Waldmeyer und die politische Bevormundung

Oder: Warum Waldmeyer vielleicht seinen Namen ändern wird

Wer nicht in der Stadt Zürich wohnt, tut gut daran, einmal ein Auge auf die dortigen Staatseingriffe zu werfen. So weiss man, was einem in ein paar Jahren noch blühen wird: fundamentalistisches Dreinfunken der Behörden bis in die letzte Faser deines Lebens!

Die meisten grossen Städte in der Schweiz sind heute durchtränkt mit viel Ökodenken, Umverteilungsgedanken und Pazifismus. Ob Genf, Lausanne, Bern, Luzern oder Zürich: Die grünen und linksorientierten Stadtparlamente und Behörden denken sich fast täglich neue Massnahmen und Vorschriften aus, welche unser Leben einschränken.

Schön, gibt es diese Weltverbesserer

Die zum Teil invasive Politik richtet sich indessen nicht gegen die bekannten Weltverbesserer. Das heisst gegen Kreise, die unbewilligte Demonstrationen organisieren, sich am Boden festkleben oder den Verkehr mit einer langsamfahrenden Veloarmada vorsätzlich lahmlegen. Das verstösst zwar alles gegen das Gesetz, wird indessen geduldet.

Wir könnten vielleicht auch noch ein bisschen weiter wegblicken, so nach Berlin: In der letzten Sylvesterkrawallnacht wurden über 500 Personen verhaftet. Nicht etwa, weil sie einfach ein wenig demonstriert oder Lärm gemacht hatten – nein, sondern weil sie Polizisten und Feuerwehrleute tätlich angegriffen hatten. Inmitten von Personenansammlungen hatten sie Feuerwerkskörper gezündet und fremdes oder öffentliches Gut abgefackelt. Am nächsten Tag waren alle wieder auf freiem Fuss.

George Orwell würde sich im Grabe umdrehen

«Some are more equal», meinte doch schon George Orwell mit seinem berühmten Roman «1984». Der alte George würde sich allerdings im Grabe umdrehen, wenn er wüsste, dass seine Vision der totalen Staatskontrolle in Teilen der Welt ziemlich gut umgesetzt wurde, so in China, Nordkorea oder dem heutigen Russland. Aber er hätte sich wohl nie vorstellen können, dass westliche Staaten randalierenden Bürgern ziemlich alles durchgehen lassen, der Normalbürger indessen maximal bevormundet und kontrolliert wird.

Landet Waldmeyer im Gefängnis?

Wenn Waldmeyer seine Parkzeit überzieht, wird er binnen Minuten mit einer saftigen Busse bestraft. Ja, falls er überhaupt einen Parkplatz ergattert. Denn letzteres ist gar nicht mehr vorgesehen, er sollte nämlich zu Fuss gehen. Oder mit dem Fahrrad. Oder eben mit dem Lastenrad, wenn es darum geht, schwere Sachen zu transportieren – also Möbel, einen Flatscreen, einen Teppich. Oder etwas vom Baumarkt, einen Zementsack, beispielsweise. Parkplätze für Autos werden überall aufgehoben, und in Lausanne dürfen ab 2030 nur noch Elektrofahrzeuge verkehren. Wenn Waldmeyer ein Dachfenster in seinem Haus in Meisterschwanden ohne langwierige Bewilligung und ohne Einhaltung einer ellenlangen Liste von Normen einbauen würde, käme er in Teufels Küche.

Die Bevormundung hat selbstredend einen Zweck: nämlich die Rettung der Welt. Wenn Waldmeyer während der Fahrt mit seinem Auto bei freiem Verkehr einmal verstohlen auf sein Handy blickt, wird er fast verhaftet. So will es das Gesetz.

Fatale Eigendynamik in Sachen Bevormundung

Die fundamentalistische Bevormundung ist schon bemerkenswert. Politiker und Behörden verfolgen dabei unverdrossen die Umkrempelung unseres Gesellschaftssystems. Es mag sein, dass dahinter gar kein Masterplan liegt. Es scheint, dass sich einfach eine fatale Eigendynamik entwickelt hat.

