Waldmeyers wirres Energieszenario

Waldmeyer suchten in letzter Zeit nicht nur Albträume heim. Er hatte neuerdings auch ein Problem mit den Tagträumen. Genauer genommen handelte es sich um Gedankengänge, die ihm während seiner geliebten Siesta entglitten. (Die Siesta ist übrigens die einzige herausragende Erfindung der südlichen Länder, befand Waldmeyer.) Gestern zum Beispiel beschäftigte ihn ein neues Schreckensszenario: Wann würde man ihm das Autofahren verbieten…?

Schon heute ist es den Politikern eigentlich egal, dass eine Kuh pro Jahr ebenso viel CO2 ausstösst wie ein durchschnittliches Fahrzeug mit einer jährlichen Fahrleistung von 18‘000 Kilometern. Waldmeyer begann zu rechnen: Schweizer Rindviehbestand 1.5 Millionen, Personenfahrzeugbestand rund dreimal mehr. Also verdreckt allein das gehörnte Schweizer Vieh die Luft so stark wie ein Drittel der Fahrzeuge. Jetzt kommen aber noch 1.5 Millionen Schweine dazu, plus weitere Tiere, welche die Luft ebenso kontaminieren. Wieso dürfen die das…? 

Aber nicht genug: Korrekterweise muss man die CO2-Belastung hinzurechnen, welche die ganze ausländische Viehzucht verursacht, die durch die Fleisch-Belieferung in die Schweiz entsteht (Waldmeyer dachte z.B. an die Vorstufe des feinen Stücks Black Angus, das er manchmal auswählt). Waldmeyer schätzte, dass sich die CO2-Belastung des gesamten Schweizer Pkw-Bestandes mit dem CO2-Ausstoss der Viehbestände die Waage hält (inklusive dieses „grauen Viehbestandes“ im Ausland).

Nur: Rindviecher müssen keine Treibstoff- und andere -steuern abliefern, kriegen keine Bussen, finden immer Parkplätze – und dürfen eben unbehelligt Abgase produzieren. 

Es hätte nur eine Siesta werden sollen, aber Waldmeyer dämmerte nun in den tiefen Schlaf hinein, nahm seine letzten Gedanken jedoch mit in den Traum. Diese entwickelten sich zu einem Schreckensszenario in die Zukunft:

2023 wurde nämlich der Diesel gekillt. Wegen den Stickstoffwerten. Es half nichts, dass die modernen neuen Fahrzeuge nur noch einen Bruchteil an schädlichen Abgasen ausstiessen. Die Politik wollte es so. Oder die Demokratie. Oder beides.

Dann, 2024, wurden auch die klassischen Benziner massiv attackiert. Die vorgegebenen CO2-Werte wurden von den Behörden so tief angesetzt, dass diese unmöglich eingehalten werden konnten: Es waren nämlich Negativ-Werte. Das heisst, ein Fahrzeug müsste CO2 absorbieren, um noch eine Fahrbewilligung zu erhalten – ein rollender Wald quasi.

Inzwischen durfte man auch nicht mehr in die Stadt Zürich reinfahren. Alle Strassen waren bereits in Grünflächen konvertiert worden; sogar die Oberflächen von Baucontainern mussten begrünt, und die privaten Dachgärten mussten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Zürich war ein grosses, fröhliches und autofreies Kibbuz geworden.

2026 dann der Sturm auf die Hybridfahrzeuge. Die sind im normalen Fahrbetrieb ja auch nicht sauber. Und ihr produzierter Feinstaub entspricht dem der konventionellen Fahrzeuge. Sie wurden verboten. Notgedrungen stellten alle auf Elektrofahrzeuge um. Die Tragik hielt sich allerdings in Grenzen, da seit Covid-25 eh alle im Homeoffice sassen.

2029, August: Dunkelgrüne Kreise formierten plötzlich eine massive Opposition gegen Elektrofahrzeuge. Deren Strombezug, so entdeckten sie plötzlich, stamme ja noch zu einem grossen Teil aus dreckigen Kohle- und Atomkraftwerken aus dem Ausland. Das war nicht mehr vertretbar. Und  der Feinstaub ist auch sau-gefährlich. Und die seltenen Erden, die in den Vehikeln stecken, werden ziemlich schmutzig abgebaut. Und die Fahrzeuge sind schwierig zu entsorgen. Und überhaupt. Also wurden alle Elektrofahrzeuge mit ganz hohen Steuern belegt – als integrierender Teil des Programms „Energiewende 3.0“.

2031: Alle Oldtimer wurden von der Strasse genommen. Zwar waren die rund 60‘000 rollenden Kulturgüter in der Schweiz seit 2020 durchschnittlich nur je 790 km pro Jahr bewegt worden, und die ganze Oldtimerbranche erzielte eine jährliche Wirtschaftsleistung von fast einer Milliarde CHF p.a. Aber diese Argumente zählten nicht. Waldmeyer erschien im Traum kurz der Museumsdirektor des Schlosses Hallwyl: „Kein Problem, Waldmeyer, Sie dürfen Ihren Jaguar E bei uns ins Museum stellen! Bitte von Hand reinstossen und vorher alle Kraftstoffe ablassen.“ 

Die weiteren Ereignisse überschlugen sich. 2033: Der Individualverkehr wurde nun generell als schädlich betrachtet und weitgehend eingestellt. Der ÖV war dafür ab sofort für alle gratis. Waldmeyer ärgerte sich im Schlaf – doch, das geht –, dass Charlotte dies gar nicht so schlimm fand.

2035: Endlich funktionierte autonomes Fahren – einigermassen. Allerdings waren die dafür genutzten Fahrzeuge nicht mehr in privatem Besitz. Und es funktionierte nach wie vor nicht im Winter, wenn Schnee auf der Strasse lag. Wegen den Markierungen, die eben unter dem Schnee lagen. Aber endlich wurde die Sharing Economy nun auch zur Sharing Society.

2048 war das Ziel erreicht: Es gab überhaupt keinen privaten Individualverkehr mehr. Normale, mit fossiler Energie betriebene Fahrzeuge gab es nicht einmal mehr für kommunale Zwecke. Und alle Verkehrsmittel durften nur noch mit digitalen und in Bern im Büro von Sommarugas Nachfolger überwachten Spezialbewilligungen verkehren.

Die Speicherung von Energie war allerdings nach wie vor nicht gelöst: Während der Nacht und an sonnenarmen und windfreien Tagen, der „Dunkelflaute“ also, musste der Stromverbrauch drastisch rationiert werden. Die letzten Atomkraftwerke wurden bereits Mitte der 2040-Jahre abgeschaltet. Fossile Kraftwerke waren eh verboten, und individuelle Blockkraftwerke wurden schon viel früher nicht mehr erlaubt. Das private Verbrennen von Holz, Öl, Gas oder anderen Energieträgern wurde unter Strafe gestellt; mehrere Tausend Bürger verbüssten sogar hohe Gefängnisstrafen, viele sassen in Untersuchungshaft. Auch Waldmeyers Nachbar Freddy Honegger. Man hatte ihn beim Rasenmähen erwischt. Mit dem Elektrorasenmäher zwar, aber er konnte nicht nachweisen, dass der verbrauchte Strom auch gänzlich aus erneuerbarer Energie produziert wurde.

Waldmeyer liess seinen Blick – im Traum natürlich – über die Dächer schweifen: Eigentlich sah er gar keine Dächer mehr, sondern nur noch Sonnenkollektoren, welche allerdings nicht nur die Hausdächer, sondern alle gegen einigermassen gegen die Sonne gerichteten Flächen überzogen. Also auch Fassaden, auch brache Flächen. Und auch eine Fahrspur der Kantonsstrasse (die andere Fahrspur war bereits seit 2039 Grünfläche).

Teure und in der Produktion energieaufwendige Batteriespeicher standen in vielen Kellern. Private, gewerbliche und öffentliche Haushalte durften nur noch auf max. 19 Grad geheizt werden, das Kühlen von Räumen war nur noch Spitälern, Lagerhäusern und für Lebensmittel-Transporte erlaubt. Blasenentzündungen häuften sich.

Kann man im Traum philosophisch sein? Waldmeyer konnte. Er stellte fest, dass das Leben mit der staatlich verwalteten Energie zu einer neuen Sozialisierung und Ent-Individualisierung der Gesellschaft führte… Gleichzeitig entwickelte sich die Wirtschaft seit Jahren jedoch nur noch negativ und befeuerte soziale Probleme. Viele vermögende Personen hatten Europa und insbesondere die Schweiz verlassen, meistens nach Übersee.

Die Entwicklung liess sich nicht mehr stoppen. Die Viehhaltung übrigens wurde ab 2050 zur Gänze verboten; das BAG lieferte dafür unnütze Tofu-Rezepte. Aber es war zu spät: In dem viel gepriesenen Abendland war das Licht schon ausgegangen. Und Waldmeyer lag schon unter der Erde.Waldmeyer schrak plötzlich aus seinem Schlaf auf. Er torkelte zum Sideboard beim Hauseingang: Der Porsche-Schlüssel lag noch an seinem gewohnten Platz. Hallelujah, die Welt war doch noch in Ordnung.

