Waldmeyer und die Prozentillusion

Oder warum Aufholen schwieriger ist als Verlieren

Die Passagierauslastung der Swiss lag letztes Jahr bei etwas über 30%; scharf gerechnet fehlen also 70%. Aber an reinem Flug-Umsatz und -Profit fehlten mehr, denn erstens konnte ein leidlich laufendes Frachtgeschäft das Bild etwas verschönern und zweitens fehlten die lukrativen Langstrecken sowie die fetten Margen der Businessflüge. Im klassischen Fluggeschäft gälte es, rund 80% Umsatzeinbruch aufzuholen. Das könnte jedoch in 4 Jahren, würden in Folge schöne 20%-Steigerungen hingelegt, kompensiert werden. Wirklich? Waldmeyer rechnete kurz nach: Richtigerweise würde es fast 9 Jahre mit kontinuierlichen 20%-Schritten brauchen, bis die flügellahme Airline das Ergebnis von 2019 übertroffen hätte. Waldmeyer war entsetzt – um ein Haar wäre er der Prozentillusion erlegen.

Die ganze Misere verhält sich eben so wie mit Waldmeyers UBS-Aktien. Vor dem Kaminfeuer sitzend, liess er (zum wiederholten Male) diese Bank-Agonie Revue passieren – bzw. versuchte, sein persönliches Investitions-Desaster zu verarbeiten: Einst als vorsichtige, langfristige Anlage bei CHF 40 gekauft (es mag vor gut 20 Jahren gewesen sein), überschritt die UBS-Aktie 2007 den Peak von CHF 70. Heute dümpelt sie bei rund CHF 15 rum. Also über 60% unter Einstand und fast 80% unter dem Allzeithoch. Und hier zeigt sich eben das bekannte Prozentdrama: Aufholen ist immer schwieriger als Verlieren. Eine theoretische Aufholjagd bis rauf wieder zu Waldmeyers Einstand würde ein Wachstum von 167% bedingen, zu schaffen zum Beispiel in 6 Jahren mit kontinuierlichen 20%-Sprüngen. Oder zurück zum Peak mit einer fetten 367%-Steigerung, zu schaffen vielleicht mit 20%-Sprüngen in fast 9 Jahren. 2030 etwa wäre es dann soweit. Good luck. Waldmeyer schenkte sich gleich etwas Cognac nach. Aber er rechnete weiter.

Das ganze Unterfangen schien sich durch eine gewisse Hoffnungslosigkeit auszuzeichnen. Vor allem, wenn sich dazwischen wieder mal ein kleiner Crash einordnen würde, zum Beispiel von 40%, der sich im folgenden Jahr nur mit einem Plus von 67% ausbügeln liesse. Aber eigentlich nur mit einem Gewaltssprung von 100%, um auf dem 20%-Pfad zurückzukehren.

Bei der CS Aktie, so rechnete Waldmeyer kurz durch, sieht es auch nicht besser aus: Der Peak wurde 2007 mit einem Kurs von fast CHF 90 erreicht, vor übrigens 20 Jahren stand die Aktie auch schon einmal dort. Heute, ein Jammer, liegt der Kurs bei rund CHF 10. Die virtuelle 20%-Aufholjagd würde tatsächlich bis 2033 dauern, müsste das Allzeithöchst wieder erreicht werden. Verlorene 30 Jahre wären dann zu verzeichnen. Aber das gilt natürlich nicht für alle: Das oberste Bankenkader konnte in diesem Zeitraum sehr schöne Millionen-Boni einstreichen. 

Die Deutsche Bank übrigens liegt im gleichen Fahrwasser wie die helvetischen Institute: Dort würde die Aufholjagd, nach Waldmeyers 20%-Muster, auch fast 12 Jahre dauern.

Mit der Swiss nun mag es ähnlich sein. Deren Aktienkurs – also der der Lufthansa, denn die Swiss gehört ja nicht mehr zu uns – stand schon mal bei 30 Euro, die Zahl 7 hatte sie auch schon gesehen, zurzeit werden 11 dafür bezahlt. Immer noch beachtlich, bei diesen Milliardenverlusten. 

Wenn Mutti Merkel und ihr SPD-Adlat Scholz, quasi als finanzielle Copiloten, nicht im Cockpit hocken würden, würde der Kurs wohl den Boden berühren. Waldmeyer hatte schon im März vor einem Jahr geraten, die Swiss, diesen Kranich mit dem Schweizerkreuz, zu grounden. Niemand wollte auf ihn hören.

Unabhängig von den mannigfaltigen Rentabilitätsproblemen gälte es heute bei der Swiss, die CHF Mia 1.85 Umsatz von 2020 wieder auf die Mia 5.1 von 2019 hochzubringen. Der Umsatzverlust von 80% im klassischen Passagiergeschäft könnte, wie eingangs von Waldmeyer berechnet, elegant mit 20%-Schritten in 9 Jahren wieder wettgemacht werden. Klar, vielleicht würde man noch 7 Jahre lang Verluste verzeichnen, bis ein Break-even wieder erreicht ist. Und, einverstanden, vielleicht könnte 2022 auch ein 30%-Plus drin liegen; aber dann später, auch im 9. Jahr, immer noch zweistellige Zuwachsraten hinzulegen, grenzt schon eher an Woodoo-Zauber.

Auf diesem sportlichen theoretischen Aufholpfad (nehmen wir uns Waldmeyers 20%-Schritte vor) dürfte es allerdings auch hier, wie bei den Banken, nie einen Unterbruch geben. Waldmeyer seufzte. Ein solcher Plan würde wohl zu einem Irrweg ins Nirwana verkommen. Leider vermutlich auch bei der UBS. Und bei der CS.

„Charlotte, die UBS sollten wir verkaufen, es ist hoffnungslos!“, meldete Waldmeyer zum andern Fauteuil vor dem Kamin rüber. „Ja, wer sollte denn so eine Bank kaufen?“, fragte Charlotte ratlos.

„Wir fragen den Scholz“, entgegnete Waldmeyer und schenkte sich nochmals Cognac nach.

Soll Waldmeyer aufhören mit dem Essen?

Waldmeyer grübelte über den neuen Corona-Statistiken. In welchen Ländern gibt es relativ viele Todesfälle? Z.B. in den USA, auch in UK. Aber auch in Deutschland ist die Todesrate zurzeit ziemlich hoch, trotz rigider Lockdowns.

Die zweite Statistik nun: Die meisten Todesfälle betreffen über 80-Jährige. 

Die dritte Statistik: Alle diese drei Länder verfügen über eine Population mit einem erhöhten BMI, alle sind also ziemlich fett.

Die vierte Statistik: Der Grossteil der Corona-Toten war übergewichtig – so eine neue Studie aus Grossbritannien.

Waldmeyer erschrak: Hier zeigte sich plötzlich eine neue Korrelation, die selbst die schlauesten Mediziner noch nicht entdeckt hatten. Die Länder verbindet etwas. Wie sollte das Waldmeyer nun formulieren? Und was bedeutete das für ihn persönlich?

Die fünfte Statistik öffnete Waldmeyer endgültig die Augen: In Deutschland zum Beispiel sind ein Drittel der Leute übergewichtig, bei den über 75-Jährigen sind es jedoch hohe 70%! Also: An Corona sterben vorab Alte, die gleichzeitig übergewichtig sind. Oder: Man stirbt schneller mit Übergewicht, auch schneller, wenn man älter ist. Was – separat betrachtet – keine neue Erkenntnis ist. Aber neu ist die Korrelation Übergewicht/Alter/Coronatod. Fazit: In Deutschland z.B. stirbt man demnach eher an (oder mit) Covid-19, weil dieses Land einen hohen Altersdurchschnitt aufweist (im Median sogar einer der höchsten weltweit), gleichzeitig jedoch auch, weil das betroffene Alterssegment ein signifikant höheres Übergewicht verzeichnet. Oder ist das alles vielleicht doch nur ein gastronomisches Problem?

Letzten Monat starben in der Schweiz – trotz dreimal höherer Inzidenz als in Deutschland – rund dreimal weniger Leute (im Verhältnis zur Population natürlich). Also war das Corona-Sterberisiko in der Schweiz rund neunmal geringer als in Deutschland. Und dies, obwohl die Skiterrassen so lange offen blieben und der hiesige Lockdown im Vergleich zu Deutschland nur ein Lockdownchen war und ist. Haben all die Corona-Massnahmen also kaum einen Einfluss, geht es letztlich etwa nur ums Gewicht der Leute? Wie würde Waldmeyer nun mit dieser Erkenntnis das Land coronamässig managen?

