Waldmeyer und das Geheimnis der grossen Yachten

Max Waldmeyer blickte von seiner Terrasse in Meisterschwanden auf den Hallwilersee hinunter. Auf dem spiegelglatten Wasser lagen kaum Schiffe. Nur ein paar Böötli. Donald Trump würde hier auch keine Yacht besitzen, überlegte Waldmeyer.

 

Und Waldmeyer googelte: Die maximal erlaubte Yachtlänge auf dem Hallwilersee beträgt nur 7.5 Meter. 7.5 Meter! «Ich sehe keine einzige richtige Yacht auf dem See», meldete er zu Charlotte rüber. Charlotte antwortete nicht.

7.5 Meter sind genug!

Siebeneinhalb Meter. Also ein Grund mehr, keine solche Nussschale zu besitzen, überlegte Waldmeyer weiter. Wenn schon, dann eine richtige Yacht. Yachten, grosse Autos oder schöne Villen machen allerdings nur Sinn, wenn man sich damit von seinen Nachbarn abheben kann. Auf dem Hallwilersee geht das eben nicht, keine Chance. Mit 7.5 Metern wäre man bestenfalls unter seinesgleichen.

Wem gehört die grösste Yacht der Welt?

Glück ist bekanntlich relativ: Man sollte deshalb in eine möglichst arme Gegend ziehen, dort aber in der schönsten Villa wohnen. Den Ferrari sollte man im tiefen Jura bewegen – und nicht am Strip in Las Vegas. Und die Yacht eben nur dort ankern, wo andere über lediglich bescheidene Boote verfügen. Was zählt, ist der relative Unterschied, überlegte Waldmeyer und versuchte so, eine Neuinterpretation der Relativitätstheorie zu begründen. Ja, es war noch nie schön, sich am untersten Ende der Nahrungskette wiederzufinden. Aber: warum nur diese umständlichen Superyachten? Oder gar die Megayachten (für Insider: Superyachten mutieren zu Magayachten, wenn sie länger als 200 Fuss sind)?

Die grösste Yacht der Welt gehört Scheich Zayed, dem Präsidenten der VAE. Sie ist 180 Meter lang und verfügt über einen Ballsaal mit über 500 Quadratmetern. Und ein Raketenabwehrsystem. Würde die Yacht jetzt hier auf dem Hallwilersee vorbeituckern, würde sie einen Tsunami auslösen, analysierte Waldmeyer. Abgesehen davon wäre der riesige Kahn auf dem Landweg erst mal gar nicht transportfähig, er müsste in der Werft in Meisterschwanden, die es gar nicht gibt, gebaut und vom Stapel gelassen werden.

«Dieser Emir würde sich wohl nie für den Hallwilersee interessieren», meldete Waldmeyer zu Charlotte rüber. Charlotte antwortete immer noch nicht.

Das bestgehütete Geheimnis der Weltmeere

Dieses Geheimnis der grossen Yachten scheint offenbar das bestgehütete Geheimnis der Weltmeere zu sein. Warum tun sich die Besitzer dieser aufwendigen Schiffe das nur an…?

Waldmeyer suchte nach einer Erklärung: Mit einer teuren Rolex oder einem Lamborghini kann man ein Statement gegen aussen abgeben und so vorführen, dass man vermögend ist. Oder man lacht sich eine teure und repräsentative Villa an, die dann womöglich noch in einer Illustrierten mit einer Homestory gepostet wird. Möchte man indessen so richtig markieren und darstellen, dass man sich in der obersten Liga befindet, so wird die Luft dünn. Da braucht es dann schon einen Privatjet – mit dem Nachteil allerdings, dass man den fast nie vorführen kann. Die intrinsischen Gewinne in Sachen Image sublimieren sich dann quasi in der Luft. Die fette Yacht indessen ist das ultimative Statement. Denn die kann man zeigen, an allen wichtigen Hotspots auf der Erde. Falls man nicht von immer willkommenen Paparazzi abgelichtet wird, würde man notfalls an der Uferpromenade in Cannes oder St. Tropez ankern und an Deck (dieses gegen die Promenade gewandt) ostentativ ein Glas Dom Pérignon schlürfen, um wenigstens so gesehen zu werden.

Wieviel Yacht gibt es für eine Million?

Doch nebst all diesen Vorteilen, also der schönen Aussenwirkung und den flamboyanten Signalen, die vom Besitz einer ordentlichen Yacht ausgehen, dürfen die Nachteile nicht unerwähnt bleiben. Da geht es um die Kosten. Und die sind erheblich. Früher galt – unter Kennern – die Faustregel, dass für den Kaufpreis einer Yacht pro Meter Schiffslänge eine Million zu veranschlagen ist. Aber das war einmal. Bei Megayachten muss heute gleich mit bis zu fünf Millionen gerechnet werden. Allerdings besteht ja gerade darin die Verstärkung der Aussenwirkung: Nur mit einem wirklich sehr fetten pekuniären Polster kann man sich das leisten. Das weiss jeder – deshalb die Erhöhung des Signals gegen aussen.

Aber noch etwas erkannte Waldmeyer: Sorgen müssen auch die horrenden Unterhaltskosten bereiten. Denn diese liegen pro Jahr, so eine weitere Faustregel, bei rund 10% des Kaufpreises. Crew, Versicherungen, Hafengebühren, Treibstoff, Reparaturen etc. stellen schnell mal den Kaufpreis eines kleinen Privatjets dar. Und das jedes Jahr. Ein weiterer Grund also, warum Privatjets heute kein wirkliches Statement mehr sind. Yachten sind einfach das ultimative Aushängeschild von Luxus, es ist die perfekteste aller Visitenkarten der Arriviertheit. Über Yachten spricht man. Pro forma versuchen Superreiche, die Besitzstruktur einer Yacht zu verschleiern, indessen nur in der Hoffnung, dass der Besitzer entdeckt und in den Medien breitgeschlagen wird. Selbst Schlösser in Frankreich oder Schottland verblassen dagegen, diese werden dann nur noch als Insignien des Mittelstandes wahrgenommen.

Trotz seiner kritischen Haltung gegenüber den grossen Yachten stellte sich Waldmeyer vor, wie es denn so wäre, auf einer coolen Yacht. (Anmerkung der Redaktion: siehe Zeichnung oben, mit Waldmeyer, hinten an der Bar.)

Die verschwundene Yacht von Bill Gates

Nur: Wie kann mal letztlich so töricht sein und sich eine Superyacht leisten, obwohl man selten darauf hockt (weil es dort unendlich langweilig ist) und diese nur Geld verschlingt? Wirklich nur wegen des Statements? Die Geheimnisse um die Yachten häufen sich.

Bill Gates hatte sich, wohl in einem Moment der mentalen Schwäche (als er vergessen hatte, dass er doch immer bescheiden auftreten wollte) eine besonders hübsche Yacht für 650 Millionen bestellt, die «Aqua», 112 Meter lang. Offenbar wollte er die 127-Meter-Megayacht von Jeff Bezos nicht übertreffen, es musste ein anderer Antrieb gewesen sein. A propos Antrieb: Die «Aqua» verfügt über einen Wasserstoff-Antrieb, es ist die erste grosse Yacht mit Hydropower. Allerdings scheint es sich Bill nun doch noch anders überlegt zu haben, und er nimmt sein Schiff gar nicht erst in Betrieb. Es steht zum Verkauf. Niemand weiss, wo das gute Teil versteckt wird und zu welchem Preis es verkauft werden soll. Eine Ausnahme. Aber ein Geheimnis mehr.

Zuckerberg begnügt sich übrigens mit seiner 118 Meter kurzen «Launchpad» (300 Millionen). Aber man sieht ihn selten auf seinem schnittigen Superboot, es liegt wohl an seiner Arbeitsbelastung, denn es gibt noch einiges zu tun im Hause Meta.

Ein Must: die coolen Apps für die Yachtsuche

Waldmeyer blickte kurz in seine zwei Lieblingsapps rein: MarineTraffic und myShipTracking. Grosse Yachten müssen mit einem Transponder versehen sehen, deshalb lassen sie sich kaum verstecken. Ihre Standorte erscheinen dann – weltweit – auf diesen Apps.

Ein paar Russen, denen aus bekanntem Grund die Konfiszierung der Yachten drohte, liessen die Transponder natürlich abschalten und konnten so ihre Kähne verstecken. Allerdings ohne dann den Mehrwert der Aussenwirkung zu geniessen – weil eben versteckt. Womit das Betreiben einer Yacht, mit seinen wichtigen intrinsischen Werten (in diesen bedauerlichen Sonderfällen) in Frage gestellt wird.

Sitzt Abramowitsch jetzt in Montenegro oder Bodrum?

Mit der Frage «Warum besitzt wohl Trump keine Yacht mehr?» versuchte Waldmeyer auf seiner Terrasse über dem See, Charlotte nun endgültig auf eine Diskussionsebene zu hissen. «Der ist doch pleite!», antwortete Charlotte knapp.

«Abramowitsch hockt jetzt in Montenegro», meldete Waldmeyer weiter zu Charlotte rüber und blickte von seinen Apps auf.

«Schatz, das ist nur seine Mega-Yacht, die «Eclips», 850 Millionen Euro. Abramowitsch hat diese Woche einen Gerichtstermin in der Schweiz». Endlich war Charlotte dabei. «Zudem besitzt dieser windige Russe drei weitere grosse Yachten, vergiss zum Beispiel die «Solaris» nicht, 600 Millionen! Die liegt zurzeit in Bodrum. Abramowitsch weiss schon, warum.» Und sie fuhr fort: «Die «Tango» von Veckselberg liegt übrigens auf Mallorca, immer noch beschlagnahmt, Veckselberg ist heute aber bei Sulzer in Winterthur, auf Einladung des VRs.»

Waldmeyer war perplex. «Seit wann interessierst du dich für Yachten, Charlotte?»

«Das ist heute doch Common Knowledge, Max. Ich schau halt manchmal bei Marine Traffic rein! VesselFinder ist auch ganz interessant»

Die Auflösung des Geheimnisses

Waldmeyer ging nun ein Licht auf. Wenn Charlotte, welche sich in der Regel vorab für Tennis interessiert, weiss, wo die grossen Yachten liegen und wem sie gehören, dann ist dieses Yacht-Wissen eigentlich zum Allgemeingut geworden. Allerdings: Vielleicht ist gerade dies das Geheimnis der grossen Yachten? Es gibt nämlich gar keines! Und damit ist das wahre Ziel der Yachtbesitzer erreicht: Sie tun zwar geheimnisvoll, möchten aber immer erreichen, dass man weiss, wem ihre Schlachtschiffe gehören und wo sie gerade rumschippern oder vor Anker liegen. Und vor allem: was sie gekostet haben.

«Nöd gschenkt», meinte Waldmeyer und beendete die lebhafte Diskussion.

Waldmeyer und braucht das Volk nur Brot und Spiele?

Max Waldmeyer macht sich Sorgen um die Entscheidungsfähigkeit des Volkes: Es entscheidet an der Urne nämlich oft so, wie er selbst nicht entscheidet. Also falsch! Vielleicht stinkt es dem Volk einfach, auf komplizierte Vorschläge einzutreten? Oder verschliesst es nur die Augen vor wichtigen Tatsachen? Betrachtet es möglicherweise Entscheidungen als lästig und möchte nur Brot und Spiele…?

Seit Dezennien gehen alle geplanten Revisionen der Pensionskassensysteme bachab. Das Volk ist im Zweifelsfall immer partout dagegen. Natürlich sind Revisionen oft unangenehm. Autokratien und Diktaturen sind da selbstredend im Vorteil.

Überforderung des Volkes? Versagen der Staatsform? Unterlassungen der Beamten und Politiker?

Waldmeyer kann allerdings nachvollziehen, dass man eine Sache ablehnt, wenn etwas nicht klar oder unangenehm ist – ausser, wenn es sich um ein grosszügiges Angebot handelt. Es sei an die Abstimmung betreffend die 13. AHV (die staatliche Schweizer Altersrente) erinnert. Klar, eine gute Geschichte, mehr zu kriegen, auch sehr sozial. Und ein paar Wenige haben das auch wirklich nötig. Wenn man gleichzeitig allerdings die Karten nicht offenlegt, wie die Geschenke finanziert werden sollen, ist das schlichtweg unlauter. Es grenzt nahezu an Staatsversagen. In keiner Firma und in keinem Haushalt würde man etwas anschaffen, ohne zu überlegen, wie das finanziert werden soll. Es scheint offenbar ein Privileg des Volkes zu sein, dass man das darf – und ein Versagen der Staatsform, wenn man das zulässt. Zusätzlich handelt es sich auch um eine schreckliche Unterlassung des Managements des Staates (also Beamte und Politiker) den Entscheidungsträgern keinen reinen Wein einzuschenken.

Alle gegen alles

Ein wunderbares Beispiel dazu lieferte die jüngste Abstimmung über die Pensionskassen-Reform: Geplant war eine Besserstellung der Minderbeschäftigten, eine Besserstellung der Frauen, eine Herabsetzung der Beiträge von älteren Mitarbeitern. Letzteres war ziemlich gescheit, da sich ihre Anstellungschancen so verbessert hätten. Und jetzt der wichtigste Punkt der gescheiterten Reform: Der Umwandlungssatz. Dieser sollte etwas gesenkt werden, weil (leider oder glücklicherweise) die Restlebenszeit der Rentner dauernd steigt. Trotz all der vielen (vor allem sozialen) Verbesserungen wurde die Reform abgelehnt.

