Waldmeyer und die Vignette

Waldmeyer deutete mit seinem Finger auf seinen Porsche Cayenne (schwarz, innen auch): «Was fällt dir auf, Darling?» Charlotte meinte nur: «Er ist dreckig, wie immer.» Waldmeyer korrigierte: «Nein, schau mal, keine Vignette mehr!» Aber Waldmeyer ging es eigentlich generell um Vignetten-Management.

 «Ich habe ohne Hilfe die Buchung der Vignette selbstständig gemacht», triumphierte Waldmeyer, «du siehst, die Digitalisierung kommt», erklärte er weiter. Charlotte schüttelte nur den Kopf. Sie hatte die E-Vignette für ihren Audi (auch schwarz) schon vor Tagen bestellt.

Die Klebevignette ist ein Unsinn

Die Produktion von Klebeetiketten war immer schon ein Unsinn. Bisher ging rund ein Drittel der eh schon spärlichen Einnahmen von rund 400 Millionen pro Jahr für die Produktion und den Vertrieb über den Einzelhandel verloren. Die Kosten für Staatsdiener, welche sich alljährlich über das anachronistische Projekt beugten, nicht mitgerechnet.

Die Vignette war eigentlich nichts anderes als ein marxistisches Umverteilungsprojekt: Geld des Bürgers floss zu Salären von überflüssigen Beamten, zu Vignettenproduzenten und als Unterstützung in den Einzelhandel.

 Der Kleber für rückständige Menschen

Der helvetische Witz besteht nun darin, dass wir zwar eine elektronische Vignette kriegen, parallel dazu aber immer noch kleben dürfen. Diese eidgenössische Nachsicht für rückständige Autobahnnutzer ist zu vergleichen mit dem Fax im BAG. Dieser konnte immer noch nicht aus den Amtstuben verbannt werden, denn es gäbe ja Ärzte, die noch daran hingen. Und noch heute werden gewisse Krankheitsfälle exklusiv per Fax an das Bundesamt für Krankheit rapportiert. Die Digitalisierung wird uns also nur in homöopathischen Dosen zugemutet. Der Autobahnkleber wird noch weitergeführt, wie die Faxgeräte, u.a. mit der Begründung des Datenschutzes.

Designmässige und volkswirtschaftliche Fehlleistung

Waldmeyer fand es schon immer eine Zumutung, einen hässlichen farbigen Kleber, in mitunter unmöglichen Farben, auf sein schönes Fahrzeug zu kleben. Zu allem galt es, das Ding jedes Jahr wieder runterzukratzen. Und zwar genau während der kalten Winterzeit, wenn dieses inkriminierte Klebeteil schlecht weggeht. Mit Charlottes Föhn konnte jeweils Abhilfe geschaffen werden.

Die Klebevignette ist auch volkswirtschaftlich ein Unding. Gute Ausgaben oder Investitionen generieren volkwirtschaftlich einen Mehrwert, die ökonomische Zirkulation löst neue Werte aus. Die Produktion von Stahl und Aluminium beispielsweise kann in einen Porsche umgewandelt werden, der Porsche-Mitarbeiter kauft sich von seinem Gehalt ein Haus, der Handwerker repariert es – und kauft sich vielleicht auch einen Porsche usw.

Ja, so funktioniert der volkswirtschaftliche Multiplikatoreffekt. Bei der Klebeetikette endet dieser Vorgang indessen jäh an der Windschutzscheibe. Produziert werden zwar Fahrkilometer, aber die wären auch ohne die blöde Etikette produziert worden. Soweit Waldmeyers makroökonomischer Abriss.

Man kann auch mit Münz…

Aber in gewissen Ländern in Europa sieht es in Sachen Einnahmen-Effizienz von Strassengebühren auch nicht besser aus. In Italien oder Frankreich etwa dürfen noch Münzen in einen Korb an riesigen Mautstationen geworfen werden. Die Mauthäuschen sind auch schön mit gelangweilten und griesgrämigen Menschen besetzt, die Flächen der Stationen sind immens. Waldmeyer überlegte spontan, dass man diese besser für schöne Raststätten, Asylantenheime oder Go-Kart-Bahnen verwenden könnte – oder sie der Natur zurückgeben.

Osteuropa führt

Andere Länder sind da schon weiter, insbesondere im Osten: In Ungarn, Tschechien, Slowenien, Rumänien oder Bulgarien etc. gibt es schon länger eine elektronische Vignette. Sogar in Österreich, also auch im Osten. So braucht es keine Mautstationen, und kein Mensch wäre dort auf die Idee gekommen (ausser in Österreich), parallel einen dummen Aufkleber im Angebot zu halten. Ideal ist auch, dass in allen diesen Ländern eine Vignette mit differenzierter Gültigkeit geordert werden kann: tageweise, für 10 oder 30 Tage, für ein Vierteljahr, ein ganzes Jahr – je nach Land.

Sollten wir die Vignette verteuern…?

