesem Grund ist kaum zu erwarten. Die Globalisierung der Handelsströme wird sich kaum aufhalten lassen (ausser unsere europäischen Länder würden nun auch eine trumpologische Strategie mit Importrestriktionen einschlagen, was nicht zu erwarten ist).  

Ist Deflation schlecht?

„Deflation“ ist zu Unrecht negativ besetzt, da damit oft die Depression der 30er-Jahre in Verbindung gebracht wird. Die damalige Deflation wurde unter anderem ausgelöst, weil die Unternehmer keine Gewinn-Perspektiven mehr hatten und ihre Angebote reduzierten – was eine unsägliche Deflationsspirale auslöste. Heute befinden wir uns in einer anderen Situation. Erstens wird monetär stark Gegensteuer gegeben, zweitens sind die Angebotsmärkte oft international aufgestellt. Diese starke Vernetzung, die Reaktionsgeschwindigkeit der Unternehmer, Innovationspotentiale und die einigermassen intakte Nachfrage von Volk und Staat werden keine vernichtende Deflation auslösen – selbst dann nicht, wenn eine schwere Rezession oder gar einer vorübergehende Depression droht.

Fazit: Tendenziell wird kurz- und mittelfristig eher mit einer leichten Deflation zu rechnen sein. Längerfristig wird dann wohl wieder Preisstabilität einkehren. Das muss nicht schlecht sein. Japan lebt seit Jahren ganz gut mit einer kleinen Deflation, auch die Schweiz verzeichnete in der jüngsten Zeit bereits leicht deflationäre Perioden. Ein rückläufiges Schweizer Preisniveau könnte nur helfen: Wenn es gelänge, im gleichen Ausmass auch die Produktionspreise, inklusive der Saläre, zu reduzieren, wäre das unserer Wettbewerbsfähigkeit nur zuträglich! Und mit unseren kaum mehr verzinsten Ersparnissen und dem Rentenkapital kriegen wir dann ein bisschen mehr fürs Geld…

Nach dem Lockdown: folgt der Konsumverzicht?

Ein Ausblick: Der Konsumgütermarkt bleibt auch mittelfristig schwach. Der Detailhandel muss sich warm anziehen, Gastronomie und Tourismusbranche so oder so.

Wer bisher an den V-Shape eines Rezessiönchens geglaubt hatte, wurde bereits mit Blick nach Österreich und nun nach Deutschland eines Besseren belehrt: Die Welt vor und nach Corona wird wohl nicht die gleiche sein. Unmittelbar nach den Lockdowns folgt mit Sicherheit kein Boom – das gilt schon fast als sicher. Aber wie sieht es längerfristig aus?

Wir können die Zeit nach den Lockdowns in 3 Phasen gliedern.

Phase 1:

Die Phase 1 definiert den Zeitabschnitt, in dem die Geschäfte und Dienstleistungsbetriebe – auch die Gastronomie – grösstenteils wieder offen sind, allerdings bleiben das Social Distancing und die Hygieneauflagen noch bestehen. Je nach Land, Region oder Geschäft werden Masken getragen.

In dieser Phase kehrt keine besondere Konsumlust zurück. Das Bummeln in den Innenstädten und den Malls macht wenig Spass. Das Tropfenzählersystem zur Niederfrequenzhaltung reduziert per se schon die Umsätze. Die Lust, vor den Läden anzustehen ist ebenso wenig geschäftsfördernd. Eine subkutane Angst vor dem Virus hemmt zudem einen Teil der Konsumenten, ihr ursprüngliches Shoppingverhalten wieder zu pflegen. Und allfällige branchenbedingte Maskentragpflichten könnten insbesondere während den wärmeren Monaten die Konsumlust weiter einschränken. Diejenigen, die über eine längere Zeit einmal unter einer N95 Maske – also nur schon der Lightversion – geschwitzt haben und sich die Brillengläser beschlagen liessen, wissen, wovon wir sprechen.  

