Waldmeyer und die lange Leitung

Waldmeyer versuchte, wie so oft – und hier stellvertretend für den Bundesrat – über den Tellerrand hinauszublicken. Es gibt nämlich genügend positive Beispiele auf der Welt, wie man Krisen-Management in Sachen Corona effizienter betreiben könnte. Lassen wir mal das unverzeihlich autoritäre China auf der Seite. Aber hervorzuheben sind z.B. Taiwan, Südkorea, Singapur, Uruguay oder gar Vietnam: Frühzeitige konsequente Maskenpflicht, sofort funktionierende Warn-Apps, breit angelegte Tests und zielgerichtete (nicht politisch austarierte) Shutdowns führten zu wirtschaftlichen Kollateralschäden, die im Vergleich zu Europa quasi nur wie ein dünnes Rezessiönchen wirken. Offenbar erweist sich der helvetische Föderalismus als das Gegenteil von Schwarmintelligenz. Aber dazu später.

Auch Israel konnte rasche Erfolge verbuchen – zumindest während der vorbildlich gemanagten ersten Welle, aktuell aber auch mit den Impferfolgen. Selbst das südamerikanische Uruguay führt elegant durch die Krise. 

Die Vereinigten Arabischen Emirate, um ein Beispiel etwas detaillierter herauszupicken, ebenso: Eine rigorose Maskenpflicht und strenge Desinfektionsmassnahmen führten zu raschen Erfolgen zu Beginn der Pandemie. Zu wenig Masken? Die Regierung verschickte sofort Schnittmuster, um aus Stoff eben kurzfristig selber Masken zu schneidern; Verstösse gegen die Maskentragpflicht wurden drakonisch bestraft (Busse: rund CHF 750.-). Und unverzüglich wurden grossflächig Drive-in-Testcenter angelegt, im ganzen Land. Überall und immer kann gratis getestet werden, sodass man die Kontaminierten blitzartig rauspflücken und in Quarantäne stecken kann. Eine Covid-Warn-App funktionierte schon im Frühjahr 2020, auch das Tracing. Und per heute sind gut 30% der Gesamtbevölkerung von rund zehn Millionen zum ersten Mal geimpft, ein zunehmender Teil davon bereits zum zweiten Mal. Insgesamt sind bis dato nur rund 800 Tote zu verzeichnen – verhältnismässig zwölfmal weniger als in der Schweiz.

Natürlich, die Bevölkerung ist z.T. wesentlich jünger in diesen Ländern, und in einem relativ autokratisch regierten Staat ist es einfacher, top-down und  rasch zu handeln.Was Waldmeyer in der Privatwirtschaft gelernt hatte: Man überlebt nur mit frühzeitigem und raschem Reagieren. Das gilt indessen, leider, offenbar nicht für die Politik. Nicht einmal in einer Krise.

Bescheidene Bewertung des Corona-Managements: Andere Staaten machen es besser

Wenn die wirtschaftlichen und persönlichen Freiheiten mittel- und langfristig geschützt werden sollen, braucht es kurzfristig rasche und zielgerichtete Massnahmen. Eben Management.

Mit dem vordergründigen Schutz von persönlichen Freiheiten wurde bei uns in der Schweiz – und in den meisten Orten in Europa – jetzt wohl Unfreiheit mit episch langen sozialen Einschränkungen eingetauscht: Wir erinnern uns an die frühen Diskussionen betreffend der Zumutbarkeit des Maskentragens, den Vorbehalten und Verzögerungen in Sachen Warn-App, der Schonung der Bevölkerung vor einem breit angelegten Testen. Und das übergrosse Verständnis für Impfgegner – in der falschen Interpretation, dass es nur um eigene Entscheidungsfreiheit geht und nicht auch um eine Frage der „Haftpflicht“ (aufgrund der flächendeckenden Übertragbarkeit einer Krankheit und damit eines Risikos). Das Resultat ist bekannt: ein Auf und Ab an Einschränkungsmassnahmen, irrlichternde Politiker, kein Plan.

Darf man, so fragte sich Waldmeyer, Demokratie und Föderalismus kurzfristig – für ein einzelnes Problem, wie Corona – reduzieren? Ja, man darf. Man muss sogar. Ein demokratisch sauber aufgestellter Staat darf es, weil die Bevölkerung das Vertrauen hat, dass nach einer Krisenbewältigung die alten Regeln wieder gelten. 

Wie wäre es denn in einer Krise wie einer Strom-Mangellage? Was dürfte man da…? Einem verheerenden Terroranschlag? Einem Cyberkrieg, ausgelöst von Bösewichten oder einem verdeckt operierenden Staat? Dürfte man da auch? Man dürfte. Wieso denn nicht bei einer Pandemie, welche an unseren wirtschaftlichen Grundfesten rüttelt?

Nun bahnt sich das siebte Versagen an: „Long Covid“. Die Langzeitschäden der Krankheit können mindestens 10% der Erkrankten befallen. Damit schwebt das Damoklesschwert einer weiteren ökonomischen Belastung des Gesundheitswesens über uns. In einigen fortschrittlichen Ländern wurde das erkannt, und es werden Prophylaxen- und Medikamentenplanungen ausgearbeitet. Offenbar ist es allerdings auch hier der helvetischen Langsamkeit geboten, vorerst auf Beobachtung zu schalten. (Diese Langsamkeit ist üblicherweise sehr wohltuend, denn dann begeht die Politik weniger Fehler. Allerdings gilt das leider nicht in der Krise, denn hier ist rasches und kompetentes Management gefragt.)

Waldmeyer versuchte sich aus seinem ökonomischen Tagestraum zu lösen, seufzte und dachte an den Winzer Parmelin, die Konzertpianistin Sommaruga und den Schmalspur-Juristen Berset. Die Überforderung schien mit Händen zu greifen: Da sind überdurchschnittliche Führungsarmut, Organisationsversagen und ziemlich mangelhaftes Krisen-Management auszumachen, befeuert durch falsch verstandenen Föderalismus, mangelnde Visionen und die gänzliche Absenz von Mut. Oder glauben die Bundesverwalter eventuell allen Ernstes, dass man eine Pandemie – per se nun mal etwas ziemlich Internationales – auf kantonaler Ebene bekämpfen kann? Soll Appenzell Innerrhoden (16’000 Einwohner) also tatsächlich mit einem eigenen kantonalen Konzept dieses Pandemie-Fegefeuer bekämpfen?

Waldmeyer war trotz diesem eidgenössischen Staatsversagen zufrieden: Das Eingeständnis, dass das eigene Land im besten Fall nur Mittelmass bietet in der Causa Covid, zeugt auch von einer gewissen Grandezza. Die jüngste, gut abgestützte Untersuchung bringt es zutage: Platz 52 nur für Helvetien – von total 98 untersuchten Ländern. Man muss sich ja nicht mit Staaten messen wie Brasilien oder den USA, welche von irrlichternden Politikern gelenkt werden (und welche die allerletzten Plätze in dieser internationalen Rangliste belegen). Aber es ist immer erlaubt, sich an den besten Beispielen zu messen!

Ja, wir müssen auch mal zu unserem Versagen stehen. Diese Erkenntnis kann zudem durchaus befreiend wirken. Waldmeyer schenkte sich etwas kühles Bier nach. Er sass in einem Strandrestaurant in Dubai und blinzelte zum Meereshorizont. Genau, hierher sollte man mal den Berset in die Schule schicken. Aber vielleicht leidet dieser ja nicht an „Long Covid“, sondern an „Long Pipe Disease“: dieser heimtückischen, kaum kurierbaren Krankheit. Auf Deutsch nennt man sie wohl ganz einfach Langeleitung-Krankheit.

Waldmeyer for President?

Oder wie müsste ein CV ausschauen für eine Politikkarriere?

Waldmeyer staunte, als er das CV von Ursula von der Leyen genauer studierte. Seit er sich vom aktiven Unternehmerleben zurückgezogen hatte, vermisste er es, Leute anstellen zu können – und vorab eben CVs zu lesen. Nicht, dass er nun von der Leyen eine Position offerieren wollte. Er googelte ihren Lebenslauf nur so aus Neugierde.

Also erfuhr er: Von der Leyen hatte einen prominenten Vater, Ernst Albrecht, den bekannten niedersächsischen Ministerpräsidenten. Auch ihre Vorfahren zeugten bereits von Status, denn da waren auch schon mal Plantagenbesitzer aus den USA dabei. Also old money, analysierte Waldmeier. Von der Leyen studierte während 11 Jahren Archäologie, Politologie und Medizin. 2001 beendete sie ihre Ausbildungskarriere mit einem Master of Public Health  – nur 25 Jahre nach Studienbeginn. Sie arbeitete allerdings nie richtig in allen diesen Disziplinen (ausser einmal kurz als Assistenz-Kinderärztin), gebar jedoch sieben Kinder und ging in die Politik (wo sie es sich heute nicht nehmen lässt, auch mal über Digitalwährungen zu sprechen).

Waldmeyer beeindruckte vor allem diese beachtliche Kinderschar: 7 (sieben!). Er erinnerte sich noch an die Schmerzen, die er bei Laras Geburt durchstand und versuchte diese Folter mit sieben zu multiplizieren. 

Aber zurück zum CV Ursulas: Sie war sogar kurz einmal deutsche Verteidigungsministerin. Allerdings verliess sie das Schlachtfeld mit Fliegern, die nicht fliegen konnten, Panzern, die kaputt brach lagen und Gewehren, deren Läufe nach ein paar Schuss runterhingen. Trotzdem schaffte sie es anschliessend, Präsidentin der Europäischen Kommission zu werden. Nun orchestriert sie Euroverschuldungen in Billionenhöhe und verhandelt zum Beispiel auch komplexe Brexitverträge. Ein Übermensch? Ein Universalgenie? Intelligent ist sie ja, zweifelsohne – und ehrgeizig auch. Aber kann man denn auf so vielen Gebieten beschlagen sein? Waldmeyer war überzeugt, dass sie auch virtuos Harfe spielen und eine Medaille in Synchronschwimmen holen könnte.

Waldmeyer seinerseits kann immerhin auf ein profundes Ökonomiestudium, eine bescheidene Offizierskarriere, ein paar Sprachaufenthalte und eine einigermassen erfolgreiche Laufbahn als Unternehmer zurückblicken. Was sich allerdings, im Vergleich zu unserer ewigen Studentin und heutigem Politcrack, ziemlich unspektakulär anhört. Aber sein CV erschien ihm nicht weniger zielführend, was die Voraussetzungen für eine Topposition in der Politik anbelangen könnte. Wenn man es mit einem doch etwas zerfledderten Lebenslauf wie dem von der Leyens in solche Spitzenpositionen schafft, warum nicht auch mit Waldmeyers CV…?

„Charlotte, sollte ich nicht auch in die Politik gehen?“, fragte Waldmeier seine Frau.

Nur, man müsste eben sofort oben reinkommen. Zum Beispiel gleich Bundesrat Berset ersetzen und echte Krisenführung betreiben. Und dann diesen BAG-Laden aufmischen. Dort vielleicht erst mal die Faxgeräte rauswerfen. Mit andern Worten: Management-Methoden einführen.

