Braucht die Schweiz einen Staatsfonds?

Oder warum unter dem Deckmantel eines Staatsfonds der Staatskapitalismus gefördert werden könnte

Immer wieder kommt die Idee eines Staatsfonds auf den Tisch: vor Jahren schon, als der Bund regelmässig Überschüsse im Staatshaushalt erzielte. Und kürzlich wieder, als man nicht wusste, wohin mit den fetten Überschüssen der Nationalbank. Und jetzt wieder, im Lichte Coronas: Der Staat könnte doch mittels eines Fonds kranke „systemrelevante“ Unternehmen übernehmen… In allen Fällen krankt es jedoch an nachhaltigem Denken: Staatsfonds lassen sich nur rechtfertigen, wenn man wirklich nicht mehr weiss wohin mit dem Geld! True Economics analysiert.

Die Idee ist verführerisch: Sollte ein Staat tatsächlich über überflüssige Einnahmen verfügen, könnte man das Geld doch in einem separaten Fonds bunkern. Für schwere Zeiten, für später, für die kommenden Generationen. Man entzieht die Mittel der – wo vorhanden – demokratischen Kontrolle und spart sie. So werden sie zumindest nicht unnütz verschwendet. Ein eleganter Gedanke an sich.

Nur: Die wenigsten Staaten kommen je in die beneidenswerte Lage, dass sie mehr einnehmen als sie ausgeben können. Trotzdem gab es ein paar Länder, die sich in den letzten Jahren in dieser Situation befanden und die Gunst der Stunde nutzten. Entweder handelte es sich um eine Situation von brillantem Staats-Management (in Singapur z.B.), oder um Glück aufgrund übermässig sprudelnder Ölquellen.

Hier ein paar Beispiele der grössten Staatsfonds der Welt:

Norwegen beschloss, einen Gutteil seiner Erdölerträge für spätere Generationen in dem weltweit grössten und billionenschweren eigenen Staatsfonds zu bunkern – eine gute Sache.

Oder Saudi Arabien, Kuwait, die Emirate, Katar: Die Golfstaaten unterhalten alle gut gefüllte Fonds-Schatullen. Allerdings müssen diese nun geplündert werden, da sich aufgrund der erodierenden Erdölpreise gigantische Defizite in den Staatshaushalten auftun.

Auch China, Singapur oder Hong Kong unterhalten gut dotierte Fonds. Am meisten Ruhm (wenn auch im negativen Sinne) brachte sein Staatsfonds allerdings Malaysia ein: Sein 1MBD Fund hatte sich als Abgrund von Korruption und Regierungsversagen erwiesen. Womit sich uns die Grenzen des Fonds-Managements offenbaren: Es braucht demokratische Kontrollen. Allerdings keine demokratische Einflussnahme im Fonds-Management, sonst wird das Vehikel zum Spielball politischer Partikular-Interessen.

Die reiche Schweiz könnte doch einen fetten Staatsfonds aufbauen

Der Ideen waren schon viele. Insbesondere während Zeiten von nachhaltigen Überschüssen im Staatshaushalt kamen immer wieder Ideen für die Gründung eines Staatsfonds auf. In solchen Fällen zumindest diskussionswürdig.

Variante 1: Der Staatsfonds mit Schuldenaufnahmen

Oft werden Ideen zum Fondsaufbau jedoch mit gefährlichen Pferdefüssen versehen: Die SP zum Beispiel lancierte jüngst die Idee, einen Staatsfonds mit grosszügiger Schuldenaufnahme zu finanzieren. Aus Sicht eines Bankers zum Beispiel (hier machte die SP betreffend Sichtweise wohl eine ideologische Ausnahme) könnte dies Sinn machen: Zu Negativzinsen extrem langfristige Milliardenschulden aufnehmen, dann klug zu investieren – in Aktien, Anleihen, Fremdwährungen, Immobilien, etc. Die Rendite müsste doch extrem positiv sein, also könnte man mit dieser soziale Ausgaben bestreiten. Nur: Der Staat sollte es sich nicht leisten, einen solchen gigantischen Hedgefonds mit der Wette auf Zeit und Erfolg zu unterhalten. Und: Wieso sollte dies der Staat besser tun als private Unternehmen?

