Waldmeyer, die junge Generation und die Wirtschaft

Die junge Generation, so Waldmeyer, scheint eine von Pessimismus durchtränkte Stimmung zu verbreiten, der Zukunftsglauben ist verloren gegangen. Krieg in Europa, Pandemien, Energieknappheit, Ressourcen weg, Klima kaputt, Welt kaputt. Waldmeyer ringt nach Erklärungen.

Charlotte hatte Waldmeyer verboten, den Satz „früher war alles besser“ weiter auszusprechen. Aber tatsächlich vermeinte Waldmeyer wahrzunehmen, dass die heutige Generation, auch Generation Z genannt, sich vor allem, wenn nicht im Konsum, denn in Problemen suhlt. Die Digitalisierung nimmt sie dabei gelassen hin, die damit einhergehende Überwachung und der Verlust an Privatsphäre ist ihnen ziemlich egal. 

Kein Wunder, meinte Waldmeyer, wird uns China so überholen! Asien so oder so. In China läuft zwar manchmal etwas aus dem Ruder, beispielsweise in Sachen Menschenrechte oder Demokratie. Aber die Menschen dort haben Drive (oder werden zum Drive angehalten), sie sind zukunftsgläubig und money-minded. Ob das so gut ist? Egal, die Wirtschaft wird dergestalt gepuscht. Viele machen die berühmte „extra mile“. Natürlich kommt man so weiter als Staat. Schon des öfter hatte Waldmeyer seinen Sohn Noa gewarnt, dass die Chinesen dereinst in unseren Villen hocken werden und wir (also auch Noa) diese putzen würden. 

Wenn man wirklich frei sein möchte, dann muss man denken – und nicht arbeiten. Die Idee geht auf Aristoteles zurück. Was die Protagonisten der jungen Generation allerdings gar nicht wissen, denn sie schöpfen ihr Bedürfnis aus dem Moment – welcher ihnen diese verzweifelte Suche nach der optimalen Work-Life-Balance diktiert.

Weniger arbeiten und dafür die Welt verändern, aber trotzdem tüchtig konsumieren, geht indessen nur, wenn entweder Old Money da ist oder zumindest laufend ausreichend Kohle reinkommt. Womit wir beim deutschen Philosophen Hegel sind, welcher, in der Waldmeyer’schen Verkürzung, die wahre Freiheit nur bei einem Stand von einem gewissen Reichtum sah. Aber in dieser Klarheit hat das die berühmte Generation Z (Jahrgang 1995 bis 2010) natürlich ebenso wenig auf dem Schirm. Sie ist einfach anders.

Sie lechzt nach ihrer eigenen Interpretation von Freiheit. Und der Nanny-Staat trägt das seine dazu bei, mit seinen sozialen Hängematten und Rundumversicherungen. Frankreich, beispielsweise, hat es diesbezüglich besonders weit gebracht, aber auch Deutschland. So kann man sich, in der Adoleszenz, aufs Wesentliche konzentrieren, so zum Beispiel Klimakleber werden. 

In der Schweiz führt Zürich den grossen Generationen-Wandel an. Der Kanton, aber insbesondere die Stadt, ist die Speerspitze des Pessimismus und der falschen Problembewältigung: Die rot-grüne Regierung kümmert sich um die Abschaffung des Individualverkehrs, mit dem Ziel, das Weltklima zu retten. Baucontainer sollen künftig begrünt werden, um die Biodiversität der Stadt zu verbessern. Nicht bewilligte Demos sind immer erlaubt. Der Stadtrat plant die 35-Stunden-Woche für seine hoffnungslos überforderten Beamten. Und für die ganze Bevölkerung, zumindest (gendergerecht formuliert) für die „menstruierende Bevölkerung“, so gewisse Vorstösse, soll es künftig Gratis-Tampons und -Binden geben. Kurzum: Die Gesellschaft scheint, im Bestreben, eine bessere Welt zu schaffen, im Mikro-Management zu degenerieren.