Eine einmalige Durchfahrt durch die Grande Nation kostet rund 100 Euro. Hin- und zurück also 200 Euro. Nicht viel besser sieht es in Italien aus. Übers ganze Jahr gerechnet laden die Bürger dort folglich ziemlich viel ab. Die Deutschen haben freie Fahrt (wie wir wissen, gelang es ihnen während zehn Jahren nicht, eine Maut einzuführen, sie mussten die Projektkosten von 234 Millionen Euro abschreiben). In Österreich kostet die Jahresvignette knapp 100 Euro. In den meisten anderen Staaten Europas ähnlich viel.

Aber alle diese Staaten mit elektronischen Vignetten kennen Kurzzeitvignetten. Nur wir nicht. Der Holländer, welcher einmal im Jahr durch die Schweiz fährt, wählt deshalb bisweilen die Kantonsstrasse und zuckelt durch die Dörfer; er spart sich die 40 Franken, die er dann lieber in Rimini für eine Liegestuhlmiete ausgibt.

Eine Umfrage von Radio SRF ergab kürzlich, dass die Mehrzahl der Bürger sich nicht gegen eine Erhöhung des Vignettenpreises sperren würde. Auch Waldmeyer, beileibe kein Verfechter neuer Steuern, hätte ein gewisses Verständnis dafür. Vor allem, wenn im Gegenzug der Bundesrat nun endlich die Autobahnen nachhaltig ausbaut, um die ewigen Staus zu verhindern.

Waldmeyers Fünf-Punkte-Plan für das künftige Vignetten-Management

Waldmeyer schlägt fünf Massnahmen vor, nicht zuletzt, um die Schweiz etwas tourismusfreundlicher zu gestalten:

Erstens, und er sieht das im Sinne einer persönlichen Grosszügigkeit, wäre er bereit, die Jahresvignette auf 80 Franken zu erhöhen. Gleichzeitig müsste sich Bundesrat Rösti schriftlich verpflichten, die neuralgischen Problempunkte auf den Autobahnen subito zu eliminieren.

Zweitens wird eine Kurzzeitvignette (so für die Holländer) eingeführt, für 20 Franken. Damit haben wir das Umfahrungsproblem vermutlich gelöst.

Drittens kann eine Drei-Monatsvignette für 40 Franken gelöst werden. Das reicht dann für längere Urlaubsaufenthalte in unserem schönen Land. Der Düsseldorfer, der zweimal im Jahr in die Ferienwohnung nach Ascona fährt, würde dann eh gleich die Jahresvignette buchen. Er wäre sogar glücklich dabei, denn er wäre überzeugt, damit ein gutes Geschäft gemacht zu haben.

Viertens entfällt die Vignette für Anhänger. Der Holländer muss heute nämlich eine zweite Vignette für seinen Wohnwagen kaufen. Macht 80 Franken für den Rimini-Trip. Kein Wunder, schleicht er über den Gotthardpass und verstopft uns die Strassen. Auch das Gewerbe und private Besitzer, welche den Anhänger eh nur selten brauchen, hätten Freude, wenn eine Vignette entfiele. In keinem anderen Land muss heute eine Vignette für einen Anhänger gelöst werden; das Argument der schwierigen elektronischen Kontrolle für ein ganzes Gespann verfängt nicht – alle anderen Länder schaffen das auch.

Fünftes soll diese Kleberei sofort gestoppt werden. Sie ist nur peinlich für unser Land und hochgradig ineffizient. Alternativ könnten ein paar der überflüssigen Staatsdiener eine Helpline bedienen, welche wenig digitalisierten Bürgern bei der Buchung der elektronischen Vignette helfen. Sie könnte einen Franken pro Minute kosten – ein neues Geschäftsmodell vielleicht für selbsttragende staatliche Leistungen?

Ist die Vignette ungerecht?

Charlotte reklamierte: «Eigentlich ist die Vignette ungerecht. Ich fahre eher selten, muss aber trotzdem den vollen Tarif bezahlen. Wer mehr fährt, sollte mehr bezahlen, wer weniger fährt, eben weniger!»

Auch Waldmeyer ist ein grosser Anhänger von verbrauchsabhängigen Kosten. Allerdings findet er, dass es den Staat einen Dreck angeht, wieviel, wohin und warum er rumfährt. Die Behörde als blinder Passagier im Auto? Nein danke! Gewisse politische Kreise hätten das natürlich sehr gerne, so einen Tracker in jedem Auto, und dann wird mal abgerechnet. Nicht umsonst haben alle Staaten in Europa bisher davon abgesehen. Vignetten mit unterschiedlicher Gültigkeitsdauer könnten jedoch eine valable Alternative darstellen.

Und was Charlotte betrifft, hatte Waldmeyer auch eine Lösung: «Du kannst die Vignettenkosten runterbringen, indem du die Kosten für den Autobahnkilometer reduzierst. Du musst einfach mehr fahren!»

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