Max Waldmeyer und die schlechtesten Küchen der Welt

Daniel Füglister interviewt Waldmeyer 

Daniel Füglister, Chef von Hotelfactory AG, hatte Waldmeyer schon früher in Sachen weltbester Gastronomie interviewt. Waldmeyers Statements kamen indessen nicht überall gut an. Jetzt wird es aber noch brenzliger: Es geht um die schlechtesten Küchen der Welt. Eine eher unappetitliche Geschichte …

Daniel Füglister (DF)Max, das letzte Interview bescherte uns ein paar böse Kommentare. Du hattest behauptet, dass – historisch gesehen – die Briten eine gastronomische Blutspur hinter sich herzogen. Und du lobtest, zumindest aus gastronomischer Sicht, die französische Kolonialisierung. Ausserdem hattest du bedauert, dass die Italiener die Welt nicht konsequenter eroberten. Das war doch ziemlich provokativ, nicht?

Max Waldmeyer (WM): Nun, so ist es nun mal. The British may not be amused. Tatsächlich gibt es nicht viele gute Küchen auf der Welt. Und leider geht die Misere weiter. Ich denke da vor allem an Fast Food. Schön, dass wir heute darüber sprechen können. Die vergangenen Festtage konnten uns zumindest daran erinnern, dass in der Nahrungsaufnahme auch viel Würde stecken darf.

DF: Stimmt, der Zeitpunkt, über Nahrung zu sprechen, ist sicher nicht falsch, nach den vielen Fressereien. Also kommen wir zur Sache: Du hattest schon mal behauptet, dass die USA eine kollektive Schuld an der weltweiten Verbreitung des Fast Food tragen.

WM: Richtig. Es ist einerseits ein BMI-Problem. Schau dir die 300kg-Menschen in den USA oder Australien an. Andererseits ist es auch eine Stilfrage. Wer Fast Food isst, hat die Kontrolle über sein Leben verloren!

DF: Karl Lagerfeld sagte dies einmal über die Träger von Jogginghosen. 

WM: Richtig, aber stell dir vor, die beiden Sünden würden sich noch kombinieren. Gerade das geschieht jedoch in den USA. Ein Gräuel.

DF: Kontinental gesehen könnten wir die Qualität der Küchen eigentlich in mediterran und nicht mediterran unterteilen – einverstanden?

WM: Ein guter Ansatz. Die mediterrane Küche ist sicher unschlagbar. Aber leider gibt es da Ausreisser. In Nordafrika beispielsweise, im ganzen Maghreb-Gürtel, ist ausser Couscous nicht viel los – trotz viel «mediterran». Dann, noch viel schlimmer: Im Osten des Mittelmeers sieht es mehr als bescheiden aus. Die albanische Küche ist trotz fast 400 km Riviera an der Adria nur schwer geniessbar. In Syrien (Anm. der Red: 200 km Mittelmeerküste) essen die Syrer den Hummus sogar aus der Dose. Aber das ist vielleicht immer noch besser als die Ernährung in Osteuropa und in weiten Teilen Russlands.

DF: Also: Wo befinden sich nun die schlechtesten Küchen der Welt …?

WM: Ich denke, die USA – und ursprünglich eben die Briten – tragen, verbreitungsmässig, die grösste Schuld an der Diffusion von schlechtem Essen. Die zusehende Verfettung der Welt geht auf ihre Kappe. Also kriegen sie den ersten Platz in der Verbreitung von schlechter Gastronomie. Als einzelne Küche gesehen sticht Grossbritannien tatsächlich hervor: Das Land hat seinen gastronomischen Kompass komplett verloren.

Schlimmer mag es vielleicht noch in Polen sein – das Land verteidigt sicher einen der ersten negativen Plätze. Die Küche ist fettig, ungewürzt, und obendrein optisch nicht sehr ansprechend. Für einen Polenaufenthalt empfehle ich dir, ein paar gute Lunchpakete mitzunehmen!

DF: Du sagst immer, der Stellenwert der Küche in einer Gesellschaft basiere eben auf kulturhistorischen Werten. Wie meinst du das?

WM: Der Wiedehopf wurde soeben zum Vogel des Jahres 2022 ernannt. Und die kubanische Weichteilschnecke ist nun Weichteil-Tier des Jahres 2022 geworden.

DF: Bitte? Max, wir sind immer noch mitten im Interview.

WM: Ich will damit nur sagen, dass es eben Gesellschaften und Individuen gibt, die sich für ganz andere Dinge als Gastronomie interessieren. So in Polen beispielsweise. 

Generell sind die früheren Ostblockstaaten leider kulinarische Wüsten. Das F&B-Desaster beginnt gerade auf der Höhe von Polen und der Slowakei, zieht sich über alle weiteren nordöstlichen Länder und nach Russland, bis hart an die chinesische Grenze. Ein Rätsel, wie sich der Zar einst ernähren konnte. Der immense Absatz von Louis Roederer zu jener Zeit kam nicht von ungefähr – der Zar hielt sich wohl einfach lieber an Flüssiges.

DF: Wie sieht es denn im Rest der Welt aus?

