Coronakrise: So fährt man das BIP runter – Mehr als ein Weckruf für Unternehmer
Warum nur outen sich die angesagten Ökonomen nicht und wagen eine Wirtschaftsprognose für dieses und nächstes Jahr? Warum verhalten sich alle Institute, Wirtschaftsministerien und Medien so still diesbezüglich? Wäre die Wahrheit zu schwierig zu verdauen?
Prognose 2020 – das Desaster wird grösser sein als kolportiert
Das ökonomische Einmaleins ist gar nicht so anspruchsvoll: Eingehende Beobachtung und eine Kurzanalyse reichen aus, um die wahren Facts zu erkennen und sich die Dramatik der aktuellen Situation einzugestehen. Tatsache ist, dass auf dem ganzen Globus weite Teile der Wirtschaft heruntergefahren werden. Zum ersten Mal – seit dem zweiten Weltkrieg – sehen wir sowohl einen Nachfrage- als auch einen Angebotskollaps, die gleichzeitig stattfinden. Dies war weder in der Krise 2008/2009, noch (lokal gesehen) beispielsweise beim Mauerfall 1989 der Fall. Die Krisen manifestierten sich bisher nämlich immer angebots- oder nachfragebedingt. Und alle Krisen waren fast nie wirklich weltumspannend. Fazit: In kürzester Zeit wird sich nun die globale Wirtschaft in der tiefsten Rezession seit 1945 befinden. Schlimmstenfalls in einer Depression.
Das medizinische Drama in vielen Ländern ist die eine, sicher bedauernswerte Seite der Medaille. Das wirtschaftliche Drama die andere Seite: Der Lockdown wird in den nächsten Wochen und Monaten global zu diversen Firmenkonkursen führen. Die Kurzarbeit in vielen Ländern vertuscht den Umstand, dass eigentlich viele Entlassungen angesagt wären. Die USA machen es vor, hier widerspiegelt sich die wahre ökonomische Situation eher. Weltweit wird es also zu einer sehr hohen Arbeitslosenzahl kommen, denn es wird unmöglich sein, Kurzarbeit über einen längeren Zeitraum zu finanzieren. Die künftig hohe Arbeitslosigkeit wird zudem, im Anschluss der verschiedenen Lockdowns, zu einem längerfristigen Nachfragerückgang beitragen.
Wer bezahlt die Rechnung?
Italien, Spanien und weitere südliche Länder werden mit ihren radikalen Schliessungen der Wirtschaft ihre BIPs so runterfahren, dass sie de facto Konkurs sein werden – noch dieses Jahr. Natürlich werden EZB und wohl noch zu erfindende andere Rettungsschirme und -fonds dies nicht zulassen. Aber es wird Unsummen kosten. Bezahlen werden dies wohl nicht nur kommende Generationen, sondern es werden mit Bestimmtheit auch neue Steuern angedacht werden. Zum Beispiel auf Vermögen von Bessergestellten: Das Damoklesschwert einer Konfiszierung und einmaligen privaten Vermögensabgabe wird über der EU schweben. Exponenten des IMF und der EZB hatten dies 2008/2009 schon einmal vorsichtig angedacht. Solche Programme werden nun wohl bald wieder aus der Schublade gezogen. Wie sonst sollten auch Mittel beschafft werden? Reguläre Steuererhöhungen für Individuen und Firmen würden den Wiederaufbau abwürgen, also bleiben konsequenterweise nur stille und zum Teil unproduktive private Vermögen übrig.
Spannend wird es für Staaten, welche sich schon heute kurz vor dem Bail-out befinden, so zum Beispiel Argentinien oder der Libanon. Werden diese durch den IMF und/oder die Weltbank gerettet? Oder konzentrieren sich diese auf Rescue-Übungen, die sich „lohnen“, das heisst auf Hilfeleistungen für Staaten, deren Strukturen einigermassen intakt sind und welche nur corona-mässig in der Bredouille sind?