Ein Teil der Bevölkerung konnte in den letzten Wochen Geld sparen. Es ist jedoch anzunehmen, dass diese Beträge tendenziell eher die Sparquote erhöht haben und nun nicht sofort wieder verjubelt werden. Auch die aufgestauten Käufe – so der Ersatz des Kühlschranks beispielweise – werden keine signifikanten Spuren in Mehrumsätzen hinterlassen. Und wenn, dann nur kurzfristig. So verhält es sich auch mit den Dienstleistungen: Ein Grossteil wird nicht nachgeholt, keine Reise, kein Restaurantbesuch. Diese Umsätze gelten für das BIP mit Sicherheit verloren für das ganze Jahr. Es fehlt ganz einfach an der Praktikabilität des Konsums, plus an der vergangenen Lust. 

Leider reduzieren die höhere Arbeitslosigkeit und die Kurzarbeit das Umsatzvolumen zusätzlich. Das gekürzte Einkommen hat sofortige Auswirkungen auf die Ausgaben. Wenn fast  40% der Schweizer Bevölkerung aktuell arbeitslos sind oder kurzarbeiten, wird eben weniger konsumiert. Und die Einschränkung erfolgt beim nicht unbedingt Notwendigen im Konsumbereich (siehe Kasten).

Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit reduzieren das Konsumverhalten überverhältnismässig stark

Es ist offensichtlich, dass in Ländern mit einem raschen Anstieg der Arbeitslosigkeit, so in den USA, in Italien und Spanien, dieser Negativeffekt stärker auf Teile der Konsumgüter- und Dienstleistungsbranche durchschlägt. BIP-Rückgänge sind damit in diesen Staaten ebenso stärker zu erwarten. Insbesondere in den USA wird der Konjunktureinbruch sehr rasch eine entsprechende globale Auswirkung entfalten.

Nach den Lockdowns wird die mangelnde Nachfrage in gewissen Branchen eine Rabattschlacht auslösen – betroffen werden selbstredend die saisonalen und modeaffinen Branchen sein, auch Wirtschaftsbereiche mit grossen Überlagern. Die Ware muss einfach über den Preis weg – koste es, was es wolle.

Die dadurch zu erwartende kleine Deflation bei den Konsumgütern könnte theoretisch die Nachfrage etwas steigern. Sie wird sich allerdings nicht in den Umsatzzahlen bemerkbar machen: Es wird einfach mehr Ware bei gleichem Umsatz verteilt. Ein BIP-mässiger Blindgänger.

Fazit für die Phase 1: In vielen Bereichen der Konsumgüter- und Dienstleistungsbranche wird noch für einige Wochen (je nach Land noch für einige Monate) mit Rückgängen im deutlich zweistelligen Prozentbereich zu rechnen sein.

Phase 2:

Diese Phase definiert den Zeitraum, während dem das Social Distancing nur noch ein verringertes zentrales Thema ist, keine nennenswerte zweite Corona-Welle eintritt, jedoch noch keine Medikamente oder Impfungen angeboten werden.  

Es ist anzunehmen, dass die Bürger aus der Schockstarre erwachen und die Konsumlust zurückkehrt. Aber vielleicht eben nicht so wie zu Vor-Corona-Zeiten. Hat da und dort vielleicht gar ein kleiner Wertewandel stattgefunden? Auf jeden Fall wird der Konsummix nicht mehr derselbe sein. Homeoffice, Isolation und Angebotsmangel werden ihre Spuren hinterlassen: Die Gesellschaft wird einen digitalen Quantensprung vollzogen haben, welche über die Art der Mediennutzung weit hinausgeht. Der Konsument wird nicht nur vermehrt Netflix schauen, anstatt ins Kino gehen, er wird nicht nur ein Buch weniger kaufen und dafür online mehr lesen. Der Konsument wird sein während dem Lockdown antrainiertes neues Konsumverhalten generell nicht mehr ablegen. Für den klassischen Konsumgüter- und Dienstleistungsmarkt sind das schlechte Nachrichten, dafür werden technologienahe Angebote profitieren.

In dieser 2. Phase wirken sich auch die Angebotsbeschränkungen aus: Unternehmen aus den Bereichen der Mode, des Sports, der Kosmetik, des Buchhandels, Tourismus, Gastronomie usw. werden die Neuheiten-Kadenz reduzieren – oder sie sind strukturell so beschädigt, dass sich die Angebotsspanne von selbst reduziert hat. Dieses Angebotsmanko führt automatisch auch zu einem Nachfragerückgang. Lehrbuchmässig sollten Angebotsmankos zu einer Verteuerung, also zu Inflation führen. Trotzdem ist nicht zu erwarten, dass es soweit kommt – im Gegenteil, die deflationären Tendenzen werden anhalten, da es an der Nachfrage immer noch fehlt. 

