Die Staatshilfe läuft aus dem Ruder: Es wird ein deutscher Konzern unterstützt…
Ist die Swiss „systemrelevant“? Denn nur dann dürfte der Staat eingreifen. Aus Nostalgiegründen wäre das nicht opportun. In der Finanzkrise musste die UBS gerettet werden – aber damals war der landesweite Zahlungsverkehr in Gefahr, und die Aufräumarbeiten für alle Konten, Anlagen, Kredite und Hypotheken wären gigantisch gewesen. Die Schweiz hatte zu jenem Zeitpunkt rasch und schwungvoll reagiert und den Laden gerettet. Beim späteren Verkauf der Anteile (mit Gewinn) konnte ein kleines Husarenstück präsentiert werden.
Bei der Swiss ist es anders: Auch ohne Swiss könnten wir weiter fliegen. Die Misere geht zudem weit über den vorübergehenden Betriebsstillstand hinaus – das notwendige künftige Downsizing würde zu untragbaren Folgekosten führen. Der Bundesrat muss nun sowohl ein Mikro-, als auch ein Makroproblem lösen. Es ist offensichtlich, dass er dem nicht gewachsen ist – oder einfach nur politisch handelt.
Die ersten falschen Schritte sind nun erfolgt: Der Staat möchte Milliardenkredite sprechen. Ob auch für andere Carriers (so Easyjet) ist noch offen. Das liesse sich insoweit noch rechtfertigen, falls mit gleichen Ellen gemessen würde. Die Airlines könnten also einen Corona-Kredit erhalten, wie sie ihn auch andere Schweizer Firmen beanspruchen können – einfach einen etwas fetteren Batzen. Aber es müsste die Tragfähigkeit geprüft werden – und hier liegt genau das Problem.
Der Bundesrat und einige Politiker haben wohl noch weitergehende Hilfen im Hinterkopf. Wir sprechen dabei von fahrlässigen Milliardenkrediten – ohne zwar ohne Due Diligence…
Für die nachfolgenden Überlegungen wollen wir uns auf die Swiss konzentrieren. Sie ist die einzige „richtige“ Airline in der Schweiz, andere Betreiber verfügen mehr oder weniger nur über Verwaltungsgesellschaften in der Schweiz, ohne nennenswerte Assets.
Ein Grounding bedeutet oft ein Aus
Falls eine Fluggesellschaft nun über mehrere Wochen nicht fliegt, sind die aufgelaufenen Verluste fast nicht aufzuholen. Dazu kommt, dass im Jahr 2021 vermutlich weltweit nur mit 50% Flugvolumen gerechnet wird. 2022 mag es dann ein bisschen besser aussehen, das Niveau von 2019 wird jedoch mittelfristig nicht mehr erreicht. Die Lufthansa selber rechnet erst 2023 mit einem „Gleichgewicht“ (was aber wohl nicht mit einem ausgeglichenen Ergebnis verwechselt werden darf, schon eher mit einem Zustand ohne Sonderhilfen).
Die Auslastungsquoten für die nächsten Jahre werden sich also auf einem komplett unrentablen Niveau befinden, der Liquiditätsbedarf wird steigen, die Schulden werden sich auftürmen. Die ersten in Aussicht gestellten Hilfszahlungen werden kaum reichen.
Mit gigantischen Krediten könnte auch eine Swiss am Leben gehalten werden. Nur könnten solche Kredite wohl nie zurückgezahlt werden: So viele tolle Jahresabschlüsse mit Gewinnen kann es in der Zukunft gar nicht geben.
Teures Downsizing weltweit
Noch über Jahre werden die Airlines also unrentabel bleiben. Das Downsizing wird Unsummen verschlingen, denn das Runterfahren der Personalbestände und die Strukturanpassungen werden über längere Zeit Blutspuren in den Bilanzen hinterlassen. Die überzähligen Flieger werden unter den aktivierten Werten veräussert werden müssen, denn niemand erscheint jetzt als interessanter Käufer, weltweit herrscht ein Überangebot. Nebst dem Stopfen von laufenden Betriebsverlusten stehen also noch ausserordentliche Abschreibungen auf den aktivierten Flotten an – auch bei der Swiss werden die Bilanzen damit nur noch röter. Soll der Bund nun gerade in ein solches Geschäft investieren? Das wäre im besten Fall unüberlegt.