  1. Wir müssen das Klima retten. Eigentlich die ganze Welt. Entsprechend werden wir, als einfache Leute, die das Big Picture nicht erkennen, bevormundet.
  2. Im Mittelpunkt steht das Genderthema. Wokeness first. Auch hier soll der Bürger entsprechend erzogen werden.
  3. Wir arbeiten zu viel. Falls das jemand noch nicht erkannt hat, soll er/sie/es bitte unseren Politikern genau zuhören.
  4. Wir müssen Einkommen und Vermögen besser verteilen. Ein alter, nun post-marxistischer Ansatz, von dem ein Grossteil der Parlamente und Behörden beseelt ist – mit dem vordergründig hehren Ansatz nach mehr Gerechtigkeit.

Dabei sind Politiker und Behördenmitglieder eigentlich Transferempfänger. Sie erhalten fette Entgelte, ohne im Hamsterrad der Wirtschaft stecken zu müssen. Sie dominieren die Politik und die Entscheidungsgremien der Gesellschaft – und dies mit einer eklatanten Überrepräsentierung. «Normale» Leute aus der Wirtschaft scheinen leider weder über Zeit noch Interesse zu verfügen, hier mitzumachen. Letztlich erfolgt so eine Umverteilung durch Vertreter der Gesellschaft, die sie gar nicht vertreten. Diese Nomenklatur der Behörden- und Regierungsvertreter kann sich dabei allerlei Vorteile zuschanzen. Finanziert wird das Spiel durch erhöhte Abgaben und Steuern.

  1. Nun zum 5. Aspekt. Dieser scheint indessen kein Thema zu sein: nämlich die Frage nach der Finanzierung all dieser Spässchen.

Der 5. Punkt reicht auch bis in den Bundesrat: Er gönnte sich kürzlich die Saisonkarte für alle Seilbahnen. Macht über CHF 4’000 pro Kopf für die Bundesregierung. Gleichzeitig werden fleissig Sparprogramme geschnürt. Das eine hat mit dem anderen, rein finanziell, tatsächlich nichts zu tun, denn die Grössenverhältnisse der beiden Vorhaben sind irrelevant. Aber offenbar fehlt es hier am Verständnis und Einfühlungsvermögen unserer Regierungsvertreter. Ob Bundespräsidentin Viola Amherd ihr Jahresticket auf der Piste wohl rausholt? Wie wir wissen, ist der Bundesrat nun zurückgekrebst: Nächstes Jahr muss Viola wieder normale Tageskarten lösen. Jetzt muss sich die Regierung um die Finanzierung von neuen Spässchen wie der 13. AHV-Rente kümmern, welche sie, danke ihres Abseitsstehens, nicht verhindern konnte.

Bleibt Waldmeyer nur Beobachter?

Waldmeyer hat erkannt: Er muss sich vermutlich auf seine Beobachterrolle beschränken. Wenn man intensiv beobachtet, so reflektierte er, wird es vielleicht doch etwas bewirken?

Realistischerweise wird es indessen nicht ausreichen. «Vielleicht sollte ich doch in die Politik gehen», meldete er, nicht zum ersten Mal, gegenüber Charlotte.

«Du wirst nicht gewählt, werden, Max! Du passt nicht rein. Dein Profil ist völlig falsch.»

Stimmt. Charlotte hatte recht.

Waldmeyer erkennt das Problem durchaus. Nur, wie sollte er reagieren? Mit den Füssen abstimmen? Nun gut, man könnte die grossen Städte meiden. Oder auswandern. Aber wohin? Im nahen Ausland sieht es noch schlimmer aus.

