Waldmeyer interviewt Greta

Waldmeyer wollte schon immer Greta interviewen. Nun hat er es endlich geschafft. Herausgekommen ist eine sehr aufschlussreiche Diskussion. Sie legt die verfahrenen Energiekonzepte in Europa bloss und gibt Einblick in die ziemlich wirren und fahrigen Ansichten unserer Öko-Jeanne d’Arc.

Max Waldmeyer (Wm): Danke, Frl. Thunberg, dass Sie in die Schweiz gekommen sind! Liegt ja nicht gleich um die Ecke für Sie!

Greta Thunberg: Ich bin Greta.

Wm: Ok, freut mich! Max. Max ist eh viel inklusiver, mein Vorname ist ja gender-neutral.

Greta: Aha. Also ich komme jetzt gerade von Neuseeland. Ich habe ein Projekt für ein Glazialkraftwerk studiert. Eindrücklich. Die tun was. Aber jetzt musste ich mit dem Flugzeug zurück. Mein Papi hatte mir abgeraten, das Segelboot zu nehmen. Und vom Flughafen hierher kam ich mit dem Bus. Der war gar nicht elektrisch, das ist wirklich nicht sehr fortschrittlich. Ich habe jetzt echt ein schlechtes Gefühl.

Wm: Das wird sich im Laufe des Interviews legen, Greta. Beginnen wir doch mit ein paar Faktenchecks. Nummer eins: Klimaerwärmung findet offenbar statt. Historisch gesehen gab es zwar schon mehrmals Verwerfungen, diesmal scheint es jedoch etwas schneller zu gehen. Aber: Ist das schlimm? Mir wäre es recht, wenn es ein bisschen wärmer wird bei uns!

Greta: Ganz Nordafrika wird zur nicht mehr bewohnbaren Wüste, die Polklappen schmelzen ab, der Meeresspiegel steigt und wird zu fatalen, riesigen Überschwemmungen führen. Völkerwanderungen im grossen Stil werden einsetzen.

Wm: Und dann kommen nicht nur Fachkräfte, ich weiss. Aber nun zum Faktencheck Nummer zwei, auch hier werden wir uns noch einigermassen einig sein: Es besteht eine gewisse Chance, dass die Klimaerwärmung, zumindest teilweise, auf den menschenverursachten Ausstoss an schädlichen Gasen zurückgeht. Die Versmogung gewisser Städte ist zudem mit Sicherheit selbstgemacht.

Greta: Ja, wir sind die letzte Generation. Es wird schlimm werden, wenn wir nichts tun.

Wm: Nun zum Faktencheck Nummer drei: Die grossen Emittenten von Treibhausgasen sind China, Indien und die USA, zusammen zeichnen sie für über 50% der Verschmutzung verantwortlich. Vor allem in China und Indien, bedingt durch das Wirtschaftswachstum, wird das weiter zunehmen. In China fahren sie zwar zunehmend elektrisch, das hält die Städte sauber, aber der Strom ist nicht sauber, China nimmt zurzeit jedes Jahr 100 Kohlekraftwerke ans Netz. Auch Russland ist kein Musterknabe, im Verhältnis zur Bevölkerung verdrecken sie die Welt überdurchschnittlich. Putin lässt zudem das nicht verkaufbare Erdgas einfach abfackeln, und die Kriegstreiberei erhöht die CO2-Belastung massiv. Kannst du Fakt Nummer drei ebenso zustimmen?

Greta: Ja, aber bei uns ist der CO2-Abdruck auch zu hoch!

Wm: Nun, Probleme sind manchmal eben relativ. Es bringt dem Weltklima nichts, wenn in Norwegen alle Tesla fahren. Aber zurück zu den grossen Emittenten, Fakt Nummer vier: Es sind die fossilen Kraftwerke, die Industrie und die Landwirtschaft (v.a. mit der Viehwirtschaft), welche die grössten Produzenten von schädlichen Treibhausgasen sind. Auch die internationale Schifffahrt, wo viele grosse Frachter noch Schweröl verbrennen, trägt überdurchschnittlich zum Desaster bei. Alle diese Dreckschleudern zusammen zeichnen für deutlich über 50% der schädlichen Treibhausgase verantwortlich. Der Luftverkehr trägt weltweit keine zwei Prozent dazu bei. Kannst du diesen Fakten ebenso zustimmen, Greta?