Waldmeyer wittert eine Verschwörung

Die Reformpunkte hätten aus der Feder der Gewerkschaften und der Linken stammen können. Aber warum wurden sie trotzdem bekämpft? Weil man noch mehr wollte? Weil man gegen das Älterwerden ist?

Waldmeyer kennt die wahre Antwort: Eine Verbesserung der Pensionskasse lag ganz einfach nicht im Programm dieser Kreise. Diese haben Grösseres vor, nämlich die «Fusion» der AHV mit dem obligatorischen Teil der Pensionskassen. Waldmeyer wittert, wenn nicht eine Verschwörung, so zumindest einen cleveren, längerfristig ausgelegten Schlachtplan: eine weitere «Umverteilung» also. Das bisher privat Angesparte soll verallgemeinert werden. Ja, Individuallösungen sollen abgebaut und an ihre Stelle umfassende gesellschaftliche Gesamtlösungen treten – welche natürlich viel besser in ein letztlich sozialistisches Weltbild passen.

Der Umwandlungssatz: eine Geheimzahl?

Doch zurück zum Umwandlungssatz. Dieser scheint so etwas wie eine Geheimzahl zu sein, weil mathematisch. Und Mathematik ist nicht jedem geläufig. Deshalb hatten es die Bundesräte auch tunlichst unterlassen, sich im Vorfeld der Abstimmung hier genau zu äussern. Nun, Mathematik mag ja nicht jedermanns Stärke sein: Bundesrätin Baume-Schneider als ausgebildete Sozialhelferin mag hier früher ein paar Lektionen verpasst haben. Und Karin Keller-Suter, als ausgebildete Dolmetscherin, hat sich in ihren Lehr- und Wanderjahren wohl auch nicht auf Mathematik fixiert. Dass sich die Gewerkschaften in ihrem Abstimmungskampf nicht am Rande um den Umwandlungssatz gekümmert hatten, war hingegen Taktik. Waldmeyer traut z.B. dem vollmundigen Gewerkschaftsführer und früheren Sekundarlehrer Pierre-Yves Maillard zu, dass er der Mathematik schon ein bisschen Herr ist. Aber sie hätte gestört. Also Neinparole – und möglichst keine Diskussion über diesen ärgerlichen Umwandlungssatz.

Kapital krallen oder sich Rente gönnen?

Allerdings ist die Causa Umwandlungssatz eine ganz simple. Eigentlich handelt es sich um eine Art fortgeschrittener Dreisatz. Und um den jüngeren und noch etwas bildungsferneren Lesern die Sache kurz zu erklären: Man nehme einen angesparten Rentenbetrag bei Alter 65. Du kannst dir dieses Kapital entweder komplett auszahlen lassen (mit einigermassen erträglichen Steuerfolgen), und du kannst dich mit der Kohle sogar nach Thailand absetzen. Die ausbezahlte Summe wird vermutlich reichen, bis an dein Ende am Strand zu hocken. Ganz am Schluss, in der Demenzphase, spielt dann das Geld eh keine Rolle mehr, da dein Leben von aussen bestimmt sein wird. Soweit zu Option 1.

Und vorab: Du kannst in der Regel wählen zwischen Option 1 und Option 2.

Und nun zu Option 2: Anstatt dir das ganze Rentenkapital zu krallen, beziehst du eine lebenslange Pension. Diese Option wählst du, wenn du a) entweder dir selbst nicht zutraust, mit Disziplin über eine stattliche Summe Geld zu verfügen und diese bis am Ende (siehe oben) einzuteilen. Oder b), weil du denkst, du wirst 100 Jahre alt.

Genau hier liegt auch der erste Management-Entscheid: Du musst entscheiden, bzw. schätzen, wie alt du werden wirst. Als Mann hast du in der Schweiz bei Geburt eine Lebenserwartung von 82 Jahren. Wenn du allerdings allerlei Unbill bis zum Alter 65 überlebt hast (Absturz vom Matterhorn, Unfall mit deiner Harley, Suizid etc.), hast du mit Alter 65 eine Lebenserwartung von 84. Also zwei schöne Jahre mehr. Das sind 19-mal Sommer, die du verbringen darfst. Zumindest die Hälfte davon mag noch angenehm sein.

Als Frau sind dir noch 23 Jahre vergönnt, sofern du bis 65 nicht das Zeitlichte gesegnet hast, du wirst 88 werden. Als Frau ist man sozial also absolut privilegiert – was allerdings gerade die SP und Feministinnen nie erwähnen.

Die Geheimzahl 6.8

Aber zurück zum Umwandlungssatz: Die Zahl 6.8 sieht vor, wie man sein persönlich angespartes Rentenkapital auch jährlich beziehen kann. Das geht auch in Thailand, hat bei dieser Kalkulation allerdings keine Bewandtnis. Ein Kapital von einer Million, über Jahre von Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf ein persönliches Konto des Arbeitnehmers auf die Seite geschafft, wird auf die statistisch verbleibenden Lebensjahre gerecht verteilt. Eine Million multipliziert mit 6.8% ergibt nun 68’000 pro Jahr. So viel kann man mit der heutigen Regelung als Rente erwarten. Leider wird jeder Versicherungsnehmer im Durchschnitt nun älter, das ist der Statistik geschuldet. Also muss das Rentenkapital auf mehr Restlebensjahre verteilt werden, denn sonst reicht das Kapital nicht. Bei einem Umwandlungssatz von 6% kriegt man dann leider nur noch 60’000 pro Jahr – aber bis am Schluss.

Das Drama nun: Künftig werden wir vermutlich noch älter werden, und wir müssen den Umwandlungssatz dann nochmals senken. Wieso jede Änderung des rein statistisch beeinflussten Umwandlungssatz dem Volk vorgelegt werden muss, entzieht sich der Logik. Man hätte, so überlegte Waldmeyer, dem Volk auch die Bestimmung der Lebenserwartung vorlegen können.

Ich muss meine Restlebenszeit präzise abschätzen

Damit fällt die zweite Management-Entscheidung an. Sofern ich kurz vor 65 erkenne, dass ich das prognostizierte Alter übertreffen werde, könnte ich mich für eine Rente entscheiden. Dann werden einfach die anderen, die früher schon ableben, für mich bezahlen, freiwillig und aus Solidarität – wenn auch oft im Unwissen. Wenn ich andererseits eine nur noch beschränkte Restlebenszeit vor mir sehe (weil ich z.B. starker Raucher bin oder restlos dem Alkohol verfallen), würde ich mit Vorteil die Rentenauszahlung wählen und das Geld dann raschmöglichst verjubeln. Schön ist, dass wir hier i.d.R. eine Entscheidungsfreiheit (Auszahlung oder Rente) geniessen.

Wer also gegen einen wie immer gestalteten Umwandlungssatz ist, könnte das angesparte Kapital einfach beziehen und sich um diese Umwandlungssätze foutieren.

Waldmeyer sieht genau fünf mögliche Lösungen

Aus politischer Sicht kommen wir nicht darum herum, den Gegnern von Reformen folgende Lösungen vorzuschlagen, um die Kuh vom Eis zu bringen:

  • Wir könnten dagegen sein, älter zu werden. Die Umsetzung wird sich allerdings etwas schwierig gestalten.
  • Man könnte bereit sein, für die statistisch neuen, zusätzlich erworbenen Lebensjahre (also z.B. für die letzten zwei Jahre) auf eine Rente zu verzichten.
  • Wir könnten die Beitragszahlungen in die Pensionskassen erhöhen.
  • Wir könnten das Pensionsalter erhöhen.
  • Wir könnten die Renten kürzen.

Allerdings kennen wir die Antwort unserer Gegner schon: Sie sind gegen alle fünf Lösungsansätze. Sie würden eher Lösung 6) wählen: Der Staat müsste einfach mehr Geld einschiessen!

Die Überforderung ist mit Händen zu greifen

Vielleicht ist das Volk schlichtweg überfordert bei diesen schwierigen Fragen? Oder liegt es vielleicht am mangelnden Mathematikverständnis? Oder am puren Desinteresse an Details, sodass man den lautesten Protagonisten auf den Leim kriecht? Oder möchte man einfach nichts ändern, weil bisher doch alles gut lief? Waldmeyer wagt, ganz vorsichtig, eine These: Möchte das Volk vielleicht nur Brot und Spiele? Soll es sich gar nicht um komplizierte Entscheide kümmern müssen? Die Überforderung ist nämlich mit Händen zu greifen.

Waldmeyer weiss nun: Er wird sein eigenes Pensionskapital einmal beziehen. Alles auf einmal. Take the money and run. So kann er getrost auf die ganze Rentenübung verzichten. Dabei möchte er nicht mal nach Thailand.

Waldmeyer und die teutonische Kernschmelze

Oder: Der kranke Mann in Europa

Deutschland scheint sich nicht nur zu deindustrialisieren, sondern gleichsam abzuschaffen. Das ist schade – zumal wir in der Schweiz auf einen starken wirtschaftlichen Nachbarn angewiesen sind. Ein Interview mit Max Waldmeyer bringt Licht in die Sache.

Das folgende Interview von Rebecca Carpenter mit Max Waldmeyer wurde diese Woche aufgezeichnet. Waldmeyer, Ex-Unternehmer und Kolumnist, bezeichnet sich lediglich als kritischer Beobachter von Wirtschaft und Gesellschaft. Eines seiner Lieblingsthemen ist die «Verscholzung Deutschlands». Vorab gleich eine Warnung: Das Interview wird unüblich lang werden – aber es wird sich lohnen, bis zum Ende durchzuhalten!

Rebecca Carpenter (RC): Max Waldmeyer, gingen Sie nicht etwas zu weit, als Sie die aktuelle Lage in Deutschland kürzlich als «teutonische Kernschmelze» bezeichneten?

Max Waldmeyer (Wm): Ich gebe zu, das war etwas plakativ. Ich fand im entscheidenden Moment eben kein anderes Bildnis. Aber ich stehe dazu: Deutschland, so wie sich das Land noch vor ein paar Jahrzehnten präsentierte, gibt es nicht mehr. Es schafft sich laufend ab. Es geht um einen Werteverfall, um den Verlust von Leistungsbereitschaft, um Weltfremde, um eine eskalierende Bürokratie, einen ausufernden Sozialstaat, eine aus dem Ruder gelaufene Immigration und eine invasive und gefährlich wuchernde Staatsgläubigkeit.

RC: Auch in der Schweiz beobachten wir diese Tendenzen.

Wm: Stimmt. Aber wir sind nicht der kranke Mann in Europa. Im Moment ist es eindeutig Deutschland. Im schlechtesten Fall begehen wir in unserem Land die gleichen Fehler einfach 10 oder 15 Jahre später. Wir segeln eh immer im Windschatten unseres Nachbarn, vor allem wirtschaftlich. Im besten Fall lernen wir jeweils aus den Fehlern der andern und geben Gegensteuer. Im realistischen Fall bleiben wir auf dem halben Weg stecken. Zumindest haben wir in unserem Land begriffen: Das Leben ist kein Ponyhof, bei uns herrscht keine Vollkaskomentalität. Die Anzeichen eines Nannystaates sind zwar auch bei uns auszumachen, aber nie in diesem deutschen Ausmass.

RC: Deutschland wurde natürlich zusätzlich bestraft, weil eine eh schon problematische Regierungskoalition nun auch noch mit dem Problem Ukraine gebeutelt wird. Die sind da ja viel näher dran als wir.

Wm: Gerade das Beispiel mit dem Ukraine-Management zeigt, wie überfordert die Regierung ist. Erstens hatte das Land während Dezennien aufs falsche Pferd gesetzt und sich abhängig gemacht (Anmerkung der Redaktion: abhängig vom russischen Gas). Zweitens erliegt sie einer fatalen Verkennung der geopolitischen Lage: Der Ex-Sowjetunion geht es doch gar nicht um die Ukraine, die Putin-Nomenklatur hat Grösseres vor. Das scheint bei der pazifistisch verbrämten SPD noch nicht angekommen zu sein. Drittens hat die Zögerlichkeit Deutschlands (und letztlich auch des Westens) zu einer Eskalation der Kriegswirren geführt. Hätten die Deutschen in den ersten Tag nach dem russischen Einmarsch der Ukraine nicht nur Helme geschickt, sondern auch schweres Geschütz, hätte man der Invasion sofort Paroli bieten können. Die lächerlichen Konvois veralteter russischer Fahrzeuge sind uns in Erinnerung. Mit ein paar Leopard-Panzern hätte man sie gestoppt und mit der geeigneten Luftabwehr die alten Mig-Jäger runtergeholt. Die zwei Jahre später gelieferten Panzer laufen nun auf den perfekt verminten russischen Stellungen auf, und Russland konnte mit seiner inzwischen auf Kriegswirtschaft getrimmten Industrie rasch aufrüsten und allerlei Waffen und Munition bereitstellen. Wie sagte doch schon Gorbatschow: «Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.» Nun kommt das Kriegs-Schlamassel dem ganzen Westen nur noch teurer zu stehen. Leider scheint die deutsche Regierung nicht lernfähig zu sein. Auch versteht sie es nicht, ihre jämmerliche Armee auf Vordermann zu trimmen. Deutschland bedient heute ein Anti-Abschreckungs-Heer.

RC: Tatsächlich, die Zögerlichkeit in der vom Kanzler geführten Regierung entgeht auch uns objektiven Journalisten nicht.