Waldmeyers Einstieg in die Politik steht

Am Sonntagmorgen beim Frühstück war wieder einmal die gesamte Familie zugegen: Charlotte, Tochter Lara, Sohn Noa. Aber diesmal war alles ein bisschen anders: Der Frühstückstisch, den Waldmeyer ab 08:00 vorbereitet hatte und an dem sie jetzt, um 11:30, vereint sassen, präsentierte sich anders: Keine Eier, kein Lachs, kein Trockenfleisch, keine Gipfeli. Nur Vollkornbrot, Honig vom Nachbardorf und Müesli. Und Hafermilch. Und Waldmeyer stellte seine Lösung in Sachen Politik vor:

«Ich habe mich entschieden, jetzt doch in die Politik einzusteigen. Ich werde mich allerdings etwas anpassen müssen – dazu möchte ich euer Einverständnis einholen. Dass wir ab sofort vegan leben (bis auf den Honig), habt ihr soeben festgestellt. Es ist wichtig, dass nicht nur ich das vorlebe, sondern mein ganzes Umfeld. Wir werden nämlich sofort alle unter Beobachtung stehen. Ich trage jetzt auch indoor eine Fleecejacke, weil wir weniger heizen. Den Porsche Cayenne werde ich verkaufen, das Lastenrad ist bestellt. Zu Auftritten in der Politik werde ich ein schwarzes Hemd tragen. Und diese Fleecejacke. Wenn es für meine Wahl nicht reicht, werde ich mir ein anderes Genderprofil zulegen. Notfalls ändere ich meinen Vornamen von Max auf Maximilia. Plan B wäre auch eine Änderung des Familiennamens von Waldmeyer in Waldwitsch. Das wäre wesentlich inklusiver. Und dann mische ich den Laden mal von innen auf. Seid ihr damit einverstanden?»

Noa blinzelte, noch von Restalkohol des Vorabends gekennzeichnet, zu Waldmeyer rüber: «Ja Dad, mach doch. Maximilia Waldwitsch, cool.»

Waldmeyer und der Kollaps der UBS

 Es reichte ja schon, dass die CS den Bach runterging. Aber nun auch noch die UBS? Waldmeyers Tagtraum wirkt ziemlich beklemmend, aber er ist doch eindrücklich. Wir zählen das Jahr 2026.

Waldmeyer hatte sich bei seinem letzten runden Geburtstag vorgenommen, möglichst jeden Tag eine Siesta einzulegen. Siestas sind nicht nur die wohl bemerkenswerteste Erfindung einiger südlicher Länder in Europa, sie haben auch den Vorteil, dass man sich, im Halbschlaf de facto, Tagträumen hingeben kann. Tagträume gehen über Selbstgespräche hinaus, welche Waldmeyer zuweilen auch gerne pflegt (er meint, damit ab und zu eine wertvolle Expertenmeinung einzuholen). Tagträume gehen weiter. Man kann deren Inhalte, kurz vor dem Einnicken, zum Beispiel bei der Lektüre der Rezension einer Theatervorstellung, etwas beeinflussen. Zumindest die Richtung vorgeben.

Eine Warnung vorab

Das folgende düstere Szenario kann vielleicht verstörend wirken. Bitte nur weiterlesen, wer glaubt, über starke Nerven zu verfügen. Und noch was: Waldmeyer denkt überhaupt nicht, dass sich die UBS-Zukunft tatsächlich so entwickeln wird. Es ist wirklich nur ein Traum.

Waldmeyer blendet zurück

Waldmeyer wählte für seinen Tagtraum den Monat März im Jahr 2026 nicht zufällig. Die UBS-Geschichte begann im März 2023 ja blendend. Wie wir wissen, verscherbelte Karin Keller-Sutter damals übers Wochenende, mit stummem Sukkurs des Gesamtbundesrates und des Notenbankchefs, die serbelnde Credit Suisse für peinliche drei Milliarden Franken an die UBS. Alle anderen Optionen wurden in den Wind geschlagen. Vor allem durfte keine ausländische Bank zum Zug kommen, nicht mal für Teile der CS. Der Verwaltungsratspräsident der UBS, Colm Kelleher, ein ausgebuffter Verhandlungsprofi, rieb sich die Hände, und sein Buddy Sergio Ermotti klopfte sich an jenem Sonntagabend auf die Schenkel – sollte er doch nur Wochen später als künftiger CEO vordergründig überraschend aus dem Hut gezogen werden. Grosse Finanzinstitute (wie J.P. Morgan oder Goldman Sachs) hatten den tatsächlichen Wert der CS auf 40 bis 80 Milliarden geschätzt. Wir kennen den traurigen zweiten Teil der Geschichte: Die CS-Aktionäre erlitten fast einen Totalverlust, und Tausende von Arbeitsplätzen der CS sollten im Rahmen der Fusion mit der UBS verloren gehen. Die einzige Gewinnerin bei diesem traurigen Schwank war die UBS – und deren Topmanagement, natürlich.

