Oder warum die staatliche Verbilligung eines Joghurtbechers um einen Cent einfach nicht geht.
Unter dem Deckmantel der Coronahilfe – oder auch sonst nur in Form von „Konjunkturhilfe“ – greifen die Staaten tief in die Taschen. Sei es mit Subventionen oder Krediten: Das Füllhorn wird ausgeschüttet. Dabei werden oft rote Linien überschritten. Staaten begehen gerade in Krisenphasen oft ordnungspolitische Sünden oder erlauben sich Grosszügigkeiten, die zuweilen nur politisch motiviert sind. Die vorauseilende Hilfe an die Swiss zum Beispiel war ein solcher Sündenfall, das Zusammenkaufen von Börsenwerten durch das Fed oder das Euro-Manna an kränkelnde Südstaaten. Leider sind die roten Linien oft mit grosser Schuldenbildung verbunden. Unser Beitrag wird 10 rote Linien aufzeigen.
Die Corona-Kredite in der Schweiz konnten in Rekordgeschwindigkeit gesprochen werden – ein Husarenstück der Schweizer Behörden, in der Tat. Die Effizienz wurde für einmal der Geschwindigkeit untergeordnet, Schrotschuss dem genauen Treffen vorgezogen. Das war sicher richtig. Natürlich war eine überaus hohe Dringlichkeit („Krediterteilung in 30 Minuten“) in dieser krassen Form nicht notwendig, hinterliess aber immerhin ein gutes Image. Man hätte es auch etwas differenzierter orchestrieren können, zumal die Geldinstitute die Kredite vergeben mussten: Eine Risikokategorisierung durch die Banken hätte gewisse Firmen ausschliessen können, deren Überleben so oder so nicht gesichert war. Eine Darwin’sche Triage fast, das Regelwerk liess es indessen nicht zu. Als „Pfand“ hätte man auch die Hinterlegung von Aktienanteilen fordern können, die in einem von den Banken und dem Bund verwalteten Krisenfonds hinterlegt werden. Diese Sicherheiten hätte man zum Beispiel binnen eines Monats erbringen können. Aber Achtung: Das Modell hätte berücksichtigen müssen, dass der Staat nie Eigner werden darf. Wie dem auch sei, man ist mit den Kreditvergaben nur knapp an der roten Linie vorbeigeschrammt, hat aber immerhin gehandelt. Wir lassen es durchgehen.
Echte rote Linien wurden jedoch weltweit überschritten. Im Folgenden sollen ein paar aufgeführt werden:
Rote Linie Nummer 1: Hilfe an nicht systemrelevante Betriebe
Für die grossen Investitionen (nicht die Coronakredite) hätte alleine die Systemrelevanz die Hilfsbedürftigkeit diktieren sollen. Die Swiss-Kreditierung war in diesem Sinne weder dringend, noch ordnungspolitisch korrekt. Es wurde eine Firma in ausländischem Besitz subventioniert, deren Aktivitäten hätten ersetzt werden können. Nostalgie und falsch interpretiertes Heimatgefühl sind schlechte Begleiter von Unterstützungsübungen. Systemrelevanter wären die Kitas gewesen: Hilfe an dieser Stelle hätte ermöglicht, dass solche Betriebe in irgendeiner Form beitragen könnten, vor allem Arbeitnehmerinnen berufliche Handlungsfreiheit zu sichern.
Rote Linie Nummer 2: Hilfe an „fallen angels“
Die USA – also das Fed – investiert nicht nur generell an der Börse, sondern kauft sogar morbide Firmen zusammen. Damit wurde eine rote Linie krass überschritten. Auch die EZB macht es nicht besser und übersteigt mit ihrem „quantitative easing“ in nie dagewesener Form sogar – vermutlich – ihre formellen Kompetenzen. Aber auch in der Schweiz gibt es unsinnige Investitionen: Hilfe für schon vor der Krise hoffnungslos operierende Vorortsgastronomen, das Garnihotel ohne Konzept oder Unterstützung für andere ungelenk Operierende und schon früher annähernd dem Tod Geweihte ist sinnlos. Zoombiefirmen zu unterstützen heisst, rote Linien zu überschreiten.