Wm: Ja, deshalb der Begriff der «Verscholzung». Das zu späte Entscheiden – oder das Nicht-Entscheiden – ist ein integraler Bestandteil der deutschen Regierungspolitik.

RC: Manchmal geht es aber schneller. So, wenn es ums Klima geht. 2035 steht das Verbrenner-Aus an.

Wm: Es wird nicht mehr lange dauern, und dieses Datum wird kippen. Die benötigte Elektrizität für die ganze Umstellung in Sachen Energie und Verkehr kann schlichtweg nicht zur Verfügung gestellt werden. Auch nicht, wenn die dreckigen Braunkohlekraftwerke alle mit Volldampf laufen. Die Fahrzeugindustrie wird aber während Jahren so auf das falsche Pferd gesetzt haben, den Technologiezug verpasst und Marktanteile auf dem Weltmarkt verloren haben. So läuft staatlich gelenkte Deindustrialisierung.

RC: Firmen wandern offenbar vermehrt aus Deutschland ab.

Wm: Firmen fällen keine politischen Entscheide, sondern faktenbasierte. Wenn es sich nicht mehr lohnt, in Deutschland zu produzieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben, haben die Manager dieser Unternehmen die Pflicht, nach Alternativen auszuschauen. Wenn Steuern, Lohnstückkosten, vor allem die Lohnnebenkosten, Energiepreise und behördliche Rahmenbedingungen nicht mehr stimmen, geht man. BASF verlegt einen Teil ihrer Produktion nun nach China, Kärcher verreist nach Lettland, Stihl kommt mit ihren weltbesten Kettensägen in die Schweiz. Welcome to Switzerland.

RC: Zurück zur Zögerlichkeit: Auch in Sachen Heizungsumstellung beispielsweise wurde Tempo gemacht!

Wm: Ja, ein herrliches Beispiel von weltfremdem Mikro-Management. Da wurde ohne Plan etwas beschlossen. Wärmepumpen brauchen extrem viel Strom-Input. Im Winter laufen sie nur mit geringer Effizienz, vorab eben mit elektrischer Zugabe. Aber woher dann den Strom nehmen und nicht stehlen? Fakt ist: Es wird künftig einfach nicht genügend Elektrizität geben. Wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, gibt es keinen Strom. Atomkraft gibt es auch keine mehr, fossile Kraftwerke zu wenige. Wasserkraftwerke kaum, denn Deutschland ist leider ziemlich flach. Da wurde das Pferd am Schwanz aufgezäumt. Schon heute wird im Winter und in der Nacht Strom aus den dreckigsten aller Kraftwerke aus Polen importiert. Dort wird übrigens auch ein Grossteil aller Wärmepumpen gebaut. Das scheint ein weiterer Teil des Deindustrialisierungsplanes zu sein.

RC: Nun gut, aber wie hätte denn ein guter Energie-Plan ausgesehen…?

Wm: Natürlich hätte man den künftigen Energie- bzw. Strombedarf der nächsten Jahre erst mal überschlagen sollen, die Produktion dann absichern, dann den Wechsel der Verbrauchergenerationen planen sollen – also bei den Heizungen, den Fahrzeugen, beim Industriebedarf. Die Osterhasen-Aktion der Migros beginnt ja auch nicht mit dem Verkauf, sondern mit der Produktion der Hasen, basierend auf einer Verkaufsprognose. Das sollte sogar einem Jugendbuchautor einleuchten (Anm. der Redaktion: Damit ist Robert Habeck gemeint, heute Wirtschafts- und Klimaschutzminister).

RC: Sprechen wir noch über die Infrastruktur generell! Da hat Deutschland grosse Pläne für einen Ausbau.

Wm: Ja, das ist das Tüpfchen auf dem i: Die Pläne gibt es nämlich schon seit langem. Anstatt genderfreundliche, diverse Toiletten einzurichten, hätte man das Geld vielleicht für die Verbesserung der alten Dämme verwenden können. Trotz der massiven Staatseinnahmen gibt es auch immer noch marode Brücken oder eine peinlich unzuverlässige Bahn. Die Stromtrassen für den Transport der Elektrizität vom Norden, von den grossen Windparks in den Süden runter, sind immer noch nicht gebaut. Zudem ist Deutschland nach wie vor eine digitale Wüste. Und die «neuen» Bundesländer sehen auch nach 35 Jahren immer noch alt aus.

RC: Nun, die Ostdeutschen hatten ja einen schwierigen Start 1989.

Wm: Die baltischen Staaten hatten etwa zur gleichen Zeit die gleichen Voraussetzungen. Die Balten hatten nicht mal Geld, die ostdeutschen Bundesländer aber schon, die wurden geradezu überschüttet mit Investitionen. Heute leben Esten, Letten und Litauer in leidlich blühenden, modernen und vorbildlich digitalisierten Ländern, die weiter nach Aufbruch lechzen. Da ist was schief gelaufen in Deutschland. Ein Lichtblick besteht zumindest darin, dass in Ostdeutschland heute nur noch gut 12 Millionen Menschen leben. Zur Gründungszeit der DDR waren es fast 19 Millionen. Vielleicht löst sich das Problem ganz einfach durch eine komplette Abwanderung…?

RC: Wie kann man die Misere lösen?

Wm (studiert lange): Ich glaube, es braucht wieder einen Marshall-Plan.

RC: Den wird es kaum geben.

Wm: Stimmt. Aber es braucht dringend einen Regierungswechsel. Wobei ich mich frage, ob die bestehende Opposition, rund um die CDU/CSU, das Ruder wirklich herumreissen kann. Sie verpasst es laufend, die wichtigen Themen zu bewirtschaften und überlässt das Spielfeld so dem ganz linken und dem ganz rechten Spektrum. Sie merkelt weiter vor sich hin.

RC: Die Sache ist also ziemlich verfahren.

Wm: Ich würde es, von aussen betrachtet, so formulieren: Germany is in deep shit. Das Runterfahren des Erfolgsmodells Deutschland hat gut 20 Jahre gedauert. Rauffahren braucht länger. Denn inzwischen wurde ein Grossteil der marktwirtschaftlichen Strukturen zerstört. Die Reparatur wird meine Restlebenszeit vermutlich überdauern.

RC: Das klingt pessimistisch. Vielleicht kommt eine junge Generation, die wieder vorwärtsgerichtet denkt?

Wm: Nun, vorerst wohl nicht. Auch junge Deutsche wurden vom Staat nun über Dezennien erzogen, dass es in Ordnung ist, wenn man etwas in der sozialen Hängematte liegenbleibt. Die Leistungsbereitschaft hat sich damit drastisch reduziert, die Generation Z hat andere Ziele. Die jungen Leute wollen am liebsten nur eine Vier-Tage-Woche – aber bei gleichem Lohn, wohlverstanden. Die jungen Grünen fabulieren auch schon mal von einer 20-Stunden-Woche. Diese Ambitionslosigkeit gegenüber der Arbeit ist allerdings ein Phänomen, das wir in ganz Westeuropa beobachten können; in Deutschland wiegt diese Konstellation in einer Spirale des Niedergangs natürlich besonders schwer.

RC: Wieso liebt denn diese Generation nicht ihren Staat? Er tut ja alles für sie.

Wm: Das tut er eben nur vordergründig. Er hat den Leuten zumindest den Leistungsdruck genommen. Er lenkt auch mal gerne ein, so wenn die Bähnler wieder streiken; sie kriegen dann die 35-Stunden-Woche und halten wieder für ein paar Monate still.

Aber der Staat bleibt das Feindbild für viele. Für die meisten sind auch Unternehmer Teil des Feinbildes, Arbeitgeber so oder so. In Deutschland arbeiten 80% nicht gern. In der Schweiz ist es umgekehrt: 80% arbeiten gerne. Das erleichtert natürlich die Staatsführung erheblich bei uns.

Dass der Staat in Deutschland nicht beliebt ist, liegt auf der Hand. Deutschland verzeichnet insgesamt die höchsten Steuern Europas, die Maximalprogression setzt schon bei rund 60’000 Euro Einkommen ein. Die Erbschaftssteuer ist hoch, die Weitergabe eines KMU an Nachkommen ist fast unmöglich. Und die Firmensteuern liegen auf einem nicht wettbewerbsfähigen Niveau.

RC: Immerhin stellt der Staat ja ordentliche Leistungen zur Verfügung.

Wm: Verglichen mit der Schweiz beispielsweise sind die Leistungen bescheiden. Die Renten sind mager, es gibt viele Streiks, die Zuverlässigkeit der Bahn, wie schon erwähnt, zeichnet sich dadurch aus, dass sie zuverlässig unzuverlässig ist, Roll- und Schienenmaterial sind hoffnungslos veraltet. Aber wie soll man denn ein Verkehrsunternehmen mit 760 Unterfirmen auch führen…?

Das schlechteste Mobilfunknetz Europas liegt übrigens genau hier, in diesem Land.

Das viele Steuergeld kommt offenbar kaum unten im Volk an. Das Geld sublimiert sich quasi im System. Viele Gebühren und Kosten sind einkommensabhängig, das betrifft nicht nur die Krankenkassen, das geht bis zu den Kosten bei einer Scheidung.

Dazu kommt, dass eine breite Schicht miserabel verdient, das reicht kaum für Rücklagen. Eine Kassiererin verdient in Deutschland kaum mehr als 2‘500 Euro. Kein Wunder, sind auch die Renten dann medioker. Und die alten Leute frieren zum Teil immer noch in billigen Plattenbauten, weil sie das Geld für die Gasrechnung nicht aufbringen können. Ein Jammer.

RC: Da fragt man sich tatsächlich, wohin das viele eingenommene Geld verschwindet.

Wm: Nun, es gilt eben, einen riesigen Staats- und Beamtenapparat zu unterhalten. Leider produziert der nichts. Dafür hat jeder Gewerkschaftsführer oder Abgeordneter einen ganzen Stab von Mitarbeitern und eine schöne schwarze Limousine mit Chauffeur zur Verfügung. Auch die Ausserdienst gestellten Staatsangestellten werden fürstlich gehalten. Mutti Merkel verfügt über ein Büro mit 9 Angestellten, 2 Bodygards und 2 Chauffeuren. Vielleicht werden wir einmal erfahren, was die denn alle so tun. Zusammenfassend: Der deutsche Staatsapparat ist äusserst ineffizient, reagiert langsam und wenn, dann eben oft falsch. Der Sozialstaat wuchert fleissig vor sich hin, kostet viel, bewirkt aber nicht viel. Über die Hälfte des Bundeshaushaltes werden übrigens für die Sozialkosten aufgewendet. Tendenz steigend.

RC: Ein Problem zumindest scheint ähnlich zu liegen wie bei uns: Es gibt zu wenig Wohnraum.

Wm: Ich hatte gehofft, dass Sie das Thema nicht anschneiden. Es ist wirklich peinlich. Da wurde für das erste Regierungsjahr der Ampel noch der Bau von offenbar notwendigen 400’000 Sozialwohnungen angekündigt. Gebaut wurden dann 25’000. Das Problem mangelnder Wohnraum hat aber tatsächlich ähnliche Ursachen wie bei uns in der Schweiz: Bauen ist zusehends unattraktiv geworden, ist kompliziert, und es gibt viel zu viele Auflagen, die das Bauen verteuern. Zumindest hätte Deutschland etwas mehr Fläche zur Verfügung als wir. Aber die deutschen Hürden sind eben nochmals höher als bei uns, eine Baueingabe treibt zum Teil kafkaeske Blüten, da werden schon mal Baupläne wieder zurückgeschickt, weil sie «falsch gefaltet» wurden. Und wenn Enteignungen drohen (wie in Berlin), verabschieden sich eben die Investoren. Dann wird noch weniger gebaut, die Wohnungsnot wird noch grösser, ein Eigentumserwerb für junge Leute noch unerschwinglicher. Zusammengefasst muss festgestellt werden, dass einfach nicht genügend Angebot für die Nachfrage bereitgestellt wird.

RC: Ist das Problem nun einfach systemimmanent – oder besteht es, weil «der Fisch vom Kopf stinkt»?

Wm: Eine rhetorische Frage. Es ist beides. Das System ist schon mal per se krank. Im Vergleich zu einer Schwarmintelligenz handelt es sich hier offenbar um suizidal orientierte Schwarmdummheit. Allein kann sich das System nicht retten, es wird sich dem wirtschaftlichen Tod entgegenschleppen. Also braucht es kluge Köpfe, die das System entrümpeln müssen, tatkräftige Minister und einen durchsetzungsstarken Kanzler.

Leider ist die aktuelle Regierung wohl die am schwächsten aufgestellte der Nachkriegszeit. Und sie verscholzt zusehends. Es begann schon bei der Zusammenstellung der Truppe. Der designierte Kanzler, die Inkarnation einer farblosen und schwachen Führungsgestalt, ernannte so etwas wie ein Kabinett aus Handarbeitslehrerinnen. Viele hatten kaum Führungserfahrung, auch keine Fachkompetenz. Es sei an die unsägliche Christine Lambrecht erinnert, die erste Verteidigungsministerin, welche durch ihre schlagende Inkompetenz glänzte. Die Familienministerin Lisa Paus scheint nicht nur sehr farblos zu sein, sondern auch völlig überfordert. Die Wohnbauministerin, Klara Geywitz, scheint von einem anderen Stern zu stammen. Und der Wirtschaftsminister ist ein leidlich sympathischer Kerl, versteht aber wirklich nichts von Wirtschaft.