Komisch, aber vielleicht ebenso coronabedingt ist, dass sich neuerdings viele Leute beim Essen filmen. Tatsächlich. Waldmeyer wunderte sich über den neuen Trend: „ASMR“. ASMR ist die Abkürzung für Autonomous Sensory Meridian Response, ein Phänomen, für das es bis jetzt keine sinnvolle deutsche Übersetzung gibt, das in den USA zurzeit jedoch ein grosses Thema im Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme ist.

Man filmt sich demnach, wenn man isst und stellt es nachher ins Netz. Tausende schauen zu und lauschen den Schmatz- und Kaugeräuschen. Spannend! Nun, man darf sich fragen, warum das spannend sein soll. Die Manchester Metropolitan University fand immerhin heraus, dass diejenigen, die ASMR Videos anschauten, während den Sitzungen signifikantere Senkungen der Herzfrequenz aufwiesen im Vergleich zu denen, die die Videos nicht gesehen haben. Auch zeigen die Probanden einen deutlichen Anstieg positiver Emotionen, Entspannung und ein Gefühl des „sozialen Eingebundenseins“.

Was ASMR nun mit Corona zu tun hatte? Vordergründig natürlich nichts. Aber Waldmeyer sah darin trotzdem weitere deutliche Zusammenhänge: Je länger die Lockdowns gehen und Homeoffice angesagt ist, desto eher wird sich ASMR ausbreiten. Und dieses Sich-beim-Essen-Filmen wird den BMI natürlich eher hochtreiben! Vor allem in den USA. Wenn die ASMR-Welle nach Deutschland überschwappt, wird es auch hier noch mehr Corona-Tote geben. 

Doch zurück nun zu Waldmeyers Management-Strategie: Als CEO des Bundes, wenn er denn ein solcher wäre (ähnlich seinen Management-Rollen zuvor), würde sich Waldmeyer nun einfach alle übergewichtigen alten Personen über 80 vorknöpfen, ihnen eine Diät verschreiben und verbieten, sich beim Essen zu filmen. Und er würde ihnen ein besonderes Schutzkonzept verpassen, sie unter Beobachtung halten, testen, abschirmen, impfen oder was auch immer. Der Rest des Landes könnte dann ohne Einschränkungsmassnahmen weitermachen. Voilà.

„Du bist auch übergewichtig, Max, und du wirst auch irgendwann 80“, meinte Charlotte lakonisch. Das half Waldmeyer indessen nicht viel weiter. Fett sein erhöht einfach das Sterberisiko. Er wusste, dass sein BMI bei 25 liegt – allerdings grosszügig gerechnet, nur morgens, nach der Toilette, ohne Frühstück und rasiert.

„Schatz, kommst du zum Frühstück“, flötete Charlotte aus der Küche. Waldmeyer lavierte zwischen zwei Antworten: A: „Nein, ich esse nichts“, und B: „Ok, aber nur, wenn du die Kamera einschaltest“. Er entschied sich für B. Charlotte wusste noch nicht, was auf sie zukommt.

Waldmeyer klagt den Bundesrat ein

Oder warum Waldmeyer suggeriert, dass die sieben Bundesräte vielleicht ins Gefängnis müssen

Vor gut zwei Wochen stand Waldmeyer vor dem Regal im Coop und konnte das Bastelbuch für seinen Neffen Tim nicht kaufen. Gesperrtes Sortiment. Jetzt hatte Waldmeyer endgültig genug. Nicht nur von all den Lockdown-Massnahmen, sondern generell vom Versagen der Regierung. Der Bundesrat befand sich nun wohl auf dem Höhepunkt seiner Strähne an Miss-Management. Ein Versagen, welches inzwischen an Vorsätzlichkeit grenzt. Waldmeyer überlegte nun, ob er nicht den gesamten Bundesrat einklagen sollte. 

Waldmeyer verharrte vor dem gesperrten Gestell und liess sich, sozusagen als „brain-gym“,  sieben mögliche Anklagepunkte durch den Kopf gehen:

Klage Nummer 1 könnte das „Masken-Gate“ betreffen. Hier lautet die Anklage auf Verschleppung des Vorsorgeauftrages und auf grobfahrlässige Fehler bei der Beschaffung. Und es ging auch um bewusste Falschinformation des Volkes betreffend der Wirksamkeit der Masken.

Klage Nummer 2: die Corona-App. Hier lautet die Anklage auf vorsätzliches Missmanagement.

Klage Nummer 3: das Tracing: Hier wollte sich Waldmeyer auf eine Unterlassungsklage konzentrieren. Es wäre auch ein Tatbestand von Betrug zu prüfen, nach StGB Art. 146.

Klage Nummer 4: das Testing. Allen Beteuerungen des Bundesrates betreffend der hohen Notwendigkeit des Testens zum Trotz hatte er die Organisation nicht richtig an die Hand genommen. Seine Aufgabe hatte er vorsätzlich nicht erfüllt: Es handelt sich mithin um eine Irreleitung des Volkes. Der Aufbau eines Lügengebäudes könnte locker nachgewiesen werden, was eine gute Prozesschance ergeben dürfte. Das kürzlich angekündigte Massen-Testing wird zudem an der Erhältlichkeit der Tests scheitern: Vorspiegelung falscher Tatsachen!

Klage Nummer 5: die Impfstoffe. Ein kleines Land wie die Schweiz hätte frühzeitiger eine Beschaffung sicherstellen können. Und zwar mit einer breiteren Risikoverteilung betreffend potentieller Impfstoffe. Bereits im August und später nochmals im Dezember letzten Jahres gingen die Bundesbehörden z.B. auf die russische Anfrage betreffend Interesse an Sputnik V nicht einmal ein – das BAG antwortete einfach nicht. Handelt es sich hier einfach nur um Unvermögen? Führungsmangel? Oder eben doch um vorsätzliche Verschleppung? Nein, Waldmeyer kokettierte mit einem Fall von fahrlässiger Unterlassung und fahrlässiger Körperverletzung.

Klage Nummer 6: die Impforganisation. Andere Länder schaffen es, regionale und effiziente Impfzentren einzurichten. Der Bundesrat überliess jedoch bequemerweise alles den Kantonen. Diese verschickten schon mal an alle Hausärzte 100 Ampullen (so geschehen im Kanton Zürich), unbesehen der tatsächlichen Nachfrage und eines verlässlichen Impfplanes. Können die Regierungen es einfach nicht besser und sind damit entschuldigt? Nein, meint Waldmeyer, es handelt sich auch hier um eine grobfahrlässige Unterlassung mit Schadenfolge. 

Klage Nummer 7 betraf die Lockdowns und andere Einschränkungen. Waldmeyer ging ein Licht auf: Diese Freiheitsbeschränkungen sind nur das Resultat aus den Einzelvergehen 1 bis 6. Denn viele der Lockdown-Massnahmen wären gar nicht notwendig gewesen, hätte man in den 6 Disziplinen einen guten Job gemacht. Also könnte das Vergehen Nummer 7 nicht einfach eine zufällige Folge der vorangegangenen Einzelvergehen dar, sondern, aufgrund des Kausalzusammenhanges, gar ein minutiös geplantes Kapitalverbrechen darstellen?

Waldmeyer dachte kurz an den Tatbestand einer Geiselnahme (wegen den Lockdowns) sowie die physische und psychische Verletzung von Millionen von Individuen. Nein, ein Vergleich mit Stalin oder Mao zum Beispiel wollte Waldmeyer nicht konstruieren, das wäre doch etwas geschmacklos. Aber mit dem aktuellen China z.B. wäre ein Vergleich angezeigt: China überwacht alle seine Bürger mit wasserdichten digitalen Methoden, erstellt Profile und ein Punktesystem, woraus sich dann die individuell noch erlaubten Freiheitsgrade ergeben – bzw. die Freiheitsbeschränkungen. Die Schweizer Regierung macht das natürlich nicht so raffiniert wie die Chinesen, bei den helvetischen Freiheitsbeschränkungen handelt es sich aufgrund der vielen Einschränkungen im zivilen Leben eher um analoge Quälereien. Zudem gälte es noch, die Schadenersatz-Klagen zu quantifizieren, welche sich aus den zum Teil vermeidbaren Einschränkungen ergeben. Dabei handelt es sich um Milliarden-Schäden, die der Wirtschaft und dem Bund (aufgrund der teuren Hilfsmassnahmen und der erhöhten Schuldenlast) erwachsen sind.