Rote Linie Nummer 3: Verlängerung der Kurzarbeit über eine Krise hinaus
Der Sinn der Kurzarbeit war immer von vorübergehender Natur. Es gilt, momentane Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Wenn Firmen indessen um ein Downsizing oder die Aufgabe ihrer Tätigkeiten mittelfristig gar nicht herumkommen, so nützt auch Kurzarbeit nichts. Es ist nur ein Hinauszögern des Todes, Strukturhilfe oder falsch verstandenes Sozialempfinden. Hier muss besser der Stecker gezogen werden, anstatt den Staat zusätzlich unnütz zu belasten. Man denke besser an Schumpeters „schöpferische Zerstörung“. Mit den falsch verstandenen Hilfen werden nur die nötigen Anpassungen und das Ergreifen von Effizienzmassnahmen aufgeschoben, was weder betriebswirtschaftlich noch volkswirtschaftlich sinnvoll ist. Dem Staat sei also geraten, vor einer Verlängerung der Kurzarbeit in dieser bald post-coronitten Ära genau hinzuschauen. Das könnte so aussehen, dass die Firma nach Bewilligung der ersten Kurzarbeitsphase binnen einem Monat einen kleinen Businessplan vorlegt, wohin die Reise gehen soll. Die Hausbank mag dabei helfen – es wird auch in ihrem Interesse sein. Nur schon die Aufgabestellung für den Businessplan könnte positiv regulierend wirken. Die Schweiz plant nun eine Ausweitung der Kurzarbeit auf 18 Monate – vordergründig vielleicht sympathisch, aber eine Milliardenausgabe, welche sich volkswirtschaftlich in diesem Ausmass kaum rechtfertigen lässt.
Rote Linie Nummer 4: Übertriebene Hilfe an Exponenten in Kultur, Sport und Medien
Diese Institutionen sollten genau die gleichen Rechte haben wie andere, welche von Corona-Krediten profitierten. Es gibt keinen Grund, diesen Exponenten in einer Krise direkte Subventionen zufliessen zu lassen. Die Konditionen für zinslose Kredite sind bereits hervorragend, sie müssen zudem erst in fünf oder sieben Jahren zurückbezahlt werden. Sollten diese Institutionen es nicht schaffen, damit über die Runden zu kommen, werden sie sich neu konstituieren müssen. Eine kleine Bruchlandung und ein Wiederaufbau wäre der Volkswirtschaft zuzumuten. De facto weiss der Bund nämlich, dass selbst eine Beschränkung auf Kredite (also ohne die Verteilung von Subventionen) die Rückzahlung in vielen Fällen eh illusorisch ist – womit allein schon die Hilfskredite einen Apanage-Charakter aufweisen. Weitergehendes Manna, das im Rahmen dieser Krise über diesen Institutionen ausgeschüttet wurde oder würde, lässt sich kaum rechtfertigen – auch wenn diesen Geschenken, auch hier, ein gewisser Sympathiewert nicht abzusprechen ist.
Rote Linie Nummer 5: invasive staatliche Industriepolitik
Eine soziale Marktwirtschaft dürfte sich nicht aktiv in Angebote der Industrie einmischen. Wenn Frankreich nun seine verschlafen agierenden Renault-Werke mit 5 Milliarden unterstützen möchte, wird das kaum nachhaltig sein. Mit Geld allein kann man Märkte und Innovationskultur nicht beschleunigen. Die 35h-Woche und Managementfehler lassen sich damit nicht beseitigen – im Falle Renaults zwei ursächliche Gründe für die Misere, welche selbstredend nicht erst durch Corona produziert wurde.
Auch die bis zu 9‘000 Euro schwere deutsche Kaufprämie für Elektrofahrzeuge ist eigentlich nur verdeckte Industriepolitik: Die ökologische Effizienz ist fragwürdig, zumal die Energiegewinnung im Moment noch alles andere als ökologisch ist. Die den deutschen Fahrzeugbauern aufoktroyierten neuen Technologien setzen sich nicht ab, deshalb die grosszügigen Kaufprämien. Das ist zusätzlich falsch, weil inländische Käufer so (im Vergleich zu ausländischen) subventioniert werden. Selbst mit der Idee oder dem Vorwand, ein „Smartphone auf vier Rädern“ zu fördern: Eine solche „Konjunkturpolitik“ führt zu Marktverzerrung und stellt eine einseitige Begünstigung einer Branche dar. Industriepolitik eben, welche rote Linien überschreitet.
Rote Linie Nummer 6: Hilfe an Staaten ohne Auflagen
True Economics verweist auf den Beitrag von Paul Carpenter vom 1. Juni („Maastricht ist tot“). Euro-Manna auszuschütten über Staaten, welche ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben, ist Verschwendung. Wenn Hilfe in Form von Investitionen parallel zu Reformen erfolgt, kann dies sinnvoll sein. Einige Südstaaten in der EU sind jedoch gar nicht aufnahmefähig für Investitionen; „Hilfe“ heisst in diesen Fällen also „Durchfüttern“. Das ist Verrat an den Steuerzahlern der Nordstaaten. Wann wehren sich diese endlich? Es würde nur zu einer klugeren Mittel-Allokation führen und zu einer Stärkung des europäischen Wirtschaftsblockes.
