Der Staat darf die Swiss nicht retten

Die Staatshilfe läuft aus dem Ruder: Es wird ein deutscher Konzern unterstützt…

Ist die Swiss „systemrelevant“? Denn nur dann dürfte der Staat eingreifen. Aus Nostalgiegründen wäre das nicht opportun. In der Finanzkrise musste die UBS gerettet werden – aber damals war der landesweite Zahlungsverkehr in Gefahr, und die Aufräumarbeiten für alle Konten, Anlagen, Kredite und Hypotheken wären gigantisch gewesen. Die Schweiz hatte zu jenem Zeitpunkt rasch und schwungvoll reagiert und den Laden gerettet. Beim späteren Verkauf der Anteile (mit Gewinn) konnte ein kleines Husarenstück präsentiert werden. 

Bei der Swiss ist es anders: Auch ohne Swiss könnten wir weiter fliegen. Die Misere geht zudem weit über den vorübergehenden Betriebsstillstand hinaus – das notwendige künftige Downsizing würde zu untragbaren Folgekosten führen. Der Bundesrat muss nun sowohl ein Mikro-, als auch ein Makroproblem lösen. Es ist offensichtlich, dass er dem nicht gewachsen ist – oder einfach nur politisch handelt.

Die ersten falschen Schritte sind nun erfolgt: Der Staat möchte Milliardenkredite sprechen. Ob auch für  andere Carriers (so Easyjet) ist noch offen. Das liesse sich insoweit noch rechtfertigen, falls mit gleichen Ellen gemessen würde. Die Airlines könnten also einen Corona-Kredit erhalten, wie sie ihn auch andere Schweizer Firmen beanspruchen können – einfach einen etwas fetteren Batzen. Aber es müsste die Tragfähigkeit geprüft werden – und hier liegt genau das Problem. 

Der Bundesrat und einige Politiker haben wohl noch weitergehende Hilfen im Hinterkopf. Wir sprechen dabei von fahrlässigen Milliardenkrediten – ohne zwar ohne Due Diligence…

Für die nachfolgenden Überlegungen wollen wir uns auf die Swiss konzentrieren. Sie ist die einzige „richtige“ Airline in der Schweiz, andere Betreiber verfügen mehr oder weniger nur über Verwaltungsgesellschaften in der Schweiz, ohne nennenswerte Assets.

Ein Grounding bedeutet oft ein Aus

Falls eine Fluggesellschaft nun über mehrere Wochen nicht fliegt, sind die aufgelaufenen Verluste fast nicht aufzuholen. Dazu kommt, dass im Jahr 2021 vermutlich weltweit nur mit 50% Flugvolumen gerechnet wird. 2022 mag es dann ein bisschen besser aussehen, das Niveau von 2019 wird jedoch mittelfristig nicht mehr erreicht. Die Lufthansa selber rechnet erst 2023 mit einem „Gleichgewicht“ (was aber wohl nicht mit einem ausgeglichenen Ergebnis verwechselt werden darf, schon eher mit einem Zustand ohne Sonderhilfen). 

Die Auslastungsquoten für die nächsten Jahre werden sich also auf einem komplett unrentablen Niveau befinden, der Liquiditätsbedarf wird steigen, die Schulden werden sich auftürmen. Die ersten in Aussicht gestellten Hilfszahlungen werden kaum reichen.

Mit gigantischen Krediten könnte auch eine Swiss am Leben gehalten werden. Nur könnten solche Kredite wohl nie zurückgezahlt werden: So viele tolle Jahresabschlüsse mit Gewinnen kann es in der Zukunft gar nicht geben.

Teures Downsizing weltweit

Noch über Jahre werden die Airlines also unrentabel bleiben. Das Downsizing wird Unsummen verschlingen, denn das Runterfahren der Personalbestände und die Strukturanpassungen werden über längere Zeit Blutspuren in den Bilanzen hinterlassen. Die überzähligen Flieger werden unter den aktivierten Werten veräussert werden müssen, denn niemand erscheint jetzt als interessanter Käufer, weltweit herrscht ein Überangebot. Nebst dem Stopfen von laufenden Betriebsverlusten stehen also noch ausserordentliche Abschreibungen auf den aktivierten Flotten an – auch bei der Swiss werden die Bilanzen damit nur noch röter. Soll der Bund nun gerade in ein solches Geschäft investieren? Das wäre im besten Fall unüberlegt.

Kredite für überschuldete und klamme Firmen sind oft Ausgaben à fonds perdu. Geld verteilen in Form von Krediten und ohne sichere Gegenwerte ist unvernünftig. Wenn schon, dann müsste in Aktienkapital investiert werden. Aber auch dann: Der künftige reelle Wert einer Beteiligung wäre ungewiss. 

Gibt es staatspolitische Gründe für eine „eigene“ Airline?

Ja, es gibt ganz klar Staaten, die würden verkümmern ohne die eigenen Airlines. Nur zwei Beispiele: Singapur Airlines und Emirates. Die beiden Gesellschaften sind weltumspannende riesige Gebilde, sie sind zu einem treibenden Wirtschaftsfaktor der beiden Staaten geworden. Gigantische Hubs, in der Tat too big to fail. Es geht in diesen Fällen also nicht nur um die gute Vernetzung des Landes mit für sie wirtschaftlich interessanten Regionen. Es sind eigene Businessmodelle, mit riesigen nach- und vorgelagerten Strukturen, welche viel Wertschöpfung bringen.

Die Schweiz braucht gute Verbindungen, klar. Mehr nicht. Sie braucht nicht zwingend ein Businessmodell zu unterhalten, welches globale Erträge erwirtschaftet. Fazit: Es gibt keinen zwingenden staatspolitischen Grund für eine „eigene“ Airline, sofern andere Airlines Verbindungen anbieten. Eine Airline ist damit für uns nicht systemrelevant.

Wichtig ist die Flughafen-Infrastruktur

Die Flughafen-Infrastruktur hingegen ist Staatsaufgabe. Allenfalls auch eine funktionierende Betreibergesellschaft. Hier ist eine Systemrelevanz gegeben, hier muss der Staat das Feuer löschen, wenn es brennt.

Fluggesellschaften indessen kommen und gehen. Sie sind wie die Autos auf den Autobahnen, sehr vereinfacht dargestellt. Strassen müssen her – und zwar gute. Autos werden dann schon rollen. Auch Busse oder Lastwagen.

Wir haben heute schon eine Schweizer Fake-Airline

Natürlich stiftet eine eigene Landes-Fluggesellschaft Identität. Das Schweizerkreuz am Himmel ist etwas Schönes. Nur, nochmals: Bereits heute gehört es nicht mehr uns. Es gehört vor allem deutschen und internationalen Aktionären. Das Schweizer Kreuz ist also schon lange durch und durch teutonisch kontaminiert und hat seinen sinnstiftenden Wert nur noch marketingmässig erhalten können. Wir verfügen bereits seit 2001 nur mehr über eine Schweizer Fake-Airline – das ist die Wahrheit. Wenn wir diese nicht existierende eigene Airline also verlieren, verlieren wir etwas, das wir gar nicht haben. 

Schweizer Staatshilfe für Deutschland?

Nach der geplanten Sanierung könnte der Lufthansakonzern eventuell, zumindest teilweise, dem deutschen Staat gehören. Die Schweizerische Eidgenossenschaft würde dann also mit Krediten eine Firma unterstützen, welche ihr gar nicht gehört. Pikanter noch: Wir würden indirekt quasi den deutschen Staat mit Krediten unterstützen! Sozusagen mit „Flugkohäsions-Milliarden“. Und je nachdem, was nun unser Bundesrat unterschreibt, sogar ohne sicheren Gegenwert! Unser Finanzminister könnte der Einfachheit halber gleich Berlin direkt  einen Blankocheck ausstellen. Es kann also nicht sein, dass einfach nur Kredite gewährt werden.