Waldmeyer, die Swiss und der Werteverfall, auch önologisch

Waldmeyer sass in einem unbequemen und engen Sessel in der Swiss, ärgerte sich über die Auflösung des Mickymaus-Bildschirms, den unbrauchbaren Kopfhörer, die ungehobelten Nachbarn und dachte voraus, nämlich an das Ende der Swiss: Zum Beispiel 2022, nach dem endgültigen Grounding des maroden Carriers. Dann würde er vielleicht mit seinem Grossneffen Tim nach Basel Mulhouse fahren und dort die Flugzeuge anschauen. Der Bundesrat hätte, nach dem Niedergang der nationalen Airline (die allerdings schon lange den Deutschen gehörte), der Bevölkerung versprechen können, wenigstens auf einem Easyjet-Flieger ein kleines Schweizer Kreuz anzubringen. Deshalb auch, so stellte sich Waldmeyer weiter vor, diese Nostalgie-Reise mit Tim nach Mulhouse. Doch noch sind wir nicht soweit.

Waldmeyer beobachtete die Swiss-Misere schon länger. Bereits im Frühling 2020 las er bei True Economics, dass die Lage eigentlich hoffnungslos werden würde; die von der Swiss in Aussicht gestellten Erholungszahlen konnten nie und nimmer erreicht werden. Der damals von True Economics als äusserst pessimistisch prognostizierte Chart mit den Auslastungen für 2020 bis 2022 war im Nachhinein betrachtet sogar zu optimistisch. Der Bundesrat beging einen ordnungspolitischen Sündenfall und schickte eine Milliarde nach Berlin – de facto dem deutschen Staat, denn die Swiss gehört ja schon lange nicht mehr uns. Merkel und Scholz werden künftig als Copiloten bei der Muttergesellschaft Lufthansa im Cockpit sitzen. Die Eidgenossen subventionieren damit den deutschen Staat – eine hehre Haltung. Ähnliches passierte einzig 150 Jahre zuvor, als Helvetien aus purem Mitleid die französische Bourbaki-Armee unterstützte und ihr Asyl bot.

Waldmeyer ahnte nun, wie es demnach kommen würde: Die Auslastungszahlen der Swiss können sich nicht erholen, es wird kaum mehr Business und auch kaum mehr Langstrecke geflogen – und zwar längerfristig. Die stolze Airline mit dem Schweizer Kreuz, die gar nicht den Schweizern gehört, droht endgültig abzustürzen. Oder müsste sinnvollerweise eben vorher gegroundet werden.

Es könnte zuvor weiteres Ungemach drohen, so reflektierte Waldmeyer weiter in seinem unbequemen Gestühl im A330-300 der Swiss: Der digitale internationale Impfpass wird kommen. Aber das Schweizer Parlament und der Bundesrat werden der Swiss verbieten, Impfungen und digitale Impfpässe als Bedingungen für einen Flug festzulegen. Das werden zwar alle Airlines weltweit tun, könnte aber nicht für Flüge mit der Swiss gelten. Eine solche Diskriminierung wäre nämlich unhelvetisch, und ein digitaler Pass könnte die Persönlichkeitsrechte tangieren, und überhaupt. In der Folge würde selbstredend weitergeflogen, aber eben nicht mehr mit der Swiss.

Kann man überhaupt in die Zukunft „reflektieren“? Waldmeyer kann es. Er stellte sich vor, dass die Piloten, seit einem Jahr in Kurzarbeit, einfach weiter in Kurzarbeit bleiben würden, bis sie mindestens 60 sind. Sie könnten auch gar nicht fliegen, denn die Airline würde zum Beispiel am 2. Oktober 2021 endgültig grounden. Es wäre ein schönes Datum, nämlich haargenau 20 Jahre nach dem Swissair-Grounding. Die kranke Lufthansatochter wäre am Schluss nur noch ein fliegendes marodes Geldinstitut gewesen, und alle wären erlöst, wenn dieser Agonie ein Ende bereitet worden wäre. Der Bundesrat würde dann ab Oktober 2021 sofort mit Easy Jet verhandeln, damit wenigstens auf den paar wenigen Fliegern, die Basel anfliegen, das Schweizerkreuz angebracht werden könnte. Ja, und deshalb dann der Ausflug Waldmeyers mit Tim nach Basel-Mulhouse!

Waldmeyer überlegte weiter: Eine alternative Rettung des maroden Carriers könnte nur erfolgen, wenn die ganze Schweizer Bevölkerung – also wirklich alle, auch Kleinkinder und Corona-Geschädigte – sich mindestens zweimal pro Jahr ins Flugzeug setzen würden (weil die Ausländer zum Beispiel nicht mehr können oder dürfen oder wollen). Und dann, ja dann könnte das Ziel vielleicht erreicht werden. Das Ganze müsste 16 Millionen Mal stattfinden, so viel wie 2019 mit der Swiss geflogen wurde. Aber es dürfte nicht nur Mallorca angeflogen werden, sondern es müsste auch mal Singapur oder Sydney drin liegen. Und natürlich auch Business und First. Fazit: Ein Ding der Unmöglichkeit. Ein Flug ins sehr gewisse Ungewisse.

Waldmeyer flog heute auf seinem Trip in den Mittleren Osten nicht Business, sondern, aus ökonomischen Optimierungsgründen, nur Economy. Mit Schrecken musste er feststellen, dass sich die Rotweinauswahl auf einen Billigstwein aus Frankreich, mit sagenhaft tiefen 12.5 Volumenprozenten beschränkte. Das dünne Getränk unterbot damit sogar die Werte von ungeniessbaren Schweizer Landweinen, qualitätsmässig drängte sich ein Vergleich mit Weinen aus dem Tetrapack (für 99 Cent) aus französischen Supermärkten auf. Beschafft („sélectionné“) wird diese önologische Pfütze, laut Etikette, durch Coop. Offenbar gelingt es der international aufgestellten Airline nicht, ihre weltweite Weinbeschaffung direkt sicherzustellen. Das Plastikfläschchen mit 1,87 Deziliter wird von der Swiss wohl für unter einem Franken bei Herrn Loosli bei Coop eingekauft, und Coop wird den Fusel in Hektolitern für eine Fraktion des Preises organisiert haben.

Kurzum: Der Wein war ungeniessbar. Soweit jedoch keine Tragik. Tragisch indessen betrachtete Waldmeyer den Werteverfall bei der Airline. Also nicht nur den Kurszerfall der Aktie der Lufthansa, sondern auch die falsche Wertestrategie der Swiss, als selbsternannte „Premium Airline“. Dieser toxische Wein, ein „Mythique Pay d’oc“, der in einem Blindtest wohl kaum als Rebensaft erkannt würde, widerspiegelt leider diese Agonie des flügellahmen Kranichs mit dem Schweizerkreuz. Der Fusel wird quasi zur flüssigen Metapher, die uns nun nicht nur finanziell mit Direktzahlungen aus der Schweizer Bundeskasse quält, sondern neu auch önologisch.

„Wir müssen Goethe umschreiben, Charlotte“, meinte Waldmeyer zu seiner Frau auf dem engen Nebensitz. „Richtig sollte es heissen: Der Flug ist zu lange, um schlechten Wein zu trinken!“ „Goethe konnte noch nicht fliegen, Schatz“, erwiderte Charlotte wie immer schlagfertig. 

„Wer wohl den Fusel ausgesucht hat? Ich meine nicht bei Coop, den würde der Loosli nicht mal probieren. Sondern wer von den Verantwortlichen bei der Swiss?“ Charlotte hatte auch hier eine Antwort: „Das war wohl der Scholz, Max.“ 

Wir alle sind Waldmeyer

Oder warum sich Waldmeyer über die begrünten Container und andere absurde Sachen ärgert

Waldmeyer brauchte mehrere Wochen, um sich vom Ärger zu erholen und sich einen Reim auf die neuesten Pläne der rot-grünen Zürcher Stadtregierung zu machen. Diese verqueren Pläne sehen nämlich vor, bei öffentlichen Bauvorhaben die Oberseite der Container begrünen zu lassen. Also zwangszubegrünen. Vordergründig ganz amüsant, aber letztlich gar nicht so lustig, findet Waldmeyer.

Vor kurzem nur mussten wir den merkwürdigen Vorstoss des Zürcher Stadtparlaments zur Kenntnis nehmen: Private Dachgärten sollten künftig für die Öffentlichkeit geöffnet werden. Ein paar Wochen später nahmen wir mit Verwunderung den Initiativtext der Jusos zur Kenntnis, welche mit ihrer 99%-Initiative Kapitalertragssteuern von 150% vorsehen. Beides ziemlich bizarre Idee. Und, richtig: Beides sind Enteignungs-Vorstösse, und nicht einmal Karl Marx hätte sich solch schöne Umverteilungsideen des Kapitals erhofft. 