Rote Linie Nummer 7: überbordende Geldschöpfung
Die Notenbanken fast aller Staaten schöpfen nun Geld in absolut unverantwortbarer Weise. Die damit zusammenhängenden Kreditaufnahmen der Staaten für ihre explodierende Verschuldung können nur verkraftet werden, wenn die Zinsen noch für Dezennien auf null bleiben. Auch dies ist Verrat – diesmal an den künftigen Generationen, welche so um ihre Renten und Sparanstrengungen gebracht werden. Rote Linien werden auch hier überschritten, nicht nur ordnungspolitisch, sondern auch moralisch.
Rote Linie Nummer 8: falsche Konjunkturprogramme
In Krisen bringt Hilfe nur etwas, wenn diese sofort erfolgt. Deshalb verpuffen Konjunkturhilfen oft wirkungslos – sie kommen meistens zu spät, wirken dann bisweilen zyklisch, anstatt antizyklisch. Keynesianische Modelle waren deshalb nur zu oft nicht sehr zielführend. Konjunktur lässt sich selten „kaufen“. Eine Erhöhung der Staatsausgaben bringt das Räderwerk der Wirtschaft nicht nachhaltig zum Laufen – vor allem, wenn es sich nicht um staatliche Investitionen (so zum Beispiel um Infrastrukturprojekte) handelt, sondern nur um staatlichen Konsum. Im Wissen darum, dass dem so ist, da man über die letzten Dezennien ja dazu gelernt hatte, werden mit den falschen staatlichen Konjunkturprogrammen deshalb sehenden Auges rote Linien überschritten.
Wenn die deutsche Regierung nun ihre Mehrwertsteuer vorübergehend vom 1. Juli bis 31. Dezember in homöopathischer Form um zwei bzw. drei Prozent runtersetzt, um die Konjunktur anzukurbeln, wird das ein 15-Milliarden-Schuss in den Ofen sein. Ein Becher Joghurt verbilligt sich so um einen Cent. Ob das wohl eine Nachfragelawine auslösen wird…? Die Regierung weiss doch, dass das Problem derzeit bei der Kauflust generell und bei der erhöhten freiwilligen Sparneigung liegt. Wieso tut sie es trotzdem?
Bei einem Fahrzeugkauf von 100‘000 Euro lohnt es sich indessen, besser zu planen: Der neue BMW wird dann nicht jetzt, sondern mit einem Discount von 3‘000 Euro erst ab dem 1. Juli geordert, und vor dem 31. Dezember wird vielleicht noch schnell ein Kauf getätigt, der für den Januar 2021 geplant war. Wem das am Schluss wohl geholfen hat…?
Die hochindustrialisierten Staaten hängen in der Regel bis zu 50% eh sehr stark vom Export ab. Klassische Konjunkturprogramme helfen also so oder so nur partiell. Im Wissen um alle diese Zusammenhänge – und eben mit der verdeckten Erkenntnis, dass es sich bei diesen Giesskannen-Manövern nur um politische Geschenke handelt – werden tief-rote Linien überschritten!
De facto handelt es sich (wie die vorübergehende deutsche Kinderzulage für alle) nicht um eine Verteilung an Hilfsbedürftige, sondern um teures und nicht punktuell eingesetztes Helikoptergeld.
Rote Linie Nummer 9: Helikoptergeld
Verschiedene Staaten haben in indirekter Form schon Helikoptergeld abgeworfen. Der Begriff entstand aus dem Bild einer breitflächigen direkten Verteilung von Geld an alle. Es ist ein Verzweiflungsakt, welcher die Stabilität der Währung und des Finanzsystems gefährdet, Geld an sich psychologisch entwertet und zudem sehr unsozial ist. Siehe falsche Konjunkturprogramme Deutschland. Die USA haben im Rahmen der Corona-Krise an alle – alle! – Haushalte Geld verteilt. Donald Trump ist eben ein netter Kerl, die Wähler werden ihn vielleicht mit ihrer Stimme belohnen.
Rote Linie Nummer 10: der Stil…
Nein, hier handelt es sich nicht um eine makroökonomische rote Linie. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass gewisse Regierungschefs gerade in der aktuellen Krise vermehrt auch rote Linien in Sachen Stil und Verkennung von Faktenlagen überschreiten. Wir denken hier keinesfalls an Donald Trump, denn True Economics möchte ja apolitisch bleiben.
Fazit: Werden die roten Linien überschritten, überschreitet der Staat seine ursächlichsten Aufgaben und Kompetenzen. Er produziert Schulden, welche die Zukunft belasten oder verzerrt Angebot und Nachfrage. Corona muss eben für vieles herhalten – vor allem für Probleme und Strukturschwächen, die schon lange vor der Krise bestanden. Was wir dagegen tun können? Wir prangern sie einfach an, diese überschrittenen roten Linien.