Charlotte antwortete immer noch nicht, sodass Waldmeyer sein Reflektieren jetzt abschloss, sich nochmals ein Glas Terre Brune einschenkte und beschloss, nichts zu beschliessen. Ganz staatsmännisch eben – als Politiker bereits.

Waldmeyer und die kollektivierten Dachgärten

Waldmeyer staunte nicht schlecht: Das Zürcher Stadtparlament, fest in grün-roter Hand, plant doch tatsächlich, künftig private Grünflächen und Dachterrassen öffentlich zugänglich zu machen. Das war jetzt doch mal was: mehr teilen, mehr gemeinsam, gelebte Sharing Economy quasi. Durchaus etwas marxistisch. Das Gemeinsame soll im Vordergrund stehen. Wird Zürich nun zu einem riesigen Kibbuz?

Waldmeyer dachte an seine ältere Schwester Claudia (früh-pensionierte Lehrerin, Otelfingen, SP, Kurzhaarfrisur, lustige farbige Brille): Diese verbrachte in den Siebziger Jahren tatsächlich ein paar Wochen in einem israelischen Kibbuz – wohl eine Vorstufe des Zürcherischen Gesellschaftsmodells, wie es heute ein paar versprengte, aber nichtsdestoweniger einflussreiche alt-sozialistische Grüne andenken. 

Waldmeyer dachte auch an seine jüngere Schwester Gabi (Zürich, ledig, Mobility, Co-Working-Space, Grün-Liberal, weisse Sneakers, viele Apps): Diese wohnt in einer coolen Altbauwohnung mit Zugang zu einem kleinen Dachgarten – welchen sich die Bewohner der Liegenschaft allerdings teilen müssen, ganz im Sinne dieser gelebten Sharing Economy, welcher seine Schwester generell huldigt. Waldmeyer freute sich darauf, Gabi danach zu fragen, ob sie es lustig fände, wenn sich künftig ein paar zusätzliche Zürcher (oder auch Sans-papiers) auf dem Dachgarten breit machen würden. Nicht nur im Sinne der Sharing Economy, sondern auf einer höheren Stufe, der Sharing Societyeben. 

Waldmeyer lief es kalt den Rücken runter: Eigentum soll nun kollektiviert werden? Verkommt unser schönes Land zu einer sozialistisch verbrämten Bananenrepublik? Kommt es gar zu Kollektiven, wie sie in unserem nördlichen Nachbarland (der ehemaligen DDR) bis vor gut 30 Jahren praktiziert wurden? (Wobei derlei „Kollektiven“ natürlich streng geführt wurden und das Kollektive sich darin erschöpfte, dass kollektiv alle nichts an der Kollektive besassen.) Eine Vorahnung liefert uns im Moment Berlin: Dort werden Mieten per Dekret runtergesetzt, man denkt an Verstaatlichung eines grossen Teils der Immobilien – und die Immobilien-Investoren ziehen sich, konsequenterweise, in corpere aus dem Bundesland zurück.

Doch zurück zu Zürich: Bahnt sich hier vielleicht nur ein Zürcher Modell venezolanischer Prägung an, also ein Prozess ganz normaler Verstaatlichung?

Acht Quadratmeter Grünfläche pro Einwohner sind künftig in Zürich geplant, fünf Quadratmeter für jeden Arbeitnehmer. Das ist die definierte Norm, um Glück und Lebensqualität in einer Stadt zu garantieren. Und, so die Idee, diese Grünverteilung sollte innerhalb der Stadt erfolgen, denn es kann ja nicht jeder über Mittag gleich auf den Üetliberg – das wäre nicht zumutbar. Zudem zählen die Grünflächen rund um Zürich nicht zu den geplanten Erholungsflächen. Sie liegen zu weit weg von der Innenstadt, oft abgetrennt durch eine Strasse, und ihr Erholungswert, so meinen die visionären Politiker, sinke damit rechnerisch auf null.

Die planungsgetriebenen Zürcher Politiker machen nun einen Bedarf von einer Million Quadratmeter an zusätzlich benötigten Erholungsflächen aus. Waldmeyer überlegte: Müsste für pöbelnde und Redbull-trinkende Halbstarke nun künftig die öffentliche Zugänglichkeit zum privaten grünen Innenhof durch die ebenso private Küche gewährleistet werden? Dürfen Zürcher Junkies künftig durchs Wohnzimmer schlurfen, um zum Kiffen in die Dachgärten zu steigen? 

Aber Waldmeyer dachte weiter, er begab sich quasi in einen Wartesaal des Konjunktivs: Was wäre z.B., wenn noch viel mehr verkollektiviert wird? Die Transportmittel etwa (inklusive die E-Bikes der grünen Politiker), seine IWC, das Bankkonto? Sein Schwimmbad an dem ansehnlichen Anwesen in Meisterschwanden? Oder schlimmer: seine Organe?

Aber das wäre vielleicht gar nicht so abwegig: Seine (Terre Brune gesättigte) Leber z.B. wäre nämlich nur bedingt transplantationsfähig. Also müsste man vielleicht gerade diese dem Kollektiv anbieten, als Pfand sozusagen, um nicht andere Dinge abgeben zu müssen!

Damit stand nun der politische Deal: ein Stillhalteabkommen. Eine Organspende – im Todesfall natürlich nur – gegen, beispielsweise, den persönlichen Dachgarten. Es handelte sich sozusagen um eine Situation wie mit den Klimazertifikaten, also um einen Ablass-Handel, ohne überhaupt handeln zu müssen.

Waldmeyer freute sich über diese Hypothese. In der künftigen kollektiven Gesellschaft könnte es vielleicht doch noch Verhandlungsspielraum und gesunder Geschäftssinn geben.

Soll Waldmeyer in weisse Trüffel investieren?

Waldmeyer war schon ein bisschen perplex: Da gibt es Zürcher Restaurants, welche elf  CHF (ja, 11.00 Franken!) pro Gramm Trüffel verlangen. Die edle Knolle wird natürlich nur in homöopathischen Dosen über die Pasta gehobelt. Ein Kilo käme nämlich hochgerechnet auf CHF 11‘000.- zu stehen.

Etwas jedoch konnte nicht stimmen. Waldmeyer ergoogelte, dass ein Kilo Trüffel auf dem Markt im Piemont oder in der Provence rund 1‘000.- Euro kostet. Im Internet im Schnitt 2‘000.-, im Grosshandel jedoch nur 250.-. Der „Spread“ ist damit enorm, unglaubliche Multiplikator-Gewinne scheinen sich aufzutun. Also in Trüffel investieren? Mit Trüffel handeln? Trüffel als Anlage-Währung nutzen?

Die Sache ist anspruchsvoll. Gold zum Beispiel ist Gold, Trüffel aber ist nicht gleich Trüffel. Weisser Trüffel beispielsweise ist wesentlich teurer als schwarzer, da intensiver. Der tatsächliche Preis von durchschnittlich 2‘000 Euro oszilliert nämlich zwischen 500.- bis 3‘500.- Euro. Im Schnitt immerhin 25-mal günstiger als Gold. Aber in gewissen Zürcher Restaurants sublimiert sich dann das Preis-Verhältnis Trüffel/Gold offenbar auf den Faktor fünf. Also nur noch fünfmal günstiger als Gold.

Was Waldmeyer mit einiger Konsternation ebenso zur Kenntnis nehmen musste: Mit zunehmender Menge steigt der Preis! Tatsächlich, der Trüffel straft sämtliche makroökonomische Regeln Lügen, denn je schwerer und grösser ein einzelner Trüffel ist, desto höher liegt sein Preis – nicht tiefer. Eine inverse Preis-Mengenkurve also. Das hatten wir doch schon bei Louis Vuitton: Wäre der Preis für das Plastik-Täschchen tiefer, würde die Nachfrage zurückgehen. Das Trüffel-Phänomen scheint sich jedoch nicht aufgrund einer marketing-psychologischen Veräppelung zu ergeben, sondern aus dem Verhältnis Trüffelrinde zu Trüffelfleisch, welches sich mit zunehmender Trüffelgrösse verbessert. Die kleinen Trüffel bestehen offenbar vor allem aus Rinde.

Ein weiteres Handicap, so analysierte Waldmeyer weiter: die Haltbarkeit von nur 14 Tagen. Ausser man verbuddelt die Trüffel wieder mühsam in der Erde.

Das alles erschwert selbstredend den Entwurf eines attraktiven Businessplans, reflektierte Waldmeyer – folglich müssten Alternativen her.

Also doch lieber Gold? Oder besser die Vorstufe von Gold, Anteile an Goldminen? Oder noch raffinierter: Lizenzen für Goldminen? Diese könnten von sehr viel bis gar nichts wert sein, also müsste eine entsprechende Investition über einen unglaublichen Hebel verfügen – sofern man natürlich den richtigen Einstiegszeitpunkt erwischt.

Die Glühlampe, die Waldmeyers Garagist kürzlich an seinem Porsche Cayenne (schwarz, innen auch) auswechseln musste, verfügte über einen ebenso beachtlichen Hebel: 28 Franken auf der Rechnung, versus wohl ein paar bescheidene Cents für die Produktion. Ähnlich wie das Ladekabel für Waldmeyers iPhone. In solche Dinge müsste man also investieren! Besonders heute, wo wir über unglaublichen Informationszugang verfügen und der ganze Globus auf Vorgarten-Grösse geschrumpft ist.

Es geht also um den Hebel. Den erhält man in der Tat oft mit Investitionen in die Vorstufe. Man ist also nicht so blöd und kauft und verkauft Öl, sondern man handelt mit Öl-Kontrakten, oder mit Öl-Optionen. Man kauft besser etwas, das man gar noch nicht kriegt, und verkauft es, bevor man es hat. Banken machen es ja auch so: Sie versuchen Zinsen einzunehmen, bevor sie die eigenen Zinsen bezahlen müssen – allein schon mit diesem Time-Gap, nicht mit der Zinsdifferenz, lassen sich dann die Boni zwischendurch finanzieren. Clevere Onlinehändler machen das auch: den Umsatz einsacken, bevor die Ware bezahlt ist. Kein Wunder, hat dieser Jeff Bezos so viel Vermögen angehäuft.

Waldmeyer hatte inzwischen den Faden zu den Trüffeln verloren. Er überlegte noch einmal, wie man hier trotzdem Geld verdienen könnte, die Marge ist ja phänomenal. Allerdings: Die Lagerung bereitete ihm etwas Kopfzerbrechen. Charlotte hätte wohl keine Freude, wenn er den Keller in der schönen Villa in Meisterschwanden mit diesen olfaktorisch intensiven Knollen belegen würde. Ein paar Apfelhurden voller Trüffel könnten allerdings locker ein paar Hunderttausender wert sein. Intelligenterweise müsste man jedoch auch im Trüffelgeschäft besser in die Vorstufe investieren. In Trüffelschweine etwa? Oder angenehmer: in Trüffelhunde? Aber, wenn schon, dann gleich in eine Trüffelhundezucht? Oder noch besser: in Trüffelhundezucht-Lizenzen? Nein, gewitzter: in den Handel mit solchen Zucht-Lizenzen, falls denn tatsächlich eine solche Plattform bestünde!? Und dann den Trüffelhundzuchtlizenzhandel hedgen – das wäre quasi agronomische Fintech.

