Waldmeyer und die Blackbox

Oder: Der Staat als Copilot? Nein danke!

Kommt jetzt der gläserne Autofahrer? Es scheint einen Plan des Bundesamtes für Strassen (ASTRA) zu geben, künftig alle Fahrzeugbewegungen überwachen zu wollen. So soll es künftig eine Blackbox in jedem Auto geben. Aber es kommt noch schlimmer. Waldmeyer überlegt nun verzweifelt, wie er reagieren soll.

Das Bundesamt für Strassen plant jetzt, durch die Hintertüre einer einfachen Verordnung, ganz klandestin, ab 2024 eine Blackbox für jedes neue Fahrzeug vorzuschreiben. Hintergründe für diesen Plan gibt es verschiedene.

Erstens einmal zerbricht sich der Bundesrat den Kopf, wie Elektroautos künftig besteuert werden sollen. Es soll ja auch für elektrisches Fahren künftig eine ordentliche Verkehrsabgabe geben. Dieses Ansinnen mag einer gewissen Logik gehorchen, denn dem Staat schwimmen die Felle davon: Die Steuern auf fossilen Treibstoffen werden bald versiegen, wenn nur noch Elektrofahrzeuge verkehren. Der Bund wünscht sich am liebsten eine Abgabe pro Kilometer, die Ansätze sollen gestaffelt nach Fahrzeuggrösse definiert werden. Die Krux nur: Diese Kilometer müssen erfasst werden. Und damit landen wir genau bei einem ziemlich hässlichen Überwachungsproblem. Denn wenn Autos schon mal alle über eine Blackbox verfügen, liesse sich dies künftig viel besser einrichten. Die Blackbox wäre dann so gescheit, dass sie nicht nur die Kilometer aufzeichnet, sondern auch zwischen verschiedenen Strassenarten (und somit unterschiedlichen Tarifen) unterscheiden könnte, und die Verrechnung der Verkehrsabgaben könnte auch gestaffelt nach Zeitfenstern erfolgen. Der Tarif während der Rush Hour könnte beispielsweise höher angesetzt werden oder mitten in der Nacht gäbe es einen Discount. Auch so lässt sich, gut versteckt, das bisher von den Bürgern immer abgeschmetterte Roadpricing einführen.

Und was ist, wenn wir ins Ausland fahren? Dies könnte die Blackbox, allenfalls mit geometrischer Ausrüstung auf den Meter genau, spielend erheben. 

Aber auch dies möchte Waldmeyer nicht. „Den Staat soll es einen Dreck angehen, wo ich wann bin und wieviel ich fahre!“, meldete Waldmeyer zu Charlotte rüber.

 „Vielleicht solltest du dir doch ein Lastenrad zulegen, Max“, meinte Charlotte lakonisch, „damit kannst du vielleicht auch ins Ausland, ohne dass es jemand merkt“.

So einfach mit der totalen Überwachung wird die Sache allerdings nicht sein. Schon für die Einführung einer elektronischen Vignette (in anderen Staaten seit einem Dezennium in Betrieb), musste der Bund Kompromisse eingehen. So wird es neben unserer elektronischen Vignette parallel auch weiter eine Klebeetikette geben. Zwei Systeme, zweimal die Kosten. Die Verkehrsminister in Singapur oder Dubai werden sich totlachen. Doch: was kostet die Welt… 

Die elektronische Vignette zumindest könnte man relativ einfach mit allen Sicherheiten zur Wahrung der Privatsphäre ausstatten. Aber mit der Blackbox, welche alle Daten aufzeichnen kann, wird das schwierig.  

2035 kommt das „Verbrennerverbot“ in der EU. Ab dann sollen nur noch Fahrzeuge produziert, importiert und neu in Verkehr gesetzt werden, welche ohne fossile Treibstoffe betrieben werden. Also nur noch Elektroautos. Gemessen, ob fossil oder nicht, wird bekanntlich nur am Auspuff: Dass die elektrische Energie vermutlich auch dannzumal noch aus einem dreckigen Kohlekraftwerk kommt, ist einerlei. Die Schweiz, als Ministaat mitten in Europa, wird sich diesem Verbrennerverbot nicht entziehen können. Mit anderen Worten: Auch Waldmeyer wird dann kaum mehr ein Fahrzeug kaufen können, welches konventionell angetrieben wird.