Natürlich kann man so keinen Staat führen. Die Leute entstammen offenbar einer ganz anderen Denkschule. Insgesamt hat die Regierung so den wirtschaftspolitischen Kompass verloren. Aber ohne den gibt es keinen nachhaltigen Wohlstand und Wohlfahrt. Vor allem nicht mit einem Chef-Zauderer an der Spitze. Ich denke, sein Rücktritt wäre eine Erleichterung für ganz Europa.

RC: Mensch, Waldmeyer, wir brauchen Lösungen. Nur Lamentieren bringt uns nicht weiter! Was würden Sie den Deutschen raten?

Wm: Kein vernünftiger Mensch sollte mehr in Deutschland investieren. Bei der Wettbewerbsfähigkeit ist Germanien nun binnen zehn Jahren von Platz 6 auf Platz 24 abgesackt. Deshalb habe ich eine klare Message an alle tüchtigen deutschen Arbeitnehmer und Unternehmer: Kommt in die Schweiz! Wir brauchen Fachkräfte, wir heissen rührige Unternehmer willkommen! Natürlich interessiert uns nicht der Low-Tech-Bereich. Es ist in Ordnung, wenn dieser nach Polen abwandert – so wie jetzt die Produktion von Miele. Wir möchten gerne intelligente und innovative Leute bei uns! Ein besonderes Herz hatten wir auch immer schon für vermögende und gut verdienende Personen, die einer Steuerhölle entfliehen wollen. Bei uns zahlen sie dann immer noch anständig Steuern – aber eben nicht unanständig. Das Steuersubstrat können wir brauchen. Auch bei uns gibt es noch ein paar Baustellen.

RC: Da werden aber nicht alle Freude haben. Die SVP möchte nicht noch mehr Ausländer.

Wm: Natürlich bemühen wir uns nicht um die deutschen Sozialhilfeempfänger, sondern nur um die Besten! Für diese wird es immer einen Platz geben in der Schweiz. Leute, die dieser teutonischen Kernschmelze entfliehen wollen, haben ein Recht auf Hilfe. Vielleicht wäre eine neue Interpretation des Asylwesens angesagt: ein Asyl für «gehobene nachbarschaftliche Wirtschaftsflüchtlinge». Ich ringe noch nach einem prägnanten Begriff.

RC: Der wird Ihnen schon noch einfallen. Danke für das Interview, Max Waldmeyer!

Waldmeyer und die Glossen-Konkurrenz

Oder: Der Nachtzug nach Lissabon

Die Vorstösse im Zürcher Stadtparlament sieht Waldmeyer jeweils als Konkurrenz zu seinen Glossen. Sie sind dermassen weltfremd und absurd (und in diesem Sinne schweizweit wegweisend), dass sie an sich schon eine Glosse darstellen. Wie soll denn Waldmeyer dies noch toppen?

Die Realität Zürichs in einem kafkaesken Raum

Immer wieder Zürich. Aber Waldmeyer findet, dass man sehr genau auf Zürich schauen sollte. Von Biel, Chur, Lugano oder St. Gallen aus. Denn dann weiss man, was einem auch in anderen Landstrichen der Schweiz demnächst erwarten wird. Ja, Zürich scheint wohl nur die Speerspitze eines politischen Wandels zu sein. Der Zürcher Stadtrat verblüfft nämlich immer wieder mit absurden Vorschlägen. Meist handelt es sich um verquere Ideen rund um das Thema Gendern, Verkehr, Klima, Wohnen oder Umverteilung. Zürich ist Vorreiter. Man kann allerdings auch nach Berlin oder in Richtung anderer Grossstädte im Ausland blicken. Dann weiss man, was einem demnächst auch in der helvetischen Provinz zu blühen droht. Was dabei immer mitschwingt, ist eine verblüffende Weltfremde.

Glossen basieren bekanntlich auf der Überzeichnung einer Geschichte oder eines Zustandes, Glossen haben deshalb sarkastische oder ironische Noten. Und hier liegt gerade das Problem: Wenn die tatsächliche Geschichte sich bereits in einem kafkaesken Raum befindet, wird es schwierig, dies noch zu überzeichnen. Deshalb die Feststellung Waldmeyers, dass es zusehends komplexer wird, eine ironische Geschichte zu formulieren, wenn die Realität bereits zur Groteske verkommen ist.

Der Nachtzug nach Lissabon

Der Titel des bekannten Romans «Nachtzug nach Lissabon» von Pascal Mercier erhält nun eine ganz neue Bedeutung. Und damit nun wieder zu Zürich – aber alles der Reihe nach.

Natürlich waren sich die Erfinder dieses genialen politischen Vorstosses im Zürcher Stadtparlament nicht wirklich bewusst, wohin ihre Ideen tatsächlich führen könnten. Wie gesagt, obwohl sie diesen Plan allen Ernstes und fundiert vorbereitet hatten. Es ging einmal mehr um eine Weltverbesserung. Man könnte auch nachsichtig sein mit solchen Volksvertretern: Sie meinen es ja nur gut. Sie meinen es auch überhaupt nicht lustig, in diesem Sinne also nicht glossenhaft.

Nun zu diesem politischen Vorstoss: Die Zürcher fliegen zu viel, und Fliegen ist nicht gut. Man sollte mehr Zug fahren. Also wäre es logisch, so die Zürcher Grünen, wenn das Bahnfahren auch über längere Distanzen gefördert wird. Zum Beispiel gerade nach Lissabon. Deshalb der brillante Vorstoss, dass die Stadt einfach mal drei Nachtzugskompositionen selbst kaufen sollte. Damit lässt sich bequem durch ganz Europa gondeln.

Die Grünen wissen genau, wie es geht

Ja, und günstig sollte das Reisen dann auch sein, so die Forderung der Stadtparlamentarier. Der Staat soll also Reiseveranstalter werden, aber bitte zum Discountpreis. Die Grünen schlugen auch gleich noch vor, dass die Österreichischen Bahnen als Betreiber bestimmt werden sollten. Das war ein kluger Vorschlag, denn es wäre unserer SBB selbstredend nicht zuzumuten, dass die vorprogrammierten Defizite dann bei ihr anfallen sollten. Die Deutsche Bahn kam auch nicht in Frage, denn deren Lokführer streiken regelmässig und deren Zuverlässigkeit besteht darin, dass sie mit Sicherheit immer unzuverlässig ist. Das geht nicht, denn Lissabon sollte man mit der Bahn möglichst noch in der zweiten Nacht erreichen und nicht irgendwann zur Tageszeit. Dass Nachtzüge kostenmässig überhaupt nicht wettbewerbsfähig sind, sondern vermutlich nur für Passagiere mit Flugangst oder mit Fahrrädern erfunden wurden, stört die Grünen nicht.

Waldmeyer versucht zu eskalieren

Waldmeyer versuchte trotzdem, die Causa Nachtzug noch eskalieren zu lassen und eine griffige Geschichte daraus zu schmieden Wie wäre es also, wenn die Stadt Zürich nun auch noch hochseetaugliche Segelboote anschaffen würde? Greta Thunberg reist ja zuweilen auch mit einem Segelboot und kann so elegant auf einen Flug verzichten. Oder wie wäre es mit autobahntauglichen Lastenrädern? Gratis-Segways für die Altersheime? Einer Zwangsausrüstung mit Inline-Skates für ausländischen Touristen (damit sie sich nicht ins Taxi setzen müssen)? Ein staatlicher Gratis-Service für E-Bikes? Die 100-prozentige steuerliche Absetzungsmöglichkeit eines Teslas – für jeden?

Oder wie wäre es mit einem unlimitierten Abo für alle Zürcher für den Nahverkehr, welches nur einen Franken pro Tag kostet? Doch nein, dieses Postulat der SP gibt es schon! Und damit schon wieder ein Glossenthema, das besetzt ist. Also besser einen 10’000-Franken-Zuschuss für jeden Bürger, der im Homeoffice bleibt und sich so gar nicht nach draussen wagen muss?

Eine Flut von grotesken politischen Vorschlägen

Die gleichen Politiker hatten sich schon mit ähnlich komischen Vorschlägen profiliert. So sollte der darbenden Zürcher Bevölkerung mit Gratis-Tampons und -Binden unter die Arme gegriffen werden – und zwar nicht der weiblichen Bevölkerung, sondern, gendermässig korrekt formuliert, den betroffenen «menstruierenden Personen». Den Kindergärtlern soll eine diverse Toilette zur Verfügung stehen, denn die Unterteilung in Weiblein und Männlein könnte diskriminierend sein – wohl im Unwissen darum, dass den fünf- und sechsjährigen Bengeln es wohl sch…egal ist, auf welchen Topf sie hocken sollen. Mutter- und Vaterschaftsurlaub soll künftig schon nur im Hinblick auf eine Schwangerschaft gewährt werden. Sozialwohnungen sollen künftig auch Bessersituierten zur Verfügung stehen. Auf digitale Werbung soll im öffentlichen Raum künftig verzichtet werden (Verlust bei den Zürcher Verkehrsbetrieben allein rund 20 Millionen pro Jahr). Begründung: Solche Werbeträger seien «aufmerksamkeitspsychologisch zu invasiv». Und so weiter. Nun, ist das alles lustig oder traurig?

Die Realpolitik ist zur fleischgewordenen Glosse geworden

Waldmeyer hätte noch weitere eigene Eskalierungs-Vorschläge. Aber sie sind alle gar nicht mehr so lustig. Echt lustig ist nämlich die Realsatire – und die findet jetzt gerade mitten in der Schweiz und in der grössten Stadt statt. Ergo erhält Waldmeyer nun diese Konkurrenz. Er erkennt: Die profane Gegenwart scheint ihn einzuholen. Waldmeyer macht mit seinen Glossen trotzdem weiter. Allerdings muss er sich notgedrungen wohl auf andere Themenfelder konzentrieren. Denn die Zürcher Politik ist zur fleischgewordenen Glosse geworden.

Waldmeyer und überall ist China drin

Seit Jahren dominiert China die Massenproduktion von technologisch relevanten Gütern. Der Westen versucht dies auszubremsen, zumal gleichzeitig Spionageverdacht besteht. Waldmeyer überlegt: Vielleicht wird auch er ausspioniert?

Die USA wollen eindämmen

Insbesondere die USA versuchen die Importflut aus China einzudämmen und die Produktion wichtiger Industrien zurückzuholen. Es gelingt ihnen aber nicht, einen vergleichbaren Aufbau an breiter technologischer Entwicklung hinzukriegen. Es geht um die Chip-Produktion, um intelligente Industriegüter, Elektroautos, Batterien, Solarpanels und vieles mehr. Aber letztlich auch um digitalbasierte Konsumgüter.

Rund 40 neue Fahrzeughersteller zählt China inzwischen. Das Land gibt sich «technologieoffen» – das heisst, dass verschiedene Antriebsarten forciert werden. Dabei verfügt China heute insbesondere bei den elektrischen Fahrzeugen über einen respektablen Vorsprung. Die USA belegen nun Elektrofahrzeuge aus China mit einem Strafzoll von sage und schreibe 100 Prozent. Der Vorwurf des „Dumpings“ wird erhoben, dieser gilt indessen als umstritten. Vielleicht ist China einfach besser?

Auch gegen TikTok versuchen die Staaten vorzugehen, ebenso gegen Onlineanbieter, welche immer erfolgreicher werden.

Auch die EU blockt ab

Unsere EU-Kinderärztin, Frau von der Leyen, implementiert für China ebenso Strafzölle, da China Europa mit «Dumpingpreisen schade». Bei den Elektrofahrzeugen hat die EU bereits nachgezogen und rund 30% Strafzoll verfügt – alles nur zum Schutz der heimischen Industrie. Dieser Industrie wurde schon vor einigen Jahren, von deutschen Staatsgnaden und zwangsweise, eine Technologiewende verabreicht: nur noch elektrisch war angesagt. Kein Wunder, hat die deutsche Industrie so die konventionelle Technologieentwicklung verpasst. Kommt hinzu, dass Elektroautos nun mal keine Seele mehr haben: Die unterscheidenden emotionalen Merkmale von Motor und Getriebe entfallen. Elektrofahrzeuge haben nur noch eine neutrale, mehr oder weniger gemeinsame DNA, weshalb man künftig irgendeine Karre kaufen könnte. Ein wichtiger Teil der Marke ist weg. Ja, so schafft man sich schleichend ab. Kein Wunder, sind nun in der Not protektionistische Lösungen angesagt.

Soll Waldmeyer einen chinesischen BYD kaufen?

Waldmeyer schaute sich die chinesischen Autoprospekte an, so von BYD, der zurzeit wohl erfolgreichsten chinesischen Automarke. Die Emil Frey-Gruppe hat sich bereits den Import für die Schweiz gesichert. BYD ist die Abkürzung für «Build Your Dream». Schon in den 60er Jahren hatte Emil Frey die Nase vorn, als es um den Import von Toyota ging. Damals hatten noch alle die Nase gerümpft. Einen Japaner fahren…? Nur wenige Jahre zuvor schlichen sich Waldmeyers Eltern noch verstohlen in die Migros – das war, zu jener Zeit, ebenso wenig opportun, wie eine «Reisschüssel» zu fahren. Und jetzt also die chinesischen Autos? Das passt gar nicht ins Bild des SVP-Parteigängers Walter Frey, wehrt sich die SVP doch gegen alles «Ausländische». Aber Walter Frey hat recht: Die Chinesen werden den Markt eh erobern, also sollte man lieber dabei sein. If you can’t beat them, join them.