Nein – es war alles zu kompliziert. Vielleicht ist der profane Konsum doch besser als die Anlage? Das ist bei vielen Dingen so; Waldmeyer dachte dabei an seinen Weinkeller – die dort gelagerten Terre Brunes, zum Beispiel nur, waren nie als Anlage gedacht, sondern für den  persönlichen Konsum, exklusiv nur für ihn. Und sie machen trotzdem Freude. 

„Charlotte, gehen wir heute ins Tre Fratelli? Luigi soll inzwischen die neuen Trüffel aus dem Piemont erhalten haben!“

„Ja, das wäre eine gute Option“, erwiderte Charlotte.

Waldmeyer blickte Charlotte entgeistert an: „Option…? Handelst du etwa mit Trüffeloptionen?“

Bargeld ade…? (II)

Zweiter Teil: Bargeldabschaffung – Möglichkeiten, Grenzen, Auswege 

Elektronische Zahlungsmethoden sind im Vormarsch, Corona hat den Wandel noch beschleunigt. Zudem werden digitale Währungen angedacht. Und ganz klar: Einzelne Regierungen prüfen die weitere Reduktion oder sogar die Abschaffung von Bargeld (China beispielsweise ganz konkret). Die Risiken sind bekannt: Unsere Zahlungssysteme werden noch verletzbarer, und der Staat kann die Einnahmen, Ausgaben und Vermögen der Bürger noch besser kontrollieren. Wie können wir uns dagegen wehren…?

Rezepte gegen den Anlagenotstand

Abgesehen von der drohenden Unbill, dass uns der Staat vermehrt ins (dann virtuelle) Portemonnaie schauen könnte, drohen uns allen Einschränkungen in der Verwaltung unseres Vermögens. Denn auch Bargeldhalten gehört in ein umsichtiges Portfolio.

Selbstredend gelten – auch bei einer weiteren Einschränkung des Bargeldverkehrs – die bisherigen Regeln: wie z.B. „nie alle Eier in den gleichen Korb legen“.

Diversifiziert werden muss sowohl in der Vermögensart (also Immobilien, Aktien, Bankkonten, Bargeld, Gold, Kunst, etc.) wie auch in der Geografie (nicht alle Vermögensteile in einem Land halten), aber es ist auch Diversifizieren in Währungen angesagt.

Für weniger Privilegierte fallen die zweiten und dritten Diversifikationen wohl weg. Für sie gilt es trotzdem, das Vermögen nicht zu stark zu bündeln: also nicht das ganze Vermögen in eine Immobilie stecken, nicht zu viel Aktien halten, nicht alles auf dem Konto stehen lassen. Und es kommt etwas hinzu: Schulden machen! Angesichts der Tatsache, dass wir uns heute zu unter 1% verschulden können und dieser Zustand wohl noch auf Jahre hinaus andauern wird, macht eine Investition z.B. in eine Immobilie besonders Sinn.

Für Privilegierte wie weniger Privilegierte jedoch gilt im Moment: Bargeld halten ist trotz allem nicht dumm. Es kostet nichts, denn wir erleiden keinen Zinsverlust. Sofern wir es gefahrlos aufbewahren können, ist Bargeld ein Sicherheitsgewinn. Ein intelligenter Plan B sieht ohnedies vor, an einen Zusammenbruch des Zahlungs- oder sogar Finanzsystems (also den Worstcase) zu denken. Aber bitte Bargeld nur in kleinen Scheinen halten – und nicht auf einer Bank. Siehe Zypern oder Griechenland vor rund 10 Jahren, als die Bankomaten plötzlich kein Geld mehr ausspuckten oder die Tresorräume nicht mehr zugänglich waren. 

Wichtig: Es lohnt sich, das Bargeld bei den Steuerbehörden anzugeben. Sollte die Rechtslage in Sachen Bargeld tatsächlich einmal kippen, können wir unser versteuertes Bargeld jederzeit wieder in Buchgeld umwandeln. Wichtig auch: Bankbelege beim grossen Bargeldbezug aufbewahren. Denn sonst wird unsere Hausbank die schönen Noten nicht zurücknehmen – zumindest nicht grössere Summen! 

Bargeld kann bedenkenlos auch in Euro oder USD gehalten werden. Im Sinne einer Diversifikation ist das gar nicht dumm. Aber Vorsicht: Von Zeit zu Zeit werden Noten, insbesondere die des Greenbacks, erneuert, dann ist Umtausch angesagt – wozu es wieder die früheren Bezugsbelege braucht.

Bargeld kann bald nur noch schwer versteckt werden

Bargeld wird künftig also aufgrund des Herkunft-Nachweises weniger versteckbar sein. Und so sind automatisch vermehrt Abflüsse in Auslandinvestitionen, Aktien, Anlagefonds, etc. zu erwarten. Es gibt kaum noch Ausweg-Verstecke: Auch das Parken von Werten in Gold, Edelmetallen, Kunst, einer Oldtimersammlung oder Immobilien wird künftig transparenter werden. Natürlich kann Geld immer noch in Firmen versteckt werden, insbesondere im Ausland – aber hierfür braucht es dann schon etwas an Financial Engineering.

Möchte der Staat künftig vermehrt ans Geld seiner Bürger – z.B. um horrende Staatsdefizite zu decken – so muss er sowohl den Bargeldverkehr einschränken als auch das Halten von gewissen Cash-Beständen einschränken. Er muss nicht einmal Verbote aussprechen, er könnte den Banken ganz elegant verbieten, Bargeld von z.B. mehr als 1’000 Euro entgegenzunehmen – ausser mit aufwendigen Nachweisen der Mittelherkunft. Und mittels Negativzinsen auf den Konti wird dann zusätzlich jedes Jahr ein bisschen Vermögen abgezwackt. Oder noch schlimmer: Es wird zur Defizitdeckung und Sanierung des Staatshaushaltes eine einmalige Vermögensabgabe eingeführt – Gedanken, die die heutige EZB-Chefin schon vor Jahren hegte (und die Zypern vor ein paar Jahren, zumindest auf Bankguthaben, gleich umgesetzt hatte). Für den Moment jedenfalls gilt: Bargeld ist nicht unattraktiv. Zwar wirft es keine Zinsen ab – allerdings auch keine negativen!

Kann der Staat einfach tun, was er möchte?

Entgegen den abstrusen Verschwörungstheorien (welche in der Regel vor allem von bildungsfernen Leuten unterstützt werden) ist klar, dass in einigermassen demokratischen Gebilden die Notenbanken und der Staat Währungs- und Bezahlformen nicht einfach willkürlich ändern können. Nur: Gerade hier liegt eben das Risiko, denn z.B. die Hälfte der EU-Bürger verfügt über gar keine nennenswerten Bankguthaben. Ein durchaus demokratischer Prozess könnte also der bereits bestehenden Idee einer “10%igen einmaligen Vermögensabgabe auf Bankeinlagen inklusive Geldanlagen ab Euro 50’000“ durchaus zu einem Durchbruch verhelfen. Der böse Staat müsste also gar nicht enteignen. Es genügt, einen demokratischen Willen für solches Tun zu initiieren. Auch die weitere Reduktion des freien Bargeldverkehrs könnte auf durchaus demokratischer Basis erfolgen – Klaus Schwab (im Rahmen dieser abstrusen Verschwörungstheorien, welche demnächst eine bargeldlose Weltherrschaft durch das WEF herbeireden) müsste gar nicht aktiv werden. Prozesse in diese Richtung sind im Gange, ein Ende ist zurzeit nicht abzusehen. Was jedoch neu ist: Solche Pläne liessen sich bei weitem einfacher durchsetzen, wenn möglichst wenig Bargeld im Umlauf ist. 

Könnte der Staat Papiergeld also einfach verbieten? Ja, viele Staaten könnten. Entweder, weil sie totalitär geführt sind, oder weil sie es dann so demokratisch vorsehen. Bis 1974 bestand in den USA übrigens ein Verbot von privatem Goldbesitz. Möglich ist vieles. 

Die Grenzen der Bargeldabschaffung

Die Notenbank in Schweden kriegt langsam kalte Füsse: Sie hat nicht nur Angst, bei elektronischen Ausfällen über keinen Plan B mehr zu verfügen. Sie sorgt sich neuerdings ebenso, dass das Gefühl für Geld verloren gehen könnte, wenn dazu bald keinerlei physische Relation mehr besteht. Wenn Bezahlen nur noch ein virtueller Vorgang ist, betrifft das Problem insbesondere die neuen Generationen. Die Schwedische Notenbank merkt plötzlich, dass eine solche Entwicklung nicht nur tragisch, sondern auch schädlich sein kann. Sogar das Taschengeld der Jungen wird heute vorwiegend elektronisch verteilt, und Bargeld macht in diesem fortschrittlichen skandinavischen Staat heute nur noch 1% des BIP aus (in der Eurozone sind es 10%). Corona hat nun alles noch beschleunigt. Es ist jedoch beruhigend zu beobachten, dass sich nicht nur demokratische Prozesse gegen eine weitere Reduktion des Bargeldes richten, sondern dass sogar intelligente Notenbanken selbst die Grenzen erkennen.

Die Schweiz in einer Sonderposition

Die Schweiz verfügt über die weltgrösste Banknote, den 1000er Schein. Zum Vergleich: In den USA geht’s nur bis zum 100er, und im United Kingdom ist bei 50 Pfund schon Ende der Fahnenstange. Nur schon aus Aufbewahrungsgründen ist in der Schweiz also das Halten von grösseren Bargeldbeständen sehr komfortabel, eine Million in Cash lässt sich auf die Grösse eines Milch-Tetrapacks komprimieren. Der Brite müsste dafür schon mit einem Überseekoffer unterwegs sein. Bis 2014 übrigens bestand eine Alternative mit einer 10‘000er-Note in Singapur-Dollar (heute entsprechend rund CHF 6‘600.-). Seit 2015 verbleibt in der Tat nur noch der 1‘000er aus der Schweiz – deshalb nicht unbeliebt. Nicht nur die Schweizer Bevölkerung, sondern auch Firmen und Institutionen im ganzen Land (auch ausländische Institutionen) halten gigantische Bargeldbestände in Schweizer Franken – oft auch nur aufgrund der Negativzinsen. Damit besteht ein natürlicher Druck auf die Nationalbank, in Sachen Bargeld vorerst einmal nichts zu ändern.

Der starke Glaube und das Vertrauen der gesamten Bevölkerung in die eigene Währung verankern den Wunsch nach Bargeld zusätzlich. Es mag sein, dass gewisse Länder – so vor allem in der EU – Bargeld zusehends verbannen werden. Die Eidgenossen werden dieser Entwicklung allerdings mit Sicherheit hinterherhinken. So lässt sich das künftige Geschehen aus der helvetischen Voyeur-Position hervorragend und ziemlich risikolos beobachten, und überstürzte Handlungen sind nicht angezeigt. 

Allerdings werden wir uns immer stärker in einer Situation wiederfinden, in der das Halten von Bargeld zwar nicht beeinträchtigt wird, sehr wohl indessen der Transfer und die Bezahlung von grösseren Beträgen erschwert werden. 