Kredite für überschuldete und klamme Firmen sind oft Ausgaben à fonds perdu. Geld verteilen in Form von Krediten und ohne sichere Gegenwerte ist unvernünftig. Wenn schon, dann müsste in Aktienkapital investiert werden. Aber auch dann: Der künftige reelle Wert einer Beteiligung wäre ungewiss.
Gibt es staatspolitische Gründe für eine „eigene“ Airline?
Ja, es gibt ganz klar Staaten, die würden verkümmern ohne die eigenen Airlines. Nur zwei Beispiele: Singapur Airlines und Emirates. Die beiden Gesellschaften sind weltumspannende riesige Gebilde, sie sind zu einem treibenden Wirtschaftsfaktor der beiden Staaten geworden. Gigantische Hubs, in der Tat too big to fail. Es geht in diesen Fällen also nicht nur um die gute Vernetzung des Landes mit für sie wirtschaftlich interessanten Regionen. Es sind eigene Businessmodelle, mit riesigen nach- und vorgelagerten Strukturen, welche viel Wertschöpfung bringen.
Die Schweiz braucht gute Verbindungen, klar. Mehr nicht. Sie braucht nicht zwingend ein Businessmodell zu unterhalten, welches globale Erträge erwirtschaftet. Fazit: Es gibt keinen zwingenden staatspolitischen Grund für eine „eigene“ Airline, sofern andere Airlines Verbindungen anbieten. Eine Airline ist damit für uns nicht systemrelevant.
Wichtig ist die Flughafen-Infrastruktur.
Die Flughafen-Infrastruktur hingegen ist Staatsaufgabe. Allenfalls auch eine funktionierende Betreibergesellschaft. Hier ist eine Systemrelevanz gegeben, hier muss der Staat das Feuer löschen, wenn es brennt.
Fluggesellschaften indessen kommen und gehen. Sie sind wie die Autos auf den Autobahnen, sehr vereinfacht dargestellt. Strassen müssen her – und zwar gute. Autos werden dann schon rollen. Auch Busse oder Lastwagen.
Wir haben heute schon eine Schweizer Fake-Airline
Natürlich stiftet eine eigene Landes-Fluggesellschaft Identität. Das Schweizerkreuz am Himmel ist etwas Schönes. Nur, nochmals: Bereits heute gehört es nicht mehr uns. Es gehört vor allem deutschen und internationalen Aktionären. Das Schweizer Kreuz ist also schon lange durch und durch teutonisch kontaminiert und hat seinen sinnstiftenden Wert nur noch marketingmässig erhalten können. Wir verfügen bereits seit 2001 nur mehr über eine Schweizer Fake-Airline – das ist die Wahrheit. Wenn wir diese nicht existierende eigene Airline also verlieren, verlieren wir etwas, das wir gar nicht haben.
Schweizer Staatshilfe für Deutschland?
Nach der geplanten Sanierung könnte der Lufthansakonzern eventuell, zumindest teilweise, dem deutschen Staat gehören. Die Schweizerische Eidgenossenschaft würde dann also mit Krediten eine Firma unterstützen, welche ihr gar nicht gehört. Pikanter noch: Wir würden indirekt quasi den deutschen Staat mit Krediten unterstützen! Sozusagen mit „Flugkohäsions-Milliarden“. Und je nachdem, was nun unser Bundesrat unterschreibt, sogar ohne sicheren Gegenwert! Unser Finanzminister könnte der Einfachheit halber gleich Berlin direkt einen Blankocheck ausstellen. Es kann also nicht sein, dass einfach nur Kredite gewährt werden.
Die Eidgenossenschaft könnte in Lufthansa investieren
Falls also Kredite zugunsten der Swiss gesprochen würden, müssten diese abgesichert werden: mit einer deutschen Staatsgarantie, sollte der Lufthansakonzern verstaatlicht oder teilverstaatlicht werden. Oder die Gelder müssten nicht in Form von Krediten, sondern mittels Übernahme von Aktienkapital fliessen. Warum nicht via Aktienkapitalerhöhung beim börsenkotierten Lufthansakonzern? So könnte ein künftiger Ausstieg des Staates einfacher vorbereitet werden – wie damals bei der UBS. Und der Deal müsste an die Verpflichtung geknüpft werden, die Finanzspritze nach unten in die Schweizer Tochtergesellschaft weiterzureichen. Aber wirklich nötig ist ein solcher Schritt trotzdem nicht.
Lösung des Fluglärmstreites?