Die Eidgenossenschaft könnte in Lufthansa investieren

Falls also Kredite zugunsten der Swiss gesprochen würden, müssten diese abgesichert werden: mit einer deutschen Staatsgarantie, sollte der Lufthansakonzern verstaatlicht oder teilverstaatlicht werden. Oder die Gelder müssten nicht in Form von Krediten, sondern mittels Übernahme von Aktienkapital fliessen. Warum nicht via Aktienkapitalerhöhung beim börsenkotierten Lufthansakonzern? So könnte ein künftiger Ausstieg des Staates einfacher vorbereitet werden – wie damals bei der UBS. Und der Deal müsste an die Verpflichtung geknüpft werden, die Finanzspritze nach unten in die Schweizer Tochtergesellschaft weiterzureichen. Aber wirklich nötig ist ein solcher Schritt trotzdem nicht.

Lösung des Fluglärmstreites?

Eine Beteiligung der Eidgenossenschaft an der Lufthansa könnte allerdings einen kleinen Zusatznutzen bringen. Ein altes Problem könnte vielleicht gelöst werden, denn sollte der deutsche und auch der Schweizer Staat – hoffentlich auch nur vorübergehend – in die Lufthansa investieren, so könnte vielleicht ein gordischer Knoten durchtrennt werden: Eine Beilegung des Fluglärmstreites könnte als Investitionsbedingung ausgehandelt werden.

Es bleibt aber ein Notszenario – weil jegliche Investition eben nicht unter dem Deckelmantel der Systemrelevanz erfolgen dürfte.

Der Schweizer Markt ist hoch interessant

Die Schweiz wird nie ohne Flugverbindungen dastehen. Wenn flugwillige Passagiere da sind, wird es auch Flüge geben. Der Markt wird funktionieren. Ja, er wird sich um die zahlungswilligen Schweizer Passagiere streiten.

In unserem Fall würde irgendeine Gesellschaft die Flieger der konkursiten Swiss bestimmt kaufen und Linien wieder bedienen. Selbst wenn die Assets der Swiss separat verscherbelt würden: Binnen Kürze würden andere Airlines Flugverbindungen übernehmen. Linien werden bedient, wenn sie betriebswirtschaftlich rentabel sind. Ob die Swiss wohl – aus ganz altruistischen Gründen – bisher vorsätzlich unrentable Linien bedient hat? Mit Bestimmtheit nicht. Der Markt wird also wieder diejenigen Linien betreiben, welche auch eine durchgefütterte und marode Swiss später wieder betreiben würde.

Was passiert konkret, wenn Lufthansa die Swiss pleite gehen lässt?

Wenn die Swiss in den Konkurs oder (bestenfalls erst mal in die Nachlassstundung) geht, stehen die Flieger alle am Boden – eigentlich wie gerade jetzt, wo offenbar nur 6 Geräte von knapp 100 im Einsatz sind. Im Falle der Pleite gehören sie dann dem Insolvenzverwalter. Lufthansa wird einen kleinen Abschreiber machen in der Bilanz – was allerdings kaum eine Rolle spielt, da sie als Muttergesellschaft auch fast nichts mehr wert ist. Mit hoher Wahrscheinlichkeit erhält diese dann staatliche Unterstützung und wird gerettet.

Die Swiss könnte in diesem Szenario unabhängig von der Muttergesellschaft grounden. Das geht spielend, die Tochtergesellschaft wird einfach fallengelassen. Mit Grounding haben wir Erfahrung. Es wird in Windeseile vielleicht eine vorübergehende Lösung gefunden, es kommen neue Eigner. Diese übernehmen anschliessend nur diejenigen Flieger, die sie sinnvoll einsetzen können. Dann wird das Logo wieder ein bisschen geändert, vielleicht auch der Name. Intelligenterweise würde man reumütig zu „Swissair“ zurückfinden – sofern sich die Namensrechte auch kurzfristig so nutzen liessen. Natürlich würde es ein paar Rechtsaussen-Parlamentarier stören, wenn die neue „Swissair“ von einer ausländischen Gesellschaft betrieben würde. Aber das ist ja auch heute mit der Swiss der Fall!

Wenn dieses Szenario nicht eintrifft – wenn die Airline also zerschlagen würde und kein neuer Betreiber gefunden wird, welcher die Scherben wegkehrt – wird es auf unseren Flughäfen eben andere Airlines geben. Wir fliegen ab Zürich und Genf dann mit einer Gesellschaft, die auch heute schon diese Linien bedient, oder mit einer Newworld Air, mit Happyairline – oder womit auch immer. Die Welt würde nicht untergehen.

Fazit: Eine einfache Kreditvergabe (bzw. eine Bürgschaft für Kredite) an die Swiss käme nicht einer Investition gleich, sondern einer Ausgabe à fond perdu. Und es würde zudem in eine ausländische Firma investiert, nicht in eine „eigene“ Airline. Es wäre die unklugste von allen Optionen – aber der Bundesrat scheint nun gerade diesen Weg zu gehen.

Es wird immer Fluggesellschaften geben, welche rentable Linien von Zürich und Genf aus betreiben werden; ein Manko an „systemrelevanten“ Verkehrsverbindungen wird es nicht geben.

Also Hände weg von faulen Krediten für eine vermutlich „never ending story“. Notfalls muss die Lufthansatochter eben pleitegehen. 

Ein zu tiefer Erdölpreis ist Gift

Ein Barrel Öl der Sorte Brent um die 60 USD: Das war die bisherige neue Benchmark. Mit der könnten alle leben. Noch vor einiger Zeit lag er auf unangenehmen 100 USD, jetzt tendiert er gegen null. Die Ausschläge sind Gift für die Wirtschaft. Doch keine Lösung ist in Sicht. 

Ein hoher Erdölpreis freut natürlich die Produzentenländer. Aber sie haben gelernt, dass ein zu hoher Preis die Konjunktur in den nicht-produzierenden Ländern schwächt – was letztlich auch den produzierenden Ländern nicht dient. Ein möglichst tiefer Preis freut insbesondere die Amerikaner: sie könnten dann ihre SUVs unbeschwerter über den Highway bewegen, und es bleibt mehr Geld für den Cheeseburger. Ein zu tiefer Preis ist aber trotzdem nicht gut für die USA, denn dann kann der heute grösste erdölproduzierende Staat der Welt seine Frackingindustrie nicht mehr profitabel betreiben.

Also müsste der Preis schön in der Mitte liegen, dann tut er keinem weh. So würde weltweit alles gut planbar bleiben: für die Produzentenländer, für alle andern Volkswirtschaften, die Industrie, die Haushalte. 

Und nun dies: die komplette Preiserosion.

Erdölproduzierende Länder in Finanznöten

Dass bei einem lächerlich tiefen Ölpreis Venezuelas korruptes Regime kollabieren könnte, käme uns ja ganz willkommen. Wenn allerdings die Golfstaaten fast pleite gingen, mag uns das – kurz nur – mit einer gewissen Schadenfreude erfüllen. Bis wir uns daran erinnern, dass diese Volkswirtschaften auch für uns als Konsumenten wichtig sind. Auch Russland, welches ausser Waffen, Wodka (und auch Trolls) wohl nie etwas Brauchbares exportiert hatte – ausser Rohstoffe eben! – ist ein wichtiger Markt für uns, der intakt bleiben sollte. Bei aller Häme nämlich. Auch Brasilien und viele andere Staaten werden in ernsthafte Schwierigkeiten kommen, wenn der Erdölpreis nicht ein Niveau behält, welches diese Volkswirtschaften am Leben lässt. Für den Moment wenigstens, denn nachhaltig mag es nicht sein, vorab von Erdölverkäufen zu leben. Denn nur echte Wertschöpfungen werden das langfristige Überleben dieser Staaten sichern. 

Kurz- und mittelfristig brauchen wir für diese Länder auf jeden Fall einen attraktiven Preis an den Spotmärkten.