Man kann die Importe nicht aufhalten

Tatsache ist: Wir werden die Importe nicht aufhalten können. China ist in vielen Belangen einfach wettbewerbsfähiger. Ein Blick in freie Märkte (so z.B. in die Golfstaaten) spricht Bände: Das Strassenbild dort ist heute nicht wiederzuerkennen. Eine Unzahl an neuen, unbekannten Gefährten säumt die Strasse, mit gutem Design, oft elektrisch betrieben. Sie stammen alle aus China. Und sie sind unglaublich günstig, weshalb sie erst recht gekauft werden.

Protektionismus ist die schlimmste Reaktion auf eine erfolgreiche Konkurrenz. Die Geschichte zeigt, dass man damit in der Regel technologisch nur noch stärker zurückgeworfen wird. Es sei an die Episode erinnert, als am Ende des 19. Jahrhunderts Grossbritannien die erfolgreichen deutschen Produkte abzustrafen versuchte, indem sie per Gesetz mit einem Label «Made in Germany» versehen werden mussten. Leider erwies sich diese Strafbezeichnung als ein hervorragendes Marketinginstrument, denn alsbald begriffen die Briten, dass die solchermassen bezeichneten Produkte einfach besser waren – und kauften „Made in Germany“ umso mehr.

Und überall ist China drin

«Die Chinesen sind eh schon hier», meinte Charlotte zu Waldmeyer. «Dein Handy wurde in China produziert, die Musikanlage auch, die Überwachungskameras ebenso. Auch der Toaster, der Föhn, der Kühlschrank. Und wohl die Hälfte deines Porsches.»

Stimmt. Auf dem Foodcenter in Waldmeyers Küche steht zwar «Bosch», auf dem Backofen «Siemens». Deutsche Wertarbeit? Ein Blick auf die Rückseite der Geräte deckt sofort die Wahrheit auf: In der Regel kommen diese Geräte aus China.

Damit kann sich Waldmeyer allenfalls abfinden. Was ihn indessen immer wieder beunruhigt, ist der Verdacht, dass China mittels dieser Technologien Spionage betreibt. Deshalb verbieten die USA und andere westliche Länder beispielsweise Huawei, ein Leader in der Kommunikationstechnologie.

Wird Waldmeyer ausspioniert?

Waldmeyer lag im Bett und gönnte sich etwas anspruchsvolle Literatur vor dem Einschlafen. So studierte er nochmals diese BYD-Prospekte. Wie wird das wohl mit diesen Autos sein? Wird der grosse gelbe Mann, Xi Jinping, künftig wissen, wann und wie schnell Waldmeyer seinen BYD in Meisterschwanden in den Coop runterfährt? Beunruhigend. Er legte den Prospekt auf die Seite und versuchte, einzuschlafen.

Plötzlich tönte ein Signal aus der Küche. Waldmeyer erhob sich von seinem Lager und stand vor dem Bosch-Kühlschrank. Dieser begann plötzlich zu sprechen, auf Englisch, aber mit einem unverkennbaren chinesischen Akzent: «Waldmeyel, tomollow you have to buy milk!» Waldmeyer erschrak. Also hatte Charlotte doch recht: Sie sind schon hier!!! Waldmeyer zog kurzerhand den Stecker dieses Spionagegerätes und schlief alsbald den Schlaf des Gerechten.

Dass sich am nächsten Morgen Charlotte beklagte, dass der Kühlschrank mitsamt dem Gefrierteil in einer Pfütze stand, war nachvollziehbar. «Ich kann dir alles erklären, Charlotte», gestand Waldmeyer, «aber das Gerät hat in der Nacht plötzlich mit mir gesprochen!»

Charlotte antwortete, nun doch etwas besorgt: «Klar, Max, und mich hat gestern Nacht der Papst angerufen».

Waldmeyer verarbeitet den European Song Contest

Waldmeyer nahm sich vor, den ESC anzuschauen. Einfach so, aus Neugierde. Auch, weil er diesen Nemo nicht verstand. Aber es lohnte sich, denn nun kam er in den Genuss einer wichtigen Erkenntnis!

Um es gleich vorwegzunehmen: Mit Singen hatte der Event, in den Augen Waldmeyers, ziemlich wenig zu tun. Schon nach wenigen dieser obskuren Darbietungen schlief er deshalb ein.

Charlotte meinte: „Du hast die Finnen verpasst!“

Verblüffend schlechte Songs

Also schaute Waldmeyer die Finnen nach. Sein Fazit: Waldmeyer rät allen, die Finnen unbedingt anzuschauen! Der Leadsänger, der zudem gar nicht singen kann, ist nur mit einem dünnen T-Shirt bekleidet, ansonsten nackt – ja, füdliblutt. Am Ende der verwirrenden Show kommen an einem Seil die rettenden Shorts von der Bühnendecke runter. Halleluja.

Lettland verblüffte dagegen mit einem merkwürdigen Barden, Typ Yul Brynner, er trug einen glänzenden, königsblauen Neopren-Anzug mit Sixpack-Einlage. Und Irland präsentierte ein nicht-binäres Geisterwesen, Bambie, welches leider wirklich auch nicht singen konnte.

Israel kann singen

Der beste Beitrag, so Waldmeyers wie immer objektive Wahrnehmung, kam von dieser bezaubernden israelischen Sängerin. Sie konnte tatsächlich singen. Aber Israel wurde von allen Seiten boykottiert und drangsaliert. Unsere Greta Thunberg stand offenbar hinter verschiedenen Aktionen gegen Israel, auch einer gut organisierten Demo in Malmö. Dabei war es doch in den letzten Monaten wieder so angenehm ruhig geworden um Greta. Und nun dies… Ob die Palästinenser vielleicht die besseren Klimaschützer sind? Waldmeyer ist verwirrt.

Wir sehnen uns die Seventies zurück

Ziemlich peinlich präsentierte sich Grossbritannien: Eine offensichtlich gleichgeschlechtlich orientierte Männergang quälte sich, gutturale Urlaute ausstossend, in so was wie einer Gefängniszelle rum. Mit Bedauern erinnerte sich Waldmeyer an die grossartigen englischen Rock- und Popgrössen aus den Siebziger Jahren. Und nun dies – ein Jammer. Aber offenbar war diese Darbietung jetzt, 2024, das Beste, was UK liefern konnte?

Armenien überraschte mit einem hübschen Girl in einem (armenischen) Dirndl. Das lenkte zumindest von der Tatsache ab, dass auch dieser Song grottenschlecht war.

Kein einziger „Car Song“

Überhaupt, eigentlich waren fast alle Songs grottenschlecht. Waldmeyer würde keinen einzigen in seinem Auto hören. Zum Teil wäre dies sogar gefährlich, ja kaum zu verantworten: Der französische Beitrag beispielsweise war dermassen einschläfernd, dass man unweigerlich einen Unfall verursachen würde.

Nemo kann tatsächlich singen

In der Tat musste Waldmeyer anerkennen, dass dieser Nemo singen kann. Seine Gesangseinlagen mit den virtuosen Oktavenwechseln erinnerten Waldmeyer etwas an Rocky Horror Picture Show. Eigentlich war Waldmeyer ganz stolz auf die Schweiz. Number One! Und ja, dieser Kerl hat, zumindest gesangsmässig, eigentlich mitgeholfen, den ganzen Contest zu retten. Mit Schaudern erinnerte sich Waldmeyer an die unsägliche Gunvor Guggisberg – es war 1998: «Switzerland, zero points!»

Aber Nemo wird heute ja kaum wegen seinem Song gehypt. Das Nonbinäre kommt wohl stärker rüber. Ohne die rosa Strumpfhosen, ohne nonbinär zu sein und ohne diesen lustigen schwenkbaren Tanztisch mit den einigermassen gelungenen akrobatischen Einlagen wäre Nemo vielleicht bedeutungslos geblieben. Auch wenn er tatsächlich singen kann.

Es geht gar nicht ums Singen

Waldmeyer erkannte: Es geht also gar nicht ums Singen. Sondern um den Gesamteffekt. Und je heterosexueller, desto weniger erfolgreich. Nemo hat sogar einen besonderen Wettbewerbsvorteil, weil er sich nicht nur als nonbinär bezeichnet, sondern auch als „pansexuell“. Waldmeyer war neugierig und googelte. Pansexuelle sind nicht einfach kommune Bisexuelle, sondern öffnen ihr Spektrum und schliessen sämtliche sexuellen Ausprägungsformen ein – also auch alle feinen Zwischenformen, die man sich ausdenken darf.

Vielleicht gilt das nun generell in unserer Gesellschaft? Zumindest, dass Nonbinärsein in der Aussenwahrnehmung als etwas durchaus Erstrebenswertes gilt?

Waldmeyer startet eine Umfrage

Waldmeyer fragte seine Kinder, beide Anfang zwanzig, ob sie den ESC verfolgt hätten. „Spinnst du, Dad?“, meinten Noa und Lara wie aus der Pistole geschossen. Aber beide kennen Nemo, klar, und sie finden ihn ganz cool.

Waldmeyer fragte nun in seinem Bekanntenkreis nach. Aber niemand hatte den ESC richtig verfolgt. Bis auf die Mitschnitte in der Tagesschau, die hatte man mitbekommen. Waldmeyer empfahl allen, die er fragte, den Finnenbeitrag noch nachzuschauen.

Wo steckt die Zielgruppe?

Was nun unklar blieb: Wo versteckt sich denn die Zielgruppe für alle diese zum Teil seltsamen „Songs“? Waldmeyer fragte in seiner Nachbarschaft nach, so bei Freddy Honegger. Ohne Erfolg. Reto Sonderegger, sein Schwager, hatte beim ESC gleich weggezappt, sein Cousin Bruno Spirig (untergetaucht, wie wir wissen, auf der kanarischen Mini-Insel El Hierro) hatte, mangels TV-Programmen auf dem Eiland, nur die Spanier gesehen, offenbar mit einer ziemlich peinlichen Performance. Nemo hatte er verpasst („Nemo der Fisch?“).

Nonbinär kommt einfach gut an

Waldmeyer war ratlos. Jemand hatte offenbar die ganze Zielgruppe gestohlen. Versteckte sie sich vielleicht hinter der Kassiererin im Volg oder dem Filialleiter des Baumarktes in Villmergen? Waldmeyer hatte auch die Poststellenleiterin in Wohlen (die mit dem Nasenring) in Verdacht. Auch Gaberthuler, Waldmeyers nerviger Steuerkommissär in Meisterschwanden, könnte ebenso gut ins ESC-Publikum passen. Ja, es muss sie eben doch geben, diese Zielgruppe. Vielleicht unbemerkt – oder gar heimlich!

Wie dem auch sei, nonbinär kommt zumindest gut an, soweit Waldmeyers ESC-Konklusion. Waldmeyer hat überhaupt nichts dagegen, wenn einer einen Rock tragen möchte. Und wenn sich jemand nonbinär fühlt, geht das selbstredend auch in Ordnung. Jeder soll eben machen und denken, was ihm beliebt – solange unser Gesellschaftssystem nicht wirklich gestört wird.

Waldmeyer versteht den Hype nicht

Aber Waldmeyer versteht diesen Hype einfach nicht, der um das ganze Thema gemacht wird. Zudem erscheint es seltsam, dass einem zusehends Skepsis entgegenschwappt, wenn man keine Regebogenflagge schwenkt. Merkwürdig ist auch, dass Nonbinärsein in der neuen Welt offenbar einen höheren Anerkennungswert hat als profanes Binärsein.

Vielleicht wäre es also einen Test wert, etwas nonbinär zu spielen und damit in der sozialen Wahrnehmung aufzusteigen?

Waldmeyer könnte, nur beispielsweise, einen Tanz- und Gesangskurs belegen. Nur schon die Absicht allein würde ihm vielleicht viele Credits einbringen.

Waldmeyer zieht es durch

Wie so oft, beliess es Waldmeyer allerdings nicht beim Konjunktiv. Er fuhr kurz entschlossen nach Zürich, zu diesem Kurs. Und als er, zurück von dem Lehrgang, seinen Porsche Cayenne (schwarz, innen auch), wieder vor seiner Garage parkte und mit einem eleganten Hüpfer das Cockpit verlassen wollte, verfing sich sein Rüschenrock an der Türschwelle. Leider schaute gerade Freddy Honegger über den Zaun. „Ich kann dir alles erklären, Freddy“, kam Waldmeyer dem entgeistert blickenden Honegger zuvor und verschwand mit seinen pinkfarbenen Strumpfhosen blitzartig im Haus.

Dort blickte ihm Noa bereits anerkennend entgegen: „Der Glitter im Gesicht steht dir super, Dad!“

Waldmeyer atmete erleichtert auf. Es schien zu funktionieren: Zumindest bei der jungen Generation schien sein neuer Look gut anzukommen!

Waldmeyer und die neuen Gebietsansprüche

In den Augen einiger Staatsführer wird die Geschichte manchmal «falsch» geschrieben. So gehörte Alaska einst zu Russland. Parlamentarier in Russland forderten deshalb kürzlich die Annexion Alaskas. Waldmeyer denkt nun an eine „Gross-Schweiz“.