 

Die Schweiz unter grossem Druck

Aber zurück zu Waldmeyers Tagtraum betreffend März 2026: Die Schweiz geriet zu jenem Zeitpunkt unter massiven politischen Druck. Die vorgespielte «Neutralität» der Schweiz in Sachen Ukraine löste in der ganzen westlichen Welt immer mehr Unverständnis aus. Die Hamas wurde von der Schweiz immer noch nicht als Terrororganisation bezeichnet, die Schweiz schickte immer noch Geld nach Palästina, mit welchem unter anderem Schulbücher finanziert wurden, welche die Vernichtung Israels propagierten. Und es gab gleich drei neue Bankenskandale in den USA, in welche die UBS seit Jahren verwickelt war. Als dann noch ein grosser internationaler Schmuggel mit von Russland gestohlenem Getreide aufflog, der seit Jahren über die Schweiz abgewickelt wurde, geriet das Fass zum Überlaufen.

Präsident Trump kümmerte sich inzwischen nicht nur um den autokratischen Umbau des Politsystems in den USA – er hatte sich nun auch auf die Schweiz eingeschossen: Er verbot unter Sanktionsandrohungen allen Firmen die Zusammenarbeit mit der Schweizer Wirtschaft. Worauf unser Onkologe aus dem Tessin (Aussenminister Cassis) in jenem März mit dem kleinen Bundesratsjet sehr viel in der Welt herumreiste und das Feuer zu löschen versuchte. Vergeblich.

Zu allem noch die Vogelgrippe

Zu allem grassierte ja ab Herbst 2025 die Vogelgrippe. Impfgegner skandierten auf dem Bundesplatz. Diesmal gab es Masken, aber die SVP stellte deren Wirkung in Frage, und die Leute hatten einfach keine Lust, die Covid-Spiele von früher nochmals durchzuspielen. Das sind natürlich, sozial gesehen, schwierige Situationen, zumal Elisabeth Baume-Schneider diesmal im BAG am Drücker war. Sie hatte sich allerdings schon frühzeitig ins Homeoffice in den Jura zu ihren Schwarznasenschafen abgesetzt und korrespondierte mit ihren MitarbeiterInnen im BAG per Fax. Ansonsten war sie nicht erreichbar.

Die SNB hatte sich verspekuliert

Zu allem Übel hatte sich nun auch noch die SNB, die Schweizerische Nationalbank, inzwischen gendergerecht geführt, verspekuliert, und plötzlich verlor der Schweizerfranken massiv an Wert. Das bescherte der SNB zwar fette Buchgewinne, hatte sie doch über die letzten Jahre weiter wild USD, Euro und Pfund gekauft, auch Yen, Renminbi und einen besonders grossen Stock an Indischen Rupien.

Die Implosion des CHF führte nun zu einer galoppierenden Inflation in der Schweiz. Wir müssen ja eigentlich alle Güter importieren – ausser Uhren und etwas Chemie, welche vor allem in den Export gelangen. Zur Erntezeit können wir zwar die Aprikosen aus dem Wallis kaufen (dann werden Importe verhindert), auch den Féchy, nur beispielsweise, können wir direkt aus der Waadt ordern – mithin alles kein Import. Aber in der Regel führen wir die meisten lebenswichtigen Güter ein. Mit einem Schweizerfranken, dessen Wert nun plötzlich gegen den Erdmittelpunkt raste, explodierten natürlich die Preise der Importe. So erklärte sich dann diese missliche galoppierende Inflationslage in der Schweiz. Martin Schlegel, der neue Chef der Nationalbank, musste Gegensteuer geben und erhöhte den Referenzzinsatz auf 15.5%.