Fazit:

Der fortschreitende Ersatz von Bargeld durch elektronische Zahlungsmittel bietet einigen Komfort – aber auch Risiken. Die Krisen-Anfälligkeit wird erhöht und die Privatsphäre wird eingeschränkt. Die Gefahr einer künftigen Bargeld-Einschränkung ist in einigen Staaten durchaus latent. Trotzdem spricht  – für uns in der Schweiz erst recht – immer noch einiges für Bargeld. Das wissen glücklicherweise auch andere, einigermassen intelligent geführte Staaten. Es lohnt sich, dafür zu kämpfen, dass die private Wahl der Zahlungsmittel möglichst frei bleibt. Unser Recht, Cash zu halten und es nach Bedarf einzusetzen, muss unbedingt unangetastet bleiben.

Bargeld ade…? (I)

Teil I: Eine Auslegeordnung und eine Szenarien-Übersicht 

In Schweden wird schon jeder Kaugummi mit Karte oder Handy bezahlt, China kokettiert mit einem Bargeldverbot, drastische Einschränkungen gibt es bereits landauf, landab in der EU. Kryptowährungen tauchen auf, und gleichzeitig schwadronieren einige Staaten von digitalen Währungen. Auch Verschwörungstheorien tauchen auf, so soll sich das WEF, angeführt von Klaus Schwab, zum Ziel gesetzt haben, die globale Übernahme der Macht mittels Aussetzen von Bargeld zu beschleunigen… Müssen wir tatsächlich bald auf Cash verzichten? 

In der Tat geht der Anteil der Barzahlungen in den meisten Ländern zurück, nicht nur in Schweden – in Entwicklungsländern wie auch in hochentwickelten Staaten ist der Trend nicht aufzuhalten, und Corona hat ihn verstärkt. Kreditkarten, Twint, Google Pay oder andere neue digitale Zahlungsmittel sind im Vormarsch. Eigentlich kam die Angst vor Corona-kontaminierten Geldscheinen sowohl Banken wie Staaten ganz gelegen, damit sich der Anteil des Bargeldverkehr weiter reduziert. 

Banken wollen kein Bargeld mehr

Das Handling von Bargeld ist teuer, die Banken lieben es überhaupt nicht mehr. Sie möchten am liebsten alle Schalter schliessen und ihre Geschäfte nur noch bargeldlos abwickeln – zumal sie beim Kreditkartengeschäft kräftig mitverdienen – von beiden Seiten, also bei den Kreditkartenhaltern und bei den Vertragsgeschäften. Selbst beim Bezahlen mit der Debit-Karten profitieren die Geldhäuser: Die Geschäfte liefern mit jeder Transaktion Gebühren ab. Kein Wunder, werden die Banken den bargeldlosen Verkehr weiter fördern.

Auch der Staat möchte kein Bargeld mehr

In Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien können Beträge über 2‘000 bis 3‘000 Euro nicht mehr bar beglichen werden. (In der Schweiz sind noch CHF 100‘000.- möglich, darüber gibt es relativ strenge Deklarationspflichten.) Und länderüberschreitend darf man in der EU gerade mal 9‘999 Euro mit sich führen, ansonsten kurzerhand eine Konfiszierung droht. 

Der Staat freut sich wohl auch über das Online-Shopping. Das reduziert den Bargeldverbrauch. Natürlich hat der Staat auch ein Interesse daran, die Schattenwirtschaft zu unterbinden und sein Steuersubstrat zu schützen. Ob die Bargeld-Vorschriften dafür der richtige Weg sind, darf angesichts der mannigfaltigen elektronischen Zahlungsmöglichkeiten indessen fraglich sein. Italien ist das beste Beispiel, wie eine starke Schattenwirtschaft trotz Cash-Restriktionen bestens funktionieren kann. Ist Bargeldhalten ein „Menschenrecht“? Ja, wir meinen schon – zumindest empfindet das heute wohl der weitaus überwiegende Teil der Bevölkerung. Viele Regierungen sehen dies allerdings nicht mehr so.

Digitale Währungen in Aussicht

Bitcoin und andere Kryptowährungen sind im Umlauf, Diem (ex Libra) ist in Vorbereitung, viele Staaten planen digitale Währungen. Die Frage ist nicht, ob sie kommen, sondern wann. Ganz klar werden solche neue Währungen das Bargeld weiter verdrängen. Grund genug, sich mit unseren demokratischen Mitteln dagegen zu wehren. Totalitäre Staaten (wie China z.B.) haben die digitale Währung als Ersatz von Bargeld ganz klar auf dem Schirm.

Grosse Risiken mit der Digitalisierung von Geld

Risiko Nummer eins: Mit der weiteren Entwicklung des elektronischen Bezahlens geht nicht nur die schleichende faktische Abschaffung des Bargeldes einher, sondern der Prozess beschleunigt die Realisierung von digitalen Währungen. Damit wird eine Büchse der Pandora geöffnet: Den weiteren Staatsverschuldungen kann so kaum mehr Einhalt geboten werden. Nur schon deshalb ist es wichtig, den Erhalt von Bargeld zu pflegen.

Risiko Nummer zwei: Das Gefahrenpotential von Cyberattacken durch Hacker oder Terroristen ist bei digitalem Geld noch verheerender als die heutige Verletzbarkeit elektronischer Zahlungssysteme. Auch „normale“, technisch bedingte Pannen hätten noch weit grössere Auswirkungen. Solche Katastrophen wären an sich schon schlimm genug, würden sich jedoch ohne Bargeldumlauf noch krass verstärken. (Gerade für solche Krisen sei es ja jedem geraten, einen ordentlichen Stock Bargeld zu halten.)

Risiko Nummer drei: Zahlungssysteme können schon heute von feindlichen Mächten gegroundet werden. Die Auswirkungen eines Eingriffs in digitale Geldströme wären indessen noch weit fataler. Konflikte müssen heute nicht mehr militärisch ausgetragen werden: Nordkorea, Russland, China, Iran oder die Türkei könnten auf den Gedanken kommen, unsere Systeme zu Fall zu bringen. Eine solche Aktion könnte durchaus hybrid, also verdeckt und ohne offenen militärischen Konflikt erfolgen (“wir waren es nicht…”). Das Resultat wäre nicht sehr appetitlich, denn der Grossteil unseres gesamten zivilen und wirtschaftlichen Lebens würde zusammenbrechen. Selbst neue Kampfflieger könnten hier wohl nichts verrichten, es würde dann insbesondere auch keine Rolle spielen, ob Frau Amherd Raphael, Tiger oder Eurofighter gen Himmel schicken würde (allerdings erst ab 2030.).

Ein paar echte Nötli im Umlauf könnten das Drama jedoch zumindest vorübergehend lindern und das Leben erträglicher gestalten, bis die Misere behoben ist.

Viertes Risiko: Der Staat übernimmt die Kontrolle über unsere Einnahmen, Ausgaben und Ersparnisse. Nicht nur das gesamte Konsumverhalten würde nahezu gläsern. Es kann auch zur schleichenden Enteignung kommen: Wenn dem Bürger die Freiheit genommen wird, den Negativzinsen mit Halten von Bargeld zu entrinnen, hat er längerfristig verloren. 

Cash ist einer der letzten Horte unserer Privatsphäre: Ein Nachvollzug unseres Ausgabenprofils, welches wir nicht preisgeben möchten, ist mit Cash nur erschwert möglich. Der Wunsch nach Privatsphäre hat dabei nichts mit einfachem Verstecken oder kriminellen Absichten zu tun – sondern einzig und allein mit Freiheit. Der Vormarsch von digitalen Währungen wird diese Freiheit leider reduzieren. Und wenn Bargeld keine valable Alternative mehr darstellt, treibt der Staat den Bürger dazu, sein Geld in andere Anlageformen zu konvertieren: also in Immobilien, Aktien, Staatsanleihen, etc. Damit riskiert der Staat, volkswirtschaftlich unerwünschte Bewertungsblasen zu fördern. Das erfolgt schon heute, würde sich mit der Reduktion des freien Bargeldverkehrs jedoch noch akzentuieren.

Fazit:

Der fortschreitende Ersatz von Bargeld durch elektronische Zahlungsmittel ist unaufhaltbar. Allerdings steigen so die Risiken in Krisenfällen, denn unsere Zahlungssysteme werden gegen Angriffe von aussen immer vulnerabler, je mehr wir uns von Bargeld abwenden. Das grösste Risiko besteht allerdings darin, dass der Staat die weitgehende elektronische Kontrolle über unsere privaten Mittel übernehmen könnte – und es so immer leichter wird, uns mit Steuern und Abgaben zu drangsalieren. 

Wie können wir uns dagegen wehren…? True Economics bleibt dran – siehe Folgebeitrag (Teil II) nächste Woche! 

Wenn Kinderärztinnen Digitalwährungen planen

Oder wenn die Büchse der Pandora digital wird

Wenn die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, als ehemalige Kinderärztin eine digitale europäische Währung in Aussicht stellt, so ruft das zumindest  Stirnrunzeln hervor. Von wem sie sich wohl beraten und beeinflussen lässt? Von den Finanzministern klammer Staaten, oder von Geldschöpfungs-Berserkern, wie den Verfechtern der MMT (Modern Monetary Theory)? True Economics beleuchtet die Hintergründe und zeigt auf, wie brandgefährlich solches Tun ist.

Was haben der gute alte Biden, der Staatskapitalist Xi Jinping, der ehemalige Licence-to-kill Agent (Putin), die Juristin Lagarde (Europäische Zentralbank), und eben die Kinderärztin gemeinsam? Erstes träumen sie alle von einer digitalen Währung, zweitens sind sie alle keine Ökonomen, und drittens verstehen sie nichts davon. Auch der deutsche  Finanzminister Scholz, ansonsten nicht gerade ein Ausbund an Dynamik, eher schon die Inkarnation eines altsozialistischen Langweilers, hatte kürzlich für einmal etwas Spannendes von sich gegeben: Er sei gegen dieses „Libra“, aber für eine europäische Digitalwährung. Unserer Ex-Konzertpianistin Sommaruga ist immerhin zugute zu halten, dass sie sich, im Moment noch als Bundespräsidentin, in der Causa „Digitaler Schweizerfranken“ (noch nicht) geäussert hat. Ein besonderes Lob müssen wir unserem Finanzminister Ueli Maurer aussprechen, denn auch er schweigt zu dem Thema. Dabei wäre gerade er noch halbwegs berufen, sich in dieser Sache zu melden – sind bei ihm doch immerhin ein paar dünne ökonomische Spuren in seinem CV auszumachen (KV, führte den Volg). Auch Mutti schweigt. Obwohl es vielleicht gerade der Atomphysikerin Angela Merkel noch zuzutrauen wäre, in dieser komplexen mathematischen und digitalen Mengenlage Kompetenz zusammenzuklauben. 

Natürlich könnten wir nun alle diese Protagonisten in Schutz nehmen und anführen, dass Staatsführer nicht alles selber verstehen müssen – es gibt ja Stäbe, Berater und Spezialisten, auf die man zurückgreifen kann. Aber verstehen auch alle diese Berater diese digitalen Vorgänge…? Erkennen sie die Gefahren?