Der Innovationskiller

Der tiefe Erdölpreis schadet selbstredend allen Investitionen in alternative Energien. Die gesamte Branche, die auf den Innovationen, den Entwicklungen und dem Verkauf aus Leistungen aus dem Alternativenergiebereich basieren, wird leiden. Von Investitionen in diesen Feldern  müsste jetzt eigentlich abgeraten werden, sollte sich der Erdölpreis nicht markant erholen. Schade. 

Der Erdölpreis muss sich also dringend wieder auf einem höheren Niveau etablieren, sonst wird es zu Innovationsverwerfungen kommen.

Politischer Zündstoff

In den USA, wo die Erdölindustrie ein starker Supporter der derzeitigen Regierung ist (und umgekehrt), wird ein erodierender Ölpreis zum Desaster für die Trump-Show. True Economics möchte keine politische Stellung beziehen. Nur: Der Erdölpreis wird Einfluss auf die Politik haben – und damit eben auf das künftige Staats-Management. Das kann Hoffnungen oder Stirnrunzeln produzieren.

Die Chance: neue Steuern auf Energie

Es ist damit zu rechnen, dass die OECD-Staaten das neue Ölpreisniveau nicht einfach so hinnehmen werden. Sie werden neue Steuern auf fossilen Energien erheben, und das Geld so abschöpfen. Aber das muss nicht schlecht sein – im Gegenteil: Es wird helfen, mit willkommenen und bitter nötigen Mehreinnahmen aus der Krise zu finden. 

Wenn die Steuern auf billigsten und letztlich problematischen Energieträgern nicht erhöht werden, werden keine weiteren Innovationen möglich sein. 

True Economics ist eine liberale, der freien sozialen Ökonomie verpflichtete Plattform mit dem Glauben an einigermassen gut funktionierende Marktmechanismen. Steuern sind sehr oft nur ineffiziente Umlenkungs- und Umverteilungsvehikel. Aber hier nun die Ausnahme: Absurd tiefe Energiepreise sollten sofort genutzt werden für eine sinnvolle staatliche Abschöpfung. Besser als unternehmerfeindliche oder konfiskatorische Steuern für Privatpersonen.

Vonnöten: eine starke Opec++

Ein Kartell ist eigentlich immer ein ökonomischer Sündenfall. Nun sollten wir indessen eine zweite Ausnahme machen: Ein stabiler, moderat kontrollierter und sich auf einem für die ganze Weltwirtschaft vernünftig einpendelnder Ölpreis wäre für alle wünschbar. Das kann leider – und es wird jedem freien Ökonomen das Herz brechen – nur gelenkt erfolgen. Ob zum Beispiel Opec++ oder wer auch immer: Es muss eine neue Ordnung her. 

Der Börsencrash ist überfällig

Mit Verwunderung verfolgen wir zurzeit die Börsenkurse. Der Einbruch kam nicht überraschend, wir konnten uns triumphierend zurücklehnen („wir hatten es doch gewusst“)! Wir rieben uns allerdings die Augen, als es wieder aufwärts ging. Die Ausschläge zurzeit sind ein Traum für jeden Daytrader und die Hedgefunds: So lässt sich Geld verdienen. Die Richtung spielt keine Rolle, es zählt die Veränderung. 

Mit der schwersten Rezession oder gar Depression vor Augen lässt es sich ökonomisch allerdings kaum nachvollziehen, warum die Kurse jetzt nicht einmal gehörig runterrasseln. Börsenkurse sollten die künftigen Unternehmensgewinne doch „exkomptieren“. Tun sie das wirklich?

True Economics wird sich hüten, jetzt einen „Börsenbrief“ zu erstellen – oder auch künftig „Börsentipps“ abzugeben. Aber ein paar Fundamentalüberlegungen sollten erlaubt sein.

Wishful Thinking der Anleger

Vielleicht glauben die Anleger – und die weisen Analysten – dass die angekündigte Rezession bald durchgestanden ist? Dass der Corona-Knick nur kurz wirkt, dass es nachher gleich weitergeht?

Die meisten Unternehmen können in der Tat nichts für den Einbruch im 2020. Sie sind quasi „unschuldig“, die Krise kam über Nacht, gleich einem Black Swan. Einfach ein Unfall. Ein exogener Einfluss, sodass die Firmen an sich als „fundamental intakt“ bewertet werden könnten. Also einfach einen Strich unter das verhauene Ergebnis 2020, nach vorne schauen in Richtung 2021 und später.

Wer so denkt, blendet den Langzeiteffekt der globalen Lockdowns aus. Die Verwerfungen in der Wirtschaft werden länger anhalten, die Ergebnisse in vielen Branchen werden auch nachher noch „verhauen“ sein. Spätestens nach der Aufhebung der Lockdowns werden wir mit Entsetzen feststellen, dass nicht einfach dort wieder weitergemacht wird, wo vor der Krise aufgehört wurde. Viele Branchen werden sich zum Teil mit Verwunderung auf einem deutlich tieferen Niveau wiederfinden, von wo aus sie sich mühsam aufzurappeln müssen. Das Wishful Thinking betreffend eines „Unfalls“ wird dann jäh der Erkenntnis weichen, dass dummerweise falsch exkomptiert wurde. Und spätestens dann – wenn also festgestellt wird, dass nach dem Lockdown die Welt nicht mehr die gleiche ist – werden die Kurse nach unten korrigieren. Dann vielleicht aber richtig…

Leider kaum Anlagealternativen

Natürlich sind momentan – und auch nicht auf absehbare Zeit – keine gescheiten alternativen Anlagemöglichkeiten vorhanden. Mit Cash allein verliert man (in unseren Währungen sicher), mit Obligationen und Staatsanleihen ist auch keine Rendite auszumachen, und mit Investitionen in Immobilien oder Direktinvestitionen in Unternehmen ist wohl erst einmal zuzuwarten, bis sich der Nebel lichtet. Den grossen Goldkauf haben wir zudem vielleicht auch verpasst… Also bleibt doch nur die Börse?

Meine Antwort lautet: Ja, als begnadeter Daytrader lässt sich jetzt ein Haufen Geld verdienen. Falls man sich diese Qualitäten des Daytraders nicht zutraut, sollte man jetzt einfach die Hände von dem Vabanquespiel an der Börse lassen. Erst mal den Scherbenhaufen begutachten!

Jetzt alles verkaufen?

Falls wir also der Ansicht sind, dass „die Börse“ falsch liegt, dass die wahre Misere wohl nicht eingepreist ist, müsste unzweifelhaft ein grosser Crash bevorstehen. Die Konsequenz: alles verkaufen? Das könnte nicht das Dümmste sein, mit ein paar Ausnahmen vielleicht: Papiere aus Branchen mit grossem Innovationspotential, aus dem IT- und Kommunikationsbereich, Medtech, Pharma, Lebensmittel beispielsweise könnten wir halten. Aber den Rest liquidieren!

Der gesunde Menschenverstand würde uns dazu raten. Der Blick in die Glaskugel hilft dabei auch nicht weiter. Wir könnten nun einfach das Gegenteil tun von dem, was uns die Bankanalysten raten: Wir hätten in den letzten Jahren damit ein paar Mal gutes Geld verdienen können.

Zum Beispiel könnten wir uns jetzt aus den Emerging Markets verabschieden: Implodierende Rohstoffpreise, gestoppter Tourismus und massive Überschuldungen könnten uns zu diesem sofortigen Schritt bewegen. Zumindest vorübergehend. Echte Emerging Markets werden sich allerdings ziemlich schnell wieder erholen.

Fazit: Wir können nur spekulieren. Zumindest eine Empfehlung kann abgegeben werden: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Gerade jetzt, in diesem Umfeld. Also doch besser alles verkaufen? Natürlich nur als intelligenter Zwischenschritt – denn die Hoffnung stirbt zuletzt, dass es irgendwann später wieder hinaufgehen muss.