Greta: Ja. Aber ich hätte vielleicht trotzdem das Segelboot nehmen sollen. Und ich hätte zu Fuss kommen und nicht in einen dieselbetriebenen Bus steigen sollen. Wir müssen eben überall, weltweit ansetzen! Wir sollten auch mehr für die Palästinenser tun.

Wm: Die globale Digitalisierung verbraucht sogar mehr Energie als die ganze Luftfahrt. Streamst du immer noch so viel, Greta? Und wie stehst du generell dazu?

Greta: Ich streame nur selten. Und wenn, dann nur über W-Lan.

Wm: Alles klar Greta, das ist ja schon mal sehr vorbildlich. Aber ab hier werden sich unsere Meinungen vermutlich nicht mehr überschneiden. Sollten wir nicht die Problemlösung wählen, die am effektivsten ist? Also dort ansetzen, wo mit einer Verbesserung am meisten erreicht werden kann?

Greta: Wie gesagt, es ist fast schon zu spät. Wir müssen sofort und überall unser Leben ändern.

Waldmeyer: Natürlich. Aber jetzt zu Fakt Nummer fünf. Wenn wir die Anzahl Vieh reduzieren würden in der Schweiz, wie von der Politik teilweise angedacht, würde das nichts bringen. Wir würden dann eben nicht Schweizer, sondern brasilianische Steaks essen. 30 km/h in den Städten bringt ebenso wenig Messbares. Die Auflösung der Parkplätze sogar nur Mehrverkehr. Elektrisch fahren bringt auch nichts, wenn aus der Steckdose unter anderem Dreckstrom kommt. Wärmepumpen sind gesamt-ökologisch eine Augenwischerei, weil sie extrem viel Elektroinput benötigen, welcher zu einem grossen Teil dreckig ist. Solarpanels bringen bekanntlich nichts in der Nacht und wenig im Winter. Fakt Nummer fünf also: Unsere Massnahmen sind, aus weltweiter Sicht – nicht lokal – kaum zielführend. Kannst du diesen Fakten, aus globaler CO2-Sicht, zustimmen?

Greta: Max, du hast mich nicht verstanden. Es eilt, wir müssen handeln. Wie kannst du nur so egoistisch sein. Wenn du nichts tust, wird es noch viel schlimmer!

Wm: Wenn es wirklich um den weltweiten Klimaschutz und die Dekarbonisierung gehen soll und nicht um fundamentalistische grüne Anliegen, dann muss man bei den grossen Emittenten ansetzen: China, Indien, USA. Zudem schwerölbetriebene Frachter verbieten, in die Effizienz und Säuberung fossiler Verbrennung investieren, die Wasserkraft massiv ausbauen etc. Und ja, vielleicht müssten wir weniger Fleisch essen. Weltweit, natürlich.

Greta: Ich lebe vegan, und mir geht es sehr gut. Schau mich an!

Wm: (schaut, antwortet aber nicht)

Greta: Die Schweiz ist ein reiches Land, da könnte viel getan werden.

Wm: Wenn wir die Luftsäule über der Schweiz marginal sauberer halten, wird das natürlich nichts zur weltweiten Klimaverbesserung beitragen. Unsere Politiker haben aber entschieden, dass wir uns dekarbonisieren. Wir wissen nur noch nicht, wie. Aber vielleicht reicht es, mit einem guten Beispiel voranzugehen? Die grossen Emittentenländer würden dann mit Bewunderung auf uns schauen und lernen?

Greta: Ich habe gemeint, ihr stellt jetzt auf Elektrisch um…?

