Waldmeyer, das Ribeye und die französische Linke

Der Kauf eines Stück Ribeyes beim Metzger betrachtet Waldmeyer mitunter als eine klassische Management-Aufgabe. Es gilt nicht nur den Zuschnitt, die Herkunft und die Qualität zu beachten, sondern auch den finalen Entscheid, ob es wirklich ein Ribeye sein soll. Die jüngsten Pläne der neu formierten französischen Linken könnten dabei einen Einfluss haben.

Der Auftrag Charlottes an Max Waldmeyer war klar an diesem Samstag: Er möchte bei der Rückfahrt von der Tankstelle doch bitte beim Gschwend noch ein paar schöne Hohrücken oder Entrecôtes mitnehmen. Aber nur vom Gschwend.

Nur vom Gschwend!

Gschwend, das ist wichtig zu wissen, ist der angesagteste Metzger der Region. Wenn die Nachbarn Freddy und Bettina Honegger (Verschwörungstheoretiker, Impfgegner, auch gegen 5G, was aber in diesem Zusammenhang nichts zur Sache hat) dann abends zum Grillen kommen – sie hatten sich erst gestern selbst eingeladen – und fragen, woher das feine Fleisch sei, muss es von Gschwend sein. Waldmeyer hatte schon früher spekuliert, ob er nicht trotzdem beim Coop oder, ganz klandestin, beim Denner reinschauen sollte, unten am Kreisel (Ersparnis: glatte 20%). Er liess die Idee aber wieder fallen, denn mit der süffisanten Bemerkung Freddys «ich hab deinen Wagen beim Kreisel gesehen» wollte er nicht konfrontiert werden.

Hohrücken, Entrecôte oder Ribeye?

Also Gschwend. Bei Gschwend sei das Fleisch «besser abgehangen», alles Bio, und überhaupt. Von all den kolportierten Alleinstellungsmerkmalen Gschwends ist nur eines sicher: Er ist teurer. Und sein Fleisch kommt nicht nur von glücklichen Schweizer Kühen, sondern zum grossen Teil auch aus dem Ausland.

«Ich werde mir dann besser mal das Ribeye ansehen», antwortete Waldmeyer auf Charlottes Einkaufsorder. Waldmeyer suggerierte so elegant, dass er sehr wohl zu unterscheiden weiss zwischen Hohrücken, Entrecôte und Ribeye. Der Unterschied könnte auch einem Jungmetzger beim Gschwend, z.B. dem netten Ahmed, die Schweissperlen auf die Stirn treiben. Tatsache ist jedoch, dass sich die feinen Differenzen der Rücken-Fleischstücke verwischen und, etwas grosszügig interpretiert, die Steaks sich alle hintereinander auf dem Rücken eines armen Rindleins platzieren.

Netto ist nicht brutto

Aber eigentlich hatte Waldmeyer an diesem Morgen etwas ganz anderes im Kopf: Die vereinte neue Linke in Frankreich möchte offenbar die Rente wieder subito auf 60 runtersetzen, die Preise für Nahrungsmittel und Energie kurzerhand einfrieren, die Löhne fest an die Inflation koppeln und den Minimallohn von 1‘400 auf 1‘600 Euro erhöhen. Unverändert bleiben sollen selbstredend die mantramässig vorgetragenen Forderungen nach einer weiteren Reduktion der Arbeitszeit (die 35-Stunden-Woche lastet bereits schwer auf der Psyche des Franzosen). Wie immer wurden die neuen Ideen ohne Finanzierungsvorschlag präsentiert. Aber die fortlaufende Deindustrialisierung Frankreichs konnte auch Emmanuel Macron I. inzwischen nicht aufhalten, sie geht einfach weiter, und Frankreich ist derweil zu einem ziemlich unattraktiven Produktionsstandort geworden. La Grande Nation ist damit sogar weiter gediehen als Deutschland – dort droht allerdings eher eine Verscholzung, dachte Waldmeyer, als er seinen Porsche Cayenne (schwarz, innen auch) Richtung Gschwend navigierte.