Geld allein reicht nicht
In der Schweiz können wir uns die teuren Rettungsanker des Staates spielend leisten. Bei einer Staatsverschuldung von unter 40% haben wir noch grossen Spielraum, um Geld zu verteilen; aufgenommen wird es zudem gratis. Aber: Ein Teil der Ausgaben, so die mit der Giesskanne ausgeschütteten Kredite, werden die Unternehmen irgendwann einmal zurückzahlen müssen. Das wird indessen in vielen Fällen gar nicht gelingen, denn so viel an zusätzlichem Ebit (für die Kreditrückzahlungen) können die meisten gebeutelten Firmen in den nächsten Jahren kaum erwirtschaften. Selbst wenn wir in der Schweiz die Situation ein bisschen besser in den Griff kriegen als insbesondere die südlichen Länder Europas und die USA: Der globale Nachfragrückgang in einzelnen Wirtschaftssegmenten wird spektakulär sein, weshalb die Schweiz als extrem vernetzte Wirtschaft sehr betroffen sein wird. Nicht nur hier, sondern weltweit werden insbesondere Gastronomie und Hotellerie, die ganze Reiseindustrie und generell der Tourismus einen Einbruch erleben, welcher zur Teil-Vernichtung dieser Strukturen führen wird. Verschiedene gegroundete Airlines wird es nicht mehr geben, Hotels werden auch nach den Lockdowns gar nicht mehr aufschliessen, das eine oder andere Restaurant ebenso wenig. Genauso, aber in reduziertem Ausmass, wird es dem Detailhandel ergehen: Viele Geschäfte werden es nicht über den Schliessungszyklus hinaus schaffen, und es wird zu Mergern unter den Überlebenden kommen. Das gilt in besonderem Masse für die Luxusgüterindustrie. Erstens wird diese in geringerem Masse von den betreffenden Staaten unterstützt werden, zweitens werden hier besonders viele Kanäle vernichtet – man denke nicht nur an reguläre Wholesale- und Retailstrukturen, sondern auch an die ganze „travel-retated industry“, so z.B. den Dutyfree-Bereich. Steigende Online-Umsätze und die einigermassen gesunden Märkte in Fernost werden hilfreich sein, reichen aber nicht, die Einbrüche nicht als dramatisch zu bezeichnen.
Umsatzeinbrüche bis 50%
Das Fazit für einzelne extrem betroffene Konsum-Bereiche wird sein, dass die Umsätze 2020 um 50% einbrechen könnten. Viele Firmen werden dies natürlich nicht überleben – da helfen auch Kredite nicht. Diese führen zwar zur momentanen Vermeidung einer massiven Arbeitslosigkeit, sind aber nicht nachhaltig.
Als Folgeerscheinung werden auch die Immobilienpreise leiden. Bei Wohnliegenschaften wohl nur in spekulativen und einigen bisher überbewerteten institutionellen Investment-Märkten, im Retailbereich jedoch wird es zu einem weiteren starken Einbruch kommen. Leerstände wird es sogar an Toplagen geben, deutlich tiefere Preise und Mietzinse sind die Folgen. Das gleiche gilt für den Office-Markt, zumal unsere Gesellschaft inzwischen in Sachen Homeoffice dazugelernt hat.
Ende 2020 werden viele Länder – auch die Schweiz – eine deutlich höhere Arbeitslosigkeit aufweisen, eine zum Teil zweistelligen Rückgang des BIPs erleiden und enorme Schulden aufgebaut haben.
Und erst gegen Ende 2020 oder anfangs 2021 werden insbesondere exportorientierte Firmen aus dem Konsumgüterbereich die Scherben zusammenkehren können, erst dann kann wieder auf Normalbetrieb umgestellt werden. Aber halt: Es wird nicht überall wieder „Normalbetrieb“ geben. Nur sparen während der Krise und dann weitermachen wird für viele nicht funktionieren.
Nur Blut und Tränen also im 2020? Ja, sicher. Aber wie sieht es für die Folgejahre aus?
Prognose 2021 und 2022: Strukturen sind nachhaltig beschädigt, das Drama geht leider weiter
Sowohl die Angebotsseite als auch die Nachfrageseite werden sich nicht sofort aufrappeln. Vor allem die Angebote aus Dienstleistung und Detailhandel werden sich aufgrund von Konkursen und neuen Strukturen verkleinert haben, zudem werden sich die Lücken in den globalen Lieferketten nicht sofort wieder schliessen, und die rückwärtigen Strukturen dieser Ketten werden ebenso beschädigt sein. Die daraus resultierenden Verknappungen werden vereinzelt auch zu Preiserhöhungen führen – was der Nachfrage auch nicht hilft. Eine Hyperinflation wird es indessen wohl kaum geben, denn die vielen Überangebote wirken preisdämpfend. Immerhin.
