Waldmeyer und der neue Shah

Waldmeyer fragte sich, wie es nun weitergehen sollte im Iran. Das unsägliche Mullah-Regime ist noch nicht vertrieben, und eine alternative Regierung wird sich demnächst nicht konstituieren. Die USA hatten in der Regel allerdings nie einen Plan B, wenn sie in einem Land militärisch zuschlugen. Das war in Libyen so, in Afghanistan oder im Irak. Aber vielleicht hat Präsident Trump einen intuitiven Plan, im Sinne eines Deals?

Vordergründig wollten die USA bei ihren geopolitischen Scharmützeln in der Regel immer die Demokratie verbreiten. Hintergründig ging es natürlich um Kontrolle, um Seilschaften, um Rohstoffe. Donald dem Chosen One ist die Demokratie ziemlich schnurz – ob zuhause oder «abroad». Es geht ihm nur um seine Deals und um sein persönliches Ego. Wenn es nicht funktioniert oder zu lange dauert, verliert er das Interesse daran. So mit seiner Idee, den Gazastreifen in ein glamouröses Resort zu verwandeln, oder lukrative Deals mit Putin abzuschliessen, weshalb es in Ordnung wäre, dafür die Ukraine zu opfern. Nun, da die Israeli den ersten Dirty Job im Iran erledigt und die USA vermutlich einen Grossteil der Nuklearproduktion zugebombt haben, die Mullahs aber immer noch nicht klein beigeben, wird die Erkenntnis reifen, dass man doch noch etwas nachhelfen müsste. Also doch Regimewechsel. Das ist in der Causa Iran schwierig, denn ein Wechsel setzt ja voraus, dass schon ein neues Regime in den Startlöchern sein sollte – was offensichtlich nicht der Fall ist. Trump erinnerte sich aber plötzlich an den Shah – den einstigen König und Kaiser Irans, des früheren Persiens.

Ja, das waren noch Zeiten, als der Shah dieses flamboyante Leben führte in dem Land! Trump findet auch seinen Sohn, den ungekrönten Kronprinzen Reza, obwohl heute ohne Staat und im Exil, echt cool. Er ist Milliardär. Mit ihm kann man sicher Deals machen. Überhaupt, die ganze Pahlavi-Familie kann sich sehen lassen, ihr Vermögen wird auch heute noch auf rund 20 Milliarden USD geschätzt. Bis zu ihrem Sturz 1979 lebte die Shah-Familie im Iran wie ein orientalisch-westlicher Hochadel, mit einem Hang zur extravaganten Selbstdarstellung, prunkvollen Festen und westlicher Dekadenz – einfach in einem persischen Gewand. Es war eine Mischung aus Versailles, Las Vegas und Beverly Hills. Der damalige Shah selbst – Mohammad Reza Pahlavi – sah sich als „Licht der Arier“ und „König der Könige“. Ein Höhepunkt seiner Regentschaft war seine selbst inszenierte Krönung zum Kaiser. Der strenge Autokrat war militärisch geprägt, aber auch besessen von Imagepflege, Moderne und Statussymbolen, besass eine der teuersten Autosammlungen der Welt und flanierte gerne auch mal mit Jackie Kennedy in Saint-Tropez rum oder empfing Elizabeth Taylor. Farah Diba – die Kaiserin – stand dem in Sachen Grandezza in keiner Weise nach. Sie war westlich gebildet, hatte in Paris Architektur studiert, hofierte Designer wie Christian Dior, gründete Kunstmuseen und brachte moderne Kunst (u.a. Picasso oder Warhol) nach Teheran. Der Hofstaat dort bestand aus über 3’000 Personen. Der gesamte Machtapparat war geprägt von Vetternwirtschaft, Korruption und goldener Selbstbedienung.

Die Feste der Pahlavis waren legendär. 1971, zum 2500-Jahre-Fest des Persisches Kaisertums, wurden für den dreitätigen Pomp in der Wüste Monarchen, Präsidenten, Diktatoren und First Ladies geladen, das Menü von Maxim’s eingeflogen, aus Goldgeschirr gegessen und in edlen klimatisierten Zelten übernachtet. Leider verendeten 50’000 importierte Vögel, weil das ganze Terrain vorher insektizidverseucht wurde. Der Spass kostete 100 Millionen USD – damals eine Unsumme. Und dies in einem Land mit massiver Armut. Aber das alles hatte Stil – was eben auch Präsident Trump nicht verborgen blieb.

Ach ja, Waldmeyer entdeckte auch die ausgesuchten Orte, die die Pahlavis gerne besuchten: Genf und Zürich zum Einkaufen, St. Moritz zum Skifahren, Südfrankreich und Marbella zum Jetsetten. Selbstredend stieg man nicht nur in den feinen Hotels ab, sondern unterhielt nicht ganz unbescheidene Villen an vielen dieser Orte. Kurzum, die Shah-Familie lebte ein hyperglamouröses, westlich geprägtes Leben auf ihrem persischen Thron, mit Hang zu Gigantismus und äusserem Glanz. Das Regime wurde zum Inbegriff einer dekadenten Oberschicht, die sich vom Volk nicht nur entfernt, sondern vollständig entkoppelt hatte – ein idealer Nährboden für die islamische Revolution von 1979.

