Waldmeyer und der neue Staat Israel

Die Lage im Nahen Osten ist verzwickt: Seit bald 80 Jahren gelingt es der Weltgemeinschaft nicht, eine friedliche Koexistenz der Völker aufzubauen. Waldmeyer wagt, mit dem Risiko eines Shitstorms, einen Befreiungsschlag.

 

Eine aussichtslose Lage

Seit 1948 gelang es der Weltgemeinschaft nicht, eine Lösung für eine friedliche Koexistenz zwischen dem jüdischen und dem palästinensischen Volk zu etablieren. Die UNO, der Westen, Israel und die muslimischen Völker haben schlichtweg versagt. Fast 80 Jahre lang wurde nun rumgedoktert – für nichts und wieder nichts. Die Sache mit der Zweistaaten-Lösung ist dermassen verfahren, dass sie kaum gerettet werden kann. Ein formeller Palästinenserstaat, selbstverwaltet und prosperierend? Angesichts der Hamas und der Hizbullah, welche, sekundiert vom Gottesstaat Iran, die Errichtung eines eigenen palästinensischen Staates gar nicht zum Ziel hat, sondern schlichtweg nur die Vernichtung des Staates Israel, verkommt ein solches Ansinnen zur Schimäre. Lustigerweise befeuern westliche Staaten immer noch verabscheuenswürdige Pläne der Hamas, indem sie Schulbücher finanzieren, welche schon auf den ersten Seiten die Vernichtung des jüdischen Staates propagieren. Auch die Schweiz hat diese Lehrmittel mit Millionenbeiträgen unterstützt. Und die UNO verurteilt heute konsequent Israel, fasst indessen Iran und seine Milizenschergen nur mit Samthandschuhen an.

Die Sache ist komplett aus dem Ruder gelaufen

Wir sind uns wohl einig: Die Taten insbesondere der irangesteuerten Hamas sind absolut niederträchtig. Und Israel verdient eine gesicherte Existenz. Dass Israel nun aber unverhältnismässig zurückbombt, ist auch keine Lösung. Dass sich die Hizbullah trotz UNO-Resolution nie aus dem Süden Libanons zurückgezogen hat und Israel immer noch täglich mit Raketen beschiesst – und so wieder Gegenreaktionen Israels auslöst – ist dem Frieden in der Region selbstredend auch nicht dienlich. Unabhängig von der geopolitischen Notwendigkeit, Iran in Schach zu halten, muss andererseits für die Palästinenser eine adäquate unabhängige Bleibe gefunden werden. Der ganze Nahe und Mittlere Osten, inklusive Iran und der muslimisch geprägten Afrika-Staaten, wird nicht zur Ruhe kommen, bevor dieses verfahrene Nahostproblem nicht gelöst ist.

Der Befreiungsschlag

Leider ist es nun mal so, dass die reine Existenz des Staates Israel den Hass antisemitischer Kreise und deren Gewaltbereitschaft befeuert. Waldmeyer wagt nun einen gefährlichen Gedanken: Würde denn in diesem Teil der Welt Friede herrschen, wenn es Israel gar nicht gäbe? Also rein hypothetisch, ohne davon, bei Gott und bei Allah, irgendwelche Forderungen abzuleiten: Würden alle Staaten in der Region denn in Minne miteinander leben, wenn Israel wegziehen würde? Ein Gedanke, der politisch brisant ist. Aber trotzdem: Falls es so wäre, herrschte dann Friede?

Ja, vielleicht, dachte Waldmeyer, obwohl er sich selbstredend gleich schämte, einen solchen Gedanken einer Umsiedlung überhaupt aufkommen zu lassen. Man müsste für Israel natürlich eine faire und valable Alternative finden.

Waldmeyer entwickelt einen geheimen Plan

Waldmeyer begab sich also, ganz vorsichtig, in diesen bedrohlichen Warteraum des Konjunktivs: Was wäre, wenn…? Man darf ja auch mal unkonventionell brainstormen, nicht? Und kritisch denken heisst auf keinen Fall, antisemitisch zu denken. Das muss sich auch die jüdische Gemeinde nun mal gefallen lassen.

Sicherheitshalber beschloss Waldmeyer, vorerst mit niemandem über seine Idee zu sprechen. Auch mit Charlotte nicht, schon gar nicht mit seiner Tochter Lara. Zumal Letztere nicht durch ihre Eltern, sondern vor allem durch die Sozialen Medien sozialisiert wurde und für Palästina auch mal auf die Strasse geht.

Aber nun zur Sache: Das ganze Projekt mit dem neuen Staat für Israel müsste freiwillig stattfinden. Waldmeyer legt nun seinen Plan vor:

  1. Es müsste für Israel ein neuer Ort auf der Welt gefunden werden, welcher sicher, bewohnbar und genügend gross ist, um dort zu leben.
  2. Die Weltgemeinschaft müsste dahinterstehen und einen „Umzug“ des Staates Israel akzeptieren.
  3. Eine Anschubfinanzierung müsste eingeplant werden, z.B. durch den Westen und durch die Golfstaaten.
  4. Ein Masterplan für den Umzug müsste vorliegen.

Die Geschichte hilft weiter

Die Historie hatte schon einmal ein paar Ideen hervorgebracht, die in diese Richtung gingen. So gab es vor über hundert Jahren bereits einen Plan Chamberlains, der vorsah, einen jüdischen Staat in Afrika zu errichten. Die Idee bestand darin, die damalige relativ uninteressante britische Kolonie Uganda zur Verfügung zu stellen. Der Plan wurde allerdings wieder fallengelassen. Es wäre indessen ganz interessant zu beobachten gewesen, was aus Ostafrika geworden wäre, wenn sich dort ein erfolgreicher jüdischer Staat etabliert hätte. Hätten die tüchtigen Israeli vielleicht den halben Kontinent zu einer wirtschaftlich blühenden Region entwickelt?