Himalyamässige Verluste bei der UBS

Niemand hatte mit all dem gerechnet. Vor allem auch die UBS nicht. Ihre Hedgefund-Manager und auch die Analysten hatten haargenau auf das Gegenteil gesetzt. Die Buchverluste türmten sich plötzlich himalayamässig auf. Der Verlust in das Vertrauen der Bank erfolgte über Nacht, und der Bankrun setzte ein.

Waldmeyer wusste – ja, auch im Tagtraum -, dass ein Bankrun heute nicht mehr analog in den Schalterhallen stattfindet. Er findet digital via PCs und Smartphones statt. Tausende, ja Millionen von Kunden ziehen plötzlich die Gelder ab. Binnen Stunden. Das ist gemein, findet aber statt.

Karin Keller-Suter versuchte noch übers Wochenende, für die Refinanzierung der UBS mit der Migros-Bank eine Lösung zu finden. Der Notenbankchef war diesmal gar nicht erst zu erreichen, er war in Zermatt auf der Skipiste. Die Optimierung der Work-Life-Balance hatte auch ihn eingeholt.

Karin allein zu Hause

Wie wir wissen, ist die UBS einfach too big to fail. Ihre Bilanzsumme betrug schon 2023 deutlich mehr als das BIP der Schweiz. 2026 war sie auf das 1.6-Fache angestiegen; ein ähnlicher Wert wies jetzt auch die Bilanzsumme der Nationalbank auf – also fast das Doppelte der gesamten Schweizer Wirtschaftsleistung. Das alles war nicht hilfreich.

Wenn so eine aufgeblähte Bank (wie die UBS) die Segel streicht, ist ein Land in «deep shit». Es darf einfach nicht passieren. Aber Martin Schlegel war in Zermatt. Und Karin allein zu Hause – bzw. im Bundeshaus. Sie hatte ihr dunkelstes Akris-Kostüm angezogen und wartete. Es war nicht wie im März 2023, als alle Bundesräte antrabten an jenem Wochenende und das Fait accompli von Karin abnickten. Sie kamen diesmal gar nicht. Ignazio Cassis war noch an einem Hearing vor dem Kongress in den USA und wurde dort gegrillt, Guy Parmelin kontrollierte seine Reben in der Waadt, Viola Amherd war im Ausverkauf in Brig-Glis (der neue Frühlings-Outfit stand an). Beat Jans war immer noch am Akteneinlesen, zu Hause in Basel, zusammen mit diesen vertrackten Dokumenten aus dem Justizdepartement. Albert Rösti war auf einer Wanderung (er wollte Locations für Windräder spotten, die niemand wollte). Und Baume-Schneider, wie wir wissen, war bei ihren Schwarznasenschafen.

Die SVP sprach inzwischen von einer Verschwörung des Auslandes gegen die Schweiz und verlangte die Sperrung des Gotthardtunnels. Jetzt herrschte echte Krise.

Hildebrand rettet die Schweiz

Karin also allein. In diesen schwierigen Momenten muss man auch mal einsame Entscheide fällen. Dafür wurde man gewählt. Die Schweiz entscheidet in der Regel nie, ausser mit Notrecht. Dann aber relativ willkürlich und sofort.

Da kam Karin Keller-Sutter der Anruf aus den USA, von Hildebrand, Ex-Notenbankchef, heute Vice-President von Blackrock, des grössten Vermögensverwalters der Welt, gerade recht: «Karin, wir (Anm. der Redaktion: Blackrock)machen das schon. Wir übernehmen alle Assets dieser Bank. Das ist im internationalen Interesse. Allerdings können wir das ganze Aktienkapital nur für einen Franken übernehmen. Den Hauptsitz müssten wir zudem in die Staaten verlegen, du verstehst schon. Und bilanzieren werden wir künftig in USD.»

Karin fiel ein Stein vom Herzen. Sie schlug ein. Der Deal hätte nicht besser sein können. Gleichentags noch schloss die UBS alle ihre online Portale. Die Schalter auch. Endlich herrschte Ruhe.

Waldmeyer wachte schweissgebadet auf. So eine Siesta kann tatsächlich anstrengend sein.