„Weisch, isch gschperrt!“, sagte die serbo-kroatische Coop-Angestellte zu Waldmeyer. Waldmeyer versuchte, immer noch vor Tims Gestell mit den Büchern, sich auf seine Klagestrategie zu konzentrieren. Das Fass zum Überlaufen hatte nun das aktuelle Impf-Management gebracht: Weltweit ist es üblich, dass Covid-19-Geimpfte einen Eintrag in einem Impfpass (künftig wohl vermehrt einem digitalen) oder zumindest eine behördliche und offizielle Impfbescheinigung erhalten. In der Schweiz jedoch werden in den meisten Kantonen die Bürger nach der Impfung einfach mit einem Handzettel nach Hause geschickt, mit dem Versprechen, dass dann später noch eine richtige Impfbestätigung nachgereicht würde.

Dabei wäre es doch ausserordentlich wichtig, eine professionelle Database mit allen Impfdaten aufzubauen! Der Bund hat dies jedoch verpasst. In den einzelnen Kantonen werden im besten Fall nur ein paar Excel-Tabellen nachgeführt. Was nämlich interessant und unabdingbar wäre: zu wissen, welche Art von Leuten wann geimpft wurde, welche Personen später trotzdem infiziert werden, wie (aufgrund der Tests und des Tracings) eine Weitergabe des Virus dennoch stattfindet. Die Beobachtung der Wirkung der Impfstoffe und der Einfluss der Impf-Abfolge müssten doch aufgezeichnet werden! Dafür bräuchte es nur eine einfache elektronische Datenerfassung bei der Impfung. Ein kleines Programm, welches mit Bestimmtheit irgendwo schon existiert und für dessen Beschaffung man nun mindestens ein halbes Jahr Zeit gehabt hätte. Denn nur dann könnten künftige Einschränkungen des öffentlichen Lebens auf diejenigen Massnahmen reduziert werden, welche sich aufgrund der Datenverfolgung als wirkungsvoll und sinnvoll ergeben. Also nochmals eine zusätzliche Unterlassungsklage? Waldmeyer war jetzt schon froh, den Wust an Klageschriften nur virtuell durchgehen zu müssen.

Bei solchen Kapitalfehlern – wie eben mit der Impf-Database – hätte Waldmeyer früher (als CEO noch) einen leitenden Mitarbeiter kurzerhand gefeuert. Es kann doch nicht sein, dass man bei Regierungsmitgliedern solche Fehler nur als Führungsversagen, unglückliche Verschleppung oder schlicht verzeihbares Unvermögen klassifiziert. Nein, hier scheint eine gewisse Vorsätzlichkeit vorzuliegen – was eben eine Klage rechtfertigen würde. 

Waldmeyer überlegte sich noch kurz, ob er nun direkt zum Internationalen Gerichtshof in Den Haag oder zum Europäischen Gerichtshof in Strassburg gehen könnte. Also ohne den lästigen Umweg über die Schweizer Gerichte und das Bundesgericht – das würde nämlich zu lange dauern. Wohl länger, als bis mit Covid-25 das nächste Regierungsversagen eingeleitet würde.

Waldmeyer stand immer noch vor dem Regal mit den verbotenen Büchern. Er war ziemlich zufrieden mit seiner Klagestrategie. Ein ganzer Strauss an Klagen kam zusammen: Unterlassungsklagen, Beseitigungsklagen, Feststellungsklagen, Schadenersatzforderungen. Und eben das mit der Geiselnahme. Ein Glück, dass Waldmeyer nie in die Politik eingestiegen ist. Wäre er jetzt nämlich Bundesrat, müsste er sich selber verklagen.

Waldmeyer schnappte sich das verbotene Bastelbuch für Tim und verliess den Supermarkt via Self-Scanning.

Waldmeyer und die Permutation

Oder warum die Individualisierung unseres Lebens zu teuer wird

Permutation ist etwas, was eigentlich fast niemanden interessiert. Unter dem mathematischen Begriff versteht man bekanntlich die Anordnung und Kombination von Objekten. Wie viele Varianten können aus x Möglichkeiten kombiniert werden?

Waldmeyer überlegte: Wenn seine Tochter Lara nun einen Serben heiraten würde, dieser wiederum fünf Geschwister und 12 Cousins hätte: An wie vielen Geburtstagen und Hochzeiten in wieviel verschiedenen Gästezusammensetzungen er wohl erscheinen müsste? Korrekterweise müssten allerdings die verfemten Hochzeiten zwischen Cousins und Cousinen vom Total der Kombinationsmöglichkeiten subtrahiert werden. Aber Waldmeyers Permutations-Problem ist viel komplexer. Doch dazu später.

Henry Ford würde sich im Grabe umdrehen

Mehr noch fesselte Waldmeyer nämlich seine nächste Fahrzeugbestellung: Motorenauswahl, Getriebe, Farbe, Innenausstattung, elektronische Gadgets, usw. Eine endlose Konfiguration.

Dank intelligenter Prozess-Steuerung ist produktionsmässig heute fast alles spielend möglich. Armaturenbrett in Kevlar? Oder Walnut? Oder doch Klavierlack? Aber es muss passen zum Leder des Gestühls. Dann kommen noch die komplizierten Fragen betreffend der Varianten von Soundsystemen dazu. Darunter gibt es auch derart starke Ausführungen, welche wattmässig einer SVP-Veranstaltung im Albisgüetli oder der Lautsprecherdurchsage in einer spanischen Flughafenhalle genügen würden.

Die Kombinationsvarianten führen letztlich dazu, dass schliesslich kaum mehr ein Auto dem andern gleicht. Alles ist tailor-made. Das ist eine unglaubliche Errungenschaft der digitalen Industrialisierung. Henry Ford würde sich allerdings im Grabe umdrehen: „You can order any color as long as it‘s black“.

Die Optionenliste reicht bis zum Mond

Waldmeyer reflektierte kurz, ob Henry Fords Satz heute, im Jahr von black lives matter, auch noch durchgehen würde. Seine Gedanken trugen ihn aber sofort zurück zu profanen mikroökonomischen Überlegungen: Warum nur braucht es, der Permutation folgend, mehrere Tausend Fahrzeugvarianten?

Ausgedruckt nimmt die Optionenliste bei der Fahrzeugbestellung gewisser Marken gefühlt wohl den Umfang von Goethes Faust ein, und die Auflistung aller möglichen und unmöglichen Kombinationsmöglichkeiten – eben der Permutation – würde vermutlich bis zum Mond reichen.

Waldmeyers Frau Charlotte meinte dazu nüchtern, dass das doch normal sei, auch Sofa-Kombinationen von angesagten Herstellern seien fast unbeschränkt möglich.

In Sachen Konfigurationsgeschmack sind die Briten schmerzfrei

Doch es gibt auch Eingrenzungen: Bei deutschen Fahrzeugherstellern z.B. sind besonders scheussliche Farbkombinationen (Aussenfarbe hellblau, rotes Leder, Kevlar-Armaturenbrett) gesperrt. Die britischen Hersteller sind hier wesentlich schmerzfreier: Auch die grässlichsten Kombinationen lassen sie durchgehen, sie erkennen diese nämlich gar nicht.

Tatsache ist nun mal, dass dank perfekter digitaler Produktionssteuerung zwar fast jede Konfiguration möglich ist, diese individualisierte Herstellung jedoch die ganze Produktion ungemein verteuert. Es entstehen die besonders toxischen „hidden cost“: In den Erfolgsrechnungen explodieren dann zum Beispiel die IT-Kosten. Diese müssen leider auf alle Produkte relativ gleichmässig umgelegt werden, und in der Folge ist einfach alles teurer, auch ein nicht-konfiguriertes Standardprodukt.

Kein Hersteller würde es wagen, die Investitionen in IT in Frage zu stellen, die Analysten würden dies sofort als mangelndes Bekenntnis zu Artificial Intelligence interpretieren. Versteckte Zusatzkosten entstehen auch bei der Beschaffung und Logistik von allerlei Einzelteilen, die es in mannigfaltiger Form zu kombinieren gilt. Alle diese Produktionsverteuerungen werden von der nackten Angst der Hersteller verdrängt, dass ein Wettbewerber noch mehr Modellvarianten anbieten könnte.

Simplify your life

Charlotte wollte ihren neuen Audi Kombi einfach schwarz, innen auch. „Simplify your life.“ Die restlichen Fahrzeug-Attribute waren ihr völlig egal. Sie wünschte sich also ein Standard-Auto – dementsprechend sollte auch der Preis geringer sein.