Der 10-Jahreshorizont

Die Philosophie ist uns bekannt: „Wenn man Aktien nur lange genug hält, geht die Rechnung immer auf“. Stimmt, über eine sehr lange Periode ging die Rechnung meistens auf. Es gibt jedoch auch unappetitliche Ausnahmen mit miesen Zwischenzeiten. So hat der Nikkei-Index die Höchststände der 80er-Jahre bis heute bei weitem nicht erreicht. Auch viele europäische Börsen konnten zu Beginn dieses jungen Jahrhunderts ein verlorenes Jahrzehnt verbuchen. Die wahre Regel lautet: Langfristig wird man Geld verdienen an der Börse – jedoch nicht dann, wenn man zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt einsteigt!

Vielleicht ist dieser Zeitpunkt gerade jetzt gegeben. Oder vorsichtiger formuliert: Es besteht eine grosse Chance, dass der heutige Zeitpunkt für den Einstieg gerade falsch sein könnte.

Die Zeit nach dem Crash ist interessanter!

Im Moment kaufen die Notenbank in absurdem Umfang Wertschriften auf, gleichzeitig wird die Notenpresse mit Höchsttempo bedient. Irgendwann einmal – irgendwann – wird zu viel leergekauft sein und die Nachfrage an der Börse sinkt. Auch dies wird einer der spätesten Zeitpunkte sein, an denen eine Preiserosion stattfinden wird. Das Zusammentreffen dieser Einflüsse, also das Ende des „Quantitative Easing“ und der Erkenntnis, dass die Welt nach Corona doch eine andere ist, könnte endgültig die Wende an der Börse bringen.

Die Zeit nach dem Crash wird dann umso interessanter sein: Einmal angekommen in der BIP-Talsohle der einzelnen Volkswirtschaften, wird die Börse – weil letztlich trotzdem intelligent – den Aufschwung vorausnehmen. Dann gilt es, rechtzeitig wieder einzusteigen. Aber vorher besser noch heute liquidieren!

Also doch ein Börsenbrief…? Nein, nur gesunder Menschenverstand, basierend auf einem wahrscheinlichen ökonomischen Szenario. Leider ist die Börse oft ein „unguided missile“. Oft kommt es nicht so, wie man denkt. Aber so, wie man gedacht hat.

Sollen wir es also künftig eher lassen mit den „Börsenbriefen“?

Kennt Frau Sommaruga den Flügelschlag des Schmetterlings?

Das Bild des Meteorologen Lorenz mit dem Schmetterling kennen wir: Ein Orkan in Texas könnte durch den Flügelschlag eines Schmetterlings ausgelöst werden. Leider sind die Auswirkungen von Lockdowns ähnlich, denn die Kollateralschäden sind mannigfaltig und werden unterschätzt. 

Nicht, dass Frau Sommaruga jetzt dafür verantwortlich wäre, dass der Ölpreis auf null gesunken ist. Es ist jedoch so, dass insbesondere „planwirtschaftliche“ Auswirkungen zuweilen zum nicht vorhersehbaren Desaster führen.

Negative Multiplikatoreffekte

Die Volkswirtschaft lehrt uns die Bedeutung der Multiplikatoreffekte: Positive Wirtschaftsimpulse bewirken weitere solche. Investitionen oder Konsumausgaben multiplizieren sich im Schneeballsystem: Wird mittels höherem Paycheck im Restaurant ein teureres Menü bestellt, so erhöht das Restaurant die Bestellung beim Metzger, der Metzger stellt einen neuen Bankmetzger ein, welcher sich schliesslich auch einen zusätzlichen Kebab an der Strassenecke leistet – und so fort. Natürlich streiten sich die Ökonomen, was mehr wirkt: zum Beispiel Geld unter die Leute zu bringen, staatliche Ausgaben zu erhöhen oder die Zinsen zu senken? Allerdings hatten in den letzten Jahren weder die Monetaristen noch die Keynesianer Recht, denn die Wirtschaft hat sich leider anders verhalten, als die Lehre es vorsah. 

Die Volkswirtschaftslehre und insbesondere die Ökonometrie pflegten zwar die Behandlung des Multiplikatoreffekts – aber vor allem nur in eine Richtung. Es war offenbar zu wenig interessant, Multiplikatoreffekte à fond auch im negativen Sinne zu untersuchen.

Lockdowns sind Infarkte

Lockdowns bewirken bekanntlich einen sofortigen Stillstand von Teilen der Wirtschaft. Im entsprechenden Wirtschaftszweig wird mit unmittelbarem Effekt ein Nullumsatz erzielt. Dem Staat entstehen immense Kosten (Zahlungen für Kurzarbeit, höhere Arbeitslosigkeit, Reduktion des Steuersubstrates, etc.). 

Gleichzeitig setzt jedoch ein negativer Multiplikatoreffekt ein: Der Unterbruch der Lieferketten setzt sich dominoartig rückwärtig fort. Die Gastronomie bestellt also nicht mehr bei der Grossmetzgerei, der Bankmetzger wird entlassen, dieser leistet sich einen Kebab weniger. Allerdings verschiebt die Metzgerei auch den Ersatz des Kühlgerätes, die Produktion und Installation von Kühlgeräten wird betroffen – und so fort. Die Effekte finden natürlich nicht so plakativ statt, wie dargestellt. Es sind jedoch sublime winzige Einzeleffekte, die in deren Addition und Wechselwirkung letztlich in einer BIP-Reduktion münden.

Der wahre Virus ist der negative Multiplikator

Perverserweise ist der böse Virus eigentlich der negative Multiplikatoreffekt, welcher sich unkontrolliert ausbreitet. Je länger ein Lockdown dauert, desto mehr Teile der Wirtschaft werden infiziert, wobei die Rückverfolgung der Infizierung sehr rasch unmöglich wird. Dauert der Negativeffekt zu lange, sind die Kollateralschäden dauerhaft, da ganze Strukturen beschädigt werden. Der Konkurs eines einzelnen Restaurants ist zwar bedauerlich, es wird jedoch wieder neue Betreiber geben. Optisch hält sich der Schaden damit im Rahmen. Mit den neuen Investitionen werden auch neue positive Multiplikatorimpulse freigesetzt. So weit, so gut.

Nur sind die bereits erfolgten negativen Multiplikatoreffekte dabei vergessen gegangen. Zudem wird es Branchen geben, welche sich nicht sofort erholen können, weil deren Gerüste beschädigt sind. Und es wird, aufgrund der direkten Schliessungsauswirkungen und der Dominoeffekte noch länger Arbeitslose und Kurzarbeitende geben, welche nicht im üblichen Masse konsumieren werden.

Längerfristiger Schaden

Bis sich die ganzen rückwärtigen negativen Auswirkungen wieder erholt haben, muss also von vorne (Investitionen oder Konsum) ein positiver Schneeballeffekt einsetzen. Es wird Monate und Jahre dauern, bis alle Blessuren verheilt sind.

Wenn der Schweizer Bundesrat meint, dass mit der Wiedereröffnung des Blumenladens jetzt diese Branche gerettet ist, hat er den rückwärtigen Multiplikatoreffekt vermutlich vergessen. Der hält nämlich noch an. In der ganzen Liefer- und Dienstleistungskette aller geschlossenen Läden und blockierten Aktivitäten wird der entstandene Gap nicht einfach wieder aufgefüllt, er bleibt vorerst, vor allem zuhinterst, am Ende der gefallenen Dominosteine, länger bestehen. 

Die Schliessung von Teilen der Wirtschaft, welche mit den nötigen Schutzmassnahmen und Social Distancing durchaus arbeiten könnten (z.B. Fachmärkte), wird damit zu einer fahrlässigen, vordergründig medizinischen und hintergründig zu einer politisch motivierten Entscheidung mit wirtschaftlichen Auswirkungen, welche unterschätzt werden. Mit jedem Tag der Einschränkung werden eben nicht nur Millionenverluste aus entgangenen Umsätzen und zusätzliche Sozialkosten produziert, sondern auch nicht aufholbare ökonomische Kollateralschäden. 