Waldmeyer plant die Osterweiterung

1992 versenkte die Schweiz ihren EWR-Beitritt. Das war ziemlich dumm. Liechtenstein beispielsweise ist seit 30 Jahren ohne Probleme im EWR und muss sich nicht mit lästigen Verhandlungen in Brüssel herumschlagen. Waldmeyer möchte nun den EWR wiederbeleben. Aber er plant noch Grösseres.

Heute sind Norwegen, Island und Liechtenstein im EWR. Diese drei EFTA-Staaten gehören zur grossen wirtschaftlichen Freihandelszone mit der EU. Die Schweiz (das vierte EFTA-Mitglied) fehlt. Die anderen drei Länder profitieren von einem fast uneingeschränkten Warenverkehr und weiteren Vorteilen – und dies, ohne dass sie bei den EU-Zwängereien mitmachen müssen. Aus heutiger Sicht wäre ein EWR-Beitritt, welcher 1992 abgelehnt wurde, ideal gewesen.

 Kein norwegischer Christoph Blocher

Es gab in diesen drei Staaten weder einen isländischen noch einen norwegischen, geschweige denn einen liechtensteinischen Christoph Blocher, der den EWR-Beitritt aus rein populistischen Gründen bodigen konnte.

Waldmeyer fragte sich, was sich denn, beispielsweise in Liechtenstein, negativ verändert hat seit dem EWR-Beitritt 1995. Nun, nichts. Oder haben wir jemals Klagen aus dem EWR-Land Norwegen gehört, mithin ein äusserst erfolgreiches und unabhängiges Land? Nein. Die Schweiz indessen muss nun seit 30 Jahren mühsam um allerlei Details mit der EU streiten.

Grossmannssucht der EU

Die EU möchte lieber «richtig» expandieren, mit neuen Staaten. So mit Montenegro, Serbien oder Kosovo. Oder mit der Ukraine und Moldawien (das Armenhaus Europas). Und zwar nicht in EWR-Manier, sondern richtig, also EU-mässig. Da spielen geostrategische Überlegungen mit, denn ein solches Vorhaben macht weder wirtschaftlich noch gesellschaftlich Sinn. Dieser Plan scheint einerseits brisante taktische Gründe zu haben, so um eine Front gegen die invasiven Spiele Russlands aufzubauen. Andererseits ist es nichts anderes als Grossmannssucht von europäischen Politikern.

Dabei sollte doch in erster Linie nur eines zählen: die Schaffung eines prosperierenden Wirtschaftsraums, wo möglichst hindernisfrei Waren und Dienstleistungen ausgetauscht werden können und – mit gewissen Auflagen – Personen und Kapital sich einigermassen frei bewegen können. Also EWR, eben ein «Europäischer Wirtschaftraum». Diese vertiefte Freihandelszone des EWR schliesst eine Vielzahl von praktischen wirtschaftlichen Harmonisierungen ein. Waldmeyer meint: Eine weitere gesellschaftliche und politische Vereinheitlichung, die über einen EWR-Modus hinausgeht (also ein EU-Beitritt von diesen zum Teil merkwürdigen Trabantenländern), ist nicht zielführend.

Waldmeyer plant die EWR-Osterweiterung

Ja, der EWR wäre die Lösung gewesen! Aber sie scheint nun vom Tisch zu sein, denn die EU möchte die EWR-Option für die Schweiz nicht weiterverfolgen.

Waldmeyer durchtrennt nun diesen gordischen Knoten: Falls die Schweiz nicht allein wäre als EWR-Beitrittsland, sondern eines unter vielen, sähe es wohl anders aus. Waldmeyer schlägt deshalb vor, eine ganze Anzahl von EU-nominierten (oder noch nicht nominierten) Länder im Osten in einem EWR-Gürtel zusammenzufassen. Damit könnte verhindert werden, dass diese der EU beitreten müssten oder dürften. Also back to the roots: Es könnte ein noch grösserer Wirtschaftsraum geschaffen werden, ein ökonomisches Bollwerk gegen Osten, welches sich prosperierend entwickeln könnte, ohne politische und gesellschaftliche Vereinheitlichung. Es war so oder so immer illusorisch, für einen Sizilianer die gleichen Regeln wie für einen Dänen aufzustellen. Einen Albaner oder Kosovaren so zu kalibrieren, dass er in eine EU-Denke passt, würde noch aussichtsloser sein. Aber warum nicht wirtschaftlich enger zusammenarbeiten, Waren auszutauschen, zu investieren in den Ländern? Und das andere sein lassen. Das würde in der Tat Sinn machen.