Eine Beteiligung der Eidgenossenschaft an der Lufthansa könnte allerdings einen kleinen Zusatznutzen bringen. Ein altes Problem könnte vielleicht gelöst werden, denn sollte der deutsche und auch der Schweizer Staat – hoffentlich auch nur vorübergehend – in die Lufthansa investieren, so könnte vielleicht ein gordischer Knoten durchtrennt werden: Eine Beilegung des Fluglärmstreites könnte als Investitionsbedingung ausgehandelt werden.
Es bleibt aber ein Notszenario – weil jegliche Investition eben nicht unter dem Deckelmantel der Systemrelevanz erfolgen dürfte.
Der Schweizer Markt ist hoch interessant
Die Schweiz wird nie ohne Flugverbindungen dastehen. Wenn flugwillige Passagiere da sind, wird es auch Flüge geben. Der Markt wird funktionieren. Ja, er wird sich um die zahlungswilligen Schweizer Passagiere streiten.
In unserem Fall würde irgendeine Gesellschaft die Flieger der konkursiten Swiss bestimmt kaufen und Linien wieder bedienen. Selbst wenn die Assets der Swiss separat verscherbelt würden: Binnen Kürze würden andere Airlines Flugverbindungen übernehmen. Linien werden bedient, wenn sie betriebswirtschaftlich rentabel sind. Ob die Swiss wohl – aus ganz altruistischen Gründen – bisher vorsätzlich unrentable Linien bedient hat? Mit Bestimmtheit nicht. Der Markt wird also wieder diejenigen Linien betreiben, welche auch eine durchgefütterte und marode Swiss später wieder betreiben würde.
Was passiert konkret, wenn Lufthansa die Swiss pleite gehen lässt?
Wenn die Swiss in den Konkurs oder (bestenfalls erst mal in die Nachlassstundung) geht, stehen die Flieger alle am Boden – eigentlich wie gerade jetzt, wo offenbar nur 6 Geräte von knapp 100 im Einsatz sind. Im Falle der Pleite gehören sie dann dem Insolvenzverwalter. Lufthansa wird einen kleinen Abschreiber machen in der Bilanz – was allerdings kaum eine Rolle spielt, da sie als Muttergesellschaft auch fast nichts mehr wert ist. Mit hoher Wahrscheinlichkeit erhält diese dann staatliche Unterstützung und wird gerettet.
Die Swiss könnte in diesem Szenario unabhängig von der Muttergesellschaft grounden. Das geht spielend, die Tochtergesellschaft wird einfach fallengelassen. Mit Grounding haben wir Erfahrung. Es wird in Windeseile vielleicht eine vorübergehende Lösung gefunden, es kommen neue Eigner. Diese übernehmen anschliessend nur diejenigen Flieger, die sie sinnvoll einsetzen können. Dann wird das Logo wieder ein bisschen geändert, vielleicht auch der Name. Intelligenterweise würde man reumütig zu „Swissair“ zurückfinden – sofern sich die Namensrechte auch kurzfristig so nutzen liessen. Natürlich würde es ein paar Rechtsaussen-Parlamentarier stören, wenn die neue „Swissair“ von einer ausländischen Gesellschaft betrieben würde. Aber das ist ja auch heute mit der Swiss der Fall!
Wenn dieses Szenario nicht eintrifft – wenn die Airline also zerschlagen würde und kein neuer Betreiber gefunden wird, welcher die Scherben wegkehrt – wird es auf unseren Flughäfen eben andere Airlines geben. Wir fliegen ab Zürich und Genf dann mit einer Gesellschaft, die auch heute schon diese Linien bedient, oder mit einer Newworld Air, mit Happyairline – oder womit auch immer. Die Welt würde nicht untergehen.
Fazit: Eine einfache Kreditvergabe (bzw. eine Bürgschaft für Kredite) an die Swiss käme nicht einer Investition gleich, sondern einer Ausgabe à fond perdu. Und es würde zudem in eine ausländische Firma investiert, nicht in eine „eigene“ Airline. Es wäre die unklugste von allen Optionen – aber der Bundesrat scheint nun gerade diesen Weg zu gehen.
Es wird immer Fluggesellschaften geben, welche rentable Linien von Zürich und Genf aus betreiben werden; ein Manko an „systemrelevanten“ Verkehrsverbindungen wird es nicht geben.
Also Hände weg von faulen Krediten für eine vermutlich „never ending story“. Notfalls muss die Lufthansatochter eben pleitegehen.