Immer neue Digitalwährungen

Neue digitale Währungen, wie Bitcoin etwa, stellen eine neue Dimension an Werten dar, weil diese eben in Konkurrenz zu bisherigen Währungen treten. Nach Bitcoin und anderen Kryptowährungen kam nun Libra noch dazu (neu „Diem“), die neue digitale Währung von Facebook: vordergründig die Lösung für Milliarden von Menschen weltweit, die nicht über ein Bankkonto verfügen, hintergründig natürlich als raffiniertes Vehikel, um Kommunikation und Konsum auf einen neuen und lukrativen Level zu führen.

China und die USA wollen sich offenbar in einen Wettlauf in Sachen Einführung von digitalen Staatswährungen begeben. China gar überlegt sich längerfristig die Abschaffung des Bargelds, der digitale Ersatz soll mittels Blockchain-Technik erfolgen – die totale staatliche Kontrolle wäre so perfekt, George Orwells „1984“ Kinderliteratur dagegen.

Sind wir alle überfordert…?

Tatsache ist, dass viele Staaten jetzt kalte Füsse kriegen. Sie haben Angst, dass ihnen die Felle in Sachen Währungskontrolle davonschwimmen, wenn sich immer mehr (private) Konkurrenzwährungen entwickeln. Die Herausgabe von Währungen soll – mehr oder weniger verständlich – staatliches Hoheitsrecht bleiben. Dann doch lieber eigene digitale Währungen lancieren, auch wenn wir die Folgen nicht richtig einordnen können. Und damit sind wir wieder bei der Kinderärztin. In unserer Leserschaft gibt es einige Ökonomen und intelligente Berufsleute, die durch das Stahlbad der Finanzwelt gegangen sind. Doch sie und wir alle (und selbst die schlauesten internationalen Ökonomen) verstehen die Funktion von digitalen Währungen nicht immer à fond. Und sie alle können die langfristigen Folgen der Schöpfung von solchen Werten nicht abschätzen. Was passiert mit der Inflation? Wie sicher ist eine solche Währung in Bezug auf Hacker und Cyberattacken? Oder ganz einfach: Was passiert bei Stromunterbrüchen? Das letzte lässt sich noch am ehesten erahnen. Wir wissen ja, was geschieht, wenn der Kreditkartenterminal ausfällt: Wir ziehen dann unsere Nötli aus dem Portemonnaie. Aber eben: Das Not-Szenario setzt das Vorhandensein von genügend Bargeld voraus – bei jedem persönlich, aber auch im Umlauf.

Elektronische Zahlungsmethoden waren nur die Vorreiter

Wir alle kennen und nutzen die neuen Zahlungsmethoden: ob Kreditkarte, Twint, Google Pay oder andere neuen digitalen Bezahlmittel. Sie sind alle im Vormarsch und verdrängen das Bargeld – Corona hat den Trend noch beschleunigt. Diese neuen elektronischen (oder digitalen?) Bezahlformen sind de facto neue Währungen – zwar in Denomination bekannter Währungen, wie Euro oder CHF. Aber diese Mikroüberweisungen stellen in ihrer Summe bereits Milliarden an neuem künstlichem Geld dar. Es sind de facto bereits Kunstwährungen, welche den Geldumlauf vergrössern. Immerhin basieren sie alle auf unseren Staatswährungen. Aber sie sind dennoch die cybermässigen Vorreiter für parallele digitale Währungen. Die Schnittstelle von traditioneller zu digitaler Währung stellt allerdings einen Quantensprung dar, denn die digitalen Währungen basieren wohl kaum mehr auf reellen Gegenwerten!

Die neuen Währungen könnten auch durch die Hintertüre kommen: als natürliche Weiterentwicklung des elektronischen Geldverkehrs. So würden wir es vielleicht gar nicht merken.

Kryptowährung ist nicht gleich Digitalwährung

Die meisten digitalen Währungen sind heute „Kryptowährungen“, welche i.d.R. auf einer Blockchain-Konstruktion basieren. Zu 50%, so die heutige Schätzung, wird diese heute (so vor allem bei Bitcoin) für kriminelle Zwecke genutzt. Die Zahlungsströme lassen sich nicht „tracen“, benötigen aber einen gigantischen Energiebedarf – was ihre grosse Verbreitung einschränken wird. Das System basiert weltweit auf simultaner Datenverfügbarkeit und verbraucht so eine Unmenge an Energie (bei Bitcoin heute rund den Energieverbrauch Hollands). Ausserdem ist es mit seinem „Mining“-Ansatz volumenmässig limitiert – was immerhin der Kurspflege dient. Solche Blockchain-basierten Digitalwährungen lassen sich also nicht beliebig multiplizieren. Aber das wissen die Notenbanker und Finanzminister der einschlägigen Staaten schon, auch die Kinderärztin. Eine Digitalwährung kann nämlich auch ohne Blockchain funktionieren: Man schafft sie einfach – quasi aus dem Nichts. Man hinterlegt sie nicht mit Gold, eigenen oder Fremdwährungspositionen oder irgendwelchen anderen staatlichen Bilanzwerten. Man stellt sie mehr oder weniger in der richtigen Dosierung einfach ins Netz, wo sie abgerufen werden kann. Zu einfach, um wahr zu sein?

True Economics sagt: Das birgt ein gigantisches Inflationsrisiko in sich. Aber vielleicht wäre gerade dies die beabsichtigte Lösung, um die explodierenden Staatsschulden zu vernichten? Geldentwertung führt ja bekanntlich auch zu Schuldenentwertung. 

MMT: Gift für die Geldstabilität

Die „Modern Monetary Theory“ basiert auf dem Glauben an die fast unlimitierte Schöpfung von Geld und folgenlose Schuldenmache durch den Staat. Dieser sich munter verbreitende Ansatz kommt einigen Staaten im Moment gerade gelegen.

Der Produktionsfaktor Kapital wird also künftig, nachdem de facto auch der Zins nahezu abgeschafft wurde, nichts mehr kosten. Eine wichtige Forderung von Karl Marx wäre damit bereits erfüllt: Das Kapital zumindest gehört jetzt allen. Wenn dann allerdings Inflation droht, ist es zu spät, um die Geldmenge zu regulieren. Würden die Zinsen drastisch erhöht, würden die Ersatzkredite, welche die auslaufenden fortschreiben, zu plötzlich hohen Kosten führen. Staaten mit hohen Krediten, Kommunen und Infrastrukturen wären dann nicht mehr in der Lage, die Zinsen zu stemmen. (Wie in Italien: Wenn das Land für seine Staatsschulden normale Marktzinsen zu entrichten hätte, wäre es schon gestern bankrott gewesen.)

Dass sich Präsident Madura einer Rekordinflation (von 20‘000 Prozent 2019) gegenübersieht, ist nicht einfach gottgewollt. Inflation schleicht sich ja nicht heimlich ins Haus, oder steigt, wie bei Corona, klandestin mit dem Samichlaus durch den Kamin rein. Inflation ist fast immer hausgemacht und ist fast ohne Ausnahme das Resultat von unkontrolliertem Gelddrucken – unter der Fuchtel der Politik.

Das war schon immer so. Nur kommt jetzt der neue digitale Hebel dazu, welcher die wundersame Geldvermehrung befeuern könnte.

Wie sicher sind digitale Währungen?

In einer ersten Phase könnte ein E-Euro (mit der gleichen Denomination, also 1 Euro = 1 E-Euro) nur dem institutionellen und zwischenstaatlichen Verkehr dienen. Anschliessend der Wirtschaftswelt, dann erst den Privaten. Die digitale Währung würde später die traditionelle schleichend ersetzen. Und, das zusätzliche Risiko nun: zum grossen Teil – oder auch ganz? – am Ende das Bargeld ersetzen. Eine Vision nur? Eine Verschwörungstheorie? Ein Schreckensgespinst für uns traditionell Denkenden? Angenommen, dies wäre das beabsichtigte Szenario: Dann müssten wir uns nun, zumindest persönlich, vorsehen. 

Es sind generell grosse Risiken auszumachen, denn digitale Währungen werden noch mehr als die elektronischen Zahlungssysteme Hackern und/oder Cyberattacken durch Terroristen oder verfeindeten Staaten ausgeliefert sein. Ausserdem besteht das Risiko, dass der Staat die totale Kontrolle über das Konsumverhalten der Bürger übernimmt. Und es kommen staatliche Enteignungsrisiken dazu, insbesondere dann, wenn mittels Einschränkung des Bargeldumlaufes den Negativzinsen nicht mehr zu entrinnen ist. Digitale Währungen im Portefeuille würden unser Leben wohl kaum sicherer machen. 

Die Grenzen des Cybergeldes liegen im Vertrauen

Die Hoffnung vielleicht: Die Geldschöpfung wird wohl doch noch endlich sein, wenn das Vertrauen in eine Währung nicht mehr besteht. Wenn also Erdogan z.B. eine digitale türkische Lira auf den Markt wirft, wird das in der Finanzwelt im besten Fall Schenkelklopfen auslösen. Potential für eine Überlebensfähigkeit im globalen Markt hätten nur grosse Währungen wie der US Dollar, der chinesische Renminbi, der Euro und der Yen. Und vielleicht noch der Schweizer Franken und das britische Pfund, in dritter Linie einigermassen starke Nischenwährungen wie der Singapur Dollar oder der kanadische Dollar. Aber auch alle diese Währungen würden ihren Kredit relativ rasch verspielen, wenn übertrieben und grenzenlos Cybergeld geschaffen wird. Die Geschichte lässt sich nicht ausblenden, damit auch nicht eine potentielle Inflation und Geldentwertung. Was uns jedoch nachdenklich stimmen muss: Die Staaten wollen ja gerade Inflation…! (Aber bitte nur ein bisschen, nicht zu viel.)

Eine staatliche Digitalwährung hätte wohl nur Erfolgschancen, wenn diese die „Papierwährung“ 1:1 abbildet und deren Schöpfung klar definierten monetären Regeln unterordnet; so kann sie nicht unendlich multipliziert werden. Ohne Vertrauen in die Währung geht es letztlich nicht. Unsere Kinderärztin und die Juristin bei der EZB tun also gut daran, sich profund beraten zu lassen, bevor sie den E-Euro ins Netz stellen.

DMMT: der gefährliche Cocktail

Die Verbindung nun von MMT und digitaler Währung führt zu einem brandgefährlichen Cocktail: MMT alleine und digitale Währungen alleine bergen schon Sprengstoff. Der Cocktail aus beiden wird jedoch noch explosiver. Durch den Staat geschaffenes Cybergeld müsste erst  recht gar nie zurückbezahlt werden. Der Staat dürfte mit vollen Händen das Geld verteilen, seine Staatsquote damit erhöhen und die Staatsdefizite ins Unendliche wachsen lassen. Das wäre dann in den Augen der Staatsführer wohl gar nicht tragisch, denn ein Schuldendienst ist eh nicht vorgesehen. Gleichzeitig könnte der Staat bzw. die Zentralbank den Geschäftsbanken (und damit der Wirtschaft) noch ungehinderter fast unbegrenzt billiges Cybergeld zur Verfügung stellen.