Waldmeyer fand es vordergründig ganz amüsant: Da forderten doch russische Parlamentarier kürzlich die Annexion Alaskas. Der US-Staat liegt nur 90 Kilometer von Russland entfernt, getrennt durch die Beringsee. Eine Annexion könnte also geografisch Sinn machen, zumal sich in Alaska allerlei interessante Rohstoffe befinden. Ein Blick Waldmeyers auf die Karte untermauerte die Idee zusätzlich: Alaska liegt näher an Russland als an den USA. Denn zwischen den USA und ihrem nördlichsten Staat liegt noch Kanada, Alaska ist also nur eine lächerliche Exklave, und sie zählt nicht einmal eine Million Einwohner. Allerdings hätte die Schweiz glatt 40-mal Platz in deren Landfläche. Die 1867 von den USA an Russland bezahlten 7.2 Millionen US-Dollar für den kargen Landstrich waren nicht viel. Kein Wunder, ärgert sich Russland heute.

Die Ansprüche werden immer dreister

Hintergründig allerdings stimmen solche auf den ersten Blick ganz amüsante Forderungen nachdenklich. Die Hegemonie-Ansprüche der Ex-Sowjetunion werden immer dreister. Die Alaska-Note kommt dem Kremlherrn indessen wohl gar nicht gelegen. Das rechtskonservative republikanische Alaska könnte so vielleicht aufwachen. Wir erinnern uns an die unsägliche Sarah Palin (Ex-Gouverneurin von Alaska), sie kandidierte auch schon mal als US-Vizepräsidentin, eine stramme Trump-Followerin. Solche Leute, welche die geopolitische Lage gerne verharmlosen, Verschwörungstheorien nachhängen und die Ukraine-Unterstützung nur als unnütze Geldverschwendung betrachten, könnten nun aufgeschreckt werden. Denn die Gebietsansprüche Russlands rücken offenbar immer näher!

Wenn die «Alasker» zu Russen werden

Aber vielleicht wäre alles gar nicht so tragisch, wenn Alaska nun russisch würde? Die Menschen in dem dünnbesiedelten Gebiet würden es vielleicht gar nicht bemerken. Sie würden einfach weiter mit ihren Pickups durch die Wälder cruisen, die Eskimos würden sich immer noch Lebertran zuführen, und die Mosquitos würden im Sommer immer noch gleich stechen. Vielleicht würde die Bevölkerung von Whisky auf Wodka umstellen – allenfalls der grösste Kulturwandel – bzw. eine unbemerkt verlaufende kulturelle Aneigung? Und die Einwohner würden eventuell gar nicht bemerken, dass nun eine neue Flagge auf den Behördengebäuden weht.

Aber es geht natürlich ums Prinzip: Es kann einfach nicht angehen, dass man sich fremde Länder krallt. Oder nur schon daran denkt. Oder es artikuliert.

Retteten die Schweizer die USA vor einer russischen Kolonialisierung?

1812 wurde mit Fort Ross in Kalifornien eine russische Kolonie aufgebaut. Es war wohl ein visionärer Entscheid des Zaren, nicht nur in Alaska Stützpunkte zu errichten, sondern auch weiter südlich. Waldmeyer forschte weiter in den Annalen: Der Schweizer Johann Sutter gründete 1839 in Kalifornien Neu-Helvetien. 1841 kaufte Sutter den Russen dieses merkwürdige Fort Ross ab. Vielleicht verhinderte er so die weitere russische Expansion im Land? Hätte er es nicht getan, hätten sich die Russen vielleicht rasant ausgebreitet – so wie sie heute die Ukraine «befreien». Man sollte sich vergegenwärtigen, dass ohne Sutter heute vielleicht Präsident Putin von Amerika seinen Kollegen Biden (welcher eine bescheidene Rumpf-USA führt) auf Camp David empfangen würde!

Früher annektierten auch die USA

Als 1845 Mexiko das Kaufangebot der USA für Niederkalifornien ablehnte, annektierten die USA kurzerhand den Rest Kaliforniens, und das ehemalige „Neuspanien“ wurde in den amerikanischen Staatenbund integriert. Das alles wäre bedeutend schwieriger geworden, wenn Sutter mit seinem Aufkauf des russischen Fort Ross nicht so umsichtig gehandelt hätte. Ja, die Geschichte der USA hätte vielleicht einen ganz anderen Verlauf genommen. Waldmeyer ist stolz auf Sutter. Wenn Kalifornien heute auch nicht helvetisch ist, so doch immerhin amerikanisch. Besser als russisch.

Grönland kaufen, Puerto Rico verkaufen

Wir kennen die ganz lustige Geschichte von Präsident Trump. Er fragte seine Leute allen Ernstes, ob man denn Grönland nicht kaufen könnte. Als ehemaliger, wenn auch ziemlich windiger Immobilienmogul sah er das zu Dänemark gehörende Gebiet wohl einfach als lohnenswertes Objekt in seinem Länder-Portfolio. Mit den 60’000 Einwohnern würde man schon klarkommen, und dann könnte man endlich die fetten Bodenschätze richtig abbauen. Grönland gehört rein geografisch zur amerikanischen Kontinentalplatte – wäre also ein Kauf gar nicht so abwegig gewesen?

Der Mann mit den einst orangen Haaren wollte zur gleichen Zeit Puerto Rico verkaufen. Die karibische Insel ist ein Aussengebiet der USA, de facto eine «Kolonie». Aber leider äusserst defizitär. Kein Wunder, denkt man da an einen Verkauf! Natürlich kam es nicht dazu.

Venezuela möchte einen Teil Guyanas annektieren

Präsident Maduro (Ex-Busfahrer) möchte nun den Grossteil seines Nachbarstaates annektieren. In Guyana liegen ungemein grosse Erdöl-Reserven. Grund genug also, solche Pläne zu schmieden. Er liess die Leute dazu fairerweise abstimmen. Allerdings nur die Bürger in Venezuela. Was Waldmeyer auffällt: Geplante Annexionen dürfen heute offenbar global kommuniziert werden.

China möchte auch expandieren

China schielt bekanntlich nach Taiwan – aus einer subjektiven historischen Ableitung. Allerdings gehörte Taiwan seit weit über 100 Jahren gar nicht mehr zu China, und bis 1945 war es eine japanische Kolonie. Aber wenn man die Historie genügend lange zurechtbiegt, kann sich plötzlich ein gewisses Verständnis für sie ergeben. Zusätzlich reklamiert China noch ein paar Inseln für sich, vor allem im südchinesischen Meer. Die gehören zwar den Philippinen und anderen Staaten in der Region – aber was soll’s. Im Notfall baut man Inseln: So schüttet China laufend mehr oder weniger herrenlose Atolle zu richtigen Inseln auf. Dort werden dann Landebahnen errichtet – vielleicht für touristische Zwecke…?

China hatte vor 50 Jahren die Mongolei annektiert; es denkt gar nicht daran, diese wieder in die Freiheit zu entlassen. Man muss die Dinge manchmal eben aussitzen. Die Zeit und die Geschichte arbeiten kostenlos für die, die sie gepachtet haben.

Wird Annexion zum Gentlemen’s Delikt?

Waldmeyer überlegte weiter: Wenn Annexionen ganz «normal» werden, könnte das eventuell einreissen und weitere Staaten auf den Plan rufen, sich ein bisschen auszubreiten. Werden Annexionen ganz einfach zum Gentlemen’s Delikt?

«Wir sollten vielleicht auch etwas expandieren, Charlotte. Wenn das so einfach ist, könnte sich auch die Schweiz ein bisschen ausbreiten!» Tatsächlich wird es ja langsam eng bei uns. Unsere neue Bundesrätin, die ausgebildete Sozialhelferin und Schwarznasen-Halterin Elisabeth Baume-Schneider sprach kürzlich von der «12-Millionen-Schweiz». Ja, wir sollten uns Gedanken machen, wie wir künftig alle unterbringen können.

Doch zurück zur Geopolitik: Die Ukraine-Annexion verlief bekanntlich nicht so geschmeidig. Zuvor, 2014, als die Krim annektiert wurde, mithin ein Gebiet von der Grösse der halben Schweiz, passierte nicht viel. Man liess das Russland mehr oder weniger durchgehen, ein paar Sanktionen folgten – aber nicht mehr. Heute bereitet Putin das Ukraine-Abenteuer seit 2022 natürlich Kopfzerbrechen.

Annexion gab es schon immer

Annexionen sind ja nicht neu. Sie beherrschen die Geschichte jedes Zeitalters, das wir rückblickend kennen. Besonders aktiv war die Menschheit während der Kolonialzeit. Briten, Franzosen, Spanier und Portugiesen waren besonders erfolgreich in der Einverleibung weltweiter Gebiete. Auch die Holländer oder die Belgier holten sich ein paar ferne Inseln oder Länder. Die Deutschen waren da weniger produktiv, was sie bekanntlich in zwei späteren Weltkriegen wettzumachen versuchten – mit einem desaströsen Ausgang, wie wir wissen.

Auch die Schweiz könnte expandieren

Doch man müsste ja nicht immer die Kavallerie ausreiten lassen, überlegte Waldmeyer. Man könnte auch durch Überzeugung kolonialisieren – oder eben annektieren. Oder «eingemeinden», was sich besser anhört. Das Elsass beispielweise könnte zur Schweiz gehören, die Leute sind uns ziemlich ähnlich. Und dort gibt es noch weite, leere Gegenden – genügend Platz für die Ansiedelung neuer Fachkräfte oder den Bau von Asylantenheimen. Auch die Baden-Württemberger und die Bayern könnten sich uns anschliessen. Die Südtiroler und die Vorarlberger eh. Bei Savoyen ist sich Waldmeyer nicht ganz sicher, der französische Sozialstaat hat sie über die letzten Dezennien ziemlich verdorben. Auch betreffend Norditalien müssten wir vorsichtig sein, aber zumindest bis nach Turin und Mailand runter unterscheidet sich der Volksschlag kaum von den Tessinern.

Die neue Alpenrepublik hat 40 Millionen Einwohner

In der Summe käme so, mit der Aufnahme der aufgezählten Gebiete, eine tolle neue Alpenrepublik zusammen, mit rund 40 Millionen Einwohnern. Es wäre ein wirtschaftliches Powerhouse. Nennen wir es «Gross-Schweiz». Unsere Bundesräte würden mit Ehrerbietung in Brüssel empfangen werden. Oder nein: Wir würden den EU-Leuten in Bern Audienzen anbieten, und sie würden bei uns hofieren.

Wir sollten die Leute in diesen Gebieten einfach abstimmen lassen. So könnte eine friedliche Annexion vonstattengehen. Die neue Alpenrepublik würde dann selbstredend von Bern aus regiert. Allerdings sollten wir diese Landstriche vorher nochmals einer genaueren Prüfung unterziehen, überlegte Waldmeyer.

«Charlotte, wolltest du nicht wieder mal in Colmar Fois gras essen?» Charlotte antwortetet sofort: «Du weisst, ich esse keine Stopfleber. Mich gelüstet eher nach Trüffeln!»

«Du hast recht, lass uns ein Wochenende im Piemont verbringen. Ich muss da eh nächstens hin!»

Waldmeyer und das «bedingungslose Vermögen»

Waldmeyer hatte sich schon öfter über die in seinen Augen abstruse Idee eines «bedingungslosen Grundeinkommens» geärgert – eine Idee, die aus linken Kreisen mit grosser Regelmässigkeit auftaucht. Aber nicht genug: Jetzt wird auch noch der Ansatz eines «bedingungslosen Vermögens» nachgereicht!

Bei deutschen Exponenten aus Politik und Wissenschaft köchelt eine neue Idee. Waldmeyer befürchtet, dass diese verqueren Gedanken auch bald in die Schweiz überschwappen könnten: die Idee betreffend ein bedingungsloses Vermögen. Es wird zwar nicht so formuliert, läuft aber auf ein solches Vorhaben hinaus, denn allen jungen Leuten soll ein tüchtiger staatlicher Startbatzen zur Verfügung gestellt werden.

Die junge Generation kann kaum Vermögen anhäufen

Eine Grundüberlegung dabei mag richtig sein, denn den jungen Leuten ist es heute fast unmöglich, Kapital aufzubauen – beispielsweise für ein Eigenheim. Selbst wenn – nach Steuern – 10’000 oder 20’000 Franken pro Jahr gespart werden, so reicht es auch nach Jahren nicht für die Eigenkapitaldecke zur Finanzierung einer Wohnung oder eines Hauses.

Und nun kommt eine zweite Malaise hinzu, insbesondere bei uns in der Schweiz: Der Mittelstand wird künftig vermutlich weniger vererben, weil er das Geld einfach aufbraucht. Ein Pflegeheim verschlingt durchschnittlich 10’000 Franken pro Monat, bei zwei Elternteilen läppern sich Unsummen zusammen. Innert Kürze können sich so ganz anständige Vermögen in Luft auflösen. «Glück» hat, wer nur wenig Einkommen bezieht und kein Vermögen besitzt, denn dann springt der Staat in die Bresche.

Symptom- und nicht Ursachenbekämpfung

Die deutsche Idee nun: Jeder Bürger soll in jungen Jahren ein anständiges Startkapital vom Staat erhalten. Angedacht sind 80’000 Euro. Damit lässt sich das Leben während eines Studiums finanzieren, man kann in eine kleine Wohnung investieren oder man könnte mit einem Bausparvertrag beginnen. Eine ganz verfängliche Idee. Wenn da nur gleichzeitig ein intelligentes Konzept zur Finanzierung dieser Staatsausgaben mitgeliefert würde. Eine durchaus sozialistische Lösungsidee dabei ist, die Erbschaftssteuern von Vermögenden noch mehr zu erhöhen. Notfalls müsste eben die allgemeine Staatskasse geplündert werden.