Der Sturz erfolgte jäh, und der Shah flüchtete, mit Tränen in den Augen, in seiner fetten kaiserlichen Boeing. Über allerlei Umwege zog es die royale Familie letztlich ins Exil in die USA. Dort konnte sie weiter ein Luxusleben führen, auch wenn sie in Sachen Glamour ein paar Abstriche machen musste.

Nicht vergessen blieb, dass der Shah, zuvor 1953, mithilfe der CIA und des MI6 im Iran wieder installiert wurde, nachdem die Herrscherfamilie im Zweiten Weltkrieg abgesägt wurde: Leider hatte sie sich damals mit den Nazis solidarisiert, worauf 1941 die Briten und die Russen im Iran einschritten, die Monarchie kaltstellten und eine pseudo-demokratische Regierung installierten. Aber die neue Truppe war etwas übereifrig, und als die westlichen Erdölfirmen verstaatlicht wurden, wurde es eben Zeit, 1953, den Shah zu rehabilitieren.

Nun wird sich die Geschichte also wiederholen, prognostiziert Waldmeyer: Nach fast 50 Jahren im Exil könnten die Pahlavis wieder zurück an die Macht kommen, wieder von Gnaden des Westens. Trump möchte den Regimechange, und wenn sich The Chosen One etwas in den Kopf gesetzt hat, gibt er selten nach.

Die Pahlavis leben heute im Exil in Washington D.C. Mama Pahlavi lebt in den USA und in Paris, etwas betagt, aber sie lässt es sich gutgehen. Die drei Töchter des Kronprinzen Reza Pahlavi sind alle gut geraten und gebildet. Konkurrenz in Sachen Shah-Nachfolgerechten hat der Reza keine, denn seine Geschwister sind oder waren entweder Schwestern (hatten also das falsche Geschlecht), erlagen ihrer Drogensucht oder nahmen sich durch Suizid aus dem Rennen (so sein Bruder).

Waldmeyers Prognose: Die bald ausgeräucherten Mullahs werden sich verstecken, das Volk jedoch auferstehen. Und der Westen? Der wird, unter der Regie Trumps, an einem Nachfolgemodell für das iranische Regime basteln – obwohl die Bilanz vergangener «Befreiungsaktionen» eher an eine unvollendete IKEA-Anleitung erinnert. Wie schon bemerkt, fehlte immer ein Plan B bei diesen von aussen initiierten Umstürzen. Doch diesmal, vermutet Waldmeyer, ist alles anders, denn Trump hat einen Plan, und der wird klar «Reza Pahlavi» heissen. Der designierte Comeback-Shah wäre eine sehr genehme Besetzung, das Familienvermögen stimmt und der Lebenslauf sieht wie aus einem Netflix-Casting aus: «Ein toller Typ, grossartige Gene, man kann mit ihm Deals machen – ganz anders als mit den Ayatollahs», wird Trump wohl bald schon verlauten lassen.

Dieser letzte und nun disponierbare Shah hat Jahrgang 1960. Mit ihm könnten die USA (oder besser: Trump mit seiner Familie) tatsächlich lukrative Geschäfte abschliessen. Wahrscheinlich hat Trump, im Oval Office sitzend, totally bored, bereits einen beautiful Trump Tower auf einer dieser uninteressanten geopolitischen Notizen hingekritzelt, die ungelesen auf seinem Schreibtisch lagen. Einen besonders schönen, hohen und prunkvollen Tower, der in Teheran zu stehen kommen könnte. Die Lizenzen für die Erdöl- und Erdgasproduktionen könnten an die USA gehen, in seinem Kabinett sitzen ja bereits Exponenten dieser Branchen. Mobilfunk-, Banken-, Kreditkarten- und Autoimport-Lizenzen könnten vermutlich auch alle an die USA gehen – im besten Fall an Trumps Söhne, denn die werden schon wissen, wer operativ zum Zug kommen sollte. Und eine noch zu definierende Ecke im Iran könnte für die Palästinenser freigemacht werden. Wenn die nämlich endlich ein Stück Land erhielten, wäre der Gazastreifen frei. Genau jetzt könnte sich also ein Slot ergeben, auch dieses Problemchen im gleichen Aufwisch zu lösen.  Die ganz leidlich florierende iranische Drohnenproduktion sollte an Freund Putin gehen, er scheint noch etwas Bedarf zu haben. Und was Trump auch noch entdeckte: Iran verfügt über eine unentdeckte, brachliegende, riesige Riviera am Persischen Golf! Natürlich könnte die sehr schön entwickelt werden. Zusätzlich könnten auch beautiful Golfplätze im grünen Hochland errichtet werden. Ja, das Land verfügt über riesige beautiful opportunities!