Für Deutsche mag die Vorstellung von einer Blackbox im Auto nicht so schlimm sein. Sie haben sich bereits daran gewöhnt, dass ihnen der Staat jederzeit ins Bankkonto reinschauen kann. Der gläserne Bürger ist für sie bereits Realität und die ganz klare Durchsicht wird nur dadurch gebremst, dass das Land immer noch eine digitale Wüste ist.

In der Schweiz kennen wir diese inkriminierte Blockbox bereits: Freiwillig lassen wir sie teilweise von den Versicherungen in unserem Fahrzeug installieren, mit dem Zückerchen einer Prämienvergünstigung. Im Falle eines Unfalles weiss die Versicherung dann ganz genau, was im Auto stattgefunden hat: Geschwindigkeit, Beschleunigung, Lenkradeinschlag, Bremsbetätigung – alles.

Schon heute speichern viele Fahrzeughersteller viele Fahrdaten. In Deutschland kürzlich musste ein Tesla-Fahrer nach einem Unfall per Gerichtsbeschluss alle Fahrdaten outen. Tesla lieferte bereitwillig. Solche gespeicherte Informationen können für einen Fahrer selbstredend positiv oder negativ sein. Aber mit dem Kauf eines Fahrzeuges würde Waldmeyer immer auch sein Einverständnis für die Speicherung sämtlicher Daten geben – allenfalls auch für deren Verwendung.

Künftig jedoch würde die Auswertung einer Blackbox durch die Behörden also genau aufzeigen können, wo, wann und in welchem Fahrmodus man sich genau aufgehalten bzw. bewegt hat. Unser Banker Pierin Vincenz müsste also nicht einmal seine Kreditkartenabrechnung offenlegen, der Staat wüsste bereits zeitnah, vor welchem Nachtclub er parkiert hätte.

Natürlich müsste eine Blackbox künftig dazu nicht umständlich ausgebaut und untersucht werden – wie die Blackboxes nach einem Flugzeugabsturz. Denn alle Daten wären in Echtzeit bereits in einer Cloud gelandet. Waldmeyer stellte sich vor, dass er morgens um sieben Uhr einen Anruf erhielte: „Herr Waldmeyer, sie haben gestern in Zürich vor dem Tre Fratelli parkiert und die Parkzeit um mehr als zwei Stunden überzogen, nachher sind sie mit 43 anstatt mit 30 km/h durch die Stadt gerast, und an der Ecke Europabrücke/Winzerstrasse haben sie den Blinker nicht betätigt. Dürfen wir jetzt noch ihren Restalkohol überprüfen bitte? Ein Patrouillenfahrzeug ist zu Ihnen nach Meisterschwanden unterwegs.“

Noch ist nicht klar, wieviel Daten gesichert werden und wieviel davon die Behörden künftig auslesen dürfen. Es wird davon abhängen, in welchem Masse wir uns als Bürger dagegen sträuben werden. Der Staat müsste vielleicht etwas mehr in die Unfallstatistiken blicken, denn eigentlich müsste er nur genau dort eingreifen, wo die Bürger am meisten geschützt werden müssen. Dann würde er erkennen, dass ein Grossteil der Unfälle heute mit Bikes, E-Bikes und Motorrädern erfolgt. Waldmeyer nahm den Gesprächsfaden mit Charlotte wieder auf und schlug vor, dass zuerst einmal alle Lastenräder eine Blackbox erhalten sollten. Charlotte erwiderte nichts.

Dieses Eigenleben des ASTRAs ist schon merkwürdig, ja bedenklich. Der Trick mit den Überwachungsprojekten wurde noch zu Zeiten unserer Konzertpianistin (Simonetta Sommaruga) iniziiert. Aber vielleicht wusste sie gar nicht, was da hintenherum auf der Klaviatur gespielt wurde?

Waldmeyer kann nur hoffen, dass alle diese neuen Vorschriften nicht gleich zeitnah greifen. Aber Waldmeyer hofft vergeblich, denn ab Anfang 2024 wird Big Brother definitiv auf dem Beifahrersitz Platz nehmen. Denn ab diesem Zeitpunkt muss jedes neu immatrikulierte Fahrzeug über einen „Ereignisdatenspeicher“ verfügen. Zu Beginn, als raffinierter Trick eben, wird es sich um ein Aufzeichnungssystem handeln, welches nur alle Fahrzeugdaten kurz vor und nach einem Unfall speichert.  