Die Franzmänner denken nur netto

Es war Punkt 10:00 Uhr, also wechselte Waldmeyer von „It never rains in Southern California“ auf SRF1. Und da wieder die gleiche Meldung, das neue Parteiprogramm dieser weltfremden Franzmänner: 1’600 Euro – netto! Waldmeyer stand auf dem Parkplatz bei Gschwend und hörte sich in Ruhe nochmals die Nachrichten an. Wenn Honegger nun auch einen Einkaufsauftrag hätte, würde er Waldmeyers schweren SUV beim Vorbeifahren beim Gschwend entdecken. Tant mieux.

Also 1’600 Euro netto. Aber warum «netto»? Die denken heute also alle nur noch „netto“, die Franzmänner? Auch in Deutschland ist das jedoch gang und gäbe – zumindest bei den unteren Gehaltsstufen. In beiden Ländern werden die Steuern sicherheitshalber nämlich monatlich vom Lohn abgezogen.

In der Schweiz denkt man brutto

In der Schweiz herrscht zum Glück noch sichtbar „brutto“. Ausser bei einem Reinigungsinstitut, dort erhält, beispielsweise Fatima Berisha, „netto“ ausbezahlt, und sie denkt auch nur in netto. Aber in der Regel kennen wir Eidgenossen die Differenz zwischen netto und brutto haargenau. Das ist auch gut so, weil edukativ. Denn so wissen wir jeden Monat, wieviel wir für die Sozialkosten abdrücken. Wir überlegen dabei auch, als aufgeklärte und verantwortungsbewusste Bürger, wieviel wir für die Steuern zurücklegen sollten.

Und notfalls können wir die Differenz zwischen brutto und netto an der Urne korrigieren.

Gschwend hat keinen Minimallohn

Schwierig wird es natürlich in Ländern, wo ein Grossteil der Staatsbürger nur den Minimallohn bezieht. Gschwend hat wohl kaum einen Minimallohn, überlegte Waldmeyer. Der Preis für ein gutes Ribeye in der Schweiz liegt bei fast 100 Franken pro Kilo, in Deutschland bei der Hälfte. Aber das Schweizer Fleisch ist bestimmt auch besser, also darf es mehr kosten. Wir haben ja auch andere Löhne. Die Preisdifferenz ergibt sich allerdings aus purem Protektionismus: Wir erheben schwindelerregende Zölle auf dem importierten Fleisch, um das (bessere und gesündere) Schweizer Fleisch zu schützen. Gschwend ist de facto also ein Subventionsempfänger. Und dies, obwohl sein Fleisch durchaus vergleichbar ist mit jenem in einer guten Metzgerei in Deutschland oder Frankreich, zuweilen kommt es sogar aus der gleichen Produktion. Das hatte Waldmeyer schon mehrmals auch Bettina Honegger zu erklären versucht. Sie meint dazu aber immer: „Ja, aber trotzdem…“. Und ja, im Ausland würden sie vermutlich viel mehr Antibiotika verwenden bei der Rinderaufzucht. Vielleicht sogar reinimpfen.

Doppelte Kalkulation in der Schweiz

Tatsache bleibt, dass bei Gschwend bei dieser doppelten Schweizer Kalkulation, befeuert durch die staatliche Protektionismus-Hilfe, am Schluss auch eine doppelte Marge verbleibt. Gschwend jedoch ist Unternehmer, überlegte Waldmeyer und konstruierte damit ein gewisses Verständnis für den rührigen Metzger.

Aber Waldmeyer grübelte weiter: Die 100 Stutz für das Kilo Ribeye müssen erst mal erarbeitet werden – und zwar netto. Bei Waldmeyers, gute Doppelverdiener und mit der Heiratsstrafe belegt, damit irgendwo in der obersten Steuerprogression angesiedelt, liegt die Brutto-Netto-Rechnung natürlich im Argen. Die Grenzbelastung, also die Belastung des „obersten“ zusätzlich verdienten Frankens, unter Einrechnung der Steuern und aller Sozialabgaben, inklusive der Pensionskasse, liegt bei annähernd 50%. Das heisst, zwischen brutto und netto sublimiert sich beim zusätzlich verdienten Franken die Hälfte. Und genau dort, nämlich mitten in diesen verlorenen 50%, bei diesem Entscheidungsfenster pro oder contra einem Ribeye, liegt das Problem. Mit anderen Worten: Das Ribeye kostet, hochgerechnet auf brutto, gefühlt 200 Franken.

