Waldmeyer sieht sich immer mehr der Situation ausgeliefert, dass er gegen etwas ist. Er distanziert sich von allerlei Dingen. Und Personen. Und Ideen. Sein Umfeld könnte ihm nun vorwerfen, dass er nur kritisiert und die positiven Punkte nicht herausschält. Waldmeyer sucht nach einem Ausweg.
Waldmeyer war eigentlich schon immer gegen Trump. Oder gegen «Trömp», helvetisch formuliert, insbesondere aus etwas bildungsferneren helvetischen und hoffnungslos rechtsgerichteten Kreisen. Aber, offen gestanden, war Waldmeyer auch gegen Kamala Harris. Er ist auch gegen Putin, partiell gegen die Chinesen, gegen die Hamas, gegen die Jusos, gegen die Zürcher Stadtregierung und gegen den Klimawandel. Auch Inflation findet er nicht lustig, das Älterwerden ebenso wenig. Und selbstredend ist er auch gegen Hepatitis und gegen Krebs, beispielsweise. Also gegen vieles. Aber alles der Reihe nach.
Waldmeyer betrachtet Trump als einen geopolitischen Analphabeten, einen narzisstischen Selbstdarsteller, als einen notorischen Schwindler, als einen rücksichtslosen, letztlich aber nur mittelmässig begabten Geschäftsmann und als gefährlich. Allerdings muss er eingestehen, dass er den Kerl früher ab und an auch ganz witzig und unterhaltsam fand. Früher. Aber jetzt hat er rote Linien überschritten und destabilisiert die ganze Welt.
Kamala hat keinen blassen Schimmer von Ökonomie und verhaspelte sich im Wahlkampf in Randthemen wie Genderanliegen und Abtreibung. So richtig für Kamala konnte man damit tatsächlich nicht sein, als Wahlalternative zu Trump taugte sie nur bedingt. Nun, too late to cry.
Waldmeyer ist, bzw. war, also gegen beide. Und darum froh, nicht Amerikaner zu sein und abstimmen zu müssen. Er ist auch froh, nicht im Rustbelt zu leben, alles andere als eine mangelhafte Schulbildung erhalten zu haben, sich nicht von Junkfood ernähren zu müssen, nicht, wie 70% der Amis, übergewichtig zu sein, Zugang (in seiner Welt) zu einer ordentlichen Gesundheitsversorgung zu erhalten und so vermutlich nicht frühzeitig sterben zu müssen. Kurzum: also doch besser in Meisterschwanden zu leben und sich nur über lokale Unbill zu ärgern.
Aber wofür und für wen könnte man denn sein, wäre man Amerikaner? Damned difficult.
Jochen Rubinstein, ein deutscher Jugendfreund Waldmeyers (Steuerberater in Hamburg, Kordhose, randlose Brille, Pferdelederschuhe, intellektueller Habitus) meinte einmal, Waldmeyer sei ein «Nihilist» – er sei einfach gegen alle und alles und stelle auch das letzte Alles noch in Frage. Aber das war zu kurz gegriffen. Denn Waldmeyer, erklärtermassen ein grosser Kritiker der deutschen Regierung, wäre beispielsweise durchaus für etwas: also etwa für eine neue zukunftsgerichtete und funktionierende Führung in Deutschland, für mehr Selbstbewusstsein und ein Wiedererstarken des ganzen Landes. Vielleicht sogar für ein neues Volk in diesem Landstrich. Waldmeyer ist also, so sein Verteidigungskonzept, mitunter durchaus für Fürs. Er wäre auch, angesichts der neuen geopolitischen Verwerfungen, für ein erwachendes neues Europa. Wäre.
Aber zurück zu den Gegen: Natürlich ist Waldmeyer gegen gewisse Entwicklungen. So eben gegen die Hegemonieabsichten Chinas, Russlands und der USA. Aber auch, weil das geografisch so nahe liegt, gegen die Rückschritte in unserem nördlichen Nachbarland – weshalb auch immer dieser Disput mit Rubinstein auftritt. Ganz einfach, weil es ihn, Waldmeyer, über kurz oder lang auch selbst betreffen würde. Deutschland liegt verdammt nah. Von Meisterschwanden aus sind es, Luftlinie, nur gut 30 Kilometer. Schon seit geraumer Zeit mahnt er deshalb die «teutonische Kernschmelze» an.