Plötzlich schrammte auch Waldmeyer knapp an einem depressiven Moment vorbei. Bahnt sich da also der Niedergang der westlichen Gesellschaft an? Oder besser: Wo befinden wir uns auf diesem heiklen Pfad des Verfalls? In Italien beispielsweise ist dieser Abstieg schon sehr augenfällig. Im klassischen Theater findet der Höhepunkt bekanntlich am Ende des dritten Aktes statt, Italien befindet sich indessen mit Sicherheit schon im vierten Akt. Die Staatsgläubigkeit ging verloren, es herrscht eine Selbstbedienungsmentalität der Staatsdiener, die jungen Leute verlassen das Land, die Italiener sind lendenlahm geworden und zeugen keine Kinder mehr, und das schöne Land ist eigentlich schlichtweg unregierbar geworden. 

So viel zu den „westlichen Werten“, die in Europa zurzeit sehr oft angeführt werden, beispielsweise, wenn es darum geht, unseren kleinen Kontinent vom Rest der Welt abzugrenzen.

Lara, Waldmeyers Tochter, studiert Kunst in Basel. „Wann ist Lara endlich fertig mit dem Studium, Charlotte?“, fragte Waldmeyer. „Sie bleibt einfach dran, Schatz, mach dir keine Sorgen“, antwortete Charlotte. Waldmeyer antwortete nicht, denn er wusste, dass Charlotte noch hundert Gründe finden würde, warum Lara noch mehrere Semester anhängen müsste. Das waren ganz normale Schutzinstinkte einer Mutter, welche ihre Tochter verteidigt. 

Sohn Noa (welcher künftig vielleicht diese chinesischen Villen putzen muss) studiert immer noch Betriebswirtschaft. Sein Ziel ist es, einmal so richtig Geld zu verdienen – allerdings, und das zeichnet sich heute schon ab, möglichst ohne zu liefern. Das hatte sich schon früher gezeigt, als Noa während der Pandemie in die Homeoffice-RS einrücken sollte. Und er – Waldmeyer – an seiner Stelle einrückte.

„Ja, diese Schneeflocken-Generation“, seufzte Waldmeyer. „Die Jungen sind nicht mehr belastbar“, meldete er zu Charlotte rüber. Waldmeyer erinnerte sich an seine eigene Jugend: Auch da nahm man Weltprobleme wahr. Man sprach von Ressourcenknappheit, man lauschte den Ideen des Clubs of Rome. Oder man stellte Berechnungen an, ob Russlands Volkswirtschaft die USA überrunden könnte. War die kommunistische Planwirtschaft etwa gar nicht so falsch? Zumindest während gewissen Perioden lagen die jährlichen Zuwachsraten der Sowjetunion über denjenigen der USA; daraus resultierte eben diese Hochrechnung, wann denn die Russen die Amis überholen könnten. Im gleichen Zeitraum, damals, hängte das Damoklesschwert eines Atomkrieges über der Zukunft der Gesellschaft. 

Ein Teil der jungen Gesellschaft ab 1968 probierte es mit Make Love, not War und Drogen. Der andere Teil der jungen Gesellschaft indessen plante seine Karriere. Von Pessimismus keine Spur, bei beiden Teilen. Der erste Teil wechselte dann alsbald ins zweite Lager, und alles ging munter weiter aufwärts. 

Und heute eben diese Schneeflocken-Generation. Ein Jammer. „Quiet quitting“, nur noch Dienst nach Vorschrift. Zum Glück sind Waldmeyers Kinder da ganz anders. Wenn auch, bedauerlicherweise, nicht so wie er früher.

Waldmeyer fasste zusammen: Die westliche Welt befindet sich definitiv im Niedergang. Beschleunigt wird diese Degeneration durch eine Jugend, die keine Leistung mehr erbringen möchte. Sie erwartet indessen ein Maximum vom Staat.