Und nun also die Container. Aber auch dies nur zum Allgemeinwohl: Die individuellen Luftsäulen über jedem Container (im Durchschnitt auf einer Fläche von 15 m2), welche den C02-Ausstoss, global gesehen, bestimmt markant reduzieren werden, sind eben ein positiver Beitrag gegen die Klimaerwärmung. Zudem soll so die lokale Biodiversität zu spürbar besserer Lebensqualität vor Ort führen. 

Allerdings, so die Vermutung Waldmeyers: Dieser raffinierte Containerplan könnte nur der Anfang sein. Was kommt als nächstes? Die Begrünung der Gehwege? Künftig müssten die Zürcher Banker also besseres Schuhwerk bereithalten, wenn sie durch die Sumpfwiesen die Bahnhofstrasse runterschlendern. Innert Kürze könnten auch die Strassen fallen: nur noch Acker,  geplegt durch neue Staatsdiener vielleicht in einer Dreifelder-Wirtschaft? Offroadfans hätten sich zu früh gefreut, denn das ginge natürlich mit einem kompletten Fahrverbot in der Innenstadt einher.

Auch Waldmeyers Porsche Cayenne (früher schwarz, innen auch) müsste in einer ersten Phase wohl mit einem begrünten Dach leben, in der zweiten dann aber ganz einfach stillgelegt werden. Anschliessend wären alle Hausdächer dran, dann die Menschen.

Die totale Begrünung also. Und deren Finanzierung? Kein Problem: Diese 99%-Initiative der Jusos wird es richten; deren Initiative sieht ja vor, das oberste Prozent nun massiv zu schröpfen, mit dieser 150% Kapitalertragssteuer. Vergessen dabei bleibt, dass dieses eine reiche Prozent der Bevölkerung blitzartig die Flucht antreten würde, und das Steuersubstrat des Staates würde implodieren. Das oberste Prozent schultert übrigens fast 25% des gesamten Steueraufkommens.

Zurück aber zu den begrünten Containern. Es ist schon bemerkenswert, mit welchen Problemen wir uns auseinandersetzen dürfen. In einer hochentwickelten Welt sublimieren sich quasi die echten Probleme, und es werden dann ziemlich einfältige oder sonst weltfremde und absurde Themen gewälzt.

Aber das mit den Containern könnte Waldmeyer vielleicht so was von egal sein. Er wohnt ja in Meisterschwanden! Waldmeyer blickte von seiner grossen Terrasse aus ins Grün Richtung See runter. Alles war grün, der Garten, die Gärten der Nachbarn, die Wiesen, manchmal auch der See. Das gegenüberliegende Ufer, zum Teil bewaldet, ebenso. Die Waldbestände erhöhen sich in der Schweiz übrigens jährlich um Dutzende von Quadratkilometer. Schön, dass sich die Zürcher Exekutivpolitiker mit dem nicht zufrieden geben und ein paar Dutzend Quadratmeter Grün zusätzlich vorschreiben. Waldmeyer überschug kurz: 1 Quadratkilometer hat 1 Million Quadratmeter; es gälte also rund 67‘000 Container zu begrünen, um das Schweizer Grüntotal nur um einen einzigen Quadratkilometer zu erhöhen. Es müssten also eine Menge Bauvorhaben in Zürich anstehen.

Die Rechnung war ja ganz amüsant, aber Waldmeyer ging es eigentlich um dieses Vorschreiben, um diese zunehmende und wenig zielführende Regeldichte, welche Ihm den Atem stockte. Und das mit den Containern, fiel ihm deshalb ein, dürfte ihm deshalb trotzdem nicht egal sein: Es besass nämlich UBS-Aktien. Es war kein guter Entscheid, vor 20 Jahren, als er sie bei CHF 40 als sichere Langfristanlage gekauft hatte (heute dümpeln sie bei jämmerlichen CHF 15 dahin). Und jetzt der Zusammenhang: Diese glücklose Begrünungs-Schlacht in Zürich verteuert nämlich die Ausschreibungen der Stadt, die Ausschreibungen verteuern die Ausgaben, was tendenziell zu schlechten Abschlüssen der Gemeinde führt – welche wiederum Einfluss auf die Steuerlast nehmen. Die UBS versteuert einen Teil ihrer Gewinne nämlich in der Stadt Zürich; damit reduzieren sich – wenn auch im Nanobereich – deren Gewinne, folglich behindert dies eine gute Kursentwicklung der UBS-Aktie. Mit jedem Container Begrünung verliert Waldmeyer also Geld!

Waldmeyer reflektierte weiter: Es hängt also alles zusammen. Es kann uns nicht gleich sein, wenn jeder Junkie künftig auf die privaten Dachgärten raufsteigen darf, weil diese der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen. Es darf uns nicht gleich sein, dass vermögende Bürger aufgrund absurder Steuerpläne die Flucht antreten oder wenn – ziemlich sinnlos – teure Begrünungsorgien gefeiert werden. Irgendwie kommt alles auf uns zurück. We all are family. Nein: We all are Waldmeyer.

„Wir sind alle Waldmeyer“, fasste Waldmeyer das Thema zusammen und platzierte so ein Statement gegenüber seiner Frau Charlotte. „Natürlich, ich musste damals deinen Namen annehmen“, antwortete Charlotte etwas mürrisch.

„Nun, es kommen jetzt noch 8.6 Millionen Schweizer hinzu“.

„Also einer reicht mir schon“, seufzte Charlotte.

Waldmeyer und die Prozentillusion

Oder warum Aufholen schwieriger ist als Verlieren

Die Passagierauslastung der Swiss lag letztes Jahr bei etwas über 30%; scharf gerechnet fehlen also 70%. Aber an reinem Flug-Umsatz und -Profit fehlten mehr, denn erstens konnte ein leidlich laufendes Frachtgeschäft das Bild etwas verschönern und zweitens fehlten die lukrativen Langstrecken sowie die fetten Margen der Businessflüge. Im klassischen Fluggeschäft gälte es, rund 80% Umsatzeinbruch aufzuholen. Das könnte jedoch in 4 Jahren, würden in Folge schöne 20%-Steigerungen hingelegt, kompensiert werden. Wirklich? Waldmeyer rechnete kurz nach: Richtigerweise würde es fast 9 Jahre mit kontinuierlichen 20%-Schritten brauchen, bis die flügellahme Airline das Ergebnis von 2019 übertroffen hätte. Waldmeyer war entsetzt – um ein Haar wäre er der Prozentillusion erlegen.

Die ganze Misere verhält sich eben so wie mit Waldmeyers UBS-Aktien. Vor dem Kaminfeuer sitzend, liess er (zum wiederholten Male) diese Bank-Agonie Revue passieren – bzw. versuchte, sein persönliches Investitions-Desaster zu verarbeiten: Einst als vorsichtige, langfristige Anlage bei CHF 40 gekauft (es mag vor gut 20 Jahren gewesen sein), überschritt die UBS-Aktie 2007 den Peak von CHF 70. Heute dümpelt sie bei rund CHF 15 rum. Also über 60% unter Einstand und fast 80% unter dem Allzeithoch. Und hier zeigt sich eben das bekannte Prozentdrama: Aufholen ist immer schwieriger als Verlieren. Eine theoretische Aufholjagd bis rauf wieder zu Waldmeyers Einstand würde ein Wachstum von 167% bedingen, zu schaffen zum Beispiel in 6 Jahren mit kontinuierlichen 20%-Sprüngen. Oder zurück zum Peak mit einer fetten 367%-Steigerung, zu schaffen vielleicht mit 20%-Sprüngen in fast 9 Jahren. 2030 etwa wäre es dann soweit. Good luck. Waldmeyer schenkte sich gleich etwas Cognac nach. Aber er rechnete weiter.

Das ganze Unterfangen schien sich durch eine gewisse Hoffnungslosigkeit auszuzeichnen. Vor allem, wenn sich dazwischen wieder mal ein kleiner Crash einordnen würde, zum Beispiel von 40%, der sich im folgenden Jahr nur mit einem Plus von 67% ausbügeln liesse. Aber eigentlich nur mit einem Gewaltssprung von 100%, um auf dem 20%-Pfad zurückzukehren.

Bei der CS Aktie, so rechnete Waldmeyer kurz durch, sieht es auch nicht besser aus: Der Peak wurde 2007 mit einem Kurs von fast CHF 90 erreicht, vor übrigens 20 Jahren stand die Aktie auch schon einmal dort. Heute, ein Jammer, liegt der Kurs bei rund CHF 10. Die virtuelle 20%-Aufholjagd würde tatsächlich bis 2033 dauern, müsste das Allzeithöchst wieder erreicht werden. Verlorene 30 Jahre wären dann zu verzeichnen. Aber das gilt natürlich nicht für alle: Das oberste Bankenkader konnte in diesem Zeitraum sehr schöne Millionen-Boni einstreichen. 