Wm: Ja, wir kaufen Elektroautos, wir fahren nur noch 30 und wir heizen künftig mit Wärmepumpen. Allerdings scheint die Bereitschaft, im grossen Stil Windräder aufzustellen, in den Alpen massive Solarkapazitäten zu errichten, die Wasserkraft auszubauen (und zwar mit einer grossen Anzahl an Speicherkraftwerken) nicht sonderlich hoch zu sein. Ein Ausbau der Atomenergie wird, wenn überhaupt, frühestens in 30 Jahren erfolgen. Die elektrische Energie wird also nie und nimmer ausreichen. Die Elektrifizierung der Industrie, des Verkehrs, die Stromproduktion für die Haushalte, die Wärmeproduktion im Winter, der Ausbau der Digitalisierung und der KI werden zum Witz. Es wird binnen kurzem zu wenig Elektrizität geben. Elon Musk meinte einmal, man soll sich mal vorstellen, wieviel Elektrizität wir künftig brauchen werden und dann nochmals sehr viel dazurechnen. Soweit zu Fakt Nummer sechs. Wir haben also einen Plan, der niemals aufgehen wird. Was sagst du dazu?

Greta: Wenn ihr massiv sparen würdet, würde es vielleicht reichen. Dazu braucht es auch ein Nullwachstum der Wirtschaft. 18 Grad reichen übrigens auch, bei uns in Schweden ist es oft viel kälter. Viele Strecken kann man mit dem Fahrrad oder dem Lastenrad zurücklegen. Essen sollte man eh nur aus lokaler Produktion, und wenn nicht vegan, dann doch zumindest vegetarisch. Irgendwie muss der Planet nun mal gerettet werden.

Wm: Ich frage mich, wie dein Freund Habeck in Deutschland das gestalten möchte.

Greta: Der Robert ist nicht mehr mein Freund. Er baut die Kohleenergie wieder aus und kauft Gas in komischen Ländern. So sieht die Energiewende nicht aus.

Wm: Ja, der Robert ist ein armer Kerl. Die Sonne scheint ja auch in Deutschland nicht in der Nacht. Im Winter auch zu wenig. Der Wind weht nicht immer, und die kriegen den Strom vom Norden von den Windparks nicht in den Süden runter. Es wurden auch noch keine elektrische Traktoren für die Bauern erfunden. Die Ampelregierung erhöht zwar die CO2-Steuern, gibt das Geld dann aber an die Bevölkerung zurück. Der Spareffekt wird so ad absurdum geführt. Ich möchte nicht der Habeck sein.

Greta: Ich sehe bei euch in der Schweiz auch keine echte Energiewende. Was ist mit der Solarenergie?

Wm: Eben. Wir haben überraschenderweise ein ähnliches Problem wie die Deutschen: Über Mittag und im Sommer läuft die Produktion ganz gut. Im Januar aber rechnen wir mit nur 10% des Stromertrages vom Juni. Leider brauchen wir Strom aber vor allem im Winter. Und wir möchten auch gerne heizen in der Nacht. Kommt erschwerend hinzu, dass wir Strom nur beschränkt speichern können, da reichen die teuren und wenig umweltverträglichen Hausbatterien nicht. Der Ausbau der Speicherkraftwerke wird verhindert. Und das mit dem Wasserstoff steht in den Sternen.

Greta: Das ist bedenklich. Ihr müsst also dringend sparen!

Wm: Nein, das will die Bevölkerung auch nicht. Wir importieren einfach noch mehr Strom aus dem Ausland. Atomstrom aus Frankreich, dreckigen Kohlestrom aus Deutschland und Polen. Wir bezahlen einfach etwas mehr als die andern für den Strom, dann wird der wohl schon zu uns umgeleitet. Und so bleiben die Umweltprobleme im Ausland. Wir importieren Elektrofahrzeuge mit Batterien, welche mit einem immensen Energie- und Ressourcenverbrauch hergestellt werden – glücklicherweise weit weg von uns.

Greta: Das ist mega verwerflich! Wir können aber Dunkelheit nicht mit Dunkelheit bekämpfen. So retten wir den Planeten nicht.

Wm: ???