Aber das klappte nicht: Bei der Bestellung wurde sie zu genau 122 Fragen verdonnert: Dachhimmel dunkel oder in Standardfarbe elfenbein? Rückspiegel abblendbar oder nicht? Spurhaltesystem oder nicht? Ein Wunder, dass sie nicht zu ihrem Sexualleben befragt wurde.

Das Resultat war bedauerlicherweise so, dass ihre Konfiguration trotz der einfachen Optionen sehr teuer ausfiel. Charlotte war entsetzt: „Das heisst, dass wir mit diesem Standard-Kauf quasi die anderen Fahrzeuge subventionieren?“

Vermutlich hatte Henry Ford doch recht

Waldmeyer war weniger schockiert: „Dafür hast du nun die perfekte Individualisierung!“ Aber er wusste schon: Diese ad absurdum getriebene Individualisierung kostet zu viel. Vielleicht hatte Henry Ford doch recht? Zumal Charlotte eh nur schwarz wollte. Vermutlich hatte Waldmeyer damals für seinen Porsche Cayenne (schwarz, innen auch) auch zu viel bezahlt. Was Waldmeyer in der Tat störte: Eine Variantenreduktion könnte die Wettbewerbsfähigkeit vermutlich erhöhen, da preislich günstiger. Und logistisch wäre man eh noch flexibler bei den Auslieferungen.

Man sollte das ändern

„Man“. Also nahm sich Waldmeyer vor, mit einem CEO der Automobilindustrie zu sprechen. Zum Beispiel mit Akio Toyoda, dem Chef von Toyota. Aber wie kommt man an den Kerl ran?

Das Gespräch erübrigte sich, als Waldmeyer versuchte (nur spasseshalber natürlich), einen Toyota Landcruiser zu konfigurieren. Es gab nämlich kaum Varianten! Eigentlich war in allen Fahrzeugen schon alles drin. Er konnte mehr oder weniger nur die Farbe wählen, und der Innenraum war bereits so darauf abgestimmt, dass es eigentlich 99% der Kundschaft gefallen musste. Die Opportunität und Versuchung zur mühsamen Konfiguration erübrigte sich. Also erübrigte sich auch das Gespräch mit Mister Toyoda. Ob die westliche Industrie wohl auf dem Holzweg ist?

Auf jeden Fall beschloss Waldmeyer, sofort Toyota zu kaufen. Aber nicht das Fahrzeug, sondern die Aktien.

Waldmeyer und sein Schlüsselerlebnis in Jogjakarta

Oder wie man mit mikroökonomischen Erlebnissen im Dschungel umgeht – wieder einmal eine wahre Waldmeyer-Geschichte

Max Waldmeyer blickte, vom Sofa aus, über den Hallwilersee. Oder starrte zumindest dorthin, wo dieser unter dem Nebel liegen sollte. Die Coronazeit brachte es mit sich, dass man nicht gross reisen kann. Aber zumindest lassen sich vergangene Reisen umso schöner Revue passieren. Waldmeyer erinnerte sich so an sein Dschungelerlebnis, es war 1998. „Jogjakarta war schon sehr beeindruckend“, meldete Waldmeyer zu Charlotte rüber. Indonesien ist im Moment ohnehin brandaktuell – wegen der Palmöl-Geschichte und so, ein für die Schweiz vermutlich überlebenswichtiger Staatsvertrag.

In der Tat hatte Waldmeyer im indonesischen Jogjakarta ein persönliches Schlüsselerlebnis. Subjektiv sogar viel prägender als dieses geplante indonesisch-schweizerische Mickymaus-Abkommen.

„Eigentlich wolltest du damals ja nur nach Bali“, meinte Charlotte überrascht. Das war richtig. Waldmeyer, zu jenem Zeitpunkt noch in einer delikaten CEO-Position, sehnte sich eigentlich nur nach ein bisschen Erholung. Also bot sich, zum Beispiel, Bali an. Flugbashing gab es damals, vor gut 20 Jahren, noch keines und Pandemien waren noch nicht erfunden. Also konnte man beschwingt auch längere Reisen antreten. Es war sogar Charlotte, welche die Reisestrecke gar noch verlängerte; sie überredete Max zu einer ziemlich ausgedehnten Indonesien-Rundreise. Und erst am Schluss dann Bali. Es kamen einige Tempel zusammen.

Es geschah im Raum Jogjakarta: Hinter der sehr schönen Hotelanlage lag dieser Dschungel-Treck. Gleich am ersten Morgen machten sie sich auf den Weg. Max stapfte voraus. Alles sehr feucht, alles sehr grün, alles sehr dunkel. 

Plötzlich sprang ein ebenso dunkler Einheimischer hinter einem dieser dunklen Bäume hervor. Waldmeyer erschrak, Charlotte noch stärker. „Gudmoninsir“, begrüsste er beide. Parthorasan (nennen wir ihn so), präsentierte, fein säuberlich über seinen Unterarm gehängt, dunkle lange Socken. Es waren die Art Business-Socken, die kurze Zeit später, 1999, von diesem Startup Blacksocks im Abonnement angeboten wurden. Schwarze Kniesocken, Baumwolle, braucht man immer. Aber warum nur, um alles in der Welt, bot sie Parthorasan gerade hier im Dschungel zum Verkauf an? Waldmeyer war auf jeden Fall tief beeindruckt. Dieser Mensch musste offenbar durch ein besonders hartes Stahlbad von Sales-Trainings gegangen sein. Schwarze Kniestrümpfe  im tropischen Urwald anzubieten war in der Tat eine Leistung!

Überhaupt, reflektierte Waldmeyer weiter, wird „Sales“ unterschätzt. „Sales“ ist ja nicht einfach „Verkauf“. In der Businesswelt, insbesondere in der Konzernwelt, wird „Sales“ berechtigterweise sehr hoch eingestuft, dort ist dann „Sales“ sogar „Corporate Sales“. Karrieremässig überrunden die Sales-Manager oft die Marketing- und Finanzfritzen. Sales ist in der Regel hart, deshalb hatte Waldmeyer grösste Achtung vor diesen professionellen Sales-Leuten. Parthorasan gehörte genau in diese Kategorie. Für das anspruchsvolle Verkaufen braucht es nämlich Selbstvertrauen, Mut, Überzeugungskraft, auch Überraschungseffekte. Sales ist eben auch Psychologie in der Endstufe.

Der Nebel in Meisterschwanden und über dem See lichtete sich immer noch nicht. Charlotte riss Waldmeyer aus seinen Gedanken: „Max, warum hattest du damals gleich sechs Paar von diesen Socken gekauft?“

„Stimmt“, antwortete Waldmeyer. „Angebot und Nachfrage waren eigentlich nicht im Einklang. Es war ein Fehler, ich hätte verhandeln sollen. Preis/Menge stimmten nicht.“

Charlotte war nur partiell zufrieden mit der Antwort. Aber es war ihr eigentlich auch gleich. Hauptsache, Max hatte die Socken später nicht am Hotelpool getragen. 

Was blieb, so für Waldmeyer, war der Respekt vor diesen harten Sales-Jobs. Unmögliches möglich zu machen, das sind wahre Leistungen!

Aber eigentlich war die ganze Sockengeschichte ziemlich irrelevant. Wohl genauso irrelevant wie diese Abstimmung betreffend dem Freihandelsabkommen mit Indonesien, fasste Waldmeyer für sich zusammen. Zumal das Palmöl zum grössten Teil nämlich gar nicht aus Indonesien, sondern aus Malaysia kommt. Ob es dort auch Sockenverkäufer gibt?

Waldmeyers böser Corona-Traum 2024

Waldmeyer schrak schweissgebadet aus seinem Traum auf. Wieder so ein hässlicher Covid-Albtraum. Er schaute auf seinen Analogwecker (ein Geschenk von Charlotte, 1984) mit den grünen Leuchtziffern: 01:34.

Charlotte schlief tief. Waldmeyer trat nackt auf den Balkon, blickte auf die Skyline von Meisterschwanden runter und war erleichtert: Es brannten vereinzelt Lichter in den Häusern, die Strassenbeleuchtung funktionierte einwandfrei. Im Traum allerdings war das nicht so. Doch dazu später.

Dieser schmutzige Traum katapultierte Waldmeyer genau in die erste Juli-Woche 2024. Die Schweiz war – coronamässig – erst etwa gleich weit wie heute. Der Bundesrat fühlte sich für die Causa Covid nach wie vor nur partiell zuständig. Die Regierung schien weiter nur zu reagieren, anstatt zu agieren, und sie tat dies ziemlich irrlichternd und wenig datenbasiert. Die Inzidenzen lagen zwar relativ tief, aber die Fallzahlen gingen aufgrund des wirren regionalen Krisen-Managements lokal rauf und runter, mit ihnen allerlei Einschränkungen im Land. Die Kantone wurstelten sich weiter separat durch – und dies seit 2020. 