Sehenden Auges in die Depression?

Nicht nur der Schweizer Bundesrat, auch die meisten Regierungen fahren also sehenden Auges (oder eben doch blind) in ein wirtschaftliches Desaster, welches sich nicht einfach in einer wieder gutzumachenden kleinen Rezession manifestiert, sondern in nachhaltigen Schäden. Wir werden rückblickend wohl von einer Depression sprechen. Nicht von der bekannten grossen Depression in den 1930-er Jahren, sondern von der, welche 2020 ausgelöst wurde. Sie wurde indessen nicht durch Covid-19, sondern durch falsch orchestrierte Lockdowns verursacht. Die weltweiten Lockdowns hatten letztlich auch Auswirkungen auf den Ölpreis, der in diesen Stunden nahezu auf null abgesunken ist. Neue Flügelschläge des Schmetterlings setzen ein. Diesmal sind es vielleicht Flügelschläge des Albatros.

Ob jemals ehrlich abgerechnet wird?

Lockerung des Lockdowns: alles nur Politik?

Der Bundesrat und die Behörden feilschten wohl wochenlang hinter den Kulissen um einen Lockerungsplan. Eigentlich sollten medizinische und wirtschaftliche Prämissen den Fahrplan bestimmen. Das Resultat indessen ist nun ein politisches und nur beschränkt nachvollziehbar.

Kosmetikgeschäfte sicherer als Fachmärkte?

Die Epidemiologen hätten natürlich einen möglichst scharfen Lockdown belassen, die Wirtschaft dagegen eine möglichst rasche Öffnung gewünscht. Der Staat als Ganzes musste die Balance finden, um die medizinischen Auswirkungen nicht aus dem Ufer laufen zu lassen, während die Wirtschaft wieder atmen kann. Denn nur so lassen sich die Gesamtkosten in den Griff kriegen. Dass grosse Veranstaltungen, Partys, Gastronomie und andere Aktivitäten und Wirtschaftszweige das Social Distancing nicht gewährleisten können, leuchtet ein. Also warten. Dass mit Auflagen die Schulen nächstens wieder irgendwie funktionieren müssen und generell wieder flächendeckend normaler gearbeitet werden muss, leuchtet ebenso ein.

Aber nun dies: Blumenläden, Coiffeurgeschäfte, Kosmetik- und Massagesalons sind offenbar sicherer und wirtschaftlich relevanter als z.B. Fachmärkte, Möbelmärkte, etc.? Ein Jux…?

Übertragungsrisiko zu hoch bei über 800 m2 Verkaufsfläche?

Die Deutschen verblüfften uns schon kurz zuvor: Unter 800 m2 Verkaufsfläche scheint die Epidemie besser einzudämmen zu sein, als über 800 m? Es ist schlichtweg nicht nachvollziehbar, wieso sich die Ladengrösse invers zur Sicherheit verhalten sollte. Das Gegenteil ist der Fall: Je grösser die Ladenfläche, desto geringer die Frequenz – und desto geringer die Übertragungsrisiken.

Schon vorher unlogische Einschränkungen

Was in der Schweiz schon vorher nicht nachvollziehbar war: Warum durfte die kleine Bäckerei und Metzgerei, wo hinter der Theke das Personal ungeschützt über die Auslagen hustet (wie auch im Supermarkt übrigens), offen bleiben, der weitflächige Elektronikfachmarkt (Media Markt z.B.)  aber nicht? Ebenso waren die Bau- und Gartenmärkte bis jetzt geschlossen, dies zum Beispiel im Gegensatz zu Deutschland.

Grosse Fachmärkte weisen im Vergleich zu den Grossverteilern im Lebensmittelhandel in der Regel eine lächerliche Frequenz auf. Mit den nötigen Sicherheits-Auflagen hätten auch Möbelgeschäfte (Ikea z.B.) oder andere grosse und frequenzarme Anbieter spielend und ohne Risiko offen bleiben können. Nun müssen diese Angebotskonzepte in der Schweiz auch beim neuen  Öffnungsschritt noch geschlossen bleiben. 

Handys durften schon bisher, aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen (unter Verharren in Warteschlangen bis nach draussen), nur im kleinen Mobilfunkshop gekauft werden, und es mussten über Wochen verkaufsfertige Setzlinge aus den gut durchlüfteten Gartencentern auf den Müll geworfen werden. Das kurzarbeitende Personal dieser frequenzarmen Fachmärkte wurde vom Staat einfach durchgefüttert. Nun gut, vielleicht war das einfach ein Regiefehler. Der Staat musste handeln, ganz rasch. Da kann man einmal daneben schiessen.

Nichts gelernt? Oder alles nur Politik?

Inzwischen ist die Informationslage klarer, das Wissen um die Pandemie geschärft und die Behörden sollten dazugelernt haben. Sollten. Denn der jüngste Lockerungsentscheid spricht eine andere Sprache: Wie ist es möglich, einem Möbelhändler oder andern grossen Detailhandelsbetrieben auf der grünen Wiese die Öffnung zu verbieten, dem Blumenhändler hingegen nicht? Der Entscheid kann nur politisch sein, denn aus Frequenz- und Ansteckungsgründen lässt er sich nicht nachvollziehen. Gelten die grossen Konzerne als überlebensfähiger und muss ihnen nicht geholfen werden? Oder geht es eher darum, das „einheimische“, also nicht-ausländische Gewerbe zu schützen? Um Konkurse kleinerer Geschäfte zu vermeiden? Oder um die Basiswähler von Gewerbetreibenden bei der Stange zu halten? Es muss so sein. Ein Coiffeurbetrieb stellt ein grösseres Coronarisiko dar als ein grosser Sportfachhändler. Es mag einleuchten, dass ein Haarschnitt nun langsam dringender geworden ist als der Kauf eines neuen Tennisrackets. Aber epidemiologisch können diese Öffnungsentscheide nicht begründet werden. Ökonomisch auch nur bedingt. Gewisse Branchen haben wohl einfach das bessere Lobbying.

Zu allem Übel befinden sich die kleineren Geschäfte in den Innenstädten, mit deren Öffnung erhöht sich die Frequenz in den Fussgängerzonen und öffentlichen Nahverkehr. In die Fachmärkte indessen gelänge man geschützt im eigenen Fahrzeug, ohne zu Fuss die virologisch stärker gefährdenden Boulevards zu passieren. Diese Öffnungs-Selektion macht damit weder wirtschaftlich, noch medizinisch Sinn!

Kosmetiksalon statt Golfplatz

Ebenso wenig nachvollziehbar ist, dass nun ein Kosmetiksalon wieder öffnen darf, der Golfplatz aber bis auf weiteres geschlossen bleibt. Wie eine Gesichtspflege ohne Körperkontakt erfolgen soll, wird uns der Bundesrat wohl noch erklären müssen. Und warum das Golfspiel – erwiesenermassen eine Sportart mit eher kontrolliertem Körpereinsatz, aber sicher ohne Körperkontakt – verboten sein soll, bleibt wohl ein grosses virologisches Rätsel.

Oder ist es doch nur ökonomisches Unvermögen?