Viele kleinere Detailhändler, welche nun mit Ach und Krach das Schlimmste in der Krise abwenden konnten, werden ein Downsizing nicht überleben. Ihre minimale Betriebsgrösse wird unterschritten. Mehr Luft für ein Downsizing haben die Grösseren: Unrentable Filialen werden geschlossen, der Break-even Punkt auf der Umsatzskala wird gegen unten gedrückt, Mergers werden kommen. Das Detailhandelsangebot insgesamt wird so an Varietät einbüssen, die Uniformität nimmt zu. Das ist nicht nur schade, sondern wirkt sich auch negativ auf ein breites, attraktives Angebot und damit die Nachfrage aus.

Falls die Grenzöffnungen nicht schon in der Phase 1 erfolgt sind, wird nun spätestens in der Phase 2 ein kleines Nachbeben für den Detailhandel folgen. Viele Konsumenten hatten inzwischen entdeckt, wie man auch in der  nahen Umgebung einkaufen kann – und das vielleicht auch schätzen gelernt. Aber das Grundproblem der zum Teil absurden Preisdifferenzen zum Ausland ist nicht beseitigt. Werden die Grenzschliessungen aufgehoben, werden wieder Milliardenumsätze im Inland fehlen. Zumindest wird der Wettbewerb wieder besser spielen, was sich preissenkend auswirken kann. Allfällige Lippenbekenntnisse zu „buy local“ dürfen nicht überbewertet werden – das Portemonnaie diktiert das Verhalten. 

Die Effekte aus Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit werden auch in dieser Phase 2 anhalten. Mit dem Auslaufen der Kurzarbeit wird sich allerdings die Arbeitslosenrate stark erhöhen. Arbeitsmarktbedingt ist auf jeden Fall mit einem deutlich negativen Konsumeffekt zu rechnen. (Dieser Effekt wird sich besonders schlimm in den USA auswirken, wo sich die Arbeitslosen-Unterstützung auf einem mehr als bescheidenen Niveau bewegt.)

Fazit für die Phase 2: Die Konsumlust wird sich etwas verbessern, die reduzierten verfügbaren Einkommen werden jedoch weiter auf die Umsätze drücken. Die beschleunigte digitale Transformation wird in wenigen Branchen zu Mehrumsätzen führen, die klassische Konsumgüterbranche wird jedoch weiter Rückgänge im zweitstelligen Prozentbereich aufweisen. 

Phase 3:

Diese Phase umschreibt den Nachkrisen-Zeitraum im Anschluss der Verfügbarkeit von Medikamenten und Impfungen. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass diese Mittel nicht nur erst erfunden, sondern auch produziert, verteilt und verabreicht werden müssen.

Bis dieser Prozess wirklich zumindest OECD-weit greift, wird es vielleicht Ende 2021 sein. Dann erst werden wir uns in einer Phase ohne Corona-Massnahmen befinden. Wir können wieder freier reisen, Güter können ebenso freier ausgetauscht werden, die Arbeitslosigkeit sinkt, weil die Motoren wieder überall anspringen. Voraussetzung: keine zweite oder dritte Pandemiewelle.

Diese Phase erst wird uns die Wahrheit zeigen. Das Resultat wird nämlich nicht deckungsgleich mit dem Jahr 2019 sein. Das Downsizing in Angebot und Nachfrage wird sich zwar stabilisieren, ein mögliches Wachstum im Jahre 2022 wird vielleicht sogar ganz hübsch aussehen (da mit 2021 verglichen wird). Wir werden uns aber auf einem niedrigeren Ausgangsniveau wiederfinden.

Es ist auch anzunehmen, dass zumindest in reifen entwickelten Staaten die Sparneigung steigt. Ja, man sollte besser vorsorgen… Der Lerneffekt wird auf die Konsumfreudigkeit durchschlagen.

Auch der Liegenschaftsmarkt wird das zu spüren bekommen, denn hier wird es bis auf weiteres bestenfalls nur zögernde Käufer geben. Oder gehen die Liegenschaftsfonds etwa davon aus, dass ein Kurzarbeitender sich jetzt gleich eine Wohnung kauft…? Die Finanzierung der Immobilien wird aufgrund strengerer Tragbarkeitsberechnungen so oder so anspruchsvoller werden. 