Das Ausland rundum hatte die Eidgenossenschaft bereits Ende 2021 klar überholt: Die konsequente Kontrolle der sanitären Auflagen, umfassendes Testen und Tracen sowie eine fast flächendeckende Durchimpfung hatten Früchte getragen. Lockdowns und dergleichen gehörten in ganz Europa der Vergangenheit an. Ausser in der Schweiz.

Die Schweiz gab sich vor allem Mühe, primär Warnungen und Verwarnungen auszusprechen. Die Corona-App funktionierte nach wie vor nicht richtig (die Preisgabe von privaten Daten war einfach zu gefährlich). Getestet wurde nur spärlich, es war zudem kompliziert und mit hohen privaten Kosten verbunden (den welthöchsten),  das Tracing glückte ebenfalls immer noch nicht, und mit dem Impfen kamen die Kantone auch nicht voran. Auch hatte man mangels professionellem Daten-Management immer noch nicht herausgefunden, wie sich dieses Virus übertrug. Ein Jammer.

Konsequenterweise wollte Helvetien auch nicht bei dem internationalen Projekt des Digitalen Impfpasses mitmachen – das heisst, es wollte schon, vielleicht, aber es brauchte Vernehmlassungen. Seit September 2021.

Am 4. Oktober 2021 hatte sich Waldmeyer übrigens impfen lassen. Er hatte den russischen Impfstoff gewählt. Das Datum war alles andere als ein Zufall: Auf den Tag genau vor 64 Jahren schossen nämlich die Russen Sputnik I in die Erdumlaufbahn, und jetzt schoss sich Waldmeyer eben dieses Sputnik V.

Aber zurück zum Schweizer Corona-Management: Seit 2021 waren immer mehr Test-Verweigerer auszumachen. Der Bundesrat hätte zwar eine nationale Testpflicht anordnen können, tat es jedoch nicht, und die kantonalen Behörden konnten sich so nicht durchsetzen. Erwähnenswert ist, dass sich Waldmeyers Schwester Claudia (frühpensionierte Lehrerin, SP, Kurzhaarfrisur, lustige farbige Brille) beim Fondue-Essen bei Waldmeyers noch an Weihnachten 2022 als Impfgegnerin geoutet hatte – und sie war nicht die einzige.

Die Restaurants waren – nun im Juli 2024 – immer noch zu, fast alle Läden auch. Sogar der Teppichladen – sicher ist sicher. Kurzfristig gingen ein paar Läden mal auf, damals im Frühjahr 2020, aber nicht für lange. Bundesrat Maurer (er wollte sein Mandat nochmals um ein Dezennium verlängern) verteilte inzwischen, zusehends zerknirscht, noch mehr Millionen, um alle durchzufüttern. Die Kurzarbeit wurde übrigens für alle auf vier Jahre erhöht. 

Für die Skistationen hatte man das bereits seit der Wintersaison 21/22 bewährte Verteilsystem gewählt: Das Wallis durfte die Saison von anfangs Dezember bis 15. Januar bestreiten, die Innerschweiz und Bern vom 16. Januar Mitternacht bis Ende Februar (da nur zu dieser Zeit dort richtig Schnee liegt), Graubünden dann vom 1. März um Mitternacht bis Saisonschluss. Das hatte den Vorteil, dass während den jeweils kurzen sechs Wochen regionaler Intensiv-Saison die Fallzahlen lokal schön ansteigen durften – bis zum Saisonabbruch, dann jeweils mit einer kantonalen Ganzquarantäne. Die nächste Region konnte dann wieder sauber mit tiefen Fallzahlen starten, bis zum Peak jeweils – und dann eben mit einem frühen Abbruch wieder enden. Ein genialer eidgenössischer Kompromiss, betriebswirtschaftlich zwar alles andere als sinnvoll, aber die Corona-Patienten konnten so doch fair auf alle Kantone verteilt werden. Und die Hotellerie und die Restaurants erhielten inzwischen während der Schliessungszeiten attraktive Subventionen. Die Engländer hatten dieses Saisonwechsel-Konzept natürlich sofort durchschaut und wechselten elegant die Skigebiete. Sie störten sich auch nicht an den Flüssignahrungs-Stationen, die nun an den Takeaways in den Skigebieten überall errichtet wurden – die britischen gastronomischen Ansprüche liessen dies problemlos zu, und mit einiger Übung konnte die Kraftnahrung einfach durch die Maske hindurchgeschlürft werden. Stehend natürlich und auf den Skiern, mit den Stöcken an den Händen (eine Vorschrift des BAG, um das Social Distancing für alle Ethnien gleichermassen aufrecht zu erhalten).

Im europäischen Ausland herrschte inzwischen wieder mehr oder weniger Normalbetrieb. Nur eben in der Schweiz immer noch nicht. Trotz mahnender Worte Bersets („Wir müssen einfach sehen, dass wir daran denken, Beschlüsse zu fassen…“). Aber die Kantone brachten die Fallzahlen einfach nicht dauerhaft auf 0,0 runter. Vergeblich wartete Simonetta Sommaruga immer noch auf diesen doch so oft beschworenen Ruck in der Bevölkerung, welcher das Virus wohl endgültig vertreiben sollte.

In einer Verzweiflungsaktion verordnete am 17. Mai 2024 Bundespräsidentin Karin Keller-Suter ein schweizweites „Ausgangsverbot“. Keine „Ausgangssperre“, das wäre zu weit gegangen. Also einfach „kein Ausgang“. Ab 20:00 bis 05:00 galt: Bleiben Sie zuhauseVorsichtshalber musste dann überall auch das Licht gelöscht werden.

Waldmeyer atmete tief durch auf dem Balkon. Er war erleichtert, dass Träume glücklicherweise fast nie wahr werden und genoss das Lichtermeer über Meisterschwanden. Er versuchte nun, den letzten Teil seines Traumes zu rekonstruieren: Sein Nachbar Freddy Honegger und Bettina (Anhängerin von allerlei Verschwörungstheorien) wollten nämlich übers Wochenende nach Kopenhagen. Dies trotz vieler Handicaps für Schweizer Reisende, welche inzwischen ziemlich geächtet waren. Im Vergleich zu den meisten Europäern verfügten Honeggers allerdings über keinen Digitalen Impfpass, deshalb mussten sie einen Covid-19-Test vorlegen – und zwar einen mit einer notariellen Beglaubigung. So eben auch bei der Ankunft in Kopenhagen. Sie wählten den Schalter „All Passports, except SCP“.

Bettina lächelte triumphierend, als sie ihren schönen roten Pass durch den schmalen Schlitz unter dem Glas durchschob. Der Grenzbeamte schrie laut auf und ging hinter dem Schalter in Deckung. Ein Deutscher Staatsbürger tippte Ursula von hinten auf die Schulter: „Können’se denn nich lesen? No SCP – keine Schweizer Covid Pässe!!!“

Und das war eben der Moment, als Waldmeyer aus den Schlaf aufschrak. „Max, wieso stehst du nackt auf dem Balkon und schaust zu Bettina Honegger rüber?“, hörte er plötzlich Charlotte aus dem Schlafzimmer rufen.Waldmeyer war plötzlich hellwach: „Schatz, ich kann dir alles erklären.“

Waldmeyer und das europäische Tollhaus

Oder warum Waldmeyer Italien aufkauft 

Waldmeyer beobachtete schon länger: Die Schuldenberge in Europa nehmen zu, und zwar in einem gigantischen Ausmass. Die italienische Schuldenquote beispielsweise stieg 2020 auf 159% des BIPs, die Spaniens auf 122%, Griechenland knackte die 200er-Marke. Irgendwie und irgendwo wurde offenbar Rettungspolitik mit Konjunkturpolitik vermischt. Und mittels Notenpresse werden de facto künstliche Einkommen erzeugt, Bürger und Firmen profitieren und erhalten Geld. Seit Lehman Brothers – Waldmeyer hatte nur einen Monat zuvor, im August 2008, seinen ersten Porsche Cayenne (schwarz, innen auch) gekauft – hatte sich die Euro-Geldmenge sage und schreibe versiebenfacht. Grund genug für Waldmeyer, sich eine neue Geldstrategie zurechtzulegen. Doch dazu später.