Entweder liess sich der Bundesrat schlecht beraten, er knickte vor gewissen Gewerbelobbys ein, oder er macht einfach generell sein politisches Ding. Mit gigantischen ökonomischen Folgekosten. Umsatzverluste sind letztlich auch Verluste von Steuersubstrat, abgesehen von den Kurzarbeits- und anderen Unterstützungskosten. Ökonomie scheint den Bundesrat zurzeit so oder so nur noch am Rande zu interessieren. Zwar hat er in den letzten Jahren erfolgreich gespart. Nun aber gibt er das Geld mit beiden Händen aus und erhält allenthalben viel Support dafür. Geld kostet ja eigentlich nichts, da zinslos. Zur partiellen Entschuldigung vielleicht: Kaum ein Mitglied des siebenköpfigen Schönwetterclubs konnte je eine fundierte ökonomische Ausbildung geniessen. Sie können zwar Trauben ernten, Klavier spielen oder kennen sich in der Juristerei etwas aus. Im besten Fall bringen sie – im Falle von Ueli Maurer – etwas buchhalterische Verbandsführung mit. Der Staat wird also von einem Stab geleitet, welcher bar jeder mikro- oder makroökonomischen Ausbildung oder Berufserfahrung ist. Kein Wunder, werden gerade jetzt Entscheide gefällt, welche vorab politisch sind.

Verquere Entscheide betreffend den Grenzöffnungen vorprogrammiert

Zu befürchten ist, dass nebst den Entscheiden in Sachen Gastronomie und Veranstaltungen der Entscheid betreffend Wiederöffnung der Grenzen ebenso politisch gefällt werden wird.

Schon bisher war die Grenzschliessung für den Privatverkehr nur teilweise nachvollziehbar. Viren wissen nämlich nicht, wo die Landesgrenze liegt. Deren wirkungsvolle Eindämmung müsste so oder clustermässig für einzelne besonders stark verseuchte Gebiete erfolgen. Nicht nur die Schweiz, die ganze EU hatte hier sehr eigennützig und unkoordiniert gehandelt. Die Schweizer Übergänge für die Grenzgänger indessen blieben weit offen wie ein Scheunentor. Als ob diese zwar bitter nötigen, aber privilegierten Personen quasi virenlos passieren könnten. Das Schweizer Gewerbe freute es, der Einkaufstourismus ins nahe Ausland konnte gekappt, Milliardenausgaben wieder in die Schweiz geholt werden. Gleichzeitig durfte dergestalt bei den Schweizer Grossverteilern an der Preisschraube gedreht werden, denn auf einen Schlag fiel die böse ausländische Konkurrenz mit den unanständig tiefen Preisen weg. 

Was zum Geier wird hier vorbereitet?

Wetten, dass die Schweizer Gewerbelobby noch länger versuchen wird, die Grenzöffnungen möglichst hinauszuzögern? Nicht aus medizinischen Gründen natürlich, sondern schlicht und einfach aus Eigeninteresse. Wieder einmal zum Schaden der Konsumenten und zur Stärkung des Ungleichgewichtes im Preisgefüge Schweiz – Ausland. Der jüngste Entscheid des Bundesrates, Einkaufstourismus, welcher heute immer noch stattfindet (welcher…?), ab sofort mit Bussen zu ahnden, bestätigt unsere Vorahnung. Was zum Geier wird hier vorbereitet?

Protektionismus ist ein schlechter Begleiter einer erfolgreichen sozialen Marktwirtschaft. Die politischen und damit letztlich wirtschaftlichen Corona-Kollateralschäden summieren sich weiter.   

Corona-Kosten: Verschuldung mit links?

Je nach Definition bewegt sich die Staatsverschuldung der Schweiz bei knapp 40% der Wirtschaftsleistung. Deutschland liegt bei rund 60%, die USA und Frankreich bei 100%, Italien bei 130%, Griechenland bei 180%. Wir sind also wieder mal die Musterknaben: Spare, dann hast du in der NotJetzt können wir also das Geld mit vollen Händen aus dem Fenster werfen!

2020: ein katastrophaler „Bilanzabschluss“ 

2020 wird die Schweiz allerdings einen Bilanzabschluss vorliegen, der jeder Revisionsstelle die Schamröte ins Gesicht treiben würde. Binnen eines Jahres werden wir zusätzliche Schulden von 20 bis 25 Milliarden CHF anhäufen. Bestenfalls. Es ist ja erst April, das Jahr ist noch lang, die Aussichten ungewiss. 2021 wird der Abschluss dann wohl auch noch mit einem Defizit aufwarten, denn die getroffenen Massnahmen und die verteilten Gelder wirken zwar nachhaltig in wirtschaftlicher und sozialer Sicht, aber ebenso nachhaltig in Sachen Anhäufung von Schulden. 

Eklige Verschuldungs-Prognose?

Ende 2020 ergibt die Hochrechnung für die Schweiz eine Staatsverschuldung von mindestens 50%, Ende 2021 könnten es 55% sein. Die virtuelle Maastricht-Richtlinie von maximal 60% würde das Nicht-EU-Land Schweiz also spielend einhalten. Bei den meisten EU-Staaten ist dieses Thema nicht mehr so aktuell, denn erstens haben sie die 60% schon immer elegant überschritten, zweitens werden sie es 2020 und 2021 noch deutlicher tun. Italien zum Beispiel wird vermutlich eine Verschuldung von gegen 160% anvisieren. Das wird die Italiener nicht ausserordentlich nervös machen, denn neues Geld wird dank Euroschirm- und anderen Konstruktionen spottbillig aufgenommen werden, und es werden wenig schwere Gedanken daran verschwendet werden, es je einmal zurückzahlen zu müssen.

Time to say goodbye

Auch die Schweiz wird die zusätzlichen Mittel mit links zinslos aufnehmen können. Also kostet die ganze Geldverteil-Übung eigentlich gar nichts? Finanztechnisch ist das in der Tat so. Oder müssten die Schulden irgendwann einmal doch zurückbezahlt werden? Nein, im Falle der Schweiz nicht. Im schlechtesten Fall müssten diese Schulden nur refinanziert werden, irgendwann eventuell einmal, viel, viel später. Auch dann werden die Zinsen vielleicht immer noch bei 0% liegen. Denn wäre dem dannzumal nicht so, hätten viele andere Staaten die Waffen schon längst gestreckt. Werden wir also überhaupt nie mehr Zinsen sehen? Time to say goodbye? Vielleicht.

Die Konsequenzen? Finanziell vorerst einfach keine. Es bleibt indessen der schale Nachgeschmack, dass in der Nullzinswelt die nächste Generation wohl nie richtig Geld sparen kann. Und unsere Renten werden so auch nicht sicherer.

V-Shape, U-Shape, L-Shape….?

Natürlich geht es bei diesen Fragen nicht um die Ausschnittform eines T-Shirts. Inzwischen sind sich wohl alle Ökonomen einig, dass wir uns bereits mitten in einer Rezession befinden. Über den künftigen Verlauf lässt sich bestens spekulieren.

Das Unwort des Jahres 2020 könnte „Depression“ lauten

Der Wirtschaftsverlauf einer Rezession in V-Form kann wohl als vorübergehender Verlust des Gleichgewichtes betrachtet werden: ein kurzer Taucher, dann ist die Balance wiedergefunden und es geht weiter, das alte Niveau wird wieder hergestellt. Beim U-Shape ist der Verlauf der Rezession hartnäckiger; der Rückgang des BIP dauert länger, die Talsohle wird sehr langsam durchschritten – bis es dann tatsächlich wieder aufwärts geht. Wenn unsere Kristalina vom IMF nun von einer „schweren“ Rezession spricht, wollte sie wohl mindestens einen U-Shape andeuten. Die Bezeichnung dieser „schwersten Rezession seit der grossen Depression in den Dreissigerjahren“ ist allerdings eine Beschönigung. Eigentlich meinte sie wohl, dass wir nun kurz vor einer Depression stehen – das Unwort indessen galt es zu vermeiden. 

Wohl eher ein L-Shape?