Auch Frankreich bereitet Waldmeyer Sorgen: Die Staatsverschuldung des Landes läuft aus dem Ruder, die Leute streiken lieber, als dass sie arbeiten, und so weiter. Ist Waldmeyer also für oder gegen Frankreich? Wenn er an die frischen Austern denkt im Languedoc, ist er sicher für Frankreich. Auch für die Weine aus dem Bordeaux. Ja, man muss die Fürs halt herausschälen.
Die weltfremde Zürcher Regierung bietet Waldmeyer auch immer eine wunderbare Projektionsfläche. Auch die Jusos. Die Fürs, über alles, bleiben da halt in der Minderheit.
Waldmeyers Nachbar Freddy Honegger (mit seiner Bettina) ist auch gegen vieles: gegen 5G, gegen das Impfen, gegen Soros und gegen Bill Gates. Dafür für allerlei lustige Verschwörungstheorien. Honeggers haben also ein ganz anderes Setup. Es lässt sich nicht vergleichen mit Waldmeyers Problem, denn Waldmeyer, so seine Empfindung, widmet sich mehr dem Big Picture, er überwacht eher die wichtigen Sachen in der Welt und beurteilt sie, wenn auch mit seiner ihm eigenen subjektiven Objektivität.
Waldmeyer ist, wie bereits erwähnt, auch gegen Putin. Wie fast alle normal denkenden Menschen. Ausser zum Beispiel Roger Köppel von der Weltwoche.
Waldmeyer ist ebenso gegen den Schulabgänger aus Gümligen und Köniz, also den etwas adipösen Kim in Nordkorea mit der lustigen Frisur und den zu weit geschnittenen Hosen. Waldmeyer ist ebenso gegen die Ayatollahs im Iran. Und so weiter. Da kann man fast nur dagegen sein. Auch gegen Meister Xi in China, trotz seines maskenhaften Lächelns und dem verkrampften Versuch, sich als Gutmensch darzustellen. In der Gegenposition verorten muss Waldmeyer leider auch die ehemalige Kinderärztin von der Leyen – dies aufgrund ihrer dünnen Kompetenz, ihres Machttriebes und der Wahl falscher Prioritäten. Im Gegenlager befindet sich selbstredend auch der ungarische Spaltpilz Orban. Ah, und Lukaschenko noch, der Chef des letzten kommunistischen Staates in Europa. Im Prinzip auch gegen Maduro, den ehemaligen Busfahrer (aktuell Präsident und Diktator in Venezuela) – wenn auch letzterer für uns in Europa einer gewissen Relevanz entbehrt.
Waldmeyer war doch etwas verzweifelt mit seiner Auslegeordnung. Es gibt offenbar nur viele «Gegen», Brandherde und Probleme. Wie sollte man dergestalt, angesichts dieser schwierigen Ausgangslage, denn gegen diese Gegen sein? Dass Lara, seine Tochter, im x-ten Semester Ethnologie studiert, ist auch kein Highlight, da ist er ebenso klar dagegen, darf es aber leider so nicht formulieren.
Also versuchte sich Waldmeyer doch noch auf ein paar Fürs zu konzentrieren. Er wäre z.B. klar für den Ausbau der Autobahnen (es kann ja nicht sein, dass wir bei einer Vervielfachung des Verkehrs auf den gleichen Routen steckenbleiben). Er wäre auch für ein schlaues Abkommen mit der EU – aber zu seinen Bedingungen. Beim Klimawandel ist er sich nicht ganz sicher, denn die Erwärmung, so sie auch in der Schweiz stattfinden würde, müsste ja nicht nur unangenehm sein. Im Süden Englands wird jetzt bereits Schaumwein produziert, man muss also auch das Positive sehen.
Charlotte hatte plötzlich Erbarmen mit Waldmeyers lauten Gedanken, die er – wieder einmal – beim Dinner ausbreitete. Sie gönnte ihm ein weiteres Glas Terre Brune und meinte: «Du musst nun definitiv in die Politik einsteigen, Max. So geht es nicht weiter. «Change», weisst du. Andere nehmen sich vor, Kriege binnen 24 Stunden zu beenden. Da wirst du ja auch noch etwas hinkriegen.»
«Und wo beginne ich in dieser ganzen Scheisse, kannst du mir das sagen?»
«Nun, du gründest erst mal eine neue Partei. Vielleicht die Waldmeyer-Partei? Zumindest hast du schon ein erstes Mitglied.»