Der Management-Entscheid an der Fleischtheke

Waldmeyer lief es kalt den Rücken hinunter, als er vor der Fleischtheke stand: Tatsächlich 100 Stutz für das Ribeye. Oder 200, ehrlich gerechnet. Nein, einmal ist Schluss. Waldmeyer musste nun einen Management-Entscheid fällen – und zwar verzögerungsfrei. Er machte sofort drei Optionen aus. Option eins: Ribeye-Portionen verkleinern, also magere «Lady’s Cuts». Option zwei: ein Downgrading (Huft?). Option drei: doch noch zum Denner rüber (Angus-Aktion, hatte er gestern in der Werbung gesehen)?

Als Waldmeyer seine Einkäufe in der Küche ablieferte, versuchte er Charlotte seine Brutto-Netto-Theorie zu erklären. «Weisst du, das Ribeye war brutto bei 200 Stutz, aber die Bratwürste sind doch auch ok, nicht?». Charlotte antwortete nicht.

Waldmeyer und überall ist China drin

Seit Jahren dominiert China die Massenproduktion von technologisch relevanten Gütern. Der Westen versucht dies auszubremsen, zumal gleichzeitig Spionageverdacht besteht. Waldmeyer überlegt: Vielleicht wird auch er ausspioniert?

Die USA wollen eindämmen

Insbesondere die USA versuchen die Importflut aus China einzudämmen und die Produktion wichtiger Industrien zurückzuholen. Es gelingt ihnen aber nicht, einen vergleichbaren Aufbau an breiter technologischer Entwicklung hinzukriegen. Es geht um die Chip-Produktion, um intelligente Industriegüter, Elektroautos, Batterien, Solarpanels und vieles mehr. Aber letztlich auch um digitalbasierte Konsumgüter.

Rund 40 neue Fahrzeughersteller zählt China inzwischen. Das Land gibt sich «technologieoffen» – das heisst, dass verschiedene Antriebsarten forciert werden. Dabei verfügt China heute insbesondere bei den elektrischen Fahrzeugen über einen respektablen Vorsprung. Die USA belegen nun Elektrofahrzeuge aus China mit einem Strafzoll von sage und schreibe 100 Prozent. Der Vorwurf des „Dumpings“ wird erhoben, dieser gilt indessen als umstritten. Vielleicht ist China einfach besser?

Auch gegen TikTok versuchen die Staaten vorzugehen, ebenso gegen Onlineanbieter, welche immer erfolgreicher werden.

Auch die EU blockt ab

Unsere EU-Kinderärztin, Frau von der Leyen, implementiert für China ebenso Strafzölle, da China Europa mit «Dumpingpreisen schade». Bei den Elektrofahrzeugen hat die EU bereits nachgezogen und rund 30% Strafzoll verfügt – alles nur zum Schutz der heimischen Industrie. Dieser Industrie wurde schon vor einigen Jahren, von deutschen Staatsgnaden und zwangsweise, eine Technologiewende verabreicht: nur noch elektrisch war angesagt. Kein Wunder, hat die deutsche Industrie so die konventionelle Technologieentwicklung verpasst. Kommt hinzu, dass Elektroautos nun mal keine Seele mehr haben: Die unterscheidenden emotionalen Merkmale von Motor und Getriebe entfallen. Elektrofahrzeuge haben nur noch eine neutrale, mehr oder weniger gemeinsame DNA, weshalb man künftig irgendeine Karre kaufen könnte. Ein wichtiger Teil der Marke ist weg. Ja, so schafft man sich schleichend ab. Kein Wunder, sind nun in der Not protektionistische Lösungen angesagt.

Soll Waldmeyer einen chinesischen BYD kaufen?

Waldmeyer schaute sich die chinesischen Autoprospekte an, so von BYD, der zurzeit wohl erfolgreichsten chinesischen Automarke. Die Emil Frey-Gruppe hat sich bereits den Import für die Schweiz gesichert. BYD ist die Abkürzung für «Build Your Dream». Schon in den 60er Jahren hatte Emil Frey die Nase vorn, als es um den Import von Toyota ging. Damals hatten noch alle die Nase gerümpft. Einen Japaner fahren…? Nur wenige Jahre zuvor schlichen sich Waldmeyers Eltern noch verstohlen in die Migros – das war, zu jener Zeit, ebenso wenig opportun, wie eine «Reisschüssel» zu fahren. Und jetzt also die chinesischen Autos? Das passt gar nicht ins Bild des SVP-Parteigängers Walter Frey, wehrt sich die SVP doch gegen alles «Ausländische». Aber Walter Frey hat recht: Die Chinesen werden den Markt eh erobern, also sollte man lieber dabei sein. If you can’t beat them, join them.