Vermutlich steuert die Weltwirtschaft, angeführt von den meisten westlichen Länderwirtschaften, in der Tat auf einen L-Shape zu: Der Rückgang des BIP wird signifikant sein, sich über mehrere Quartale erstrecken, der Aufschwung danach wird nicht gleich einsetzen. Eben eine L-Kurve. Die definitionsgemässe Depression wird damit vorliegen, denn diese wird durch ein paar Faktoren bestimmt, welche dannzumal unzweideutig vorliegen werden: starker Rückgang der Wirtschaftsleistung, kein sofortiger Aufschwung, Verwerfungen in der Mikroökonomie, beschädigte Strukturen, massives Eingreifen der staatlichen Institutionen. Die Verschuldung verschiedener Staaten wird in schwindelerregende Höhen steigen, welche normale Finanzierungen nicht mehr zulassen. Die längerfristig nötige Beschaffung der Mittel durch die Staaten (bei Privaten und Unternehmen) wird wohl sehr unappetitlich werden und damit den Aufschwung zusätzlich behindern. L-Shape for ever? Nein, wohl kaum – jedoch sicher längerfristig. Also doch Depression – einfach definitionsgemäss.

Konsequenzen für Unternehmer?

Was gilt es also zu tun? Wie können wir uns vorsehen? Noch mehr Geld in die Wirtschaft pumpen? Oder besser die Motoren ankurbeln, indem die Wirtschaftsordnungen liberalisiert werden, „aufmachen“, Innovationen und Initiativen mehr Spielraum lassen? Überlassen wir das Problem (nur für heute!) einmal den Makroökonomen und verbrennen uns nicht die Finger. Aus Sicht der Mikroökonomie – und damit der Unternehmer – bedeutet es: Die sehr realistischen Szenarien einer Depression müssen unverzüglich in die mittelfristige Planung der Unternehmen einfliessen – ohne einfach auf einen V-Shape zu hoffen. Also die Märkte komplett neu einschätzen und die Strukturen blitzartig anpassen. Besser früher als später.

Corona: Folgt die Depression, nicht die Rezession?

Stehen wir nun vor einer Depression, nicht vor einer Rezession?

Rezession bedeutet Abschwung, welcher die Wirtschaft wieder ins Gleichgewicht bringt. Definitionsgemäss mit negativen Wachstumsraten während zweier aufeinanderfolgender Quartale. Diesbezüglich müssen wir uns keine Sorgen machen: Das wird sicher eintreten.

Da die Wirtschaft jedoch wohl länger auf einen Aufschwung warten muss, diverse Strukturen beschädigt werden und zudem der Staat eingreifen muss, stehen wir nun, wiederum definitionsgemäss, vor einer Depression.

Das klingt vielleicht dramatisch, werden doch damit sofort Ressentiments in Zusammenhang mit den grossen Depressionen in Europa und den USA im letzten Jahrhundert geweckt. Aber es bedarf nun mal der Ehrlichkeit, das Kind beim Namen zu nennen!

Das Positive an dieser einmal gewonnenen Erkenntnis könnte sein, dass wir uns darauf einrichten dürfen. Wenn das Drama nämlich planbar wird, sinkt die Dramatik.

Paul Carpenter’s Economic Outlook

Coronakrise: So fährt man das BIP runter – Mehr als ein Weckruf für Unternehmer

Warum nur outen sich die angesagten Ökonomen nicht und wagen eine Wirtschaftsprognose für dieses und nächstes Jahr? Warum verhalten sich alle Institute, Wirtschaftsministerien und Medien so still diesbezüglich? Wäre die Wahrheit zu schwierig zu verdauen?

Prognose 2020 – das Desaster wird grösser sein als kolportiert

Das ökonomische Einmaleins ist gar nicht so anspruchsvoll: Eingehende Beobachtung und eine Kurzanalyse reichen aus, um die wahren Facts zu erkennen und sich die Dramatik der aktuellen Situation einzugestehen. Tatsache ist, dass auf dem ganzen Globus weite Teile der Wirtschaft heruntergefahren werden. Zum ersten Mal – seit dem zweiten Weltkrieg – sehen wir sowohl einen Nachfrage- als auch einen Angebotskollaps, die gleichzeitig stattfinden. Dies war weder in der Krise 2008/2009, noch (lokal gesehen) beispielsweise beim Mauerfall 1989 der Fall. Die Krisen manifestierten sich bisher nämlich immer angebots- oder nachfragebedingt. Und alle Krisen waren fast nie wirklich weltumspannend. Fazit: In kürzester Zeit wird sich nun die globale Wirtschaft in der tiefsten Rezession seit 1945 befinden. Schlimmstenfalls in einer Depression.

Das medizinische Drama in vielen Ländern ist die eine, sicher bedauernswerte Seite der Medaille. Das wirtschaftliche Drama die andere Seite: Der Lockdown wird in den nächsten Wochen und Monaten global zu diversen Firmenkonkursen führen. Die Kurzarbeit in vielen Ländern vertuscht den Umstand, dass eigentlich viele Entlassungen angesagt wären. Die USA machen es vor, hier widerspiegelt sich die wahre ökonomische Situation eher. Weltweit wird es also zu einer sehr hohen Arbeitslosenzahl kommen, denn es wird unmöglich sein, Kurzarbeit über einen längeren Zeitraum zu finanzieren. Die künftig hohe Arbeitslosigkeit wird zudem, im Anschluss der verschiedenen Lockdowns, zu einem längerfristigen Nachfragerückgang beitragen.

Wer bezahlt die Rechnung?

Italien, Spanien und weitere südliche Länder werden mit ihren radikalen Schliessungen der Wirtschaft ihre BIPs so runterfahren, dass sie de facto Konkurs sein werden – noch dieses Jahr. Natürlich werden EZB und wohl noch zu erfindende andere Rettungsschirme und -fonds dies nicht zulassen. Aber es wird Unsummen kosten. Bezahlen werden dies wohl nicht nur kommende Generationen, sondern es werden mit Bestimmtheit auch neue Steuern angedacht werden. Zum Beispiel auf Vermögen von Bessergestellten: Das Damoklesschwert einer Konfiszierung und einmaligen  privaten Vermögensabgabe wird über der EU schweben. Exponenten des IMF und der EZB hatten dies 2008/2009 schon einmal vorsichtig angedacht. Solche Programme werden nun wohl bald wieder aus der Schublade gezogen. Wie sonst sollten auch Mittel beschafft werden? Reguläre Steuererhöhungen für Individuen und Firmen würden den Wiederaufbau abwürgen, also bleiben konsequenterweise nur stille und zum Teil unproduktive private Vermögen übrig.

Spannend wird es für Staaten, welche sich schon heute kurz vor dem Bail-out befinden, so zum Beispiel Argentinien oder der Libanon. Werden diese durch den IMF und/oder die Weltbank gerettet? Oder konzentrieren sich diese auf Rescue-Übungen, die sich „lohnen“, das heisst auf Hilfeleistungen für Staaten, deren Strukturen einigermassen intakt sind und welche nur corona-mässig in der Bredouille sind?