Die Deutsche Bank übrigens liegt im gleichen Fahrwasser wie die helvetischen Institute: Dort würde die Aufholjagd, nach Waldmeyers 20%-Muster, auch fast 12 Jahre dauern.

Mit der Swiss nun mag es ähnlich sein. Deren Aktienkurs – also der der Lufthansa, denn die Swiss gehört ja nicht mehr zu uns – stand schon mal bei 30 Euro, die Zahl 7 hatte sie auch schon gesehen, zurzeit werden 11 dafür bezahlt. Immer noch beachtlich, bei diesen Milliardenverlusten. 

Wenn Mutti Merkel und ihr SPD-Adlat Scholz, quasi als finanzielle Copiloten, nicht im Cockpit hocken würden, würde der Kurs wohl den Boden berühren. Waldmeyer hatte schon im März vor einem Jahr geraten, die Swiss, diesen Kranich mit dem Schweizerkreuz, zu grounden. Niemand wollte auf ihn hören.

Unabhängig von den mannigfaltigen Rentabilitätsproblemen gälte es heute bei der Swiss, die CHF Mia 1.85 Umsatz von 2020 wieder auf die Mia 5.1 von 2019 hochzubringen. Der Umsatzverlust von 80% im klassischen Passagiergeschäft könnte, wie eingangs von Waldmeyer berechnet, elegant mit 20%-Schritten in 9 Jahren wieder wettgemacht werden. Klar, vielleicht würde man noch 7 Jahre lang Verluste verzeichnen, bis ein Break-even wieder erreicht ist. Und, einverstanden, vielleicht könnte 2022 auch ein 30%-Plus drin liegen; aber dann später, auch im 9. Jahr, immer noch zweistellige Zuwachsraten hinzulegen, grenzt schon eher an Woodoo-Zauber.

Auf diesem sportlichen theoretischen Aufholpfad (nehmen wir uns Waldmeyers 20%-Schritte vor) dürfte es allerdings auch hier, wie bei den Banken, nie einen Unterbruch geben. Waldmeyer seufzte. Ein solcher Plan würde wohl zu einem Irrweg ins Nirwana verkommen. Leider vermutlich auch bei der UBS. Und bei der CS.

„Charlotte, die UBS sollten wir verkaufen, es ist hoffnungslos!“, meldete Waldmeyer zum andern Fauteuil vor dem Kamin rüber. „Ja, wer sollte denn so eine Bank kaufen?“, fragte Charlotte ratlos.

„Wir fragen den Scholz“, entgegnete Waldmeyer und schenkte sich nochmals Cognac nach.

Soll Waldmeyer aufhören mit dem Essen?

Waldmeyer grübelte über den neuen Corona-Statistiken. In welchen Ländern gibt es relativ viele Todesfälle? Z.B. in den USA, auch in UK. Aber auch in Deutschland ist die Todesrate zurzeit ziemlich hoch, trotz rigider Lockdowns.

Die zweite Statistik nun: Die meisten Todesfälle betreffen über 80-Jährige. 

Die dritte Statistik: Alle diese drei Länder verfügen über eine Population mit einem erhöhten BMI, alle sind also ziemlich fett.

Die vierte Statistik: Der Grossteil der Corona-Toten war übergewichtig – so eine neue Studie aus Grossbritannien.

Waldmeyer erschrak: Hier zeigte sich plötzlich eine neue Korrelation, die selbst die schlauesten Mediziner noch nicht entdeckt hatten. Die Länder verbindet etwas. Wie sollte das Waldmeyer nun formulieren? Und was bedeutete das für ihn persönlich?

Die fünfte Statistik öffnete Waldmeyer endgültig die Augen: In Deutschland zum Beispiel sind ein Drittel der Leute übergewichtig, bei den über 75-Jährigen sind es jedoch hohe 70%! Also: An Corona sterben vorab Alte, die gleichzeitig übergewichtig sind. Oder: Man stirbt schneller mit Übergewicht, auch schneller, wenn man älter ist. Was – separat betrachtet – keine neue Erkenntnis ist. Aber neu ist die Korrelation Übergewicht/Alter/Coronatod. Fazit: In Deutschland z.B. stirbt man demnach eher an (oder mit) Covid-19, weil dieses Land einen hohen Altersdurchschnitt aufweist (im Median sogar einer der höchsten weltweit), gleichzeitig jedoch auch, weil das betroffene Alterssegment ein signifikant höheres Übergewicht verzeichnet. Oder ist das alles vielleicht doch nur ein gastronomisches Problem?

Letzten Monat starben in der Schweiz – trotz dreimal höherer Inzidenz als in Deutschland – rund dreimal weniger Leute (im Verhältnis zur Population natürlich). Also war das Corona-Sterberisiko in der Schweiz rund neunmal geringer als in Deutschland. Und dies, obwohl die Skiterrassen so lange offen blieben und der hiesige Lockdown im Vergleich zu Deutschland nur ein Lockdownchen war und ist. Haben all die Corona-Massnahmen also kaum einen Einfluss, geht es letztlich etwa nur ums Gewicht der Leute? Wie würde Waldmeyer nun mit dieser Erkenntnis das Land coronamässig managen?

Komisch, aber vielleicht ebenso coronabedingt ist, dass sich neuerdings viele Leute beim Essen filmen. Tatsächlich. Waldmeyer wunderte sich über den neuen Trend: „ASMR“. ASMR ist die Abkürzung für Autonomous Sensory Meridian Response, ein Phänomen, für das es bis jetzt keine sinnvolle deutsche Übersetzung gibt, das in den USA zurzeit jedoch ein grosses Thema im Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme ist.

Man filmt sich demnach, wenn man isst und stellt es nachher ins Netz. Tausende schauen zu und lauschen den Schmatz- und Kaugeräuschen. Spannend! Nun, man darf sich fragen, warum das spannend sein soll. Die Manchester Metropolitan University fand immerhin heraus, dass diejenigen, die ASMR Videos anschauten, während den Sitzungen signifikantere Senkungen der Herzfrequenz aufwiesen im Vergleich zu denen, die die Videos nicht gesehen haben. Auch zeigen die Probanden einen deutlichen Anstieg positiver Emotionen, Entspannung und ein Gefühl des „sozialen Eingebundenseins“.

Was ASMR nun mit Corona zu tun hatte? Vordergründig natürlich nichts. Aber Waldmeyer sah darin trotzdem weitere deutliche Zusammenhänge: Je länger die Lockdowns gehen und Homeoffice angesagt ist, desto eher wird sich ASMR ausbreiten. Und dieses Sich-beim-Essen-Filmen wird den BMI natürlich eher hochtreiben! Vor allem in den USA. Wenn die ASMR-Welle nach Deutschland überschwappt, wird es auch hier noch mehr Corona-Tote geben. 

Doch zurück nun zu Waldmeyers Management-Strategie: Als CEO des Bundes, wenn er denn ein solcher wäre (ähnlich seinen Management-Rollen zuvor), würde sich Waldmeyer nun einfach alle übergewichtigen alten Personen über 80 vorknöpfen, ihnen eine Diät verschreiben und verbieten, sich beim Essen zu filmen. Und er würde ihnen ein besonderes Schutzkonzept verpassen, sie unter Beobachtung halten, testen, abschirmen, impfen oder was auch immer. Der Rest des Landes könnte dann ohne Einschränkungsmassnahmen weitermachen. Voilà.

„Du bist auch übergewichtig, Max, und du wirst auch irgendwann 80“, meinte Charlotte lakonisch. Das half Waldmeyer indessen nicht viel weiter. Fett sein erhöht einfach das Sterberisiko. Er wusste, dass sein BMI bei 25 liegt – allerdings grosszügig gerechnet, nur morgens, nach der Toilette, ohne Frühstück und rasiert.

„Schatz, kommst du zum Frühstück“, flötete Charlotte aus der Küche. Waldmeyer lavierte zwischen zwei Antworten: A: „Nein, ich esse nichts“, und B: „Ok, aber nur, wenn du die Kamera einschaltest“. Er entschied sich für B. Charlotte wusste noch nicht, was auf sie zukommt.

Waldmeyer klagt den Bundesrat ein

Oder warum Waldmeyer suggeriert, dass die sieben Bundesräte vielleicht ins Gefängnis müssen

Vor gut zwei Wochen stand Waldmeyer vor dem Regal im Coop und konnte das Bastelbuch für seinen Neffen Tim nicht kaufen. Gesperrtes Sortiment. Jetzt hatte Waldmeyer endgültig genug. Nicht nur von all den Lockdown-Massnahmen, sondern generell vom Versagen der Regierung. Der Bundesrat befand sich nun wohl auf dem Höhepunkt seiner Strähne an Miss-Management. Ein Versagen, welches inzwischen an Vorsätzlichkeit grenzt. Waldmeyer überlegte nun, ob er nicht den gesamten Bundesrat einklagen sollte. 