Die besonders gebeutelte Flugindustrie und der ganze Tourismus werden sich auf einem deutlich tieferen Level einpendeln müssen: Das Angebot wird weiter nur lückenhaft sein, schwach auch die nationale und die  internationale Nachfrage. Die reichen Russen oder die spendablen Besucher aus den Golfstaaten, die Chinesen und Inder: Sie alle werden uns zu einem guten Teil immer noch fehlen. Das merkt dann nicht nur der Hotelier, sondern auch die Bijouterie und der Taxifahrer.

Die aufgrund der Pandemie ergriffenen Massnahmen in den Unternehmen – also die Reduktion von Angebot und Beschäftigung – werden nachhaltig und nicht nur Corona-indiziert  sein. Schon früher wären in vielen Firmen wohl betriebswirtschaftliche Sparmassnahmen angezeigt gewesen. Mit dem Corona-Feigenblatt konnte nun da und dort elegant gleich viel mehr eingespart werden. Das erhöht zwar die Einzel-Effizienz, schlägt jedoch auf die Konjunktur durch – und zeigt sich insbesondere bei der Konsumnachfrage. 

Fazit für die Phase 3: Angebots- und nachfragebedingt wird der Konsum auch mittelfristig, so für die Jahre 2022 und 2023, schwach bleiben und sich verändern.

Unterschiedliche Entwicklung des Konsumaufschwungs

Es ist anzunehmen, dass sich zumindest in der zweiten und dritten Phase die Entwicklungsländer schneller erholen. Natürlich tragen auch diese Länder nachhaltige Strukturschäden davon. Aber der Nachholbedarf ist grösser, auch die Konsumlust, denn alles verfügbare Einkommen wird investiert und beschwingt mit dem Multiplikatoreffekt die Volkswirtschaften. 

Auch die Konsumenten in den USA, in Asien und in den südlichen Länder Europas werden sich so verhalten: Sie sind stark konsumgesteuert. Die Beschäftigung zumindest in den USA und in Asien wird rasch wieder steigen, der Konsum wird wieder da sein. Insbesondere in den USA ist nicht von einem Lerneffekt der Konsumenten auszugehen. Das Leben auf Pump und ohne Reserven wird weitergehen. Das ist immerhin ganz positiv für die Weltwirtschaft. Die südlichen europäischen Länder allerdings werden weiter leiden: Zwar wird das verfügbare Einkommen gleich wieder ausgegeben, leider wird es aber weniger Arbeitnehmer mit Einkommen geben. Besonders betroffen werden Italien, Spanien und das sich schon eh seit langem in Agonie befindliche Griechenland sein. Frankreich könnte sich knapp hinüberretten: dank grosszügiger Arbeitslosenunterstützung und horrendem staatlichem Konsum. Alles auf Pump natürlich. 

Die Konsumenten in den nördlichen europäischen Ländern werden sich hier etwas anders verhalten. Die Arbeitslosigkeit wird nur zögernd abgebaut, was den Konsum wenig stützt. Die Lerneffekte der Bildungsbürger werden eher greifen, das Konsumverhalten ändert sich nachhaltiger, die Sparquote wird steigen. Der Aufschwung lässt auf sich warten – wir werden uns in einem L-Shape wiederfinden. Das 2019-Niveau wird wohl über Jahre nicht mehr erreicht. Wir reden hier jedoch vorab vom Privatkonsum. Die Industrie und viele Dienstleistungsangebote werden sich glücklicherweise rascher erholen, denn diese sind weltweit ausgerichtet. Der Globalisierung sei Dank….

Folgt nun tatsächlich der Konsumverzicht?

Die Antwort auf unsere eingangs gestellte Frage könnte so lauten: Es wird keinen Konsuminfarkt geben, aber – nicht ganz freiwillig –  einen partiellen Konsumverzicht für klassische Konsumgüter und Dienstleistungen, mit einer anhaltenden Konsumschwäche.

Ein neuer Level kann frühestens in den Jahren 2022 und 2023 gefunden werden. Aber der Konsum wird sich dann auf einem tieferen Niveau einpendeln als 2018/2019.

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