Die spätere Entsorgung der Elektrofahrzeuge und der Batterien ist ein zusätzliches Problem. Aber wir entsorgen sie dann irgendwo im Ausland. Fakt ist, dass, gesamtheitlich berechnet, Elektrofahrzeuge erst bei einem Betrieb ab 200‘000 km weniger umweltbelastend sind als moderne Verbrennerfahrzeuge. Unsere alten Verbrennerfahrzeuge exportieren wir übrigens in andere Länder, dort fahren sie nochmals während 20 Jahren. Aber so verdrecken sie wenigstens nicht unser Land. Fakt Nummer sieben also: Unsere Massnahmen in unseren Ländern in Europa greifen gar nicht, global betrachtet. Aber wie sollen wir das Problem echt angehen?

Greta: Es ist eine Bewusstseinsfrage. Wir müssen begreifen, dass wir die letzte Generation sind, die das Steuer noch rumreissen kann.

Wm: Ich habe einen Vorschlag. Rede doch mal mit dem Modi. Und mit Xi. Und mit Biden oder Trump. Auch mit Putin. Wenn die ihre Dreckschleudern abstellen und ihren CO2-Fussabdruck verringern, ist deutlich über die Hälfte des Problems gelöst. Genau da müssen wir ansetzen.

Greta: Danke, Max, das ist ein guter Tipp. Ich mach das. Aber erst nächstes Jahr. Meine Demo-Agenda ist voll für dieses Jahr.

Wm: Aha. Ich dachte, nur freitags? Wegen Fridays for Future. Aber gut zu wissen. Demonstrierst du nun für oder gegen das Klima? Und auch in China oder Russland?

Greta: Für und gegen das Klima. Für beides. Sicher ist sicher. Zudem sind wir eben die letzte Generation, die das tun kann. China und Russland sind noch nicht auf der Agenda. Ich frage nochmals meinen Papi.

Wm: Dann mal viel Glück. Danke für das lehrreiche Interview. Darf ich dich mit dem Lastenrad zum Flughafen bringen?

Waldmeyer und die Sezession

«Separation» oder «Sezession» kennen wir in der Schweiz bestens: Der neu geschaffene Kanton Jura ist das beste Beispiel dafür. Nur: Darf sich jeder abspalten – oder gar einen eigenen Staat gründen? Genau das wollen die Deutschen Reichsbürger. Und nun kommen sie auch in die Schweiz!

 

Waldmeyer faszinierte dieser Hermelin-Mantel. Da lässt sich doch dieser bizarre Peter Fitzek in Deutschland einfach zum König krönen, dazu noch in dieser royalen, hermelinen Kluft!

Deutschlands «Reichsbürger» haben sich tatsächlich einiges vorgenommen, so wollen sie, ganz unbescheiden, einen eigenen Staat gründen. Aber die Organisation wird nun verboten, wegen «Staatszersetzung». Das ist ein bisschen schade, denn damit werden ein paar nützliche Denkanstösse abgewürgt. Deutschland hätte es doch verdient, sein ziemlich aus dem Ruder gelaufenes Staatswesen etwas neu aufzumischen. Was spannend ist: Die Bewegung hat schon einen Anker in die Schweiz geworfen. Aber dazu später.

Könnte Korsika ein Staat sein?

Sezessionen oder Staatsgründungen sind für uns nicht neu. Es sei an die Gründung des Kantons Jura erinnert. Auch Kantonswechsel von Gemeinden gibt es regelmässig. Wir sind eben ein demokratisches Land, und Reisende sollte man ziehen lassen.

Dass die Schotten einen eigenen Staat möchten, ist auch nicht neu. Das Vorhaben wäre zudem gar nicht abwegig, sie könnten dann wieder in die EU eintreten und müssten sich über anachronistische Staatsformen (wie die Monarchie) nicht ärgern.

Das Gleiche könnte für Katalonien, das Baskenland oder die Korsen gelten. Das nennt sich dann Sezession oder Separation. Was in vielen Staaten der Welt völlig undenkbar ist, ist in westlichen Staaten zum Teil möglich, in vielen allerdings gar nicht sauber geregelt. Darf man sich abspalten? Spaniens und Frankreichs Verfassungen sehen das leider nicht vor; sie stehen damit im Widerspruch zum Selbstbestimmungsrecht im Sinne der UNO.