Man kann die Importe nicht aufhalten

Tatsache ist: Wir werden die Importe nicht aufhalten können. China ist in vielen Belangen einfach wettbewerbsfähiger. Ein Blick in freie Märkte (so z.B. in die Golfstaaten) spricht Bände: Das Strassenbild dort ist heute nicht wiederzuerkennen. Eine Unzahl an neuen, unbekannten Gefährten säumt die Strasse, mit gutem Design, oft elektrisch betrieben. Sie stammen alle aus China. Und sie sind unglaublich günstig, weshalb sie erst recht gekauft werden.

Protektionismus ist die schlimmste Reaktion auf eine erfolgreiche Konkurrenz. Die Geschichte zeigt, dass man damit in der Regel technologisch nur noch stärker zurückgeworfen wird. Es sei an die Episode erinnert, als am Ende des 19. Jahrhunderts Grossbritannien die erfolgreichen deutschen Produkte abzustrafen versuchte, indem sie per Gesetz mit einem Label «Made in Germany» versehen werden mussten. Leider erwies sich diese Strafbezeichnung als ein hervorragendes Marketinginstrument, denn alsbald begriffen die Briten, dass die solchermassen bezeichneten Produkte einfach besser waren – und kauften „Made in Germany“ umso mehr.

Und überall ist China drin

«Die Chinesen sind eh schon hier», meinte Charlotte zu Waldmeyer. «Dein Handy wurde in China produziert, die Musikanlage auch, die Überwachungskameras ebenso. Auch der Toaster, der Föhn, der Kühlschrank. Und wohl die Hälfte deines Porsches.»

Stimmt. Auf dem Foodcenter in Waldmeyers Küche steht zwar «Bosch», auf dem Backofen «Siemens». Deutsche Wertarbeit? Ein Blick auf die Rückseite der Geräte deckt sofort die Wahrheit auf: In der Regel kommen diese Geräte aus China.

Damit kann sich Waldmeyer allenfalls abfinden. Was ihn indessen immer wieder beunruhigt, ist der Verdacht, dass China mittels dieser Technologien Spionage betreibt. Deshalb verbieten die USA und andere westliche Länder beispielsweise Huawei, ein Leader in der Kommunikationstechnologie.

Wird Waldmeyer ausspioniert?

Waldmeyer lag im Bett und gönnte sich etwas anspruchsvolle Literatur vor dem Einschlafen. So studierte er nochmals diese BYD-Prospekte. Wie wird das wohl mit diesen Autos sein? Wird der grosse gelbe Mann, Xi Jinping, künftig wissen, wann und wie schnell Waldmeyer seinen BYD in Meisterschwanden in den Coop runterfährt? Beunruhigend. Er legte den Prospekt auf die Seite und versuchte, einzuschlafen.

Plötzlich tönte ein Signal aus der Küche. Waldmeyer erhob sich von seinem Lager und stand vor dem Bosch-Kühlschrank. Dieser begann plötzlich zu sprechen, auf Englisch, aber mit einem unverkennbaren chinesischen Akzent: «Waldmeyel, tomollow you have to buy milk!» Waldmeyer erschrak. Also hatte Charlotte doch recht: Sie sind schon hier!!! Waldmeyer zog kurzerhand den Stecker dieses Spionagegerätes und schlief alsbald den Schlaf des Gerechten.

Dass sich am nächsten Morgen Charlotte beklagte, dass der Kühlschrank mitsamt dem Gefrierteil in einer Pfütze stand, war nachvollziehbar. «Ich kann dir alles erklären, Charlotte», gestand Waldmeyer, «aber das Gerät hat in der Nacht plötzlich mit mir gesprochen!»

Charlotte antwortete, nun doch etwas besorgt: «Klar, Max, und mich hat gestern Nacht der Papst angerufen».

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