Der gesunde Menschenverstand sagt uns: So ein Perpetuum mobile kann doch längerfristig gar nicht funktionieren! Vielleicht weiss es jedoch unsere Kinderärztin. Natürlich, sie ist unter Druck: Es fehlt an Geld, die Wirtschaft soll angekurbelt werden, viele Staaten im südlichen Europa sind kaum noch zahlungsfähig, die Schulden sollen deshalb verallgemeinert werden. Vielleicht kommt da so eine Digitalwährung gerade recht?

Der Cocktail aus Digitaler Währung und MMT – nennen wir es DMMT – könnte einem Öffnen der Büchse der Pandora gleichkommen: nämlich zu Finanzsystemen führen, die komplett ausser Kontrolle geraten. Die Geldschöpfung wäre fatalerweise und schlechterdings zu simpel: Der Staat stellt einfach Geld ins Netz, das z.B. zinslos abgerufen werden kann. Unbegrenzt. 

Schon heute wird in vielen Staaten die Erbsünde begangen, dass die Zentralbanken nicht mehr unabhängig sind, dass sich die Finanzpolitik in die Notenbankpolitik einmischt. Wenn spendable Politiker also auf das System von DMMT zugreifen können, wird der Teufel los sein.

Fazit: Mit der Schaffung von digitalen Staatswährungen besteht tatsächlich die Gefahr, dass das Weltfinanzsystem ausser Kontrolle gerät. Zudem sind die Risiken aufgrund von elektronischen Pannen oder Cyberangriffen nicht zu verharmlosen. Wie stabil eine digitale Währung sein wird, wissen wir – und auch die schlauesten Ökonomen – heute schlichtweg nicht. Es fehlen die Erfahrungswerte. Wir wissen nur eins: Je elektronischer und digitaler der Zahlungsverkehr wird, desto kontrollierter wird auch die Überwachung von Kapital, Einkommen und Ausgaben. Und desto unkontrollierter werden auch die Finanzsysteme. Aber nicht genug: Stehen wir heute etwa vor der faktischen Abschaffung des Bargeldes? True Economics bleibt dran und wird der Sache im nächsten Beitrag vertiefter nachgehen.

Immobilienmarkt: Was macht der smarte Investor jetzt…?

Die Trends waren schon seit ein paar Jahren ziemlich eindeutig, bedingt durch tiefe Zinsen, neue Wohnansprüche und die Digitalisierung. Corona bringt nun eine Akzentuierung und zusätzliche Verschiebungen ins Spiel. True Economics untersucht fünf Märkte, bzw. Anlageformen: Gewerbeliegenschaften, Büroliegenschaften, Mietwohnungen, Wohneigentum und Immobilienfonds. Wo soll der smarte Investor noch investieren? Die Antwort hier gleich vorweg: Es kommt zurzeit nur noch eine einzige Anlageform in Frage!

Zu unserer Auslegeordnung gehört, dass wir 4 Megatrends beobachten, welche von weiteren 4 Corona-bedingten Trends verstärkt oder gestört werden: 

Megatrend Nummer 1: Zinsen auf Tiefstand befeuern die Preise für Wohneigentum

Erst recht in der Folge der weltweit explodierenden Staats-Verschuldungen werden nun die Zinsen auch längerfristig tief bleiben. Das Welt-Finanzsystem würde schlichtweg kollaborieren, müssten die Staaten rund um den Globus nun nächstens mit Zinserhöhungen rechnen. Auf absehbare Zeit werden wir also keine Zinsen mehr sehen. Ergo lohnt sich Verschulden auch längerfristig – ob privat oder institutionell. Die gesunde Nachfrage nach Wohneigentum wird damit anhalten, die Immobilienpreise werden kaum sinken.

Megatrend Nummer 2: Anlagenotstand der Pensionskassen beeinflusst den Mietwohnungsmarkt

Aufgrund mangelnder Rendite-Alternativen wird weiter in Immobilien investiert. Das absehbare Überangebot wird jedoch auf die Renditen für Investitionen in Mietwohnungen drücken.

Megatrend Nummer 3: Es braucht weniger Büroflächen

Digitalisierung und flexibleres Arbeiten führen tendenziell zu weniger Bedarf an Büroflächen. Das drückt auf die Preise.

Riesige Grossraumbüros werden wohl der Vergangenheit angehören. Die Firma IBM hatte uns bereits vor 20 Jahren schockiert, als sie die festen Arbeitsplätze abschaffte und durch individuelle Rollcontainer ersetzte, welche beim Eingang der Büros gefasst werden konnten. Natürlich wurde dies zum grossen Teil wieder rückgängig gemacht. Aber seit ein paar Jahren setzt sich ein Trend zu Homeoffice durch – selbstredend nicht nur bei IBM.

Zudem dämmert bei vielen Firmen langsam die Erkenntnis, dass es in der Tat absurd ist, einzelne Büros oder eine grosse Anzahl an Arbeitsflächen zu unterhalten, wenn diese gar nicht ausgelastet sind (weil sich Mitarbeiter im Markt draussen oder im Homeoffice befinden). Für die Aussendienst-Sitzung am Montag braucht es z.B. keine speziellen Büros mehr. Weniger Raum für klassische Arbeitsplätze ist also gefragt, mehr Raum für Teambildung, Newsrooms, Räume für Besprechungen und Koordination, zuschaltbar auch für Externe. Das Prestige des Einzelbüros verblasst, der Status der elektronischen Vernetzung kompensiert.

Ausserdem setzen sich neue Büro-Nutzungsformen durch: Multifunktionalität von Räumen, Split-Offices, flexible Büroflächen, Co-Working-Spaces. Nicht der einzelne Arbeitsplatz hat mehr Planungs-Priorität, sondern die digitalen Kommunikationsmittel und das Daten-Management, welche künftig den Raumbedarf definieren.

Alles nicht neu und nicht überraschend? Vielleicht. Aber neu ist die Nachhaltigkeit dieses Trends, ein Point of no Return. 

Das Resultat: Es braucht auch längerfristig weniger Büroflächen, jedoch modernere Strukturen, welche wiederum besser durch modernere Gebäude geschaffen werden. Also geraten die Preise und Mieten für klassische Büroflächen noch weiter unter Druck. Und der Druck wird anhalten, denn die Umnutzung des Überangebotes dauert eine Ewigkeit.

Megatrend Nummer 4: Gewerbeflächen unter Druck

Der Onlinehandel senkt die Nachfrage nach Retailflächen, die überhöhten Mietpreise der letzten Jahre werden stark korrigiert. Im verarbeitenden Gewerbe und der Industrie (oder zumindest was davon übrig geblieben ist in der Schweiz) ist ebenso ein nachhaltiger Umbau festzustellen. Roboterisierungen befeuern den Trend zusätzlich. Roboter müssen übrigens keine Distanz halten und auch keine Masken tragen…

Die Digitalisierung wird die De-Industrialisierung weiter fördern. Der bisherige Bedarf an Gewerbeflächen im herkömmlichen Sinne (für Einzelhandel, Gewerbe und Industrie) wird sich kaum mehr ausweiten – und damit kommen auch in diesem Bereich die Preise weiter unter Druck.

Trend Nummer 5 (Nach-Corona-Trend): Wohnansprüche verändern sich

Die Corona-Pandemie hat uns sehr gut vor Augen geführt, wie wertvoll schönes Wohnen sein kann. Also nicht zu beengt, vielleicht im Grünen, vielleicht mit Garten – oder zumindest mit Balkon, Terrasse. Schon jetzt ist diesbezüglich ein neuer Nachfrage-Trend auszumachen. Das Leben zuhause wird wichtiger, die urbaneren Lebensformen – mit extensivem Ausgehen, auswärts Essen, etc. – sublimierten sich vorübergehend quasi über Nacht. Also doch lieber raus aufs Land…? Der kurzfristig auszumachende Trend zur Korrektur der Wohnansprüche könnte sich als ein nachhaltiger herausstellen, wenn die Pandemie-Auswirkungen noch länger andauern.

Diese Beobachtung konzentriert sich übrigens nicht nur auf die Schweiz. In den USA ist ein klarer Trend zu mehr Nachfrage nach ländlicherem Wohnraum auszumachen. Oder ein weiteres kosmopolitisches Beispiel: In Dubai ist ein starker Trend zu Villen mit Garten zu verzeichnen, weg von den chicen urbanen Apartments. Eine Momentaufnahme nur? Wir glauben nicht, denn dafür wird die Krise zu lange dauern. 

Trend Nummer 6 (Nach-Corona-Trend): Homeoffice verändert den Markt

Mehr Homeoffice bedeutet nicht nur weniger Bedarf an Büroflächen. Parallel wird sich auch der Bedarf nach mehr Wohnraum entwickeln. 

Immer mehr Firmen werden diesen Trend stützen. Techfirmen entschädigen ihre Mitarbeiter bereits für Homeoffice: für Geräte, Büromöbel oder Büroraum. Durch den Wegfall des Pendelns ergeben sich individuell zudem nicht nur geografisch neue Wohnoptionen, sondern die ökonomischen Einsparungen werden mit Sicherheit auch in mehr Wohnraum investiert werden.

Die Schleusen für mehr Homeoffice wurden Corona-bedingt geöffnet. Trotzdem werden dieser Entwicklung Grenzen gesetzt. Es geht dabei nicht nur um die Überlegung, dass ganze Sektoren der Wirtschaft davon ausgeschlossen bleiben. Grenzen setzen auch die Pflege der Unternehmenskultur, der Verlust von Teambildung, von Innovationsentwicklung und sozialem Austausch. Letztlich geht es auch um Fragen der Führung. Aber es bleibt trotz dieser Grenzen ein Trend, der auf mehr Wohnraum hinweist, allenfalls auch – unter anderem preisbedingt – auf weniger urbane Nachfrage. 

Trend Nummer 7 (Nach-Corona-Trend): zu viele Miet- und Investitionsobjekte im Gastronomie und Tourismus.

Diese Branchen werden noch Jahre brauchen, bis sie sich wieder – auf welchem Niveau dannzumal auch immer – aufgerappelt haben. Mietzinse und Preise für die betroffenen Liegenschaften verzeichnen starke Rückgänge; diese werden weiter sinken. Es trifft vor allem Gastronomie, Hotellerie und generell den Tourismus der Innenstädte. Umnutzungen werden unumgänglich werden, sofern überhaupt realisierbar, und Mietzinse und Objektpreise werden für längere Zeit im Keller bleiben.

Ein gegenteiliger Trend könnte sich für Ferienimmobilien in der Schweiz entwickeln. Aber das sind nur erste Vermutungen und wird von der Dauer der Pandemieeffekte abhängen. 

„Nicht-Trend“ Nummer 8: Corona drückt auf die Preise für Wohneigentum?

Zu Beginn der Krise wurde vermutet, dass die höhere Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, Unsicherheit und/oder die Erhöhung der Sparquoten auf die Nachfrage und damit auf die Preise für selbst genutzte Wohnobjekte drücken könnten. Die Tragbarkeit für die Finanzierung von Wohneigentum könnte in vielen Fällen neu kalkuliert werden und den Investitionsspielraum einschränken. So könnte ein Trend zu kleineren Wohnungen einsetzen (aufgrund von Einkommensreduktionen, Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, Unsicherheit).

Bis jetzt sind allerdings solche Effekte kaum auszumachen – oder sie werden von andern Effekten überlagert, wie der Wunsch nach mehr Wohnraum. Und vor allem: wenn, dann handelt es sich nicht um einen „systemischen“ Trend, sondern um eine mehr oder weniger einmalige Erscheinung.