Waldmeyer verharrte vor dem gesperrten Gestell und liess sich, sozusagen als „brain-gym“,  sieben mögliche Anklagepunkte durch den Kopf gehen:

Klage Nummer 1 könnte das „Masken-Gate“ betreffen. Hier lautet die Anklage auf Verschleppung des Vorsorgeauftrages und auf grobfahrlässige Fehler bei der Beschaffung. Und es ging auch um bewusste Falschinformation des Volkes betreffend der Wirksamkeit der Masken.

Klage Nummer 2: die Corona-App. Hier lautet die Anklage auf vorsätzliches Missmanagement.

Klage Nummer 3: das Tracing: Hier wollte sich Waldmeyer auf eine Unterlassungsklage konzentrieren. Es wäre auch ein Tatbestand von Betrug zu prüfen, nach StGB Art. 146.

Klage Nummer 4: das Testing. Allen Beteuerungen des Bundesrates betreffend der hohen Notwendigkeit des Testens zum Trotz hatte er die Organisation nicht richtig an die Hand genommen. Seine Aufgabe hatte er vorsätzlich nicht erfüllt: Es handelt sich mithin um eine Irreleitung des Volkes. Der Aufbau eines Lügengebäudes könnte locker nachgewiesen werden, was eine gute Prozesschance ergeben dürfte. Das kürzlich angekündigte Massen-Testing wird zudem an der Erhältlichkeit der Tests scheitern: Vorspiegelung falscher Tatsachen!

Klage Nummer 5: die Impfstoffe. Ein kleines Land wie die Schweiz hätte frühzeitiger eine Beschaffung sicherstellen können. Und zwar mit einer breiteren Risikoverteilung betreffend potentieller Impfstoffe. Bereits im August und später nochmals im Dezember letzten Jahres gingen die Bundesbehörden z.B. auf die russische Anfrage betreffend Interesse an Sputnik V nicht einmal ein – das BAG antwortete einfach nicht. Handelt es sich hier einfach nur um Unvermögen? Führungsmangel? Oder eben doch um vorsätzliche Verschleppung? Nein, Waldmeyer kokettierte mit einem Fall von fahrlässiger Unterlassung und fahrlässiger Körperverletzung.

Klage Nummer 6: die Impforganisation. Andere Länder schaffen es, regionale und effiziente Impfzentren einzurichten. Der Bundesrat überliess jedoch bequemerweise alles den Kantonen. Diese verschickten schon mal an alle Hausärzte 100 Ampullen (so geschehen im Kanton Zürich), unbesehen der tatsächlichen Nachfrage und eines verlässlichen Impfplanes. Können die Regierungen es einfach nicht besser und sind damit entschuldigt? Nein, meint Waldmeyer, es handelt sich auch hier um eine grobfahrlässige Unterlassung mit Schadenfolge. 

Klage Nummer 7 betraf die Lockdowns und andere Einschränkungen. Waldmeyer ging ein Licht auf: Diese Freiheitsbeschränkungen sind nur das Resultat aus den Einzelvergehen 1 bis 6. Denn viele der Lockdown-Massnahmen wären gar nicht notwendig gewesen, hätte man in den 6 Disziplinen einen guten Job gemacht. Also könnte das Vergehen Nummer 7 nicht einfach eine zufällige Folge der vorangegangenen Einzelvergehen dar, sondern, aufgrund des Kausalzusammenhanges, gar ein minutiös geplantes Kapitalverbrechen darstellen?

Waldmeyer dachte kurz an den Tatbestand einer Geiselnahme (wegen den Lockdowns) sowie die physische und psychische Verletzung von Millionen von Individuen. Nein, ein Vergleich mit Stalin oder Mao zum Beispiel wollte Waldmeyer nicht konstruieren, das wäre doch etwas geschmacklos. Aber mit dem aktuellen China z.B. wäre ein Vergleich angezeigt: China überwacht alle seine Bürger mit wasserdichten digitalen Methoden, erstellt Profile und ein Punktesystem, woraus sich dann die individuell noch erlaubten Freiheitsgrade ergeben – bzw. die Freiheitsbeschränkungen. Die Schweizer Regierung macht das natürlich nicht so raffiniert wie die Chinesen, bei den helvetischen Freiheitsbeschränkungen handelt es sich aufgrund der vielen Einschränkungen im zivilen Leben eher um analoge Quälereien. Zudem gälte es noch, die Schadenersatz-Klagen zu quantifizieren, welche sich aus den zum Teil vermeidbaren Einschränkungen ergeben. Dabei handelt es sich um Milliarden-Schäden, die der Wirtschaft und dem Bund (aufgrund der teuren Hilfsmassnahmen und der erhöhten Schuldenlast) erwachsen sind.

„Weisch, isch gschperrt!“, sagte die serbo-kroatische Coop-Angestellte zu Waldmeyer. Waldmeyer versuchte, immer noch vor Tims Gestell mit den Büchern, sich auf seine Klagestrategie zu konzentrieren. Das Fass zum Überlaufen hatte nun das aktuelle Impf-Management gebracht: Weltweit ist es üblich, dass Covid-19-Geimpfte einen Eintrag in einem Impfpass (künftig wohl vermehrt einem digitalen) oder zumindest eine behördliche und offizielle Impfbescheinigung erhalten. In der Schweiz jedoch werden in den meisten Kantonen die Bürger nach der Impfung einfach mit einem Handzettel nach Hause geschickt, mit dem Versprechen, dass dann später noch eine richtige Impfbestätigung nachgereicht würde.

Dabei wäre es doch ausserordentlich wichtig, eine professionelle Database mit allen Impfdaten aufzubauen! Der Bund hat dies jedoch verpasst. In den einzelnen Kantonen werden im besten Fall nur ein paar Excel-Tabellen nachgeführt. Was nämlich interessant und unabdingbar wäre: zu wissen, welche Art von Leuten wann geimpft wurde, welche Personen später trotzdem infiziert werden, wie (aufgrund der Tests und des Tracings) eine Weitergabe des Virus dennoch stattfindet. Die Beobachtung der Wirkung der Impfstoffe und der Einfluss der Impf-Abfolge müssten doch aufgezeichnet werden! Dafür bräuchte es nur eine einfache elektronische Datenerfassung bei der Impfung. Ein kleines Programm, welches mit Bestimmtheit irgendwo schon existiert und für dessen Beschaffung man nun mindestens ein halbes Jahr Zeit gehabt hätte. Denn nur dann könnten künftige Einschränkungen des öffentlichen Lebens auf diejenigen Massnahmen reduziert werden, welche sich aufgrund der Datenverfolgung als wirkungsvoll und sinnvoll ergeben. Also nochmals eine zusätzliche Unterlassungsklage? Waldmeyer war jetzt schon froh, den Wust an Klageschriften nur virtuell durchgehen zu müssen.

Bei solchen Kapitalfehlern – wie eben mit der Impf-Database – hätte Waldmeyer früher (als CEO noch) einen leitenden Mitarbeiter kurzerhand gefeuert. Es kann doch nicht sein, dass man bei Regierungsmitgliedern solche Fehler nur als Führungsversagen, unglückliche Verschleppung oder schlicht verzeihbares Unvermögen klassifiziert. Nein, hier scheint eine gewisse Vorsätzlichkeit vorzuliegen – was eben eine Klage rechtfertigen würde. 

Waldmeyer überlegte sich noch kurz, ob er nun direkt zum Internationalen Gerichtshof in Den Haag oder zum Europäischen Gerichtshof in Strassburg gehen könnte. Also ohne den lästigen Umweg über die Schweizer Gerichte und das Bundesgericht – das würde nämlich zu lange dauern. Wohl länger, als bis mit Covid-25 das nächste Regierungsversagen eingeleitet würde.

Waldmeyer stand immer noch vor dem Regal mit den verbotenen Büchern. Er war ziemlich zufrieden mit seiner Klagestrategie. Ein ganzer Strauss an Klagen kam zusammen: Unterlassungsklagen, Beseitigungsklagen, Feststellungsklagen, Schadenersatzforderungen. Und eben das mit der Geiselnahme. Ein Glück, dass Waldmeyer nie in die Politik eingestiegen ist. Wäre er jetzt nämlich Bundesrat, müsste er sich selber verklagen.

Waldmeyer schnappte sich das verbotene Bastelbuch für Tim und verliess den Supermarkt via Self-Scanning.

Waldmeyer und die Permutation

Oder warum die Individualisierung unseres Lebens zu teuer wird

Permutation ist etwas, was eigentlich fast niemanden interessiert. Unter dem mathematischen Begriff versteht man bekanntlich die Anordnung und Kombination von Objekten. Wie viele Varianten können aus x Möglichkeiten kombiniert werden?

Waldmeyer überlegte: Wenn seine Tochter Lara nun einen Serben heiraten würde, dieser wiederum fünf Geschwister und 12 Cousins hätte: An wie vielen Geburtstagen und Hochzeiten in wieviel verschiedenen Gästezusammensetzungen er wohl erscheinen müsste? Korrekterweise müssten allerdings die verfemten Hochzeiten zwischen Cousins und Cousinen vom Total der Kombinationsmöglichkeiten subtrahiert werden. Aber Waldmeyers Permutations-Problem ist viel komplexer. Doch dazu später.