Geld allein reicht nicht

In der Schweiz können wir uns die teuren Rettungsanker des Staates spielend leisten. Bei einer Staatsverschuldung von unter 40% haben wir noch grossen Spielraum, um Geld zu verteilen; aufgenommen wird es zudem gratis. Aber: Ein Teil der Ausgaben, so die mit der Giesskanne ausgeschütteten Kredite, werden die Unternehmen irgendwann einmal zurückzahlen müssen. Das wird indessen in vielen Fällen gar nicht gelingen, denn so viel an zusätzlichem Ebit (für die Kreditrückzahlungen) können die meisten gebeutelten Firmen in den nächsten Jahren kaum erwirtschaften. Selbst wenn wir in der Schweiz die Situation ein bisschen besser in den Griff kriegen als insbesondere die südlichen Länder Europas und die USA: Der globale Nachfragrückgang in einzelnen Wirtschaftssegmenten wird spektakulär sein, weshalb die Schweiz als extrem vernetzte Wirtschaft sehr betroffen sein wird. Nicht nur hier, sondern weltweit werden insbesondere Gastronomie und Hotellerie, die ganze Reiseindustrie und generell der Tourismus einen Einbruch erleben, welcher zur Teil-Vernichtung dieser Strukturen führen wird. Verschiedene gegroundete Airlines wird es nicht mehr geben, Hotels werden auch nach den Lockdowns gar nicht mehr aufschliessen, das eine oder andere Restaurant ebenso wenig. Genauso, aber in reduziertem Ausmass, wird es dem Detailhandel ergehen: Viele Geschäfte werden es nicht über den Schliessungszyklus hinaus schaffen, und es wird zu Mergern unter den Überlebenden kommen. Das gilt in besonderem Masse für die Luxusgüterindustrie. Erstens wird diese in geringerem Masse von den betreffenden Staaten unterstützt werden, zweitens werden hier besonders viele Kanäle vernichtet – man denke nicht nur an reguläre Wholesale- und Retailstrukturen, sondern auch an die ganze „travel-retated industry“, so z.B. den Dutyfree-Bereich. Steigende Online-Umsätze und die einigermassen gesunden Märkte in Fernost werden hilfreich sein, reichen aber nicht, die Einbrüche nicht als dramatisch zu bezeichnen. 

Umsatzeinbrüche bis 50%

Das Fazit für einzelne extrem betroffene Konsum-Bereiche wird sein, dass die Umsätze 2020 um 50% einbrechen könnten. Viele Firmen werden dies natürlich nicht überleben – da helfen auch Kredite nicht. Diese führen zwar zur momentanen Vermeidung einer massiven Arbeitslosigkeit, sind aber nicht nachhaltig.

Als Folgeerscheinung werden auch die Immobilienpreise leiden. Bei Wohnliegenschaften wohl nur in spekulativen und einigen bisher überbewerteten institutionellen Investment-Märkten, im Retailbereich jedoch wird es zu einem weiteren starken Einbruch kommen. Leerstände wird es sogar an Toplagen geben, deutlich tiefere Preise und Mietzinse sind die Folgen. Das gleiche gilt für den Office-Markt, zumal unsere Gesellschaft inzwischen in Sachen Homeoffice dazugelernt hat.

Ende 2020 werden viele Länder – auch die Schweiz – eine deutlich höhere Arbeitslosigkeit aufweisen, eine zum Teil zweistelligen Rückgang des BIPs erleiden und enorme Schulden aufgebaut haben. 

Und erst gegen Ende 2020 oder anfangs 2021 werden insbesondere exportorientierte Firmen aus dem Konsumgüterbereich die Scherben zusammenkehren können, erst dann kann wieder auf Normalbetrieb umgestellt werden. Aber halt: Es wird nicht überall wieder „Normalbetrieb“ geben. Nur sparen während der Krise und dann weitermachen wird für viele nicht funktionieren.

Nur Blut und Tränen also im 2020? Ja, sicher. Aber wie sieht es für die Folgejahre aus?

Prognose 2021 und 2022: Strukturen sind nachhaltig beschädigt, das Drama geht leider weiter

Sowohl die Angebotsseite als auch die Nachfrageseite werden sich nicht sofort aufrappeln. Vor allem die Angebote aus Dienstleistung und Detailhandel werden sich aufgrund von Konkursen und neuen Strukturen verkleinert haben, zudem werden sich die Lücken in den globalen Lieferketten nicht sofort wieder schliessen, und die rückwärtigen Strukturen dieser Ketten werden ebenso beschädigt sein. Die daraus resultierenden Verknappungen werden vereinzelt auch zu Preiserhöhungen führen – was der Nachfrage auch nicht hilft. Eine Hyperinflation wird es indessen wohl kaum geben, denn die vielen Überangebote wirken preisdämpfend. Immerhin.

Die Suche nach dem neuen Level

Die Nachfrageseite wird so oder so auch 2021 noch kranken, weil ein Teil der Gesellschaft sich gewisse Güter nicht mehr leisten kann oder will. Es wird ein Nachholbedarf für einige Dienstleistungen und Warengruppen geben, aber „unnützere“ Produkte, vor allem aus dem Luxusgüterbereich, werden weniger gekauft werden. Die Kaufkraft der wirklich Vermögenden wird sich zwar kaum reduzieren (ein Lichtblick zumindest), aber die Blessuren bei den Anbietern und bei den Vertriebsstrukturen werden einen längeren Heilungsprozess brauchen. Diese Segmente werden 2021 und 2022 weltweit mit deutlich zweitstelligen negativen Raten noch unter dem Niveau von 2018/2019 liegen.

Grosse Teile der Weltwirtschaft werden sich im 2021 und auch mittelfristig also auf einen neuen Level einstellen müssen. Die 100% von 2019 werden nicht mehr erreicht. Industrie und Gewerbe werden sich wohl gut halten, natürlich auch der ganze Bereich des täglichen Bedarfs. Im aperiodischen und im Luxusgüter-Segment wird es unappetitlicher, denn hier muss jede Firma nun für sich selber festlegen, welches wahrscheinliche und realistische Umsatzniveau anvisiert werden soll. Werden es bloss noch 80%, 70% sein – oder noch weniger…? Je internationaler eine Firma aufgestellt ist, desto schwieriger wird die Lageeinschätzung. Im Hinblick auf den reduzierten Level 2021 und sicher auch 2022 werden alle Wirtschaftsführer und Unternehmer heute schon sofort handeln müssen und die Strukturen nachhaltig anpassen. Unternehmer sein wird nicht attraktiver werden.

Blut und Tränen auch später

Blut und Tränen in der Tat also auch für die kommenden Jahre: Viele ökonomische Architekturen, im Kleinen wie im Grossen, werden nachhaltig beschädigt sein, die Arbeitslosigkeit wird deutlich steigen, die Nachfrage insgesamt rückläufig sein. Dazu kommen aufgeschobene Konkurse und Restrukturierungen, welche die Lage längerfristig belasten werden. Die Makroökonomie wird uns zusätzlich alle beuteln, denn die Länderverschuldungen und die allenthalben zu erwartenden Währungsturbulenzen werden uns die Suppe gründlich versalzen. Irrlichternde Notenbanken und Regierungen hatten schon zuvor die Fallen ausgelegt, in die sie nun selber hineinfallen. Aber wir leider auch. Es wird keine normale Rezession sein, definitionsgemäss wird es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine Depression halten – ein Unwort zurzeit noch, aber wir werden uns daran gewöhnen müssen.

Wer hier noch an Flucht in andere Währungen glaubt, auf eine wieder gutlaufende Börse setzt oder auf Branchen hofft, welche in Kürze wieder wie Phönixe aus der Asche auferstehen, hat die ökonomische Nachhaltigkeit einer Pandemiekrise verkannt. It’s the economy, stupid! Und diese wird für einmal wirklich nachhaltig und global beschädigt sein.

2020 – für viele ein Reset-Jahr

Die jüngste Zivilisationsgeschichte mag die Zeit einmal in eine Vor- und eine Nach-Corona-Ära einteilen, denn vieles wird künftig nicht mehr so sein, wie es war. Länder, Firmen und Individuen sollten nun etwas mehr Zeit verbringen, an ihrem Plan B zu arbeiten. Wir werden uns dabei nicht auf die Hilfe von aussen verlassen können, diesmal wird das nicht funktionieren. Unternehmer sind also gut beraten, sich nicht nur auf die Bewältigung der aktuellen Krise zu konzentrieren. Mindestens so wichtig ist es, die Lage als neue Zeitrechnung zu verstehen. Viele Firmen müssen für „the day after“ (also nach 2020) nämlich komplett neu aufgestellt werden, auf tieferem Niveau erst einmal – Downsizing ist angesagt. Und dann sind zusätzlich ganz neue Visionen vonnöten. 2020 wird zum Reset-Jahr werden, zumindest für Firmen aus dem Konsumgüter- und Dienstleistungsbereich.

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