Waldmeyer, als ehemaliger Unternehmer soweit mikroökonomisch gestählt, fühlte sich plötzlich, zumindest was die Makroökonomie betraf, hilflos und leer. Das europäische Perpetuum mobile war einfach ein Rätsel: Die Schuldenexplosion bleibt nämlich ohne Folgen – es geht einfach weiter.

Italien erhält nun aus dem Corona Hilfsfonds über 200 Milliarden Euro. Premier Conte, jetzt zwar abgehalftert, war clever genug, sich quasi eine carta biancha auszuhandeln, wie er das Euro-Manna verwenden darf. Und nun ist es Mario Draghi vergönnt, dem ex EZB-Chef und wundersamen Geldvermehrer, diese 200 Euro-Milliarden zu verteilen –  natürlich eine schöne Aufgabe.

Bereits fliessen drei Milliarden als frische Kapitalisierung in die neue Alitalia ITA ein – 12 Milliarden hat die seit Jahren marode Airline den italienischen Staat bereits gekostet.

12 Milliarden! Das entspräche, nur so zum Vergleich, rund 100’000 neuen, gut ausgestatteten Porsche Cayenne – was einer Wagenkolonne von Meisterschwanden bis nach San Gimignano gleichkäme. Schön viel, nur für eine Airline, zumal man mit den 100‘000 Porsches eine halbe Million Italiener transportieren könnte. Das Sümmchen von 12 Milliarden entspräche auch dem zehnjährigen BIP des Kantons Appenzell Innerrhoden (was Waldmeyer wiederum weniger schockierte, zumal der Minikanton über keinen Flughafen verfügt). Trotzdem: Die Kosten für solche Airlines scheinen gigantisch zu sein. Die Swiss wird auch noch ein paar Zuschüsse einfordern, reflektierte Waldmeyer weiter, ein Ende dieser Agonie scheint ebenso wenig in Sicht. 

Aber zurück zum Bel Paese: Der italienische Staat übernimmt zurzeit weitere grosse Konzerne, so beispielsweise den maroden Stahlkonzern AM, mithin der grösste europäische Stahlkocher. An allen Ecken und Enden wird also verstaatlicht.

Auch bei Renault in Frankreich sitzt der Staat als Copilot in den mit viel Plastik bewehrten und schwer verkäuflichen Fahrzeugen. Nicht systemrelevante Firmen schlüpfen nun vermehrt, elegant getarnt mit Pandemiehilfen, unter staatliche Schutzschirme. Frau von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, sekundiert von Madame Lagarde, der Chefin der Europäischen Zentralbank EZB (sehr spendabel, wie der Vorgänger Draghi),  zeigen sich grosszügig und verteilen Billionen. Richtig: echte Billionen, nicht nur die angelsächsischen mageren „billions“. Die beiden Damen scheinen zudem das stillschweigende Plazet von Mutti Merkel zu geniessen. Dieses feminine Triumvirat aus Nicht-Ökonomen scheint hier aus ökonomischer Sicht ein ganz toxisches Süppchen zu kochen.

Ja, da geschieht so einiges unter dem Deckmäntelchen von Corona. Allerdings bezahlen vor allem die Deutschen die Rechnung, plus die Holländer und die Skandinavier. Die Briten haben sich bekanntlich abgeseilt und beschäftigen sich nun lieber mit sich selbst.

Banken, Medienkonzerne, Werften, Energieunternehmen, Börsen, Fluggesellschaften: Viele Firmen und Konstrukte in Europa sind nicht mehr überlebensfähig. Und so werden diese Zombie-Konzerne verstaatlicht oder im besten Fall durchgefüttert. Allerdings torkeln auch im Privatbereich viele Zombie-Firmen durch die Wirtschaftswelt. Aber Banken statten sie einfach mit billigem Geld aus, welches sie gratis von ihren Zentralbanken erhalten. Letztere kaufen auch schon mal, mittels eigens geschaffenem Geld, diverse Werte direkt an der Börse zusammen. Und wie wir wissen, kauft die EZB auch fast unbegrenzt Staatsanleihen ihrer klammen Länder auf; vor allem die de facto wertlosen Papiere Italiens (welche magischerweise trotzdem mit 0.5% rentieren, was sonst nur supergesunde Staaten schaffen) wiegen derzeit etwas schwer in diesen illustren Portefeuilles der Zentralbanken.

La Cage aux Folles, besetzt mit den verantwortlichen Staatsdienern der Finanzwelt? Max Waldmeyer versuchte, dieses absurde Gebaren zusammenzufassen: Es wird also schier unbegrenzt Geld gedruckt und anschliessend gratis oder nahezu mit Nullzinsen in marode Wirtschaftszweige  gepumpt.

Waldmeyer überlegte in der Folge, ob er nun ebenso umdenken und (beispielsweise nur) die Hotelbuchung in der Toscana stornieren sollte? Alternativ könnte er das Hotel nämlich einfach kaufen. Geld kostet ja nichts. In Dänemark wurden jüngst Hypotheken mit negativen Zinsen vergeben. Vielleicht liesse sich auch in Italien eine Bank finden, welche, auch nur beispielsweise, dieses hübsche Hotel Castello Rosato finanzieren würde, mit einer Hypothek von 0.25%. Waldmeyer hätte also ein regelmässiges Zusatzeinkommen – und dies aus einer Schuld! Plus das Castello natürlich.

Man könnte noch ein bisschen grosszügiger denken. Think big, mit einer gewissen römischen Grandezza eben: „Charlotte, vielleicht sollten wir ganz Italien kaufen!“, seufzte Waldmeyer vor sich hin.

Charlotte antworte, wie sie immer antwortete in solchen Fällen: nämlich gar nicht.

Waldmeyer und die Korrelation zwischen Felix IV und der Börse

Waldmeyer ist ein bekennender News-Junkie. Deshalb ist es ihm nicht entgangen, dass Corona offenbar einen Haustier-Boom ausgelöst hatte. Nebst allerlei Verwerfungen, die die Pandemie in verschiedenen Märkten hervorgerufen hat, war dieser Haustier-Trend besonders spannend – ganz einfach, weil man ihn schlichtweg nicht vorausgesehen hat. Auch Waldmeyer nicht.

Waldmeyer las also in seinem Leibblatt (Anm. der Redaktion: NZZ), dass zurzeit insbesondere „kompakte“ Hunde sehr beliebt sind. Es scheint so, dass gewisse Teile der Bevölkerung geradezu lechzen nach Krisenkompensatoren in Form dieser praktischen (kompakten) Tiere. Allerdings werden diese dann oft ins Tierheim gesteckt, wenn’s in den Urlaub geht. So des Öfteren geschehen im letzten Sommer. Die Tiere werden anschliessend gar nicht mehr abgeholt. Vom Corona-Frust geheilt und mental gestählt aus den Ferien zurückkommend, scheint die Tierwärme plötzlich erkaltet. Das macht jedoch nichts und führt nicht einmal zu einer Marktverzerrung, denn es besteht eine grosse Nachfrage nach Günstig-Tieren aus dem Tierheim. Hier kann gratis auf eine attraktive Auswahl zurückgegriffen werden – was viele Bürger derzeit auch tun. Im Nu leeren sich diese Tierhotels dann wieder. Durch diesen massenweisen Auszug aus der Tier-WG in Individualhaushalte werden alle Marktverwerfungen geglättet: Angebot und Nachfrage scheinen also zu funktionieren; die Liquidität an Hunden und Katzen ist sichergestellt. Waldmeyer glaubte generell schon immer an den Markt, und es war beruhigend, dass in diesem Nano-Abzweiger der Makroökonomie keine Ausnahme gemacht wird.

Auch die Nachfrage nach Katzen steigt. Der Bestand in der Schweiz wird derzeit auf 1.8 Mio  geschätzt – und er nimmt stetig zu. Dazu kommen, auch hier in zunehmendem Masse, noch allerlei Hamster, Meerschweinchen, Vögel und Fische. Das Total dieser Haustiere übersteigt vermutlich die Schweizer Bevölkerung von 8.6 Millionen. 

Waldmeyer dirigierte seinen Gedankenstrang nun zurück in Richtung Corona-Effekt in Sachen Tierhaltung: Offenbar steigt in Krisenzeiten wie der aktuellen die Lust nach sozialer „Company“. Eine Quarantäne z.B. lässt sich gefühlt wohl verkürzen, wenn ein Büsi zugegen ist. Nur, und hier die Krux: Neu können sich auch Haustiere mit dem Virus infizieren! Wir erinnern uns an den Hund in Hongkong, der bereits im Februar 2020 als infiziert rapportiert wurde, und nun kam noch diese Katze an Weihnachten hinzu. Allerdings ist es medizinisch noch nicht erwiesen, ob auch eine Weitergabe der Infektion an andere Menschen möglich ist. Das Büsi als Superspreader zum Beispiel wurde – glücklicherweise – noch nicht entdeckt.