Er stellte indessen ebenso fest: Wenn er seine Restlebenszeit klug plant und nicht zu alt wird, könnte er um die negativen Auswirkungen der Pessimismus-Generation vielleicht noch rumkommen. Zumindest seine Generation! 

Waldmeyer wird also weiter seinen Weinkeller pflegen, sich auf den Urlaub in der Toscana freuen (Italien ist nämlich gar nicht so schlecht!), seinen Tisch morgen Abend bei Luigi buchen und seinen Porsche Cayenne (schwarz, innen auch) bewegen. Er wird auch in den kommenden Jahren brav seine Steuern bezahlen, damit dieses falsche Mikro-Management der Gesellschaft, die diese Endzeitstimmung verbreitet, noch ein bisschen weiter gepflegt werden kann. Gleichzeitig wird er das Weltgeschehen auch in Zukunft aufmerksam beobachten – allerdings ohne Pessimismus. Als Voyeur quasi.

„Früher war alles besser“, meinte Waldmeyer jetzt doch noch zu Charlotte rüber und nippte an einem Glas Terre Brune. Charlotte antwortete nicht. Aber etwas später dann doch: „Lara wird übrigens die Studienrichtung wechseln. Ethnologie.“

Waldmeyer verschluckte sich kurz. „Womit habe ich das verdient …?“

Waldmeyer und die Shitcoins

Bereits früher hatte Max Waldmeyer überlegt, ob er nicht seine eigene digitale Währung schaffen sollte. Allerdings sind noch einige Fragen offen. Waldmeyer versucht, erst mal eine Auslegeordnung zu erstellen.

Charlotte war letztes Jahr schon ein bisschen beeindruckt, als Max die Rechnung im Tre Fratelli mit „Waldmeyer“ bezahlte – seiner eigenen Währung. Luigi kritzelte dafür lediglich etwas auf einen kleinen Zettel. Nun, das war natürlich erst der Beginn der Idee einer digitalen Währung; Luigi hätte den Betrag auch in sein altes Nokia eingeben können, dann wäre der „Waldmeyer“ wohl etwas digitaler hinterlegt worden.

Das Lustige an den digitalen Währungen (oder Kryptowährungen) ist, dass sie eigentlich jeder produzieren kann.Nebst ein bisschen Informatik brauchte es dazu offenbar nur ein gesundes Mass an Unverfrorenheit und genügend Überzeugungskraft. Die digitale Währung muss auch nicht mit irgendeiner Reservewährung hinterlegt oder abgesichert werden – man schafft sie einfach. Aus dem Nichts.

Befeuert wird dieser Hype durch die starken Kryptowährungen, die zum Teil durch die Decke gingen. Wie Bitcoin, Tether oder Ethereum. Im Umfeld Waldmeyers gab es plötzlich Leute, die damit unanständig viel Geld verdienten. Ungefähr die gleichen Leute verloren allerdings später ebenso viel Geld damit. Zur Erinnerung: Bitcoin startete einmal bei fast null, stieg dann 2021 bis auf über 60’000 USD, fiel dann 2022 wieder dramatisch, rappelte sich nun wieder etwas auf und dümpelt nun bei gut 20’000 dahin. Je nach Expertenmeinung wird es wieder steil nach oben gehen – oder auf null runter. „Da kannst du ja gleich ins Casino nach Baden gehen“, meinte Charlotte. Stimmt. Aber trotzdem, das Thema sollte einmal richtig zerlegt werden.

Nun also zu Waldmeyers Auslegeordnung, die die Zukunft dieser Währungen doch etwas in Frage stellt:

  • Kryptowährungen werden zu einem hohen Prozentsatz für kriminelle Zwecke verwendet. Sie weisen damit alle einen Seriositäts-Malus auf.
  • Deren „Geldmenge“ kann jederzeit manipuliert werden. Wird zu viel produziert, sinkt der Wert. Eine Kontrolle diesbezüglich besteht nicht.
  • Digitale Währungen basieren in der Regel auf nichts. Auf keinem Eigenkapital, keiner Reservewährung, keinem Währungskorb, keinem Rohstoffbasket, auch nicht auf Gold.
  • Die Entwicklung der digitalen Währungen gefällt den Notenbanken nicht, denn die systemischen Risiken sind augenfällig. Notenbanken könnten künftig Verbote in die Wege leiten. Nur schon, um alternativ eigene, digitale Währungen zu lancieren. China wartet nur darauf – in der Hoffnung, den US-Dollar als Leitwährung einmal ablösen zu können.
  • Die Volatilität der digitalen Währungen ist sehr hoch. Deren Werte befinden sich seit Jahren auf einer Achterbahn. Starke Währungen sind indessen stabil. So musste auch Elon Musk das Projekt aufgeben, seine Elektroschlitten mit Bitcoins kaufen zu lassen. Auch die Globus Delicatessa, so Waldmeyers Überlegung, würde sich davor hüten, sein Tunatatar mit Bitcoins bezahlen zu lassen. Zu unsicher.
  • Jede fünfte digitale Währung streckte bereits die Waffen. Die Wahrscheinlichkeit von Totalverlusten ist nicht unerheblich.
  • Es besteht einfach zu wenig Vertrauen in die Währungen. Selbst bei Bitcoin weiss man nicht, wer tatsächlich dahintersteckt. Während Waldmeyers Konto bei der ZKB (früher bei CS) dauernd durchleuchtet wird, hat man keine Ahnung, wer bei Bitcoin das Sagen hat. Ob man etwa mal irgendwo irgendjemanden anrufen könnte?

Es wird kolportiert, dass zwei clevere Österreicher hinter Bitcoin stecken. Sie klopfen sich wohl täglich auf die Schenkel. 

  • Falls es sich um „echte“ Kryptowährungen handelt, mit end-to-end Verschlüsselung und auf der Blockchain-Technologie basierend, verbrauchen deren Transaktionssysteme heute bereits so viel Elektrizität wie ganz Spanien. Eine weltweite Ausweitung dieser Währungen (zur Kompensation bisheriger Währungen) wird damit zum Scheitern verurteilt sein.

Und nun das Fazit Waldmeyers: Eigentlich handelt es sich bei den Digitalwährungen um „Shitcoins“.

Zusammenfassend: Die Kryptowährungen – oder die digitalen Währungen generell – sind ihm nicht geheuer. Und sicher sind sie so oder so auch nicht.

Aber trotzdem, eine eigene digitale Währung zu lancieren, ist etwas anderes, das hat durchaus seinen Reiz. Denn dann sind die Risiken ausgelagert. Also was soll das Lamentieren über digitale Währungen, wenn man – proaktiv – selbst eine schaffen und von der Gier oder der etwas vernebelten Zukunftsvision Dritter profitieren könnte!

Waldmeyer beschloss, das Projekt nun nicht nur auf dem Stand einer lustigen Idee zu belassen, sondern tatsächlich eine eigene digitale Währung zu lancieren. Kein Shitcoin, sondern etwas Beständiges: Den „Waldmeyer“.

Zu Beginn sollte ein „Waldmeyer“ einem Franken entsprechen. Nachher würde er natürlich viel teurer werden. Und einen „Waldmeyer“ würde er in Hundert „Rohnerli“ unterteilen. Ein „Rohnerli“ ist also nicht viel wert. Dies quasi als Hommage an den früheren CS-Präsidenten, welcher in seinem Unvermögen und seiner Ignoranz den Wert der CS-Aktie über Jahre quasi vernichtet hatte.

„Und wer soll denn „Waldmeyer“ kaufen?“, fragte Charlotte. 

„Nun, jeder, der rasch viel Geld verdienen möchte“, antwortete Waldmeyer. „Zum Beispiel ganz normale Leute, die eben auch ins Casino in Baden gehen. Es sind wohl einfach Spieler.“

„Oder komische Leute, die CS-Aktien gekauft hatten“, warf Charlotte ein. Etwas betreten senkte Waldmeyer den Blick und antwortete nicht.

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