Henry Ford würde sich im Grabe umdrehen

Mehr noch fesselte Waldmeyer nämlich seine nächste Fahrzeugbestellung: Motorenauswahl, Getriebe, Farbe, Innenausstattung, elektronische Gadgets, usw. Eine endlose Konfiguration.

Dank intelligenter Prozess-Steuerung ist produktionsmässig heute fast alles spielend möglich. Armaturenbrett in Kevlar? Oder Walnut? Oder doch Klavierlack? Aber es muss passen zum Leder des Gestühls. Dann kommen noch die komplizierten Fragen betreffend der Varianten von Soundsystemen dazu. Darunter gibt es auch derart starke Ausführungen, welche wattmässig einer SVP-Veranstaltung im Albisgüetli oder der Lautsprecherdurchsage in einer spanischen Flughafenhalle genügen würden.

Die Kombinationsvarianten führen letztlich dazu, dass schliesslich kaum mehr ein Auto dem andern gleicht. Alles ist tailor-made. Das ist eine unglaubliche Errungenschaft der digitalen Industrialisierung. Henry Ford würde sich allerdings im Grabe umdrehen: „You can order any color as long as it‘s black“.

Die Optionenliste reicht bis zum Mond

Waldmeyer reflektierte kurz, ob Henry Fords Satz heute, im Jahr von black lives matter, auch noch durchgehen würde. Seine Gedanken trugen ihn aber sofort zurück zu profanen mikroökonomischen Überlegungen: Warum nur braucht es, der Permutation folgend, mehrere Tausend Fahrzeugvarianten?

Ausgedruckt nimmt die Optionenliste bei der Fahrzeugbestellung gewisser Marken gefühlt wohl den Umfang von Goethes Faust ein, und die Auflistung aller möglichen und unmöglichen Kombinationsmöglichkeiten – eben der Permutation – würde vermutlich bis zum Mond reichen.

Waldmeyers Frau Charlotte meinte dazu nüchtern, dass das doch normal sei, auch Sofa-Kombinationen von angesagten Herstellern seien fast unbeschränkt möglich.

In Sachen Konfigurationsgeschmack sind die Briten schmerzfrei

Doch es gibt auch Eingrenzungen: Bei deutschen Fahrzeugherstellern z.B. sind besonders scheussliche Farbkombinationen (Aussenfarbe hellblau, rotes Leder, Kevlar-Armaturenbrett) gesperrt. Die britischen Hersteller sind hier wesentlich schmerzfreier: Auch die grässlichsten Kombinationen lassen sie durchgehen, sie erkennen diese nämlich gar nicht.

Tatsache ist nun mal, dass dank perfekter digitaler Produktionssteuerung zwar fast jede Konfiguration möglich ist, diese individualisierte Herstellung jedoch die ganze Produktion ungemein verteuert. Es entstehen die besonders toxischen „hidden cost“: In den Erfolgsrechnungen explodieren dann zum Beispiel die IT-Kosten. Diese müssen leider auf alle Produkte relativ gleichmässig umgelegt werden, und in der Folge ist einfach alles teurer, auch ein nicht-konfiguriertes Standardprodukt.

Kein Hersteller würde es wagen, die Investitionen in IT in Frage zu stellen, die Analysten würden dies sofort als mangelndes Bekenntnis zu Artificial Intelligence interpretieren. Versteckte Zusatzkosten entstehen auch bei der Beschaffung und Logistik von allerlei Einzelteilen, die es in mannigfaltiger Form zu kombinieren gilt. Alle diese Produktionsverteuerungen werden von der nackten Angst der Hersteller verdrängt, dass ein Wettbewerber noch mehr Modellvarianten anbieten könnte.

Simplify your life

Charlotte wollte ihren neuen Audi Kombi einfach schwarz, innen auch. „Simplify your life.“ Die restlichen Fahrzeug-Attribute waren ihr völlig egal. Sie wünschte sich also ein Standard-Auto – dementsprechend sollte auch der Preis geringer sein.

Aber das klappte nicht: Bei der Bestellung wurde sie zu genau 122 Fragen verdonnert: Dachhimmel dunkel oder in Standardfarbe elfenbein? Rückspiegel abblendbar oder nicht? Spurhaltesystem oder nicht? Ein Wunder, dass sie nicht zu ihrem Sexualleben befragt wurde.

Das Resultat war bedauerlicherweise so, dass ihre Konfiguration trotz der einfachen Optionen sehr teuer ausfiel. Charlotte war entsetzt: „Das heisst, dass wir mit diesem Standard-Kauf quasi die anderen Fahrzeuge subventionieren?“

Vermutlich hatte Henry Ford doch recht

Waldmeyer war weniger schockiert: „Dafür hast du nun die perfekte Individualisierung!“ Aber er wusste schon: Diese ad absurdum getriebene Individualisierung kostet zu viel. Vielleicht hatte Henry Ford doch recht? Zumal Charlotte eh nur schwarz wollte. Vermutlich hatte Waldmeyer damals für seinen Porsche Cayenne (schwarz, innen auch) auch zu viel bezahlt. Was Waldmeyer in der Tat störte: Eine Variantenreduktion könnte die Wettbewerbsfähigkeit vermutlich erhöhen, da preislich günstiger. Und logistisch wäre man eh noch flexibler bei den Auslieferungen.

Man sollte das ändern

„Man“. Also nahm sich Waldmeyer vor, mit einem CEO der Automobilindustrie zu sprechen. Zum Beispiel mit Akio Toyoda, dem Chef von Toyota. Aber wie kommt man an den Kerl ran?

Das Gespräch erübrigte sich, als Waldmeyer versuchte (nur spasseshalber natürlich), einen Toyota Landcruiser zu konfigurieren. Es gab nämlich kaum Varianten! Eigentlich war in allen Fahrzeugen schon alles drin. Er konnte mehr oder weniger nur die Farbe wählen, und der Innenraum war bereits so darauf abgestimmt, dass es eigentlich 99% der Kundschaft gefallen musste. Die Opportunität und Versuchung zur mühsamen Konfiguration erübrigte sich. Also erübrigte sich auch das Gespräch mit Mister Toyoda. Ob die westliche Industrie wohl auf dem Holzweg ist?

Auf jeden Fall beschloss Waldmeyer, sofort Toyota zu kaufen. Aber nicht das Fahrzeug, sondern die Aktien.

Waldmeyer und sein Schlüsselerlebnis in Jogjakarta

Oder wie man mit mikroökonomischen Erlebnissen im Dschungel umgeht – wieder einmal eine wahre Waldmeyer-Geschichte

Max Waldmeyer blickte, vom Sofa aus, über den Hallwilersee. Oder starrte zumindest dorthin, wo dieser unter dem Nebel liegen sollte. Die Coronazeit brachte es mit sich, dass man nicht gross reisen kann. Aber zumindest lassen sich vergangene Reisen umso schöner Revue passieren. Waldmeyer erinnerte sich so an sein Dschungelerlebnis, es war 1998. „Jogjakarta war schon sehr beeindruckend“, meldete Waldmeyer zu Charlotte rüber. Indonesien ist im Moment ohnehin brandaktuell – wegen der Palmöl-Geschichte und so, ein für die Schweiz vermutlich überlebenswichtiger Staatsvertrag.

In der Tat hatte Waldmeyer im indonesischen Jogjakarta ein persönliches Schlüsselerlebnis. Subjektiv sogar viel prägender als dieses geplante indonesisch-schweizerische Mickymaus-Abkommen.

„Eigentlich wolltest du damals ja nur nach Bali“, meinte Charlotte überrascht. Das war richtig. Waldmeyer, zu jenem Zeitpunkt noch in einer delikaten CEO-Position, sehnte sich eigentlich nur nach ein bisschen Erholung. Also bot sich, zum Beispiel, Bali an. Flugbashing gab es damals, vor gut 20 Jahren, noch keines und Pandemien waren noch nicht erfunden. Also konnte man beschwingt auch längere Reisen antreten. Es war sogar Charlotte, welche die Reisestrecke gar noch verlängerte; sie überredete Max zu einer ziemlich ausgedehnten Indonesien-Rundreise. Und erst am Schluss dann Bali. Es kamen einige Tempel zusammen.

Es geschah im Raum Jogjakarta: Hinter der sehr schönen Hotelanlage lag dieser Dschungel-Treck. Gleich am ersten Morgen machten sie sich auf den Weg. Max stapfte voraus. Alles sehr feucht, alles sehr grün, alles sehr dunkel. 