Variante 2: Der Staatsfonds zur Stützung systemrelevanter Unternehmen

Die CVP gab sich erst kürzlich ins staatskapitalistische Abseits: Sie schlug einen Staatsfonds vor, welcher „systemrelevante“ Firmen unterstützen oder übernehmen könnte. Wir ahnen schon, wie dies dann vonstatten gehen würde: Die Systemrelevanz würde mit Sicherheit äusserst politisch ausfallen, es müsste dann basisdemokratisch ausgejasst werden, was alles als systemrelevant gelten soll. Am Schluss vielleicht alles. Tür und Tor würden geöffnet für staatliche Übernahmen und Beteiligungen. Wie in Frankreich – oder schlimmer. Ordnungspolitische Sündenfälle wären absehbar.

Variante 3: Staatsfonds aus Überschüssen

Sollten die Schulden einmal nahezu abgebaut sein, könnte ein Staatsfonds in der Tat angedacht werden. Anstatt Überschüsse unnötig zu verpulvern oder irgendwo zu parken, könnte in einem solchen Fall tatsächlich an einen professionell geführten Staatsfonds gedacht werden. Eine Ausnahmesituation, wie sie sich etwa in Norwegen ergab.

Der Weg zum Staatskapitalismus ist kurz

In allen drei Fällen droht das Übel, dass die Staatsfonds Verstaatlichungen oder zumindest ungebührliche Staatseinflüsse fördern, sofern sie deren Manager sich bei den Anlageentscheiden nicht als kluge und unabhängige Investoren betätigen, sondern als staatskapitalistische Gestalter. Das Risiko ist hoch, dass ein Staatsfonds nicht apolitisch gemanagt wird. Norwegen und Singapur sind die wohl wenigen löblichen Ausnahmen, welche die Regeln begriffen haben.

Die höchste Entwicklungsstufe eines Staatsfonds ist wohl dann erreicht, wenn der Staat gleich grosse Teile der Wirtschaft besitzt und verwaltet. Der Fonds ist der Staat – bzw. der Staat ist der Fonds. Die de facto Verschmelzung der beiden Gebilde heisst dann weder „Fonds“, noch „Staat“. Das staatliche Gebilde ist dann einfach Besitzer und Lenker eines Grossteils der Wirtschaft.

Frankreich liegt heute schon bei einer besorgniserregenden Staatsquote von 56%, Deutschland bei 45%. Die Nach-Corona-Ära wird vermutlich aufzeigen, wie stark die Quote allein im 2020 gewachsen sein wird. Die Schweiz liegt Gott sei Dank nur bei rund 35%, allerdings mit steigendem Trend. (Kiribati, die klamme Pazifikinsel, liegt übrigens bei über 150% – ein Fingerzeig, dass die Skala gegen oben durchaus offen sein kann. Im Falle dieses merkwürdigen Eiland-Staates zum Beispiel, indem man – dank ausländischer Hilfe und explodierenden Schulden – tatsächlich nur schon als Staat jährlich mehr ausgibt als das komplette BIP hergibt.)

Wir kennen das Resultat: unproduktiver Staatskapitalismus. Die Eurozone wird 2020 wohl bei 50% liegen. Das heisst, dass der Staat mit seinem eigenen Konsum die Hälfte zum BIP beiträgt. Nur logisch, dass der verstärkte Einsatz von Staatsfonds die Prozentzahl weiter gegen oben drücken würde.

Fazit:

Ein Staatsfonds für die Schweiz könnte erst dann Sinn machen, wenn die Staatsschulden auf ein unerhebliches Mass abgesunken sind, der Bund aber immer noch Überschüsse erzielt. In diesem Fall dürfte ein Fonds indessen nicht risikobehaftetes Leverage betreiben (also nicht Fremdkapital aufnehmen, um die Rendite zu verbessern). Ausserdem müsste der Fonds durch Dritte und völlig apolitisch gemanagt werden. Und da sich alle diese Einschränkungen und Konstellationen in den nächsten Jahren kaum ergeben werden, können wir das Thema Staatsfonds getrost erst einmal auf die Seite legen!

Autor: Paul Carpenter

Paul Carpenter ist ein Pseudonym. Der dahinter stehende Kommentator bleibt anonym. Paul Carpenter lebt seit 15 Jahren in Dubai, ist international vernetzt und beobachtet das Wirtschaftsgeschehen sehr kritisch. Er studierte Ökonomie und Publizistik in St. Gallen und betätigte sich lange als CEO und Unternehmer. Seit einigen Jahren ist er Unternehmensberater und schreibt Kolumnen, welche sich auf den Link von Mikro- und Makroökonomie konzentrieren.

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