Doch zurück zur Analyse des Tiermarktes: Jetzt lässt sich auch erklären, warum, zusammen mit den Nahrungsmitteln, während der Coronazeit auch die Tierfutter-Umsätze gestiegen sind. Einerseits also durch den erhöhten Tierbestand, vermutlich aber auch, weil zu verschiedenen Zeiten Einkäufe im grenznahen Ausland nicht möglich waren. Wie wir wissen, konnten Migros, Coop, etc. ihre Umsätze in diesen Zeiten markant erhöhen – das war nicht nur auf die Restaurants-Schliessungen zurückzuführen. Nebst Waschmittel, Nivea, Windeln, Fleisch, etc. ist auch Pet Food nämlich ein beliebtes Einkaufsschnäppchen im deutlich günstigeren Ausland. Covid-befeuert stiegen damit, vorübergehend, die Tierfutter-Umsätze im Inland.

Waldmeyer fand alle diese Zusammenhänge einigermassen interessant, wusste aber nicht, was er damit anfangen sollte. Normalerweise hatte er gelernt, einen Wissensvorsprung auch zu nutzen. Als früherer CEO und Unternehmer wusste er, dass nebst Organisations- und etwas Führungstalent vor allem eines entscheidend war: eben ein Wissens- oder Informationsvorsprung. Nur so konnte man gewinnen. 

Auch an der Börse wird dies genutzt. Leider zeigt sich dabei allerdings nur zu regelmässig, dass all diese intellektuellen persönlichen Vorsprünge nicht richtig umgesetzt werden können – weil die Börse eben nicht das tut, was sie logischerweise tun sollte. Wenn Tesla heute nun auf ein so irrwitziges Niveau steigt, dass Elon Musk unmöglich je überhaupt so viele Autos produzieren könnte, um die derzeitige Börsenbewertung abzubilden, entspricht das dem Gegenteil von Logik. Oder die Bewertung von Bitcoin muss heute einfach so hingenommen werden, als virtuelle Wert-Erscheinung, ohne logische Erklärung. 

Waldmeyer überlegte nun trotzdem, wie sich seine Beobachtungen und Erkenntnisse in Sachen Haustieren pekuniär umsetzen liessen: Ein Haustier-Boom musste nun wohl auch einen Boom nicht nur bei Züchtern und anderen Haustier-Produzenten auslösen, sondern, wie er vorhin schon analysiert hatte, eben bei der Tiernahrung. Also sollte man sich Whiskas, Sheba, Pedigree, etc. genauer ansehen und dort investieren? Nicht, indem man den Luftschutzkeller mit diesen Produkten füllt, sondern selbstredend mit cleveren Aktienkäufen. Der neue Haustierhaltungstrend – wohl ein weltweites Phänomen, da auch die Pandemie weltweit organisiert ist – wird die Börsenwerte von den betroffenen Firmen in der Branche künftig mit Bestimmtheit beflügeln. Jetzt also in Mars Incorporation investieren (die US-Firma hält einen grossen Teil an diesen Pet Food-Brands)?

„Charlotte, haben wir noch genügend Whiskas für Felix?“ Charlotte war etwas konsterniert, denn Max hatte sich in all den Ehejahren noch nie um den Futter-Nachschub für ihre Katze gekümmert – weder bei Felix I, II, III, noch jetzt bei Felix IV. „Max, der Keller ist voll mit Whiskas, es gab doch letzten Monat diese Aktion 2 für 1. Die müssen wohl irgendwelche Überbestände abbauen“.

Nun war Waldmeyer konsterniert. Seine Theorie kam ins Wanken. Es passierte wieder einmal genau das Gegenteil. Vielleicht, so schoss es ihm durch den Kopf, nahm die Industrie einen Nachfrage-Einbruch vorweg. Und dieser konnte sich nur dadurch ergeben, dass die Pandemie nun die Haustiere flächendeckend erfasst. Der Markt „eskomptiert“ ja vieles, er nimmt einen Trend vorweg. Wenn die Gefahr nun offenkundig wird, dass vor allem Hunde und Katzen sich mit Covid-19 kontaminieren können, würde der Haustier-Bestand abgebaut, und es würde, zum Beispiel, weniger Whiskas gekauft. Dann kommt erst die Phase „2 für 1“, worauf sinkende Börsenkurse von Mars Inc. folgen könnten. Vielleicht sollte Waldmeyer doch besser einen Put auf diese Mars-Aktien setzen, also à la baisse spekulieren?

Aber vorerst sollte man die Hausaufgaben zu Hause erledigen, d.h. den Whiskas-Bestand schnellstmöglich abbauen. Konsequenterweise auch auf ein Umstellen der Tierart denken, zum Beispiel an Fische. Hier wäre die Covid-19-Übertragung bestimmt vernachlässigbar. „Charlotte, wir sollten künftig auch an Fischfutter denken“, entfuhr es Waldmeyer. Charlotte antwortete wie immer in solchen Situationen: nämlich gar nicht.

Max Waldmeyer streichelte Felix IV und zog sich etwas frustriert zum Apéritif zurück. Die Märkte vollziehen nicht nach, was der Logik entspricht. Zudem kann seine messerscharf analysierte Korrelation pekuniär nicht umgesetzt werden. Und das mit den Fischen war auch wenig befriedigend.

Waldmeyer und die lange Leitung

Waldmeyer versuchte, wie so oft – und hier stellvertretend für den Bundesrat – über den Tellerrand hinauszublicken. Es gibt nämlich genügend positive Beispiele auf der Welt, wie man Krisen-Management in Sachen Corona effizienter betreiben könnte. Lassen wir mal das unverzeihlich autoritäre China auf der Seite. Aber hervorzuheben sind z.B. Taiwan, Südkorea, Singapur, Uruguay oder gar Vietnam: Frühzeitige konsequente Maskenpflicht, sofort funktionierende Warn-Apps, breit angelegte Tests und zielgerichtete (nicht politisch austarierte) Shutdowns führten zu wirtschaftlichen Kollateralschäden, die im Vergleich zu Europa quasi nur wie ein dünnes Rezessiönchen wirken. Offenbar erweist sich der helvetische Föderalismus als das Gegenteil von Schwarmintelligenz. Aber dazu später.

Auch Israel konnte rasche Erfolge verbuchen – zumindest während der vorbildlich gemanagten ersten Welle, aktuell aber auch mit den Impferfolgen. Selbst das südamerikanische Uruguay führt elegant durch die Krise. 

Die Vereinigten Arabischen Emirate, um ein Beispiel etwas detaillierter herauszupicken, ebenso: Eine rigorose Maskenpflicht und strenge Desinfektionsmassnahmen führten zu raschen Erfolgen zu Beginn der Pandemie. Zu wenig Masken? Die Regierung verschickte sofort Schnittmuster, um aus Stoff eben kurzfristig selber Masken zu schneidern; Verstösse gegen die Maskentragpflicht wurden drakonisch bestraft (Busse: rund CHF 750.-). Und unverzüglich wurden grossflächig Drive-in-Testcenter angelegt, im ganzen Land. Überall und immer kann gratis getestet werden, sodass man die Kontaminierten blitzartig rauspflücken und in Quarantäne stecken kann. Eine Covid-Warn-App funktionierte schon im Frühjahr 2020, auch das Tracing. Und per heute sind gut 30% der Gesamtbevölkerung von rund zehn Millionen zum ersten Mal geimpft, ein zunehmender Teil davon bereits zum zweiten Mal. Insgesamt sind bis dato nur rund 800 Tote zu verzeichnen – verhältnismässig zwölfmal weniger als in der Schweiz.

Natürlich, die Bevölkerung ist z.T. wesentlich jünger in diesen Ländern, und in einem relativ autokratisch regierten Staat ist es einfacher, top-down und  rasch zu handeln.Was Waldmeyer in der Privatwirtschaft gelernt hatte: Man überlebt nur mit frühzeitigem und raschem Reagieren. Das gilt indessen, leider, offenbar nicht für die Politik. Nicht einmal in einer Krise.

Bescheidene Bewertung des Corona-Managements: Andere Staaten machen es besser

Wenn die wirtschaftlichen und persönlichen Freiheiten mittel- und langfristig geschützt werden sollen, braucht es kurzfristig rasche und zielgerichtete Massnahmen. Eben Management.