Zweiteilung des Wohnungsmarktes

Am wichtigsten für uns als Investoren ist die Erkenntnis, dass zurzeit eine klare Zweiteilung des Wohnungsmarktes stattfindet. Seit einigen Monaten hat sich der Mietwohnungs-Markt vom Wohneigentums-Markt abgekoppelt.

Dahinter steckt vor allem der Umstand, dass institutionelle Anleger, vor allem die Pensionskassen, nur anlegen wollen; sie verstehen den Handel mit Immobilien nicht. Sie kaufen nicht auf, um umzunutzen, zu renovieren und anschliessend wieder zu verkaufen – mit dem dazugewonnenen Agio. Unter “Entwicklungsprojekten“ verstehen sie i.d.R. nur das Erstellen von Neubauten. Sie wagen sich z.B. nicht an Altbauten oder an schöne Industriebrachen, welche aufgewertet und/oder zu attraktiven Wohneinheiten umgebaut und anschliessend wieder dem Markt übergeben werden könnten – zur Vermietung, oder, erst recht nicht, zum Verkauf. Sie erstellen lieber eine 0815-Überbauung an einer Kantonsstrasse. Diese erzielt dann allerdings nur eine dünne Rendite oder produziert zu allem Übel noch Leerstände. Diese Fehlentwicklung wird sich künftig noch akzentuieren. 

Aber der Investitionshunger hält trotzdem an. Es wird in zu viele neue Projekte investiert, welche der Mietermarkt nicht mehr absorbieren kann: Der Druck auf die Mieten und damit auf die Rentabilitäten von Wohnliegenschaften ist seit einem guten Jahr auszumachen. So lange die Zinsen jedoch tief bleiben – also noch sehr lange – wird die Umschichtung von institutionellen Anlagen aus Obligationen in Immobilien weiter anhalten. Die regelmässigen Mieteinnahmen einer Renditeliegenschaft scheinen immer noch genügend attraktiv zu sein, auch wenn sich die Renditen in einzelnen Regionen langsam bei unter 2% einreihen. Kommt es zu einem Crash? Zumindest für Mietwohnungsanlagen ist dies nicht auszuschliessen. Mittelfristig – als Crash-Alternative vielleicht? – könnte ein Shift von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen erwartet werden. Das wäre die eleganteste Lösung, um den Überbestand in einem Markt mit einem Unterbestand im andern Markt zu kompensieren. Dafür müsste allerdings der Druck auf den Markt noch stärker werden – deshalb wohl nur ein mittelfristiges Szenario. Im Moment machen offenbar Einzelverkäufe von Wohneinheiten von Institutionellen an Private (also die Mutation von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen) keinen Sinn. Die Einmalgewinne locken kaum, die frei gewordenen Mittel müssten wieder mühsam parkiert werden – wieder in Immobilien…

Der zweite Treiber dieser Abkoppelung liegt im Umstand, dass es offenbar zu wenig private Investoren gibt, welche grössere Liegenschaften oder Siedlungen erstellen, um sie dann (gewinnbringend) in Einzelteilen in Form von Eigentumswohnungen, Reihenhäuser oder freistehenden Häuser im Markt zu platzieren.

Der Investitionswille von Individuen für den Erwerb von Wohneigentum ist auf jeden Fall ungebrochen. Geld kostet nichts, und so bleibt kaufen günstiger als mieten.

 Damit ergeben sich für den smarten Investor folgende Konsequenzen:

1. Markt für Gewerbeimmobilien: Hände weg

Die grosse Korrektur kommt erst noch. Es wird eine weitere Wertvernichtung stattfinden.

2.Markt für Büroflächen: Hände weg

Es braucht künftiger weniger Büros, trotzdem befinden sich noch Projekte in der Pipeline. Die Preise werden weiter sinken.

3. Markt für Wohnliegenschaften: Hände weg

Pensionskassen überfluten den Markt mit neu erstellten Mietwohnungen.

4. Immobilienfonds: Hände weg

Die meisten Fonds sind toxisch, da diese viele Gewerbe- und Büroflächen enthalten oder demnächst auf einem Überbestand an Mietwohnungen sitzen bleiben. Die effektiven Preise dieser Liegenschaften hinken den realistischen Bewertungen hinterher, denn die meisten auslaufenden Mietverträge werden später auf einem tieferen Niveau abgeschlossen werden – was unweigerlich zu Tieferbewertungen der Liegenschaften und damit der Fondswerte führen wird.

5. Markt für Wohneigentum: kaufen

Der Markt ist in den meisten Regionen ausgetrocknet. Wohnen wird künftig nicht billiger werden –  allein schon, weil Geld nichts kostet. Der Nachfrageüberhang drückt zwar die Preise etwas nach oben. Aber, die gute Nachricht: Hier findet kaum Spekulation statt. Die Nachfrage ist echt, das Angebot einfach zu klein – die Preise werden sich also demnächst nicht stabilisieren. Den Corona-Einbruch hat es nicht gegeben, und es wird ihn wohl auch nicht geben. Im schlimmsten Fall wäre eine vorübergehende Minikorrektur in einzelnen Segmenten zu erwarten. Also lohnt sich der Kauf von Einfamilienhäusern oder Wohnungen an guten Lagen selbst dann, wenn der Preis etwas hoch erscheint. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Was schön ist: Wir können ziemlich sicher sein, dass das Geld kaum teurer wird. Die Tiefzinsphase wird noch sehr lange anhalten, also hängt kein Damoklesschwert von plötzlich hohen Hypothekarzinsen über uns.

Der Staat schläft

Eine ziemlich elegante Lösung, um mehr Angebot an Wohneigentum zu schaffen, wäre die forcierte Umzonung von Industrie- und Gewerbeflächen in Wohnflächen – und zwar möglichst zu Wohneigentum, nicht zu Mietobjekten. Grössere Einheiten an ungenutzten Flächen liegen  heute quer durchs Land brach; sie wären zudem relativ preiswert, da die Lagen oft dezentral sind. Das wären oft attraktivere Lösungen als die vielen Neubauten an schlechten Lagen, in tristen Agglomerationen, an lärmigen Strassen. Nur der Staat könnte solche Umzonungs-Lösungen fördern. Bis heute scheint aber noch kein Rezept gefunden zu sein, wie man hier Entscheidungsprozesse von Politik und Staat beschleunigen könnte. Umzonungen sind in der Schweiz nach wie vor politische Endlosspiele, die Jahre und Jahrzehnte verschlingen. Umso schwieriger wird es für den smarten Investor, in diesem Bereich private Projekte zu lancieren.

Fazit:

Von privaten Investitionen in Gewerbe- oder Büroliegenschaften, aber auch in Wohnliegenschaften zu Anlagezwecken ist zurzeit abzuraten – deshalb ebenso in Immobilienfonds.

Es verbleiben einzig Investitionen in Wohneigentum zur Eigennutzung. Oder überschaubare Transformationsprojekte, welche Mehrwert generieren und anschliessend wieder abgestossen werden können. Hier wären Kapitalgewinne auszumachen – aber kaum mehr Gewinne auf Renditebasen.

Die gute Nachricht: Die Bewertungsblase im Immobilienmarkt betrifft vor allem Mietwohnungsanlagen, nicht aber Eigenheime und Eigentumswohnungen. Also jetzt doch noch kaufen – es wird auf absehbare Zeit nicht günstiger werden!

Trumpismus – das Unwort des Jahres 2020?

Der Spuk ist vorbei. Wir können aufatmen. Alles erscheint plötzlich besser als Trump – so sehen es zumindest der überwiegende Teil der westlichen Bevölkerung und deren Staatschefs. Dabei tritt völlig in den Hintergrund, wie die Alternative aussehen sollte. Das ist inzwischen allerdings ziemlich egal. Hauptsache, der irre Hasardeur mit den orangen Haaren ist weg. Zeit für eine objektive kleine Analyse also: Was hat uns der „Trumpismus“ gebracht? War wirklich alles falsch, kontraproduktiv und chaotisch  – oder sind trotz allem positive Lichtblicke auszumachen? Zeit, vor allem ökonomisch Bilanz zu ziehen.

Was anfänglich noch einen gewissen Unterhaltungswert hatte, war plötzlich nicht mehr lustig. Schon sehr bald wurde einem durchschnittlichen Bildungsbürger bewusst, dass es gar nicht um „America First“ ging – sondern um „Trump First“.

Trotzdem: Vielleicht war doch nicht alles komplett schlecht und/oder falsch? „Wirtschaftlich hat er einiges getan“ – das hören wir doch hie und da. Wirklich? 

Nicht alles komplett falsch

Durchaus berechtigt waren Trumps Überlegungen in Sachen Steuersenkungen. Nebst den sehr hohen Spitzensteuersätzen für natürliche Personen waren insbesondere die Unternehmenssteuern von 35% nicht mehr auf einem wettbewerbsfähigen Niveau. Aber das Vorgehen des autokratisch und selbstherrlich agierenden Präsidenten war falsch: Die drastische Senkung der Steuersätze (Unternehmenssteuern z.B. auf 21%) führte zu starken Steuerausfällen, welche die Budgetdefizite der grössten Volkswirtschaft der Welt beträchtlich erhöhen. Schon Ronald Reagan – mit Reaganomics – war mit dieser Strategie (zumindest was die Staatsdefizite angeht) gescheitert. Plötzliche Steuersenkungen werden nicht einfach mit plötzlicher Bereitschaft kompensiert, konstant höhere Gewinne auszuweisen. Und keine Volkswirtschaft kann sich so schnell entwickeln, dass blitzartig mehr Unternehmensgewinne ausgespuckt werden können. Der Vorgang ist doch etwas anspruchsvoller, braucht Zeit und muss von einem ganzen Strauss an flankierenden Massnahmen begleitet werden. Corona wirkte dann in diesem Jahr noch als endgültiger Brandbeschleuniger, um die Staatsverschuldung der USA in noch nie gekannte Höhen zu treiben. Das wahlkampf-motivierte Verteilen von Corona-Helikoptergeld machte die Sache dabei nur noch schlimmer.

Zwar repatriierten ein paar grosse Firmen ihre Aktivitäten und vor allem ihre Steuersubstrate in die USA. Auch holten grosse US Konzerne ein paar stille Reserven aus den Kellern ihrer Bilanzen, welche nun, in diesem attraktiven Trump’schen Steuer-Slot, versteuert werden konnten. Optisch sah so 2019 noch alles wie Weihnachten aus, plötzlich wiesen viele Unternehmen schöne Gewinne aus. Das tat auch der Börse gut. Nachhaltig war die Übung indessen nicht, denn die ansehnlichen Wachstumsdaten der Wirtschaft waren nur erkauft. Aber letztlich ging es so oder so nur um den kurzfristigen Erfolg eines Egozentrikers und seine geplante Wiederwahl. 

Ein zweiter Punkt: Dass die ausufernde Bürokratie eingedämmt werden musste, war klar und somit eine im Grunde kluge Überlegung und ein Versprechen des neu gewählten Präsidenten im Jahre 2016. Aber auch hier scheiterte der Plan, und das Gegenteil fand statt: Viele neue Gesetze wurden eingebracht, ohne auch nur im Ansatz einen konsequenten Rückbau des Verwaltungsapparates und bürokratischen Hindernissen vorzunehmen.