Der neue EWR-Gürtel Waldmeyers

Waldmeyers EWR-Gürtel würde dann nicht nur alle Ex-Jugoslawienländer umfassen, die heute noch nicht in der EU sind. Auch Albanien, Moldawien, die Ukraine oder Georgien könnten dazukommen. Die Türkei könnte ebenso aufgenommen werden. Normen würden vereinheitlicht, gemeinsame Vorschriften würden die Qualität der Waren verbessern, Zölle gesenkt, das Warenangebot vergrössert, der Zahlungs- und Kapitalverkehr verbessert werden und vieles mehr. Grossbritannien würden wir formell auch reinnehmen, es gehört nach dem EU-Austritt de facto eh zum europäischen Wirtschaftsraum.

 Die EU hat Grosses vor

Was spricht gegen Waldmeyers Befreiungsschlag? Nun, z.B. die Pläne der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, ehemalige Kinderärztin, sehen Grösseres vor. Die EU-Kommission schliesst beispielsweise nicht aus, Bosnien und Herzegowina oder Serbien dereinst einen EU-Beitrittskandidatenstatus zu verleihen. Aber warum diese absurden Pläne? Unsere Kinderärztin befindet sich in einem Erklärungsnotstand – gibt aber keine Antworten diesbezüglich.

Waldmeyer und die «Shithole-Countries»

Waldmeyer hatte das Vergnügen, im Sommer 2023 eine längere Balkanreise zu unternehmen. Mit einem ausgedehnten Roadtrip bereiste er, vielleicht ein wenig voyeurhaft, alle diese merkwürdigen Länder Ex-Jugoslawiens, auch Albanien und alle weiteren Länder der Region. Ja, alle. Der bescheidene Level dieser Länder und die Kulturfremde waren mit Händen zu greifen. Der Ausdruck «Shithole-Country» mag nicht sehr flattierend sein, aber für gewisse Länder scheint er, so in Waldmeyers durchaus objektiver Wahrnehmung, tatsächlich zuzutreffen: So für Nordmazedonien, Bosnien und Herzegowina oder Albanien etwa. Insbesondere die muslimisch geprägten Staaten Osteuropas scheinen, so seine vorsichtige Empfindung vor Ort, zum Teil wenig mit Europa zu tun haben. Entweder handelt es sich um Drogendrehscheiben (Albanien und Kosovo), um stark männerdominierte Macho-Länder (Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien), um Länder mit seltsamen politischen Ausrichtungen und komischem Rechtsverständnis (Türkei, Serbien) oder um sehr korrupte Staaten (eigentlich alle). Dass solche Länder zu unserer Wertegemeinschaft gehören könnten, ist mehr als fragwürdig.

Der Schweiz ist das alles nicht egal

Für die oben gennannten Länder eine Mitgliedschaft in der EU anzudenken, kommt einem sehr abenteuerlichen Plan gleich. Aber vielleicht könnte das der Schweiz egal sein? Nein, ist es nicht. Denn wir schliessen Verträge mit der gesamten EU ab, wer immer auch dazugehört. Und wir müssen Kohäsions-Milliarden abdrücken, die künftig gerade diesen zurückgebliebenen und störrischen Ländern zugutekommen werden.

Dass die Schweiz an den Aktivitäten in diesem europäischen Club nur als Trittbrettfahrerin teilnimmt, ist tatsächlich eine Sonderkonstellation. Aber trotzdem gehört Helvetien zu Europa. Das Ländchen assoziiert sich mit den verschiedensten Europa-Institutionen. Und dann kommt eben diese «Werteteilung» dazu. Viele Länder in Osteuropa verfolgen indessen ein davon abweichendes Programm. Aber das schliesst nicht aus, dass wir uns, in einem EWR, wirtschaftlich besser mit ihnen austauschen könnten!