Was Waldmeyer nur unterstützen wird: Appenzell möchte seine Gemeinden fusionieren. Was man als Firma schon lange getan hätte, ist hier überfällig. Auch die Fusion der beiden Halbkantone wäre der Effizienz geschuldet.

Eine richtige Staatsgründung geht natürlich weiter. Wir sprechen dabei nicht von den mehr oder weniger aus Jux ausgerufenen neuen Staaten (wie zum Beispiel von «Sealand», einer verlassenen Ölplattfarm vor der Küste Grossbritanniens). Interessanter sind die ernst gemeinten, echten Staatsgründungen. Nur: Was darf man wirklich?

New Tibet?

Waldmeyer erkennt, dass in diesem völkerrechtlichen Dickicht oft kein einheitliches Urteil gefällt werden kann. Was in Sachen Separation Rumäniens von der Sowjetunion 1991 noch ziemlich klar war, würde spätestens beim Tibet nicht mehr klar sein.

Entscheidend ist die Selbstbestimmung. Wenn die Tibeter heute einen eigenen Staat ausrufen würden, hätten sie ein Recht dazu? Sie könnten sich indessen kaum auf die Vergangenheit beziehen, als sie vor rund 75 Jahren noch nicht unter der chinesischen Fuchtel waren. Seit den 50er Jahren wird das Gebiet mehr oder weniger zwangsweise von China verwaltet. Ist das in Ordnung? Darf man jetzt, nach alle den Jahren, ein Gebiet, im Sinne einer Sezession wohl, noch zurückfordern? Der Völkerrechtler würde hier ganz klar mit einem Jein antworten. Die geschichtliche Basis bringt also nichts. Aber das Selbstbestimmungsrecht der UNO könnte zum Tragen kommen. Leider dürfen die Tibeter aber nicht abstimmen. Die Katalanen auch nicht.

Wann kommt das Kalifat?

Wenn nun die deutschen Reichsbürger einen eigenen Staat ausrufen, ist das schon eher tricky. Und wenn in Berlin im Rahmen einer palästinafreundlichen Demonstration von ein paar Protagonisten ein Kalifat ausgerufen wird, geht das selbstredend nicht. Das Problem ist nur, dass der Staat dann offenbar keinen Mumm hat, einzugreifen. Hier wäre der Tatbestand der «Staatszersetzung» wohl eindeutig gegeben.

Darf Genf zu Frankreich wechseln? Oder einen eigenen Staat ausrufen?

Wenn sich Genf nun entscheiden würde, zu Frankreich zu wechseln: Dürften die das? Der Wunsch wäre vielleicht gar nicht so absurd, der Ausländeranteil im Kanton Genf beträgt 41%, zu einem guten Teil handelt es sich eh um Franzosen. Genf nennt sich ohnehin „République de Genève“. Wir würden von einer solchen Abspaltung gar nicht viel merken im Rest der Schweiz, der Genfersee würde zu einem Grossteil immer noch uns gehören, und unsere Jugend in der Deutschschweiz würde weiter auf Englisch mit den «Welschen» kommunizieren. Auch wenn Genf einen eigenen Staat ausruft, mithin nur die Konsequenz ihrer «République de Genève», würde das wohl nicht so viel ändern.

Spreitenbach als Nation?

Wenn in Spreitenbach ein eigener Staat ausgerufen würde, und zwar auf ganz demokratische Weise, würde dies vielleicht durchgehen? Der Ausländeranteil in Spreitenbach liegt bei über 50%. Es könnte hier also, ebenso ganz selbstbestimmt, ein muslimischer Ministaat entstehen. Alles wäre vorhanden, Coop, Migros, gar ein ganzes Einkaufszentrum. Es gibt auch bereits eine kleine Moschee. Die Sache mit den Grenzübergängen zur Schweiz müsste noch geklärt werden. Aber auch hier: Dürften die das?

Abtrennung von Landesteilen?