Einmal mehr sollen also Probleme gelöst werden, indem Symptome und nicht Ursachen bekämpft werden. Wie konnte es überhaupt zu diesen Missständen kommen?

Waldmeyer kennt die Gründe der Vermögensschwäche

Waldmeyer hat gleich mehrere Antworten zur Hand: Wohnraum ist zu teuer, weil es an diesem fehlt – weil zu wenig, zu kompliziert und zu langsam gebaut und umgebaut wird. Zweitens leben die Eltern zu lange, sodass sehr spät vererbt wird. Drittens (siehe Schweizer Pflegekosten) kann im Alter gar nicht gespart oder vererbt werden, denn man braucht die Mittel selbst. Viertens fehlen seit Jahren die attraktiven Zinsen und Zinseszinsen für einen Vermögensaufbau. Und fünftens muss ein sau-teurer Staatshaushalt unterhalten werden, für dessen Alimentierung immer höhere Steuern eingezogen werden, welche einen Vermögensaufbau der jungen Generation zusätzlich beeinträchtigt.

Dass der Staat oft ineffizient, ja geradezu verschwenderisch mit dem Geld umgeht, ist ein immer weiter verbreitetes Phänomen. Die Staatsquote in Deutschland liegt heute bei rund 50% – das heisst, dass das Sozialprodukt der Volkswirtschaft tatsächlich zur Hälfte aus staatlichen Ausgaben besteht. Der Staat nimmt, der Staat gibt. Nur Frankreich wirtschaftet da noch schlimmer (Staatsquote 60%). Die Schweiz macht es besser (35%), allerdings steigt die Quote kontinuierlich, von Jahr zu Jahr.

Wenn das staatliche Geld «verschwindet»

Insbesondere in Deutschland beobachtet Waldmeyer zudem das Phänomen, dass von all der staatlich eingesammelten Kohle beim Bürger gar nicht viel ankommt. Die sozialen Unterstützungskosten für Bedürftige liegen bei einer Fraktion der schweizerischen, die ausbezahlten Renten auch nur bei der Hälfte, die Bahn kommt verspätet, man lebt in einer digitalen Wüste. Und so weiter.

Also Missmanagement? Jein. Denn die staatlichen Angestellten und die politischen Amtsträger, und von denen gibt es ganze Armadas, erhalten schon Geld. So müssen beispielsweise Hunderte von fetten schwarzen Limousinen für all die vielen Volksvertreter (auch aus der ganz linken oder der ganz rechten Ecke) finanziert werden. Alle Parteien, auch die mit staatszersetzender Ideologie, müssen grosszügig alimentiert werden. Der Bundestag zählt eine schwindelerregende Anzahl an Mitgliedern, es sind deutlich über 700, alle mit einem Stab von Mitarbeitern, Büros, grosszügigen Vergütungen und Spesen. Verdiente Amtsträger in Rente werden weiter verschwenderisch unterstützt; für Mutti Merkel beispielsweise arbeitet ein Sekretariat mit neun ganz wichtigen Mitarbeitern, dazu kommen Chauffeure und Bodyguards. Was die wohl alle so tun…?

Warum interessiert uns denn Deutschland überhaupt?

Die Schweiz hinkt bei beim staatlichen Missmanagement etwa zeitlich 20 Jahre hinter Deutschland und Italien hinterher. Manchmal gelingt es uns, aus den Fehlern der Nachbarn zu lernen. Meistens begehen wir sie indessen trotzdem, einfach mit einer zeitlichen Verzögerung. Deshalb gilt es bei uns darauf zu achten, dass bei der Verteilung der Staatsgelder behutsam vorgegangen wird. In Deutschland geht es aber vielleicht gar nicht um Missmanagement (deshalb das Jein vorhin), sondern nur um eine geschickte Umleitung von Steuergeldern in ein aufgeblähtes System für eine staatliche Nomenklatur. Fakt ist, dass der tüchtige Bürger sehr stark gerupft wird (mit hohen Konsum-, Einkommens- und Erbschaftssteuern), dass bei ihm aber letztlich wenig ankommt. Die Mittel sublimieren sich quasi, auf mirakulöse Weise, zwischen Einnahme und Verteilung.

Karl Marx wäre hell begeistert

Die Ursache ist also ausgemacht: Der Bürger wird nicht ermuntert zu arbeiten, zu sparen und zu investieren – nein, er wird bei diesen Vorhaben geradezu gebremst. Gleichzeitig wird ihm dauernd eine soziale Hängematte angeboten. Kein Wunder, kann und wird da kein Geld auf die Seite geschafft, so für einen Vermögensaufbau. Ein neuer staatlicher Zustupf soll es also richten?

De facto handelt es sich bei dieser deutschen Gratis-Vermögensspritze um eine reine Umverteilungsaktion: Geld wird den Vermögenden abgeknöpft, anschliessend staatlich «gewaschen», um es dann wieder grosszügig zu verteilen. Karl Marx wäre entzückt, könnte er die Idee mitverfolgen, denn die staatliche Wäsche ist sehr raffiniert, sie vertuscht die direkt sichtbare Umverteilung! Wahrscheinlich würde er gleich sein berühmtes Buch («Das Kapital») umschreiben – und zwar alle drei Bände.

Was würden die Jungen denn so anstellen mit dem Geld?

Waldmeyer wäre neugierig zu wissen, was die Jungen, bei uns in der Schweiz, denn so anstellen würden mit einem staatlichen Vermögensbatzen. Auf Schweizer Einkommens- und Preisverhältnisse umgerechnet, würden die 80’000 Euro fast 150’000 Franken entsprechen. Waldmeyer nahm sich vor, anlässlich der Geburtstagsparty seiner Tochter Lara (studiert nun schon länger Ethnologie), ihre Freunde zu fragen, was sie denn mit einem grosszügigen staatlichen Zustupf machen würden.

Das Resultat der Umfrage war ziemlich ernüchternd. Leon z.B. würde gleich mal eine Kreuzfahrt buchen, Mia ein Sabbatical-Jahr einlegen, Andrey würde es sofort im Kosovo in ein Haus investieren, Valid den neuen 3er-BMW kaufen. Anastasia würde es in die Ukraine schicken, Noa (notabene Waldmeyers Sohn) an der Börse platzieren. Milas würde nur grinsen und daran denken, sich ein bisschen mehr Drogen zu kaufen – oder gar in eine Hanfplantage zu investieren? Lori würde durch die Boutiquen ziehen und so einen Gutteil verjubeln, Fatima würde alles spenden, Luca jeden Abend in den teuren Zürcher Clubs rumhängen.

Waldmeyer brach seine Umfrage ab, denn es wurde langsam unappetitlich, was mit Staatsgeld so alles angestellt werden könnte. Also fragte er seine Tochter direkt. Laras Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: «Als erstes würde ich gleich mal von hier ausziehen! Und mir eine eigene schöne Wohnung mieten, vielleicht im Zürcher Seefeld – ganz klar!»

Damit war für Waldmeyer klar: Nicht nur ein bedingungsloses Grundeinkommen ist nicht zielführend – auch mit einem bedingungslosen Vermögen ginge der Schuss wohl nach hinten los. Hoffentlich verbreitet Lara diese abstruse Idee nicht in ihrem politisch etwas anfälligen Umfeld.

Waldmeyer und wann wir die Österreicher überholen

Österreich hat nur unwesentlich mehr Einwohner als wir. Aber wir holen jährlich auf, und in ein paar Jahren werden wir das Land, bevölkerungsmässig, elegant hinter uns gelassen haben. Triumph wäre allerdings fehl am Platz, denn eigentlich bräuchten wir dringend viel mehr Österreicher!

Täglich sterben in der Schweiz etwas mehr, als neu geboren werden. Dieses Negativwachstum wird ökonomisch zum Fiasko, wenn die nichtarbeitende Bevölkerung immer älter wird. Also importieren wir Einwohner. Importe allein reichen indessen auch nicht, denn die Importe sollten sich selbstredend auch vermehren. Insbesondere Familien aus Exjugoslawien sind dabei wesentlich fertiler als andere, vor allem als ursprüngliche Schweizer. Die gebärfaulen Eidgenossen stellen nämlich bedeutend weniger Kinder auf die Welt; ohne die tüchtigen Immigranten würden wir vermutlich aussterben.

So werden wir immer mehr. Und immer wieder wird das Damoklesschwert einer 10-Millionen-Schweiz geschwungen, derweil gewisse populistische Kreise am liebsten die Grenzen schliessen würden. Dabei wird vergessen, dass die bevölkerungstreibenden Samenspender bereits unter uns sitzen, denn ein Grossteil der immigrierten Bevölkerung schätzt es, Grossfamilien zu begründen.

Kürzlich meinte unsere Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider, dass sie auch nichts gegen eine 12-Millionen-Schweiz hätte. Das war natürlich eine sehr unbedachte Äusserung. Allerdings zog sie kaum Protest nach sich. Offenbar, leider, weil unsere ehemalige Sozialarbeiterin und Marxistin aus dem Jura einfach nicht ernst genommen wird?

Wann aber überholen wir Österreich?

In der Disziplin Skifahren ist uns das jetzt gelungen. Wenn sich in der Nacht beim Blick ins nahe Vorarlberg das Firmament rötet über unserem Nachbarland, so wissen wir, dass die Österreicher nun, aus Verzweiflung wohl, ihre Skier verbrennen.

In Sachen Bevölkerungszuwachs verlieren die Österreicher ebenso jedes Jahr: Die Schweiz legte letztes Jahr mit rekordverdächtigen 145’000 zu, im langjährigen Mittel sind es rund 80’000 Einheiten pro Jahr. Unsere Nachbarn bringen es langjährig nur auf rund 60’000. Wir stehen nun, anfangs 2024, bei knapp 9 Millionen Einwohnern, das einstige k. & k. Reich bei knapp 9.2 Millionen. Wir holen auf, jedes Jahr.

Waldmeyer hat es durchgerechnet: Genau am 11. September 2035 wird es so weit sein, dann haben wir die Österreicher überholt. Das Datum 9/11 hat sich aus purem Zufall ergeben, und es mag für unsere Nachbarn ein schlechtes Omen sein. Nicht aber für uns – was allerdings zu kurz gedacht ist. Doch alles der Reihe nach.

Die 10 Millionen kommen so oder so

2037 wird unser Land die 10-Millionen-Grenze knacken (die Österreicher schaffen es dann vermutlich 2039).

10 Millionen Einwohner: ob das schlimm sein wird? Zumindest Altbundesrat Blocher, ein grosser Warner vor diesem Bevölkerungsgau, wird es dann wohl kaum mehr stören. 10 Millionen müssen indessen gar nicht schlimm sein. Wenn es 2037 nämlich nicht 10 Millionen wären, sondern nur die heutigen 9 Millionen, dann hätten wir ein echtes Problem. Die Überalterung der Bevölkerung sähe dann nämlich noch dramatischer aus, denn der fehlende Nachwuchs und die fehlende Immigration mit relativ jungen Leuten würde unsere Demografie vollends in Schieflage bringen. Die jüngeren Konsumenten und Steuerzahler würden fehlen und könnten die älteste Generation nicht mehr finanzieren: mittels AHV-Beiträge, Steuern und Mehrwertsteuern. Firmen würden mangels Nachwuchses ausbluten und weniger zum Staatshaushalt beitragen. Ja, wir würden vielleicht verarmen. Oder wir müssten im zarten Alter von 90 vielleicht wieder einen Job suchen?

Absurde 10-Millionen-Grenze

Die sogenannte «Nachhaltigkeits-Initiative» der SVP kommt da gerade richtig. Wie stellt sich denn die Partei das vor, um Himmels Willen, wie man eine Bevölkerung von 10 Millionen einfach verhindern soll? Die Grenzen einfach dichtmachen? Kastrationen der zeugungsfähigen Bevölkerung? Deportationen? Remigration? Euthanasie?

Das allzu populistische Begehren ist schlichtweg nicht umsetzbar. Die Lage spitzt sich natürlich zu, denn die SVP sieht Handlungsbedarf, wenn die 10 Millionen vor 2050 erreicht werden. Waldmeyer rechnet aber bereits bei moderatem Wachstum mit 2037. Vielleicht kommt noch ein intelligenter Lösungsvorschlag aus einer SVP-Stammrunde. So zum Beispiel die Sperrung des Gotthards, eine allseits beliebte Idee.

Andere machen es nicht besser

Beruhigend ist, dass andere Länder ähnliche Probleme haben: Entweder wächst die Bevölkerung zu schnell oder zu langsam. Beginnt eine Regierung zu steuern, geht der Schuss meistens nach hinten los. So in China beispielsweise, wo die Ein-Kind-Politik, welche zu spät korrigiert wurde, nun zu einem Bevölkerungsrückgang führt. Die Chinesen sitzen dabei viel mehr in der Bredouille als andere Länder, denn sie bräuchten Millionen und Abermillionen von Immigranten jährlich. Die gibt’s gar nicht.

Frankreich wird in 20 oder 30 Jahren Deutschland als bevölkerungsreichste Nation Europas überholt haben. Während sich die Deutschen abschaffen, fördern die Franzosen das Bevölkerungswachstum mit Immigration und hohen Geburtenraten ihrer neuen Gäste (insbesondere aus dem Maghreb). Frankreichs Familienpolitik allerdings ist nicht ungeschickt, denn dank breit verankerter Kinderbetreuung produziert Frankreich immer noch anständige Geburtenraten, und la maman française pflegt in der Regel weiterzuarbeiten – weshalb Frankreich ein viel weniger gravierendes Problem in Sachen Facharbeitermangel hat.