Doch das scheint nur der Beginn der Überwachung zu sein. Denn dass die ganze künftige Verkehrsüberwachung durch den Bund nicht nur eine Vision ist, zeigt sich darin, dass bereits ein gigantisches Projekt für eine „Mobilitätsdateninfrastruktur“ angestossen wurde. Dafür will der Bund sogar eine eigene Bundesanstalt schaffen. Dutzende von Vollzeitstellen werden nun geschaffen, ein monströses IT-Millionenprojekt wird aufgegleist. Ob das wohl gut ausgehen wird…? Wir hatten ja schon einige Probleme mit unseren staatlichen IT-Ausflügen – meist endeten sie in einem teuren Fiasko. Ein solches Fiasko könnte vielleicht einen Hoffnungsschimmer darstellen, dass dieser toxische Kelch mit der Überwachung an uns vorübergeht?

Natürlich soll mit der Erfassung der Mobilitätsdaten der Verkehr später aktiv gesteuert werden. Spannend ist deshalb das übergeordnete Ziel dieses dunkelrot und dunkelgrün eingefärbten Projektes: Das Endziel soll sein, so wörtlich, „auf ein eigenes Fahrzeug zu verzichten“. Hallelujah, schöne neue Welt.

Waldmeyer wird sich künftig also den ihm zugewiesenen Parkplatz vom Netz holen, er wird für unterschiedliche Streckenabschnitte unterschiedlich zur Kasse gebeten, oder er wird seine Karre eben zuhause lassen, weil ihm kein Slot zugeordnet wird. So könnte, so um das Jahr 2036, nach dem Verbrenner-Aus, Waldmeyers Smart Watch (11. Generation), plötzlich melden: “Max, in 15 Minuten beginnt dein Slot WM836-5-YZ. Du darfst von 07:30 bis 08:15 dein Fahrzeug verwenden. Alternativ morgen 03:15 bis 04:00 mit Slot WM837-5-ZZ. Wähle 1 für Slot 1, wähle 2 für Slot 2.»

Aber vielleicht wird es zu all diesen garstigen Szenarien gar nie kommen? Vermutlich wird es nämlich gar nicht genügend Strom geben, um alle Fahrzeuge elektrisch zu bewegen. Und alle Heizungen, künftig auf Wärmepumpenbasis mit viel Input an elektrischer Energie. Strom aus Deutschland wird dann auch keiner mehr erhältlich sein, denn der Habeck braucht ihn selbst im Land. Wenn dann keine Sonne scheint, die Windräder nicht drehen – also eine „Dunkelflaute“ herrscht und die Energie nicht gespeichert werden kann, werden die Elektrofahrzeuge stillstehen und das mit der Blackbox wird sich erübrigt haben.

Waldmeyer fragte sich: Wieso gibt es keinen Aufschrei aufgrund all dieser offensichtlich geplanten staatlichen Überwachungspläne? Das ASTRA macht natürlich nicht viel Aufhebens um seine Schlachtpläne, möchte man doch nicht schlafende Hunde wecken. Deshalb auch diese heimtückische Einführung der Mobilitätsüberwachung, ganz gemein in eine einfache Verordnung eines Bundesamtes verpackt. Doch wieso haben die bürgerlichen Parteien das Thema noch nicht aufgegriffen? Sind sie wirklich so naiv und wollen das Thema etwa den Freiheitstrychlern überlassen? Diesmal geht es nämlich um echte Kontrolle durch den Staat!

Waldmeyer ist der dezidierten Meinung, dass er sich vom Staat weder ins Portemonnaie noch ins Schlafzimmer gucken lässt. Und vor allem: schon gar nicht ins Auto!

Waldmeyer beschloss, seinen Porsche Cayenne (schwarz, innen auch), nicht zu ersetzen. Auf ein neues Fahrzeug – mit einem troyanischen Pferd, geritten von staatlichen Überwachungsbehörden – wird er verzichten. Der Staat als Copilot…? Nein, danke. Er wird sein schon in die Jahre gekommenes Fahrzeug einfach behalten, for ever.