Ein dritter Punkt: Das Misstrauen Trumps gegenüber China war durchaus berechtigt. Diesen Staat also mal in die Schranken zu weisen, war vom Prinzip her nicht falsch. Aber komplett falsch war das Anzetteln eines Handelskrieges, welcher Amerika nur verlieren kann. Die Wettbewerbsfähigkeit der USA hat sich inzwischen klar verschlechtert, und das Handelsbilanzdefizit mit China hat sich nicht verbessert, sondern rückte sogar noch weiter ins Minus. Dass Trump in China den Spitznamen „Trump, the nation-builder“ trägt, spricht Bände: China sieht in Trump einen Beschleuniger des Niedergangs der USA und damit einen „Nation-Builder“ für China…

Der Wirtschafts-Ausweis der Ära Trump sieht bei Lichte betrachtet also gar nicht rosig aus – selbst dann nicht, wenn die Corona-Blessuren ausgeklammert werden.

An vielen Orten gescheitert:

Die weiteren Punkte auf der Versagensliste türmen sich zu einem bemerkenswerten Berg an neu aufgebauten Problemen: Zu nennen sind beispielsweise das Komplett-Versagen in der Corona-Krise oder die weltweit gescheiterte Handels- und Wirtschaftspolitik – nicht nur mit China. Dass die America First-Strategie langfristig ein Schuss ins Knie war, ist wohl den meisten Ökonomen klar. Protektionismus war noch nie ein guter Begleiter für nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Politisch kommt diese nationalistische Strategie indessen immer ganz gut an. Diese populistische Sünde begehen übrigens nicht nur Republikaner – Demokraten ebenso.

Aussen- und innenpolitisch hatte der Trumpismus auch nichts erreicht – ausser Zwietracht gesät und dem Ansehen der Supermacht geschadet. Und mit der Kündigung oder Torpedierung von internationalen Abkommen hatten sich die vom Trumpismus kontaminierten USA – offenbar in ihrem Grössenwahn und damit zusammenhängenden Hang zum Unilateralismus – zusehends abgekoppelt von der Welt.

Und die Schweiz?

Oft gelobt wurden die guten Verbindungen unserer Regierung und Institutionen zur Trump-Administration. Ueli Maurer durfte sogar mal im Weissen Haus vorbeischauen. Aber gebracht hat es schlicht und ergreifend nichts. Im Gegenteil: Die Schweiz blieb z.B. von den neuen Stahlimport-Zöllen der USA nicht verschont. Und das geplante Freihandelsabkommen konnte in den vier Jahren auch nicht abgeschlossen worden.

Komplettes Versagen in der Werte-Wertung

Dass die grösste Wirtschaftsmacht der Welt von einem derart erratischen und ziemlich skrupellosen Hasardeur geführt wurde, hat der gesamten westlichen Welt geschadet. Und sie hat unsere Werte-Wertung durcheinander gebracht. Fake News, Verschwörungstheorien, Verunglimpfungen, Nepotismus und konstantes Lügen kennzeichnen den Trumpismus und wurden an vielen Orten fast salonfähig. Die Orbans, Salvinis, Modis und Bolsenaros dieser Welt klatschten in die Hände – ihnen war der Umstand gleich, dass hier ein Regierungssystem vor sich hin werkelte, welches offenbar ohne moralischen Kompass funktionierte. Gut, ist der Spuk nun vorbei. Zu hoffen bleibt, dass sich allfällige üble Nachwirkungen in Grenzen halten werden. Vermutlich werden wir jedoch mit dem Phänomen der Ära Trump noch weiter zu tun haben – beispielsweise in Form eines skurrilen Schattenkabinetts, als unseliger trumpistischer Strippenzieher der republikanischen Partei oder einer TV-Station mit alternative facts. Oder es bleibt uns ganz einfach vergönnt, die Prozesse und Machenschaften eines geschmacklosen Emporkömmlings aus den Klatschspalten weiterzuverfolgen. Zumindest von der globalen Realpolitik bliebe das Phänomen dann wenigstens ausgesperrt. 

Fazit:

Leider gibt es im Trumpismus kaum positive Lichtblicke auszumachen. Ökonomisch und moralisch ist der wirre politische Ausflug gescheitert. Ein paar gute Gedanken waren dabei: wie der Protest gegen die Rücksichtslosigkeit Chinas, der Abbau der Bürokratie oder die Steuersenkungen. Aber entweder blieb es nur bei den Gedanken und leeren Versprechungen oder die Umsetzung scheiterte. Die Bilanz des Trumpismus ist letztlich verheerend – insbesondere was die Vorbildfunktion des vielleicht wichtigsten Staatsoberhauptes der Welt betrifft. Grund genug, diesen Term „Trumpismus“ zum Unwort des Jahres zu küren. True Economics wird ihn, aus Protest, nicht mehr – wirklich nie mehr! – verwenden.

Kommt jetzt die Stag-Deflation?

Oder was uns nach dem Corona-Einbruch wirtschaftlich nun wohl erwartet

Nach der Coronakrise müssen erst einmal die Wunden geleckt werden. Weltweit werden explodierende Staatsschulden auszumachen sein, die Nachfrage in den Volkswirtschaften wird nicht gleich explodieren, und Jobs werden noch länger fehlen. Was kommt nun? Rezession? Depression? Stagnation? Inflation? Stagflation? Deflation? True Economics wagt eine Prognose und greift zu einer eigenen Wortschöpfung: Es kommt zur Stag-Deflation. Das gab’s bisher noch nicht. Weder den Zustand noch das Wort.

Die Geldpolitik hat global versagt

Der Trick mit den tiefen Zinsen hat bekanntlich nicht funktioniert: Seit 12 Jahren versuchen die Notenbanken mit billigem Geld die Wirtschaft in Gang zu bringen. Dabei ging schlichtweg vergessen, dass der Bürger nicht per se mehr Geld ausgibt, wenn er keine Zinsen erhält. Und dass die Unternehmen nicht auf Knopfdruck mehr Kredite aufnehmen und investieren, nur weil das Geld nichts kostet. Die Mikroökonomie braucht eben auch “Opportunities” und liberale attraktive Bedingungen – sonst läuft nichts! Nachfrage braucht es übrigens auch noch.

Gerade in Krisenzeiten, wenn die Bürger ihre Sparquote erhöhen, nützen jedoch selbst Negativzinsen nichts, um die Wirtschaft quasi zwanghaft anzukurbeln. Die Geldpolitik hat damit global versagt. Geblieben sind nur eine irre Geldschöpfung und explodierende Staatsschulden. Weder die kleine Inflation noch grosses Wachstum sind eingetreten. Nicht einmal eine Stagflation konnte erzielt werden. So hätten die klammen Länder nämlich mittels Inflation wenigstens ihre horrenden Staatsschulden teil-vernichten können – wenn auch bei gleichzeitigem Nullwachstum.

Depression: das Unwort

Dass wir uns in einer Rezession befinden, ist evident. Theoretisch gar in einer Depression – rein definitionsgemäss. Aber das Unwort darf offenbar nicht verwendet werden, alle Welt und auch die Medien meiden es wie der Teufel das Weihwasser. Obwohl es vorübergehend zutreffen würde. 

Rezession bedeutet Abschwung, welcher die Wirtschaft wieder ins Gleichgewicht bringt. Mit negativen Wachstumsraten während zweier aufeinanderfolgender Quartale ist man dabei – diesbezüglich müssen wir uns keine Sorgen machen: Das ist bereits eingetreten. Da die Wirtschaft jedoch wohl länger auf einen Aufschwung warten muss, diverse Strukturen beschädigt wurden und zudem der Staat eingreifen muss, stecken wir nun, wiederum definitionsgemäss, am Beginn einer (wohl vorübergehenden) Depression. Das Unwort.

„Stag-Deflation“: Das ist neu

Das Nach-Corona-Resultat wird hoffentlich keine echte Depression sein. Aber vermutlich wird eine weiter anhaltende kleine Deflation herrschen, sowie eine Stagnation – und zwar durchs Band. Damit befinden wir uns in einer Stag-Deflation. Das ist eine neue Kombi. Sie hat nichts mit einer Depression im bisherigen Sinne zu tun, diesem Schreckensgespinst, das uns vor bald hundert Jahren heimsuchte: die gefährliche Abwärtsspirale von Angebot und Nachfrage bei gleichzeitig starker Preiserosion. Stag-Deflation könnte uns jedoch durchaus die nächsten paar Jahre begleiten. Die Corona-Blessuren brauchen Zeit, um zu verheilen, die Sparquoten müssen runter – wofür es Zuversicht braucht. Die fehlende Nachfrage drückt vermutlich noch eine Zeitlang auf die Preise, und der Wirtschaftsmotor springt nicht an – da können die Zentralbanken noch so viel billiges Geld fluten oder uns gar mit Negativzinsen beuteln – es nützt nichts. Stag-Deflation: vielleicht die „neue Normalität“, um ein weiteres Unwort zu strapazieren.

Wenn wir die Zahlen etwas grosszügig analysieren, dann herrscht dieser Zustand seit Jahren bereits in Japan: kaum Wachstum, während gewissen Perioden gleichzeitig ein bisschen Deflation. Bei uns könnte dieser Zustand nun noch deutlicher eintreten.

Wo sind die Impulse?

Was mehr nützen würde als die Erhöhung von Staatsausgaben und billiges Geld: Flexiblere Leitplanken für die Wirtschaft, vernünftig tiefe Steuern, ein liberalisierter Welthandel ohne hohe Zölle und andere Handelshemmnisse. Gleichzeitig vernünftig wirtschaftende Staatshaushalte. Eine Utopie? Und wer wohl den Anfang machen wird? China? Oder jetzt die USA? Europa? Zumindest in der westlichen Welt ist bis jetzt kein Vorreiter auszumachen. Also müssen wir wohl mit dieser Stag-Deflation leben – zumindest vorübergehend, bis sich Angebot und Nachfrage wieder eingependelt haben. Dafür muss auch der Arbeitsmarkt wieder ins Lot kommen – ohne flächendeckende Kurzarbeit und (im Anschluss daran) unvermeidbar höhere Arbeitslosigkeit. Und es braucht diese positiven Impulse.

Fazit:

Nach dem vorübergehenden Phänomen der Stag-Deflation wäre vermutlich erst eine Periode der Stagnation angesagt: weder Deflation, noch Inflation, aber leider immer noch kein Wachstum. Für Wachstum – und damit einhergehender kleiner Inflation – brauchen wir die Notenbanken nicht. Das billige Geld hat kaum etwas gebracht. Es braucht, nebst guten staatlichen Rahmenbedingungen, schon eher nicht-monetäre positive Impulse. “Opportunities” – und zwar nicht nur vereinzelt, sondern global. Dafür müssen wir künftig auf liberalere Wirtschaftsordnungen hoffen, auf einen freien Welthandel, auch auf die Zerschlagung von Kartellen und Monopolen, auf den Abbau von Protektionismus, auf weitere Innovations-Impulse. Es gibt noch viel zu tun.

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