Brüssel wird muslimisch

Apropos Immigration: Die Stadt Brüssel wird schätzungsweise irgendwann in den 2030er-Jahren zu über 50% muslimisch sein. Die jahrelange starke Immigration aus muslimischen Ländern trägt Früchte, denn muslimische Familien, wie wir auch in der Schweiz schon bemerkt haben, scheinen sich einer besonders hohen Fertilität zu erfreuen. Dies nicht aufgrund der staatlichen Kinderförderung, sondern offenbar der DNA-bedingten ethnischen Gebärfreudigkeit wegen.

Wen sollten wir denn bitte importieren…?

Aber zurück zu unseren eidgenössischen Problemen: Noch mehr Deutsche könnten wir kaum ins Land bitten – die Bevölkerung unseres nördlichen Nachbarn wird künftig wohl stark rückläufig sein. Ausserdem wird sich der Rest der germanischen Population um die Probleme ihres politischen und wirtschaftlichen Niedergangs kümmern müssen, der ziemlich zeitgleich mit der wirren Ampelregierung 2021 seinen Lauf nahm. Notfalls müssten wir also noch mehr Österreicher abwerben und sie in die Schweiz bitten. Sie würden dann noch ein bisschen mehr für uns arbeiten und gut Steuern bezahlen. Aber wir würden sie anständig bezahlen.

Dem Fluch des Bevölkerungswachstums ausgeliefert

Waldmeyer merkt: Wir sind dem Fluch des Bevölkerungswachstums ausgeliefert. Unsere fortschreitende Überalterung schreit geradezu nach einem Ausweg. Insgesamt vier Lösungen bieten sich an:

  1. Wir könnten weniger alt werden. Die Umsetzung dieses Ansatzes wird allerdings zu schwierig sein.
  2. Wir arbeiten länger, so bis 70 beispielsweise. Ein, zwei Jahre könnten wir vielleicht politisch noch rausholen, mehr aber wohl kaum. Die Gewerkschaften und andere linke Kreise würden eine weitergehende Erhöhung des Rentenalters zu verhindern wissen. Und die Generation Z würde das auch nicht lustig finden.
  3. Wir könnten unsere Immigranten bitten, noch etwas mehr Kinder zu gebären. Aber das würde vielleicht unseren helvetischen Groove im Land zu stark verändern. Waldmeyer möchte kein zweites Brüssel.
  4. Also müssten wir doch mehr Menschen ins Land reinlassen. Am liebsten Leute, die uns etwas ähnlich sind. Die nördlichen Nachbarn fallen, wie wir gesehen haben, künftig wohl weg, angesichts ihrer teutonischen Kernschmelze. Also verbleiben nur noch die Österreicher.

Wir kommen um die Österreicher nicht herum

Waldmeyers Konklusion nun: Die Bevölkerung anzuhalten, mehr Kinder zu kriegen, reicht nicht. Erstens hält sie sich kaum an solche Vorgaben, zweitens dauert es viel zu lange, bis diese neuen Bürger auch ordentlich Steuersubstrat abwerfen und AHV-Beiträge abdrücken können. Wir brauchen also junge, gescheite und gut ausgebildete Leute, die zu uns kommen und sofort rentieren.

Und wir sollten uns nicht länger lustig machen über die Österreicher, denn wir kommen um sie nicht herum. Vielleicht sollten wir sie im Skifahren auch wieder einmal gewinnen lassen. Und wir müssen zur Erkenntnis gelangen, dass wir sie, bevölkerungsmässig, gar nicht überholen sollten. Im Gegenteil. Wir können nur hoffen, dass sie sich künftig etwas stärker vermehren, so entsteht, aus österreichischer Sicht, wertvolles Exportgut. Oder eben wertvolles Importgut – aus unserer Sicht.

Waldmeyer und die politische Bevormundung

Oder: Warum Waldmeyer vielleicht seinen Namen ändern wird

Wer nicht in der Stadt Zürich wohnt, tut gut daran, einmal ein Auge auf die dortigen Staatseingriffe zu werfen. So weiss man, was einem in ein paar Jahren noch blühen wird: fundamentalistisches Dreinfunken der Behörden bis in die letzte Faser deines Lebens!

Die meisten grossen Städte in der Schweiz sind heute durchtränkt mit viel Ökodenken, Umverteilungsgedanken und Pazifismus. Ob Genf, Lausanne, Bern, Luzern oder Zürich: Die grünen und linksorientierten Stadtparlamente und Behörden denken sich fast täglich neue Massnahmen und Vorschriften aus, welche unser Leben einschränken.

Schön, gibt es diese Weltverbesserer

Die zum Teil invasive Politik richtet sich indessen nicht gegen die bekannten Weltverbesserer. Das heisst gegen Kreise, die unbewilligte Demonstrationen organisieren, sich am Boden festkleben oder den Verkehr mit einer langsamfahrenden Veloarmada vorsätzlich lahmlegen. Das verstösst zwar alles gegen das Gesetz, wird indessen geduldet.

Wir könnten vielleicht auch noch ein bisschen weiter wegblicken, so nach Berlin: In der letzten Sylvesterkrawallnacht wurden über 500 Personen verhaftet. Nicht etwa, weil sie einfach ein wenig demonstriert oder Lärm gemacht hatten – nein, sondern weil sie Polizisten und Feuerwehrleute tätlich angegriffen hatten. Inmitten von Personenansammlungen hatten sie Feuerwerkskörper gezündet und fremdes oder öffentliches Gut abgefackelt. Am nächsten Tag waren alle wieder auf freiem Fuss.

George Orwell würde sich im Grabe umdrehen

«Some are more equal», meinte doch schon George Orwell mit seinem berühmten Roman «1984». Der alte George würde sich allerdings im Grabe umdrehen, wenn er wüsste, dass seine Vision der totalen Staatskontrolle in Teilen der Welt ziemlich gut umgesetzt wurde, so in China, Nordkorea oder dem heutigen Russland. Aber er hätte sich wohl nie vorstellen können, dass westliche Staaten randalierenden Bürgern ziemlich alles durchgehen lassen, der Normalbürger indessen maximal bevormundet und kontrolliert wird.

Landet Waldmeyer im Gefängnis?

Wenn Waldmeyer seine Parkzeit überzieht, wird er binnen Minuten mit einer saftigen Busse bestraft. Ja, falls er überhaupt einen Parkplatz ergattert. Denn letzteres ist gar nicht mehr vorgesehen, er sollte nämlich zu Fuss gehen. Oder mit dem Fahrrad. Oder eben mit dem Lastenrad, wenn es darum geht, schwere Sachen zu transportieren – also Möbel, einen Flatscreen, einen Teppich. Oder etwas vom Baumarkt, einen Zementsack, beispielsweise. Parkplätze für Autos werden überall aufgehoben, und in Lausanne dürfen ab 2030 nur noch Elektrofahrzeuge verkehren. Wenn Waldmeyer ein Dachfenster in seinem Haus in Meisterschwanden ohne langwierige Bewilligung und ohne Einhaltung einer ellenlangen Liste von Normen einbauen würde, käme er in Teufels Küche.

Die Bevormundung hat selbstredend einen Zweck: nämlich die Rettung der Welt. Wenn Waldmeyer während der Fahrt mit seinem Auto bei freiem Verkehr einmal verstohlen auf sein Handy blickt, wird er fast verhaftet. So will es das Gesetz.

Fatale Eigendynamik in Sachen Bevormundung

Die fundamentalistische Bevormundung ist schon bemerkenswert. Politiker und Behörden verfolgen dabei unverdrossen die Umkrempelung unseres Gesellschaftssystems. Es mag sein, dass dahinter gar kein Masterplan liegt. Es scheint, dass sich einfach eine fatale Eigendynamik entwickelt hat.

  1. Wir müssen das Klima retten. Eigentlich die ganze Welt. Entsprechend werden wir, als einfache Leute, die das Big Picture nicht erkennen, bevormundet.
  2. Im Mittelpunkt steht das Genderthema. Wokeness first. Auch hier soll der Bürger entsprechend erzogen werden.
  3. Wir arbeiten zu viel. Falls das jemand noch nicht erkannt hat, soll er/sie/es bitte unseren Politikern genau zuhören.
  4. Wir müssen Einkommen und Vermögen besser verteilen. Ein alter, nun post-marxistischer Ansatz, von dem ein Grossteil der Parlamente und Behörden beseelt ist – mit dem vordergründig hehren Ansatz nach mehr Gerechtigkeit.

Dabei sind Politiker und Behördenmitglieder eigentlich Transferempfänger. Sie erhalten fette Entgelte, ohne im Hamsterrad der Wirtschaft stecken zu müssen. Sie dominieren die Politik und die Entscheidungsgremien der Gesellschaft – und dies mit einer eklatanten Überrepräsentierung. «Normale» Leute aus der Wirtschaft scheinen leider weder über Zeit noch Interesse zu verfügen, hier mitzumachen. Letztlich erfolgt so eine Umverteilung durch Vertreter der Gesellschaft, die sie gar nicht vertreten. Diese Nomenklatur der Behörden- und Regierungsvertreter kann sich dabei allerlei Vorteile zuschanzen. Finanziert wird das Spiel durch erhöhte Abgaben und Steuern.

  1. Nun zum 5. Aspekt. Dieser scheint indessen kein Thema zu sein: nämlich die Frage nach der Finanzierung all dieser Spässchen.

Der 5. Punkt reicht auch bis in den Bundesrat: Er gönnte sich kürzlich die Saisonkarte für alle Seilbahnen. Macht über CHF 4’000 pro Kopf für die Bundesregierung. Gleichzeitig werden fleissig Sparprogramme geschnürt. Das eine hat mit dem anderen, rein finanziell, tatsächlich nichts zu tun, denn die Grössenverhältnisse der beiden Vorhaben sind irrelevant. Aber offenbar fehlt es hier am Verständnis und Einfühlungsvermögen unserer Regierungsvertreter. Ob Bundespräsidentin Viola Amherd ihr Jahresticket auf der Piste wohl rausholt? Wie wir wissen, ist der Bundesrat nun zurückgekrebst: Nächstes Jahr muss Viola wieder normale Tageskarten lösen. Jetzt muss sich die Regierung um die Finanzierung von neuen Spässchen wie der 13. AHV-Rente kümmern, welche sie, danke ihres Abseitsstehens, nicht verhindern konnte.

Bleibt Waldmeyer nur Beobachter?

Waldmeyer hat erkannt: Er muss sich vermutlich auf seine Beobachterrolle beschränken. Wenn man intensiv beobachtet, so reflektierte er, wird es vielleicht doch etwas bewirken?

Realistischerweise wird es indessen nicht ausreichen. «Vielleicht sollte ich doch in die Politik gehen», meldete er, nicht zum ersten Mal, gegenüber Charlotte.

«Du wirst nicht gewählt, werden, Max! Du passt nicht rein. Dein Profil ist völlig falsch.»

Stimmt. Charlotte hatte recht.

Waldmeyer erkennt das Problem durchaus. Nur, wie sollte er reagieren? Mit den Füssen abstimmen? Nun gut, man könnte die grossen Städte meiden. Oder auswandern. Aber wohin? Im nahen Ausland sieht es noch schlimmer aus.

Waldmeyers Einstieg in die Politik steht

Am Sonntagmorgen beim Frühstück war wieder einmal die gesamte Familie zugegen: Charlotte, Tochter Lara, Sohn Noa. Aber diesmal war alles ein bisschen anders: Der Frühstückstisch, den Waldmeyer ab 08:00 vorbereitet hatte und an dem sie jetzt, um 11:30, vereint sassen, präsentierte sich anders: Keine Eier, kein Lachs, kein Trockenfleisch, keine Gipfeli. Nur Vollkornbrot, Honig vom Nachbardorf und Müesli. Und Hafermilch. Und Waldmeyer stellte seine Lösung in Sachen Politik vor:

«Ich habe mich entschieden, jetzt doch in die Politik einzusteigen. Ich werde mich allerdings etwas anpassen müssen – dazu möchte ich euer Einverständnis einholen. Dass wir ab sofort vegan leben (bis auf den Honig), habt ihr soeben festgestellt. Es ist wichtig, dass nicht nur ich das vorlebe, sondern mein ganzes Umfeld. Wir werden nämlich sofort alle unter Beobachtung stehen. Ich trage jetzt auch indoor eine Fleecejacke, weil wir weniger heizen. Den Porsche Cayenne werde ich verkaufen, das Lastenrad ist bestellt. Zu Auftritten in der Politik werde ich ein schwarzes Hemd tragen. Und diese Fleecejacke. Wenn es für meine Wahl nicht reicht, werde ich mir ein anderes Genderprofil zulegen. Notfalls ändere ich meinen Vornamen von Max auf Maximilia. Plan B wäre auch eine Änderung des Familiennamens von Waldmeyer in Waldwitsch. Das wäre wesentlich inklusiver. Und dann mische ich den Laden mal von innen auf. Seid ihr damit einverstanden?»

Noa blinzelte, noch von Restalkohol des Vorabends gekennzeichnet, zu Waldmeyer rüber: «Ja Dad, mach doch. Maximilia Waldwitsch, cool.»

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