Die Westschweiz könnte eigentlich zu Frankreich gehören, das Tessin zu Italien. Dann wäre – in beiden Fällen – das Problem mit den Grenzgängern ein für alle Mal gelöst. Sollten sich diese Landesteile aufgrund einer gut legitimierten, demokratischen Bewegung entscheiden, das Land zu wechseln, und sollten sich sowohl Frankreich wie Italien nicht dagegenstemmen, so müssten wir die Leute wohl ziehen lassen. So sieht nun mal moderne demokratische Selbstbestimmung aus. Für das Oberwallis (wo bekanntlich nicht Französisch, sondern eine Art Schweizerdeutsche Geheimsprache gesprochen wird), müsste im Falle eines Landeswechsels der Westschweiz natürlich eine faire Lösung gefunden werden. Die Gebietsinsel Oberwallis würde, zumindest verkehrstechnisch gesehen, nahezu eine Art helvetische Exklave darstellen – das wäre aber nur vordergründig tragisch. Denn erstens sind die Oberwalliser ein relativ verwurzelter Menschenschlag, der sein Gebiet vielleicht gar nicht verlassen möchte, und zweitens könnten die Deutschschweizer im Norden immer noch via Lötschbergtunnel, ohne Grenzübertritte, elegant in die schönen Skigebiete einreisen. Oder sollte das Oberwallis gleich einen eigenen Staat ausrufen?

Ist Abessinien definitiv verloren für Italien?

Abessinien gehörte einst zu Italien. Ist der Gebietsanspruch Italiens nun wirklich verwirkt? Natürlich könnten die heutigen verarmten Bewohner Äthiopiens einen Antrag an Italien auf Rückabwicklung stellen. Das wäre eventuell gar nicht so dumm, denn dann würden sie zur EU gehören, viel Geld erhalten und müssten gar keine mühseligen Asylreisen unternehmen.

Und was ist mit Nordkorea? Dem Problem des eigenen Staatsrechtes hatte sich die UNO schon mal angenommen. 1977 sprach sie mit einer Resolution Klartext, indem sie einem Volk ein klares Selbstbestimmungsrecht einräumte. Das war eine Ansage, immerhin. Aber die Selbstbestimmung müsste demokratische Strukturen und nötigenfalls Hilfe von aussen voraussetzen, um sie durchsetzen zu können. Im Falle Nordkoreas würden wir dann aber wohl nicht von einer Sezession sprechen müssen, sondern von einer neuen Staatengründung, bzw. eines Umsturzes. Einer Gesamt-Sezession sozusagen.

Die Kurden müssen auch warten

Kurdistan existiert nicht, die armen Kerle haben tatsächlich keinen eigenen Staat. Die UNO-Resolution hat hier offenbar nicht gegriffen. Nun, das wäre so ein Fall, wo eine Sezession und eine eigene Staatsbildung legitim wäre. Aber es hapert wohl an der Durchsetzung, es wären zudem vier Staaten betroffen.

Waldmeyers Meinung:

  • Ja, die beiden Appenzell sollen doch zu einem eigenen «Bundesstaat» fusionieren, die einzelnen verzettelten Mini-Gemeinden könnte man sogar aufheben. Das wäre der Effizienz geschuldet.
  • Ja, eine Gemeinde soll weiter einen Kanton wechseln dürfen.
  • Ja, Genf dürfte nach Frankreich abhauen – so dies denn demokratisch umgesetzt würde.
  • Ja, das Oberwallis, immer schon ziemlich renitent, dürfte einen eigenen Staat ausrufen. Wenn ein gescheites Konzept vorgelegt würde (mit der Pflege der eigenen, wenn auch wenig verständlichen Sprache beispielsweise), so sollte das erlaubt werden.
  • Tibet: Die Zeit ist wohl abgelaufen. Es wäre ganz einfach zwecklos, hier den eigenen, verlorenen Staat wieder auszurufen.
  • Spreitenbach: Rein rechtsstaatlich wäre eine eigene Staatsgründung vielleicht möglich. Unter Umständen auch nicht falsch: Es ergäbe sich nämlich eine sehr homogene, friedliche, grösstenteils muslimische Bevölkerungsgruppe, hoch konzentriert, allerdings mit einer eigenen Grenze rundherum.
  • Äthiopien kann nicht in die EU kommen. Ausser demokratische Prozesse in Italien und in der ehemaligen afrikanischen Kolonie würden die nötigen Voraussetzungen dazu schaffen. Das südamerikanische Französisch-Guyana gehört auch zur EU, ebenso die portugiesischen Azoren. Also warum nicht.
  • Die tüchtigen Kurden hätten einen eigenen Staat verdient. Allerdings ein hoffnungsloses Unterfangen, ihr Gebiet zieht sich heute vom Osten der Türkei über den Norden Syriens, Iraks und Irans.
  • Den Katalanen müsste man prinzipiell einen eigenen Staat zugestehen. Eine saubere demokratische Abstimmung mit einem nachhaltigen Plan für eine eigene Staatlichkeit wäre die Voraussetzung. Restspanien müsste das schlucken – auch wenn es die Verfassung noch nicht vorsieht. Das gleiche Problem haben die französischen Basken und Korsika: La Grande Nation verbietet eine Sezession.