Plötzlich sprang ein ebenso dunkler Einheimischer hinter einem dieser dunklen Bäume hervor. Waldmeyer erschrak, Charlotte noch stärker. „Gudmoninsir“, begrüsste er beide. Parthorasan (nennen wir ihn so), präsentierte, fein säuberlich über seinen Unterarm gehängt, dunkle lange Socken. Es waren die Art Business-Socken, die kurze Zeit später, 1999, von diesem Startup Blacksocks im Abonnement angeboten wurden. Schwarze Kniesocken, Baumwolle, braucht man immer. Aber warum nur, um alles in der Welt, bot sie Parthorasan gerade hier im Dschungel zum Verkauf an? Waldmeyer war auf jeden Fall tief beeindruckt. Dieser Mensch musste offenbar durch ein besonders hartes Stahlbad von Sales-Trainings gegangen sein. Schwarze Kniestrümpfe  im tropischen Urwald anzubieten war in der Tat eine Leistung!

Überhaupt, reflektierte Waldmeyer weiter, wird „Sales“ unterschätzt. „Sales“ ist ja nicht einfach „Verkauf“. In der Businesswelt, insbesondere in der Konzernwelt, wird „Sales“ berechtigterweise sehr hoch eingestuft, dort ist dann „Sales“ sogar „Corporate Sales“. Karrieremässig überrunden die Sales-Manager oft die Marketing- und Finanzfritzen. Sales ist in der Regel hart, deshalb hatte Waldmeyer grösste Achtung vor diesen professionellen Sales-Leuten. Parthorasan gehörte genau in diese Kategorie. Für das anspruchsvolle Verkaufen braucht es nämlich Selbstvertrauen, Mut, Überzeugungskraft, auch Überraschungseffekte. Sales ist eben auch Psychologie in der Endstufe.

Der Nebel in Meisterschwanden und über dem See lichtete sich immer noch nicht. Charlotte riss Waldmeyer aus seinen Gedanken: „Max, warum hattest du damals gleich sechs Paar von diesen Socken gekauft?“

„Stimmt“, antwortete Waldmeyer. „Angebot und Nachfrage waren eigentlich nicht im Einklang. Es war ein Fehler, ich hätte verhandeln sollen. Preis/Menge stimmten nicht.“

Charlotte war nur partiell zufrieden mit der Antwort. Aber es war ihr eigentlich auch gleich. Hauptsache, Max hatte die Socken später nicht am Hotelpool getragen. 

Was blieb, so für Waldmeyer, war der Respekt vor diesen harten Sales-Jobs. Unmögliches möglich zu machen, das sind wahre Leistungen!

Aber eigentlich war die ganze Sockengeschichte ziemlich irrelevant. Wohl genauso irrelevant wie diese Abstimmung betreffend dem Freihandelsabkommen mit Indonesien, fasste Waldmeyer für sich zusammen. Zumal das Palmöl zum grössten Teil nämlich gar nicht aus Indonesien, sondern aus Malaysia kommt. Ob es dort auch Sockenverkäufer gibt?

Waldmeyers böser Corona-Traum 2024

Waldmeyer schrak schweissgebadet aus seinem Traum auf. Wieder so ein hässlicher Covid-Albtraum. Er schaute auf seinen Analogwecker (ein Geschenk von Charlotte, 1984) mit den grünen Leuchtziffern: 01:34.

Charlotte schlief tief. Waldmeyer trat nackt auf den Balkon, blickte auf die Skyline von Meisterschwanden runter und war erleichtert: Es brannten vereinzelt Lichter in den Häusern, die Strassenbeleuchtung funktionierte einwandfrei. Im Traum allerdings war das nicht so. Doch dazu später.

Dieser schmutzige Traum katapultierte Waldmeyer genau in die erste Juli-Woche 2024. Die Schweiz war – coronamässig – erst etwa gleich weit wie heute. Der Bundesrat fühlte sich für die Causa Covid nach wie vor nur partiell zuständig. Die Regierung schien weiter nur zu reagieren, anstatt zu agieren, und sie tat dies ziemlich irrlichternd und wenig datenbasiert. Die Inzidenzen lagen zwar relativ tief, aber die Fallzahlen gingen aufgrund des wirren regionalen Krisen-Managements lokal rauf und runter, mit ihnen allerlei Einschränkungen im Land. Die Kantone wurstelten sich weiter separat durch – und dies seit 2020. 

Das Ausland rundum hatte die Eidgenossenschaft bereits Ende 2021 klar überholt: Die konsequente Kontrolle der sanitären Auflagen, umfassendes Testen und Tracen sowie eine fast flächendeckende Durchimpfung hatten Früchte getragen. Lockdowns und dergleichen gehörten in ganz Europa der Vergangenheit an. Ausser in der Schweiz.

Die Schweiz gab sich vor allem Mühe, primär Warnungen und Verwarnungen auszusprechen. Die Corona-App funktionierte nach wie vor nicht richtig (die Preisgabe von privaten Daten war einfach zu gefährlich). Getestet wurde nur spärlich, es war zudem kompliziert und mit hohen privaten Kosten verbunden (den welthöchsten),  das Tracing glückte ebenfalls immer noch nicht, und mit dem Impfen kamen die Kantone auch nicht voran. Auch hatte man mangels professionellem Daten-Management immer noch nicht herausgefunden, wie sich dieses Virus übertrug. Ein Jammer.

Konsequenterweise wollte Helvetien auch nicht bei dem internationalen Projekt des Digitalen Impfpasses mitmachen – das heisst, es wollte schon, vielleicht, aber es brauchte Vernehmlassungen. Seit September 2021.

Am 4. Oktober 2021 hatte sich Waldmeyer übrigens impfen lassen. Er hatte den russischen Impfstoff gewählt. Das Datum war alles andere als ein Zufall: Auf den Tag genau vor 64 Jahren schossen nämlich die Russen Sputnik I in die Erdumlaufbahn, und jetzt schoss sich Waldmeyer eben dieses Sputnik V.

Aber zurück zum Schweizer Corona-Management: Seit 2021 waren immer mehr Test-Verweigerer auszumachen. Der Bundesrat hätte zwar eine nationale Testpflicht anordnen können, tat es jedoch nicht, und die kantonalen Behörden konnten sich so nicht durchsetzen. Erwähnenswert ist, dass sich Waldmeyers Schwester Claudia (frühpensionierte Lehrerin, SP, Kurzhaarfrisur, lustige farbige Brille) beim Fondue-Essen bei Waldmeyers noch an Weihnachten 2022 als Impfgegnerin geoutet hatte – und sie war nicht die einzige.

Die Restaurants waren – nun im Juli 2024 – immer noch zu, fast alle Läden auch. Sogar der Teppichladen – sicher ist sicher. Kurzfristig gingen ein paar Läden mal auf, damals im Frühjahr 2020, aber nicht für lange. Bundesrat Maurer (er wollte sein Mandat nochmals um ein Dezennium verlängern) verteilte inzwischen, zusehends zerknirscht, noch mehr Millionen, um alle durchzufüttern. Die Kurzarbeit wurde übrigens für alle auf vier Jahre erhöht. 

Für die Skistationen hatte man das bereits seit der Wintersaison 21/22 bewährte Verteilsystem gewählt: Das Wallis durfte die Saison von anfangs Dezember bis 15. Januar bestreiten, die Innerschweiz und Bern vom 16. Januar Mitternacht bis Ende Februar (da nur zu dieser Zeit dort richtig Schnee liegt), Graubünden dann vom 1. März um Mitternacht bis Saisonschluss. Das hatte den Vorteil, dass während den jeweils kurzen sechs Wochen regionaler Intensiv-Saison die Fallzahlen lokal schön ansteigen durften – bis zum Saisonabbruch, dann jeweils mit einer kantonalen Ganzquarantäne. Die nächste Region konnte dann wieder sauber mit tiefen Fallzahlen starten, bis zum Peak jeweils – und dann eben mit einem frühen Abbruch wieder enden. Ein genialer eidgenössischer Kompromiss, betriebswirtschaftlich zwar alles andere als sinnvoll, aber die Corona-Patienten konnten so doch fair auf alle Kantone verteilt werden. Und die Hotellerie und die Restaurants erhielten inzwischen während der Schliessungszeiten attraktive Subventionen. Die Engländer hatten dieses Saisonwechsel-Konzept natürlich sofort durchschaut und wechselten elegant die Skigebiete. Sie störten sich auch nicht an den Flüssignahrungs-Stationen, die nun an den Takeaways in den Skigebieten überall errichtet wurden – die britischen gastronomischen Ansprüche liessen dies problemlos zu, und mit einiger Übung konnte die Kraftnahrung einfach durch die Maske hindurchgeschlürft werden. Stehend natürlich und auf den Skiern, mit den Stöcken an den Händen (eine Vorschrift des BAG, um das Social Distancing für alle Ethnien gleichermassen aufrecht zu erhalten).

Im europäischen Ausland herrschte inzwischen wieder mehr oder weniger Normalbetrieb. Nur eben in der Schweiz immer noch nicht. Trotz mahnender Worte Bersets („Wir müssen einfach sehen, dass wir daran denken, Beschlüsse zu fassen…“). Aber die Kantone brachten die Fallzahlen einfach nicht dauerhaft auf 0,0 runter. Vergeblich wartete Simonetta Sommaruga immer noch auf diesen doch so oft beschworenen Ruck in der Bevölkerung, welcher das Virus wohl endgültig vertreiben sollte.