Die Suche nach dem neuen Level
Die Nachfrageseite wird so oder so auch 2021 noch kranken, weil ein Teil der Gesellschaft sich gewisse Güter nicht mehr leisten kann oder will. Es wird ein Nachholbedarf für einige Dienstleistungen und Warengruppen geben, aber „unnützere“ Produkte, vor allem aus dem Luxusgüterbereich, werden weniger gekauft werden. Die Kaufkraft der wirklich Vermögenden wird sich zwar kaum reduzieren (ein Lichtblick zumindest), aber die Blessuren bei den Anbietern und bei den Vertriebsstrukturen werden einen längeren Heilungsprozess brauchen. Diese Segmente werden 2021 und 2022 weltweit mit deutlich zweitstelligen negativen Raten noch unter dem Niveau von 2018/2019 liegen.
Grosse Teile der Weltwirtschaft werden sich im 2021 und auch mittelfristig also auf einen neuen Level einstellen müssen. Die 100% von 2019 werden nicht mehr erreicht. Industrie und Gewerbe werden sich wohl gut halten, natürlich auch der ganze Bereich des täglichen Bedarfs. Im aperiodischen und im Luxusgüter-Segment wird es unappetitlicher, denn hier muss jede Firma nun für sich selber festlegen, welches wahrscheinliche und realistische Umsatzniveau anvisiert werden soll. Werden es bloss noch 80%, 70% sein – oder noch weniger…? Je internationaler eine Firma aufgestellt ist, desto schwieriger wird die Lageeinschätzung. Im Hinblick auf den reduzierten Level 2021 und sicher auch 2022 werden alle Wirtschaftsführer und Unternehmer heute schon sofort handeln müssen und die Strukturen nachhaltig anpassen. Unternehmer sein wird nicht attraktiver werden.
Blut und Tränen auch später
Blut und Tränen in der Tat also auch für die kommenden Jahre: Viele ökonomische Architekturen, im Kleinen wie im Grossen, werden nachhaltig beschädigt sein, die Arbeitslosigkeit wird deutlich steigen, die Nachfrage insgesamt rückläufig sein. Dazu kommen aufgeschobene Konkurse und Restrukturierungen, welche die Lage längerfristig belasten werden. Die Makroökonomie wird uns zusätzlich alle beuteln, denn die Länderverschuldungen und die allenthalben zu erwartenden Währungsturbulenzen werden uns die Suppe gründlich versalzen. Irrlichternde Notenbanken und Regierungen hatten schon zuvor die Fallen ausgelegt, in die sie nun selber hineinfallen. Aber wir leider auch. Es wird keine normale Rezession sein, definitionsgemäss wird es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine Depression halten – ein Unwort zurzeit noch, aber wir werden uns daran gewöhnen müssen.
Wer hier noch an Flucht in andere Währungen glaubt, auf eine wieder gutlaufende Börse setzt oder auf Branchen hofft, welche in Kürze wieder wie Phönixe aus der Asche auferstehen, hat die ökonomische Nachhaltigkeit einer Pandemiekrise verkannt. It’s the economy, stupid! Und diese wird für einmal wirklich nachhaltig und global beschädigt sein.
2020 – für viele ein Reset-Jahr
Die jüngste Zivilisationsgeschichte mag die Zeit einmal in eine Vor- und eine Nach-Corona-Ära einteilen, denn vieles wird künftig nicht mehr so sein, wie es war. Länder, Firmen und Individuen sollten nun etwas mehr Zeit verbringen, an ihrem Plan B zu arbeiten. Wir werden uns dabei nicht auf die Hilfe von aussen verlassen können, diesmal wird das nicht funktionieren. Unternehmer sind also gut beraten, sich nicht nur auf die Bewältigung der aktuellen Krise zu konzentrieren. Mindestens so wichtig ist es, die Lage als neue Zeitrechnung zu verstehen. Viele Firmen müssen für „the day after“ (also nach 2020) nämlich komplett neu aufgestellt werden, auf tieferem Niveau erst einmal – Downsizing ist angesagt. Und dann sind zusätzlich ganz neue Visionen vonnöten. 2020 wird zum Reset-Jahr werden, zumindest für Firmen aus dem Konsumgüter- und Dienstleistungsbereich.