Jetzt «Neue Deutsche Mark» kaufen von den Reichsbürgern!

Es ist schon bemerkenswert, was für eine bizarre Unverfrorenheit diese Gruppe der Reichsbürger umtreibt. Oder sollte ihren Anliegen, nur schon wegen der UNO-Charta von 1977, nicht trotzdem Gehör geschenkt werden? Eine Analyse Waldmeyers kommt indessen zu einem anderen Schluss: Die Reichsbürger planen erstens gar keine demokratische Ordnung und zweitens verfügen sie über keine richtige Homebase: Es fehlt ihnen ein einigermassen homogener Landstrich.

Und was nun die Pläne der Reichsbürger in der Schweiz betrifft: Sie sollen bitte in Deutschland bleiben. Bei uns gibt es für sie keine liberale Legitimation. So erfrischend die Idee auch ist – und so schön auch dieser Hermelinmantel des neuen Königs. Und so kreativ auch die Idee, schon jetzt eine neue Währung eingeführt zu haben (denn bereits kann ein Konto eröffnet werden mit «Neuer Deutscher Mark»).

Wählt Meisterschwanden die Sezession?

Da hätte es Meisterschwanden schon einfacher: Basierend auf der UNO-Charta könnte Waldmeyer, als künftiger Gemeindepräsident und aufgrund einer sauberen demokratischen Abstimmung, Autonomie ausrufen. Die Gründung eines neuen Kantons würde Waldmeyer allerdings nicht ausreichen. Er würde auf dem Gemeindegebiet einen eigenen Staat ausrufen. Die Schweizer Verfassung sähe hier keine Hindernisse vor.

Waldmeyer könnte anschliessend alle falschen Entscheide in der Gemeinde wieder rückgängig machen, mit einer neuen, eigenen Verfassung, gescheiten Gesetzen und schlanken Verordnungen. So könnte beispielsweise der ungeliebte Kreisel beim Coop unten wieder aufgelöst werden, die 30er-Zone an der Panoramastrasse ebenso, Lastenräder würden aus Sicherheitsgründen verboten, die lächerliche Gender-Toilette in der Gemeindekanzlei würde aufgelöst. Der Coop dürfte auch am Sonntag immer geöffnet bleiben. Auswärtige müssten einen Eintritt beim Zugang zum Hallwilersee bezahlen. Der Franken würde beibehalten, aber die Mehrwertsteuer würde abgeschafft (zu kompliziert). Statt gemeine progressive Einkommenssteuern würde eine faire Flattax eingeführt (die Steuererklärung hätte auf einem Bierdeckel Platz). Erbschaftssteuern entfielen komplett. Asylanten müssten arbeiten, und die AHV gäbe es leider erst mit 70 (dafür ist deren Finanzierung in trockenen Tüchern). Der Rest des Uferhügels würde zu einem hochwertigen Wohngebiet umgezont, damit reiche Deutsche künftig hier angesiedelt werden können – und ihre Steuern hier bezahlten. Selenski würde zu einem Talk an der Gemeindeversammlung eingeladen, und die Hamas würden sofort als Terrororganisation verurteilt.

Ja, Meisterschwanden würde plötzlich im geopolitischen Fokus stehen, und die Restschweiz würde vielleicht das ganze Konzept übernehmen.

Schade, wird heute nicht mehr über Sezession gesprochen.

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