Mit dem vordergründigen Schutz von persönlichen Freiheiten wurde bei uns in der Schweiz – und in den meisten Orten in Europa – jetzt wohl Unfreiheit mit episch langen sozialen Einschränkungen eingetauscht: Wir erinnern uns an die frühen Diskussionen betreffend der Zumutbarkeit des Maskentragens, den Vorbehalten und Verzögerungen in Sachen Warn-App, der Schonung der Bevölkerung vor einem breit angelegten Testen. Und das übergrosse Verständnis für Impfgegner – in der falschen Interpretation, dass es nur um eigene Entscheidungsfreiheit geht und nicht auch um eine Frage der „Haftpflicht“ (aufgrund der flächendeckenden Übertragbarkeit einer Krankheit und damit eines Risikos). Das Resultat ist bekannt: ein Auf und Ab an Einschränkungsmassnahmen, irrlichternde Politiker, kein Plan.

Darf man, so fragte sich Waldmeyer, Demokratie und Föderalismus kurzfristig – für ein einzelnes Problem, wie Corona – reduzieren? Ja, man darf. Man muss sogar. Ein demokratisch sauber aufgestellter Staat darf es, weil die Bevölkerung das Vertrauen hat, dass nach einer Krisenbewältigung die alten Regeln wieder gelten. 

Wie wäre es denn in einer Krise wie einer Strom-Mangellage? Was dürfte man da…? Einem verheerenden Terroranschlag? Einem Cyberkrieg, ausgelöst von Bösewichten oder einem verdeckt operierenden Staat? Dürfte man da auch? Man dürfte. Wieso denn nicht bei einer Pandemie, welche an unseren wirtschaftlichen Grundfesten rüttelt?

Nun bahnt sich das siebte Versagen an: „Long Covid“. Die Langzeitschäden der Krankheit können mindestens 10% der Erkrankten befallen. Damit schwebt das Damoklesschwert einer weiteren ökonomischen Belastung des Gesundheitswesens über uns. In einigen fortschrittlichen Ländern wurde das erkannt, und es werden Prophylaxen- und Medikamentenplanungen ausgearbeitet. Offenbar ist es allerdings auch hier der helvetischen Langsamkeit geboten, vorerst auf Beobachtung zu schalten. (Diese Langsamkeit ist üblicherweise sehr wohltuend, denn dann begeht die Politik weniger Fehler. Allerdings gilt das leider nicht in der Krise, denn hier ist rasches und kompetentes Management gefragt.)

Waldmeyer versuchte sich aus seinem ökonomischen Tagestraum zu lösen, seufzte und dachte an den Winzer Parmelin, die Konzertpianistin Sommaruga und den Schmalspur-Juristen Berset. Die Überforderung schien mit Händen zu greifen: Da sind überdurchschnittliche Führungsarmut, Organisationsversagen und ziemlich mangelhaftes Krisen-Management auszumachen, befeuert durch falsch verstandenen Föderalismus, mangelnde Visionen und die gänzliche Absenz von Mut. Oder glauben die Bundesverwalter eventuell allen Ernstes, dass man eine Pandemie – per se nun mal etwas ziemlich Internationales – auf kantonaler Ebene bekämpfen kann? Soll Appenzell Innerrhoden (16’000 Einwohner) also tatsächlich mit einem eigenen kantonalen Konzept dieses Pandemie-Fegefeuer bekämpfen?

Waldmeyer war trotz diesem eidgenössischen Staatsversagen zufrieden: Das Eingeständnis, dass das eigene Land im besten Fall nur Mittelmass bietet in der Causa Covid, zeugt auch von einer gewissen Grandezza. Die jüngste, gut abgestützte Untersuchung bringt es zutage: Platz 52 nur für Helvetien – von total 98 untersuchten Ländern. Man muss sich ja nicht mit Staaten messen wie Brasilien oder den USA, welche von irrlichternden Politikern gelenkt werden (und welche die allerletzten Plätze in dieser internationalen Rangliste belegen). Aber es ist immer erlaubt, sich an den besten Beispielen zu messen!

Ja, wir müssen auch mal zu unserem Versagen stehen. Diese Erkenntnis kann zudem durchaus befreiend wirken. Waldmeyer schenkte sich etwas kühles Bier nach. Er sass in einem Strandrestaurant in Dubai und blinzelte zum Meereshorizont. Genau, hierher sollte man mal den Berset in die Schule schicken. Aber vielleicht leidet dieser ja nicht an „Long Covid“, sondern an „Long Pipe Disease“: dieser heimtückischen, kaum kurierbaren Krankheit. Auf Deutsch nennt man sie wohl ganz einfach Langeleitung-Krankheit.

Waldmeyer for President?

Oder wie müsste ein CV ausschauen für eine Politikkarriere?

Waldmeyer staunte, als er das CV von Ursula von der Leyen genauer studierte. Seit er sich vom aktiven Unternehmerleben zurückgezogen hatte, vermisste er es, Leute anstellen zu können – und vorab eben CVs zu lesen. Nicht, dass er nun von der Leyen eine Position offerieren wollte. Er googelte ihren Lebenslauf nur so aus Neugierde.

Also erfuhr er: Von der Leyen hatte einen prominenten Vater, Ernst Albrecht, den bekannten niedersächsischen Ministerpräsidenten. Auch ihre Vorfahren zeugten bereits von Status, denn da waren auch schon mal Plantagenbesitzer aus den USA dabei. Also old money, analysierte Waldmeier. Von der Leyen studierte während 11 Jahren Archäologie, Politologie und Medizin. 2001 beendete sie ihre Ausbildungskarriere mit einem Master of Public Health  – nur 25 Jahre nach Studienbeginn. Sie arbeitete allerdings nie richtig in allen diesen Disziplinen (ausser einmal kurz als Assistenz-Kinderärztin), gebar jedoch sieben Kinder und ging in die Politik (wo sie es sich heute nicht nehmen lässt, auch mal über Digitalwährungen zu sprechen).

Waldmeyer beeindruckte vor allem diese beachtliche Kinderschar: 7 (sieben!). Er erinnerte sich noch an die Schmerzen, die er bei Laras Geburt durchstand und versuchte diese Folter mit sieben zu multiplizieren. 

Aber zurück zum CV Ursulas: Sie war sogar kurz einmal deutsche Verteidigungsministerin. Allerdings verliess sie das Schlachtfeld mit Fliegern, die nicht fliegen konnten, Panzern, die kaputt brach lagen und Gewehren, deren Läufe nach ein paar Schuss runterhingen. Trotzdem schaffte sie es anschliessend, Präsidentin der Europäischen Kommission zu werden. Nun orchestriert sie Euroverschuldungen in Billionenhöhe und verhandelt zum Beispiel auch komplexe Brexitverträge. Ein Übermensch? Ein Universalgenie? Intelligent ist sie ja, zweifelsohne – und ehrgeizig auch. Aber kann man denn auf so vielen Gebieten beschlagen sein? Waldmeyer war überzeugt, dass sie auch virtuos Harfe spielen und eine Medaille in Synchronschwimmen holen könnte.

Waldmeyer seinerseits kann immerhin auf ein profundes Ökonomiestudium, eine bescheidene Offizierskarriere, ein paar Sprachaufenthalte und eine einigermassen erfolgreiche Laufbahn als Unternehmer zurückblicken. Was sich allerdings, im Vergleich zu unserer ewigen Studentin und heutigem Politcrack, ziemlich unspektakulär anhört. Aber sein CV erschien ihm nicht weniger zielführend, was die Voraussetzungen für eine Topposition in der Politik anbelangen könnte. Wenn man es mit einem doch etwas zerfledderten Lebenslauf wie dem von der Leyens in solche Spitzenpositionen schafft, warum nicht auch mit Waldmeyers CV…?

„Charlotte, sollte ich nicht auch in die Politik gehen?“, fragte Waldmeier seine Frau.

Nur, man müsste eben sofort oben reinkommen. Zum Beispiel gleich Bundesrat Berset ersetzen und echte Krisenführung betreiben. Und dann diesen BAG-Laden aufmischen. Dort vielleicht erst mal die Faxgeräte rauswerfen. Mit andern Worten: Management-Methoden einführen.

Charlotte antwortete immer noch nicht, sodass Waldmeyer sein Reflektieren jetzt abschloss, sich nochmals ein Glas Terre Brune einschenkte und beschloss, nichts zu beschliessen. Ganz staatsmännisch eben – als Politiker bereits.

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