In einer Verzweiflungsaktion verordnete am 17. Mai 2024 Bundespräsidentin Karin Keller-Suter ein schweizweites „Ausgangsverbot“. Keine „Ausgangssperre“, das wäre zu weit gegangen. Also einfach „kein Ausgang“. Ab 20:00 bis 05:00 galt: Bleiben Sie zuhauseVorsichtshalber musste dann überall auch das Licht gelöscht werden.

Waldmeyer atmete tief durch auf dem Balkon. Er war erleichtert, dass Träume glücklicherweise fast nie wahr werden und genoss das Lichtermeer über Meisterschwanden. Er versuchte nun, den letzten Teil seines Traumes zu rekonstruieren: Sein Nachbar Freddy Honegger und Bettina (Anhängerin von allerlei Verschwörungstheorien) wollten nämlich übers Wochenende nach Kopenhagen. Dies trotz vieler Handicaps für Schweizer Reisende, welche inzwischen ziemlich geächtet waren. Im Vergleich zu den meisten Europäern verfügten Honeggers allerdings über keinen Digitalen Impfpass, deshalb mussten sie einen Covid-19-Test vorlegen – und zwar einen mit einer notariellen Beglaubigung. So eben auch bei der Ankunft in Kopenhagen. Sie wählten den Schalter „All Passports, except SCP“.

Bettina lächelte triumphierend, als sie ihren schönen roten Pass durch den schmalen Schlitz unter dem Glas durchschob. Der Grenzbeamte schrie laut auf und ging hinter dem Schalter in Deckung. Ein Deutscher Staatsbürger tippte Ursula von hinten auf die Schulter: „Können’se denn nich lesen? No SCP – keine Schweizer Covid Pässe!!!“

Und das war eben der Moment, als Waldmeyer aus den Schlaf aufschrak. „Max, wieso stehst du nackt auf dem Balkon und schaust zu Bettina Honegger rüber?“, hörte er plötzlich Charlotte aus dem Schlafzimmer rufen.Waldmeyer war plötzlich hellwach: „Schatz, ich kann dir alles erklären.“

Waldmeyer und das europäische Tollhaus

Oder warum Waldmeyer Italien aufkauft 

Waldmeyer beobachtete schon länger: Die Schuldenberge in Europa nehmen zu, und zwar in einem gigantischen Ausmass. Die italienische Schuldenquote beispielsweise stieg 2020 auf 159% des BIPs, die Spaniens auf 122%, Griechenland knackte die 200er-Marke. Irgendwie und irgendwo wurde offenbar Rettungspolitik mit Konjunkturpolitik vermischt. Und mittels Notenpresse werden de facto künstliche Einkommen erzeugt, Bürger und Firmen profitieren und erhalten Geld. Seit Lehman Brothers – Waldmeyer hatte nur einen Monat zuvor, im August 2008, seinen ersten Porsche Cayenne (schwarz, innen auch) gekauft – hatte sich die Euro-Geldmenge sage und schreibe versiebenfacht. Grund genug für Waldmeyer, sich eine neue Geldstrategie zurechtzulegen. Doch dazu später.

Waldmeyer, als ehemaliger Unternehmer soweit mikroökonomisch gestählt, fühlte sich plötzlich, zumindest was die Makroökonomie betraf, hilflos und leer. Das europäische Perpetuum mobile war einfach ein Rätsel: Die Schuldenexplosion bleibt nämlich ohne Folgen – es geht einfach weiter.

Italien erhält nun aus dem Corona Hilfsfonds über 200 Milliarden Euro. Premier Conte, jetzt zwar abgehalftert, war clever genug, sich quasi eine carta biancha auszuhandeln, wie er das Euro-Manna verwenden darf. Und nun ist es Mario Draghi vergönnt, dem ex EZB-Chef und wundersamen Geldvermehrer, diese 200 Euro-Milliarden zu verteilen –  natürlich eine schöne Aufgabe.

Bereits fliessen drei Milliarden als frische Kapitalisierung in die neue Alitalia ITA ein – 12 Milliarden hat die seit Jahren marode Airline den italienischen Staat bereits gekostet.

12 Milliarden! Das entspräche, nur so zum Vergleich, rund 100’000 neuen, gut ausgestatteten Porsche Cayenne – was einer Wagenkolonne von Meisterschwanden bis nach San Gimignano gleichkäme. Schön viel, nur für eine Airline, zumal man mit den 100‘000 Porsches eine halbe Million Italiener transportieren könnte. Das Sümmchen von 12 Milliarden entspräche auch dem zehnjährigen BIP des Kantons Appenzell Innerrhoden (was Waldmeyer wiederum weniger schockierte, zumal der Minikanton über keinen Flughafen verfügt). Trotzdem: Die Kosten für solche Airlines scheinen gigantisch zu sein. Die Swiss wird auch noch ein paar Zuschüsse einfordern, reflektierte Waldmeyer weiter, ein Ende dieser Agonie scheint ebenso wenig in Sicht. 

Aber zurück zum Bel Paese: Der italienische Staat übernimmt zurzeit weitere grosse Konzerne, so beispielsweise den maroden Stahlkonzern AM, mithin der grösste europäische Stahlkocher. An allen Ecken und Enden wird also verstaatlicht.

Auch bei Renault in Frankreich sitzt der Staat als Copilot in den mit viel Plastik bewehrten und schwer verkäuflichen Fahrzeugen. Nicht systemrelevante Firmen schlüpfen nun vermehrt, elegant getarnt mit Pandemiehilfen, unter staatliche Schutzschirme. Frau von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, sekundiert von Madame Lagarde, der Chefin der Europäischen Zentralbank EZB (sehr spendabel, wie der Vorgänger Draghi),  zeigen sich grosszügig und verteilen Billionen. Richtig: echte Billionen, nicht nur die angelsächsischen mageren „billions“. Die beiden Damen scheinen zudem das stillschweigende Plazet von Mutti Merkel zu geniessen. Dieses feminine Triumvirat aus Nicht-Ökonomen scheint hier aus ökonomischer Sicht ein ganz toxisches Süppchen zu kochen.

Ja, da geschieht so einiges unter dem Deckmäntelchen von Corona. Allerdings bezahlen vor allem die Deutschen die Rechnung, plus die Holländer und die Skandinavier. Die Briten haben sich bekanntlich abgeseilt und beschäftigen sich nun lieber mit sich selbst.

Banken, Medienkonzerne, Werften, Energieunternehmen, Börsen, Fluggesellschaften: Viele Firmen und Konstrukte in Europa sind nicht mehr überlebensfähig. Und so werden diese Zombie-Konzerne verstaatlicht oder im besten Fall durchgefüttert. Allerdings torkeln auch im Privatbereich viele Zombie-Firmen durch die Wirtschaftswelt. Aber Banken statten sie einfach mit billigem Geld aus, welches sie gratis von ihren Zentralbanken erhalten. Letztere kaufen auch schon mal, mittels eigens geschaffenem Geld, diverse Werte direkt an der Börse zusammen. Und wie wir wissen, kauft die EZB auch fast unbegrenzt Staatsanleihen ihrer klammen Länder auf; vor allem die de facto wertlosen Papiere Italiens (welche magischerweise trotzdem mit 0.5% rentieren, was sonst nur supergesunde Staaten schaffen) wiegen derzeit etwas schwer in diesen illustren Portefeuilles der Zentralbanken.

La Cage aux Folles, besetzt mit den verantwortlichen Staatsdienern der Finanzwelt? Max Waldmeyer versuchte, dieses absurde Gebaren zusammenzufassen: Es wird also schier unbegrenzt Geld gedruckt und anschliessend gratis oder nahezu mit Nullzinsen in marode Wirtschaftszweige  gepumpt.

Waldmeyer überlegte in der Folge, ob er nun ebenso umdenken und (beispielsweise nur) die Hotelbuchung in der Toscana stornieren sollte? Alternativ könnte er das Hotel nämlich einfach kaufen. Geld kostet ja nichts. In Dänemark wurden jüngst Hypotheken mit negativen Zinsen vergeben. Vielleicht liesse sich auch in Italien eine Bank finden, welche, auch nur beispielsweise, dieses hübsche Hotel Castello Rosato finanzieren würde, mit einer Hypothek von 0.25%. Waldmeyer hätte also ein regelmässiges Zusatzeinkommen – und dies aus einer Schuld! Plus das Castello natürlich.

Man könnte noch ein bisschen grosszügiger denken. Think big, mit einer gewissen römischen Grandezza eben: „Charlotte, vielleicht sollten wir ganz Italien kaufen!“, seufzte Waldmeyer vor sich hin.

Charlotte antworte, wie sie immer antwortete in solchen Fällen: nämlich gar nicht.

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