Allerdings müsste die Immobilienfrage noch gelöst werden. Waldmeyer fragte sich nämlich, wo denn die Shahfamilie künftig standesgemäss residieren könnte. Aber seine Recherchen gaben gleich Entwarnung: Es gibt noch immer rund zehn Paläste im Iran, die wieder «renaturiert» werden könnten; es sind heute Regierungsgebäude und Museen – das liesse sich bestimmt einrichten.

Bei seinen historischen Analysen stellte Waldmeyer weiter fest: Persien war einst eine beachtliche Hochkultur, in den Jahren weit vor Christus, als das Abendbrot der Schweizer noch aus einer Milchsuppe bestand, die sie in ihren kalten und dreckigen Hütten schlürften. Zu jener Zeit bauten die Perser, lange vor den Römern, bereits Bodenheizungen mit Heissluft in ihre Paläste ein. Es kann recht kühl werden im Winter in Teheran, zeigte Waldmeyers Handy an. Die Perser damals waren auch weit fortgeschritten in den Disziplinen Astronomie und Mathematik. Auch in der Medizin, sie führten anspruchsvolle Gehirnoperationen durch. Sie taten eben das, was man in Hochkulturen so tat. Aber bis vor kurzem steinigten ihre Nachfolger, die Ayatollahs, die Frauen, führten das Land mit allen komischen Ausprägungen eines Gottesstaates und bastelten an einer Atombombe. Ja, so ändern sich die Prioritäten.

Doch jetzt wird das Rad der Zeit zurückgedreht. Trump stellte sich für den neuen Iran eine konstitutionelle Monarchie vor. Der Shah sollte, nach einer kurzen Übergangszeit und der Verteilung der Wirtschaftspfründe im Land, ruhig etwas in den Hintergrund treten. Dann wird er nämlich auch wirtschaftlich freier sein. König Charles macht das ja auch, der geht allerlei interessanten Geschäften nach. Er darf das – und gleichzeitig König spielen, das geht hervorragend. Gegen aussen wird Demokratie vorgegaukelt, mit einer klug eingesetzten Regierung. Trump nahm sich vor, Netanyahu zu fragen, wen man als Prime Minister einsetzen könnte – da wird sich sicher jemand finden lassen aus dieser riesigen iranischen Diaspora. Weltweit rund sechs Millionen Iraner im Ausland warten nur darauf, wieder über ein weltliches und ökonomisch fortschrittliches Heimatland zu verfügen, allenfalls auch zurückzukommen und sich wirtschaftlich und politisch zu engagieren. Kurzum: Da wird die Post wieder abgehen in dem Land!

Das Fazit scheint offensichtlich zu sein: Der Westen hat eine gewisse Tradition darin, in Iran Regime zu ersetzen: 1941 wurden die Nazisympathisanten entfernt, 1953 die Ölverstaatlichung rückgängig gemacht und der Shah erhielt seine Rolle zurück, jetzt könnte ein weiteres Comeback des Shahs folgen. Waldmeyer weiss: Reza ist bereit, Trump sowieso, und der Westen liebt es, wenn Ordnung und Öl wieder „geordnet“ zusammenfinden. Ob das iranische Volk das auch so sieht?

Egal – Hauptsache, die PR stimmt und der Thron ist poliert. Wird diesmal alles besser? Wer weiss. Aber wenigstens sieht der neue Monarch auf Instagram besser aus als die grimmigen Ayatollahs. «Reza, taufe doch dein schönes Land wieder in Persien um, Persien war einmal ein beautiful country!», wird Trump seinem neuen Buddy stecken.

Waldmeyer fragte sich, was er nun mit all den Ideen, Informationen und Prognosen anfangen sollte. Er befürchtete schon, dass ihm Charlotte wieder vorhalten würde, «unnützes Wissen zu akkumulieren». Doch nein, Waldmeyer kann das sehr wohl rechtfertigen: Er beobachtet, ist Voyeur und kritisiert. Er wird mitverfolgen, wie im Iran die Mullahs über kurz oder lang doch noch vertrieben werden und es zu einem Regimewechsel kommt. Vielleicht wird das Land dann in einer ersten Phase noch etwas kaputter dastehen. Waldmeyer wird beobachten, wie später in einem neuen, auferstandenen Persien wieder die Kronleuchter aufgehängt werden – bevor die Leute allerdings ihre verlotterten und von Raketen in Leidenschaft gezogenen Dächer reparieren können.

Waldmeyer überlegte, wann er Charlotte eine Reise ins neue schöne Persien vorschlagen sollte. Nicht für einen Urlaub, sondern einfach für eine Studienreise. Und er fragte sich auch, ob er nicht Bundesrat Parmelin anrufen sollte. Ob dieser sich nun nicht für ein Freihandelsabkommen bereithalten sollte? Noch ist das neue Persien ein makroökonomischer Zwerg, sein BIP, trotz fast 100 Millionen Einwohnern, beträgt gerade mal 400 Milliarden USD – nur gut das Doppelte des Kantons Zürich, und pro Kopf erzielt das lädierte Land eine Wirtschaftsleistung auf der Höhe des mausarmen Moldawiens. Aber man sollte früh dabei sein. Wenn die Trump Towers einmal stehen, könnte es zu spät sein.

 

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