Wer definiert, was zu Europa gehört?

Bis wo reicht denn Europa? Geografisch, wie wir wissen, bis zum Ural. Weiter südlich indessen wird die Sache unklar. Die Türkei liegt bekanntlich sowohl in Europa als auch in Asien, denn der Bosporus teilt Istanbul auf zwei Kontinente auf. Und wohin gehört Georgien? Hier wird es kniffelig, man spricht mitunter vom «Balkon Europas», welcher dummerweise eher in Asien liegt.

Je nach Zählweise gehören ca. 47 Länder zu Europa. Da sind auch Russland und Weissrussland dabei. Für unser Vorhaben müssten wir deshalb Europa etwas einengen – wir sollten nicht einem geografischen Kadavergehorsam unterliegen, denn mit den beiden russischen Kriegsgurgel-Ländern möchten wir nichts zu tun haben.

«Europa» kann grosszügig definiert werden

Deshalb dürften wir auch, mit unserer etwas grosszügigen Auslegung der politischen, sozialen und geografischen Europagrenzen, immerhin auch Georgien, Armenien oder Aserbeidschan zu unserem wirtschaftlichen Europa zählen. Letzteres Land hat sehr schöne Erdölreserven, das wäre also gar nicht dumm. Die Länder gehören geografisch eh schon zu «Eurasien». Sie betrachten sich ausserdem (so die Armenier etwa) eher als Europäer.

Zudem ist sogar die streng europäisch auftretende EU heute geografisch bereits in anderen Kontinenten präsent: Die Azoren gehören zu Portugal, liegen aber teilweise auf der nordamerikanischen Kontinentalplatte. Das merkwürdigerweise zur EU zählende Französisch-Guyana liegt sogar in Südamerika, und die spanischen Kanaren gehören zu Afrika. Die europäische Ostgrenze ein bisschen Richtung Asien zu verschieben liesse sich also durchaus rechtfertigen.

Waldmeyers Plan

Doch was machen wir nun mit der Schweiz? Waldmeyer hat eine klare Vorstellung: Die Schweiz sollte alle diese europäischen Restländer zusammentrommeln und sie in einem neuen Club der «EWR-Freunde» vereinen. Und dann der Kinderärztin die Idee mit der neuen EWR-Osterweiterung schmackhaft machen. Der Europäischen Union würden wir damit nur helfen, denn so müssten, beispielsweise, diese renitenten Serben gar nie EU-Beitrittskandidaten werden, auch Bosnien, Georgien oder die Moldau nicht. Die Schweiz, als Sahnehäubchen, wäre bei den EWR-Freunden selbstredend vorne mit dabei. Und unser grosser Vorteil: Wir müssten nicht weiter mit der EU über komische Sonderabkommen verhandeln, die in unserem Land eh nur populistisch von allen Seiten torpediert werden.

Leider fehlt der Gruppenchef

Natürlich müsste jemand diese neue EWR-Gruppe anführen. Waldmeyer kann sich aus Zeitgründen leider nicht zur Verfügung stellen, zudem müsste es schon ein Bundesrat sein. Eigentlich würde dieser Plan ins Departement unseres ehemaligen Winzers fallen, Guy Parmelin. Waldmeyer ist sich nicht sicher, ob dieser als polyglotter Chairman in Frage kommen könnte. Vielleicht sollten wir unseren Aussenminister schicken? Nur: Unser Arzt aus dem Tessin, Ignazio Cassis, würde vielleicht ebenso wenig über das nötige Rüstzeug verfügen. Haben wir denn tatsächlich niemanden, der dieser Aufgabe gewachsen wäre und staatsmännisch auftreten und verhandeln könnte? Waldmeyer stellte fest: Nein, es gibt niemanden. Wir tun uns ja schon schwer, mit der Kinderärztin ein neues helvetisches Verträglein auszuhandeln. Schade, das Projekt hätte Waldmeyer gefallen.

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