WM: In Südamerika isst man ja ganz leidlich. In Uruguay z.B. sogar sehr gut – in Montevideo konnte ich kürzlich hervorragende Menus degustieren! Negativ ragt auf diesem Kontinent Surinam heraus (Anm. der Red.: liegt an der Nordküste Südamerikas, viermal so gross wie die Schweiz, gut eine halbe Million Einwohner). Ich denke, das Land buhlt zusammen mit Polen um den ersten Platz mit der weltweit schlechtesten Gastronomie. Berichten zufolge ist dort ziemlich alles nicht für den Verzehr durch einen westlichen Bürger vorgesehen. Es muss erschreckend sein. Aber das mag natürlich wieder historische Gründe haben.

DF: Ja welche denn??

WM: Surinam war eine holländische Kolonie. Keine sehr kompetente Küchenbasis. Die Holländer hatten wir vorhin nämlich vergessen bei der europäischen Wertung. Ihre Küche ist tatsächlich äusserst medioker. Ich hatte schon ein paar Mal das zweifelhafte Vergnügen, in einem holländischen Restaurant zu essen. Die frittieren fast alles. Heute möchte ich, wenn möglich, nie mehr holländisch essen. In Amsterdam gibt es übrigens ein paar gute Italiener.

DF: Die Spanier frittieren auch alles, obwohl sie mediterran sind!

WM: Richtig. Historisch gesehen verpassten sie eine riesige Chance: Sie hatten den Inkas damals das Silber geklaut, nicht aber die Rezepte.

DF: Wir sollten auch mal über die arabische Küche sprechen!

WM: Gewisse Küche sind nur Fiktionen – es gibt sie gar nicht. So die „arabische“ Küche. Vor gut 50 Jahren sassen die Wüstensöhne noch auf Kamelen und kauten Datteln. Im besten Fall knabberten sie an einem dünnen Fladenbrot. Erst die Franzosen führten anständiges Essen ein, so im Libanon. Von da aus ergab sich dann ein einigermassen akzeptabler Nahrungsmix in der Region.

Im Küchen-Ranking rücken die Araber so oder so runter, weil sie ein Ramadan-Problem haben. Und in vielen Ländern ist zudem Alkohol verboten, und sie muten einem zu, Tee oder Fruchtsaft zum Essen zu trinken. Das gibt Abzug.

DF: Und wie siehst du Asien? 

WM: Da kann ich Entwarnung geben. Fast nirgends wird richtig schlecht gegessen! Eigentlich isst man überall sehr gut. Hervorheben möchte ich die vietnamesische Küche, natürlich auch die thailändische oder die japanische – aber das kennst du ja alles auch. Sogar die chinesische Küche (insbesondere die Szechuan-Gastronomie) ist doch vielen Küchen in Europa überlegen. Die Chinesen essen zwar auch Hunde und anderes Getier – oder komische Teile davon. Aber da muss man ja nicht mitmachen.

DF: Und wie sieht es in Afrika aus?

WM: Ja, da gibt es eine grosse Bandbreite. Von Top-Küchen in Südafrika oder Mauritius bis zu No-Gos in Tschad oder Mauretanien. Aber dort gehen wir ja wohl kaum freiwillig hin. 

DF: Hier ein paar Stichworte: Was fällt dir ein dazu? Beispielsweise zu „Borschtsch“.

WM: Hmm. Also diplomatisch ausgedrückt: sehr speziell. In dieser Suppe schwimmt in relativ willkürlicher Auswahl so ziemlich alles: Gemüse, so z.B. Rote Beete, dann Fisch, auch Fleisch. In der Regel ungewürzt. Die oben aufschwimmenden Fettaugen stören die Liebhaber dieser Speise offenbar nicht. Diese «Spezialität» ist weit verbreitet in vielen Oststaaten, bis weit nach Russland hinein. Merkwürdigerweise streiten sich sogar verschiedene Länder um deren Ursprung. Als Weissrusse beispielsweise würde ich jedoch eisern abstreiten, dass dieses Gericht aus meinem Land kommt. Solltest du einmal mit einer Menuwahl in einem dieser Länder konfrontiert sein, so würde ich dezidiert davon abraten, Borschtsch auch nur zu probieren.

DF: Und Donuts?

WM: Die öligen Kekse? Also bitte, das geht gar nicht mehr unter Küche oder Gastronomie. Es mag aus amerikanischer Sicht eine kulturelle Errungenschaft sein. Aber aus meiner gefühlt objektiven Sicht ist es eben eine sehr ungesunde, geschmacklose und absolut zu meidende Sache. Meines Erachtens sollte es gar nicht als Nahrung klassifiziert werden.

DF: Und Curry Wurst?

WM: Eine Institution! Vielleicht sogar ein kleines Kulturgut. Aber nur aus lokaler Sicht. Ein mediterraner Mensch würde sagen: In der Not frisst der Teufel Fliegen. Allerdings, wenn ich in Deutschland bin, gönne ich mir so ein Ding auch manchmal. Es gibt eben oft gar keine Alternative. Etwas erschwerend kommt hinzu, dass man in dem Land keinen anständigen Wein findet.

DF: Du gibst mir das Stichwort, Max: Im nächsten Interview werden wir die Weinländer besprechen.

WM: Prima, das wird lustig. Da gibt es ein paar untrinkbare Pfützen, über die wir uns dringend unterhalten müssen!

DF: Danke für das Interview, Max. Ist es ok, wenn wir heute jetzt nicht zum Essen gehen …?

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