Zur gleichen Zeit stand El Arish auf der Liste. Der jüdische Staat wäre damit nur unwesentlich unterhalb des Gazastreifens zu liegen gekommen, an der Küste der ägyptischen Sinai-Halbinsel, auf dem Weg nach Alexandria. Auch diese Idee kam indessen nicht zum Tragen.

Schon früher, 1928, stand der Osten Russlands zur Diskussion, 1939 wurde von den Nazis ein „Madagaskar-Plan“ ausgearbeitet, und Mussolini schlug zur gleichen Zeit einen Teil Äthiopiens vor, damals eine italienische Kolonie – alles relativ charmelose Vorschläge, die schon eher Deportationscharakter hatten.

Da war 1942 der britisch-australische Ansatz, Tasmanien zur Verfügung zu stellen, schon interessanter. Dort gab es, beispielsweise, bereits eine kleine Synagoge. Und viel Land. Aber wie wir wissen, entschied sich die Weltgemeinschaft nach dem Zweiten Weltkrieg anders. Und so wurde der jüdische Staat 1948 inmitten eines arabischen Umfelds errichtet, mit jüdisch-historischen Wurzeln zwar, aber im Epizentrum einer relativ fundamentalistischen muslimischen Welt. Das konnte ja nicht gut gehen.

Heureka: Es gibt ein ideales Land für Neu-Israel!

Waldmeyer durchforstete den Globus und fand tatsächlich den idealen Ort: Australien. Dort gibt es genügend Fläche, viele fast menschenleere Gebiete. Der Landstrich müsste allerdings einen Meerzugang haben. Die UNO könnte einen Deal mit Australien abschliessen und eine ordentliche Fläche bereitstellen, damit sich der neue Staat wirtschaftlich anständig entwickeln kann. Um künftig eine unkontrollierte israelische Siedlungspolitik zu verhindern, müsste das Land etwa mindestens doppelt so gross sein wie das heutige Israel. Am besten wäre eine Insel, da wäre eine ungebührliche Expansionspolitik zum Vorneherein schwierig. Und so landete Waldmeyer, der Logik folgend, wieder bei Tasmanien, der südlich vor Australien liegenden Insel.

Tasmanien ist ideal

Das australische Tasmanien ist rund dreimal so gross wie das heutige Israel. Es ist fruchtbar, liegt in einer gemässigten Klimazone und hat – da eben eine Insel – mehr als genügend Meerzugang. Der Ort würde also ein deutliches Upgrading darstellen. Waldmeyer wusste auch gleich, wie Neu-Israel gestaltet werden sollte. Mit Australien und der ganzen pazifischen Region müsste es ein Freihandelsabkommen geben. Neu-Israel würde sich in zwei Kantone gliedern, in ein Normal-Israel und ein Ortho-Israel (für die orthodoxen Mitglieder der jüdischen Gemeinde). Der orthodoxe Teil müsste südlicher liegen, weil es auf der Südhalbkugel weiter südlich bekanntlich kühler ist (damit würde man den etwas komplizierten Bekleidungsbräuchen der orthodoxen Juden entgegenkommen).

Die bestehende, bescheidene Population Tasmaniens könnte man im Kanton Normal-Israel integrieren, sollte sie dem Angebot der australischen Regierung für eine Umsiedlung auf den Kontinent nicht nachkommen. Im israelischen Staat leben heute Tausende von Muslimen, also würde die Integration von tasmanischen Nicht-Muslimen mit Bestimmtheit umso eleganter vonstattengehen. An die koscheren Malzeiten würden sich die verbleibenden Tasmanier sicher gewöhnen können, zumal ihre heutige gastronomische Basis doch eher bescheiden ist.

Es gibt doch noch Fragezeichen

Je weiter Waldmeyer indessen reflektierte, umso nachdenklicher wurde er. Ja, was wäre, wenn…? Würde in Nahost mit der Verlegung Israels tatsächlich Friede und Prosperität einkehren? Könnte sich der Westen ganz zurückziehen aus diesem Teil der Welt? Da wären doch noch einige Zweifel angebracht. Sunniten und Schiiten sind sich spinnefeind in der Region. Waldmeyer verstand den Unterschied zwischen den verschiedenen muslimischen Ausrichtungen nicht ganz. Offenbar bestand dieser vorab darin, dass unterschiedliche Meinungen über die Nachfolge des Propheten Mohammed herrschen. Es handelt sich also um ganz feine Nuancen, wie sie etwa zwischen Katholiken und Protestanten bestehen. Um Nuancen allerdings, die zu unüberbrückbarer Unversöhnlichkeit führen. Die schiitischen Iraner beispielsweise würden in der ganzen Region wohl weiter mit dem Feuer spielen. Und die Palästinenser kämen allein vermutlich immer noch nicht klar, hatten sie es doch bis heute, trotz Millionen-Unterstützungen aus der ganzen Welt, nie geschafft, eine funktionierende Gesellschaftsstruktur aufzubauen. Seit bald 80 Jahren konnte keinerlei wirtschaftliche Basis für ein autonomes Leben etabliert werden.

Mit anderen Worten: Es bestehen doch noch ein paar Fragezeichen für ein erfolgreiches Umsiedlungsprojekt. Sollte Waldmeyer nun seinen geplanten Befreiungsschlag wieder auf Eis legen?

«Wo ist eigentlich Lara heute?», fragte Waldmeyer Charlotte.

«An der Demo. Du weisst doch, Palästina und so.»

„Halleluja“, rief Waldmeyer aus. Und er überlegte: Hoffentlich wird seine geheime Neu-Israel-Idee trotzdem irgendwie durchsickern.

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