Oder: Wie absurd eine Weltausstellung ist
Expo-Ausflug in Dubai, Tag zwei: Waldmeyer knöpfte sich die Pavillons eher weniger bekannter, unbedeutender oder rückständiger Länder vor. Dabei sollten, so der Plan, auch ein paar „Shithole-Countries“ besucht werden. Es sollte ein eindrücklicher Tag werden.
Weltausstellungen sind nicht nur Prestige-Veranstaltungen, sie haben auch edukativen Charakter. So war es zumindest früher. Damals galt es, die weite Welt in den Vorgarten des Bürgers zu bringen. Expos waren zu jener Zeit eigentlich Vorreiter des Internets – nur wusste es niemand. So konnte z.B. eine schwarze Eingeborenenfrau ausgestellt werden: Das war etwas, das die Leute zuvor noch nie gesehen hatten.
Heute ist eine Weltausstellung eher ein Anachronismus. Was soll man denn noch zeigen, wenn schon alles auf dem Web ist? Trotzdem profilieren sich Staaten immer wieder mit solchen Prestigeübungen. Sie kosten Unsummen, sind alles andere als rentabel und hinterlassen in der Regel nur Narben in Gelände und Infrastruktur. Selbst für ein hoch entwickeltes Land ist es schwierig, so stellte Waldmeyer bereits bei seinem Vortagesbesuch auf dem Ausstellungsgelände fest, sich spannend darzustellen.
Eindrücklicher, am zweiten Tag nun, erschienen Waldmeyer die eher skurrilen Ausstellungen meist kleiner, bildungsferner oder etwas rückständiger Länder. Die Pavillons hatten eines gemeinsam: Sie hatten überhaupt nichts mit dem Expo-Thema zu tun, an dem es im weitesten Sinne um „Sustainability“ gehen sollte. Wer sich nach Details sehnt, hier ein paar herausgegriffene Beobachtungen Waldmeyers, in alphabethischer Reihenfolge:
Afghanistan: Hier gibt es Teppiche zu kaufen und Pelzmäntel.
Albanien: Nach der Betrachtung des Videos wissen wir, dass es nichts Sehenswertes gibt in dem Land.
Belarus: Auch in diesem fünfstöckigen, riesigen Pavillon gibt es nichts ausser lauter nichts. Ein kleines Modell einer Zugkombination von Stadler Rail trägt auch nicht zum Staunen bei. Herr Stadler wird sich zurzeit eh die Haare raufen.
Bulgarien: Jetzt weiss man definitiv, warum man dieses Land nie besuchen möchte. Ausser man interessiert sich für Trachten.
Kuba: Der Pavillon wird von einer Australierin und einer Finnin geführt, an der improvisierten Bar gibt’s allerdings nichts zu trinken. Hemingway würde sich im Grabe umdrehen.
Bosnien-Herzegowina: Man sieht Fotos mit vielen grünen Wäldern. Und auch hier: Trachten.
Gambia: In einer nackten Halle werden ein paar Photos von Löwen gezeigt.
Guyana: Seit der Hintergrund-Zeit des Romans „Papillon“ hat sich offenbar nicht viel verändert in der Region.
Iran: Ein weiterer Teppichladen.
Irak: Das kaputte Land zeigt lediglich ein paar Bilder mit ziemlich hässlicher „moderner“ Kunst.
Kasachstan: Im Erdgeschoss wird eine Steppe gezeigt, weiter oben spielt eine hübsche kasachische Turnerin mit einem Roboter. Und man kann Pferdefleisch essen.
Kosovo: Bei den dürren Informationen auf einzelnen Fotos und in Videos fühlt man sich in die 80er Jahre zurückkatapultiert.
Libyen: Die Warlords haben ein paar unverfängliche Schaubilder von Landschaften platziert.
Mali: Eines der ärmsten Länder der Welt, deshalb gibt‘s dort auch nichts zu sehen.
Marokko: Hier gibt es einen Shop mit allerlei Souvenirs, und man kann Couscous essen.
Rumänien: Der Pavillon besteht im Innern nur aus einem Mega-Screen, auf dem ein Filmchen ein unbekanntes Skigebiet präsentiert. Man steht so nahe an der Leinwand, dass einem sofort übel wird.
Serbien: Hier gibt es eine rätselhafte Ausstellung mit bestickten Kissen.
Somalia: Hier kann man lustige Teeshirts mit Somalia-Flagge kaufen.
Palästina: 360-Grad-Bilder einer schmutzigen Stadt. Da wollen wir auch nicht hin.
Pakistan: Waldmeyer war auf das Schlimmste gefasst. Aber hier die Überraschung: einer der besten Pavillons der ganzen Ausstellung, farbenfroh, gute Qualität, atemberaubende Bilder. Waldmeyer hegt trotzdem keine Urlaubspläne.
San Marino: Der Zwergstaat zeigt u.a. alte Münzen. Waldmeyer ist kein Numismatiker, also ein Zehn-Sekunden-Besuch.
Sudan und Südsudan: Ein paar verlorene Schautafeln, zwei weitere Zehn-Sekunden-Besuche. Nun, was sollen die Kerle schon zeigen?! Sand? Hunger? Etwas Erdöl?
Syrien: Präsident Assad zeigt ein paar unverfängliche Schnitzereien und merkwürdige Tafeln aus Holz.
Ukraine: Im Erdgeschoss kann man Getreide anschauen. Es scheint sich um echte Ähren von den weiten Äckern des Landes zu handeln. (Fatal, dass jetzt russische Panzer durch diese Äcker pflügen.)
Jemen: Wieder verlorene Schautafeln. Ein Rätsel, warum alle diese Staaten mitmachen, nur um nichts zu präsentieren.
Das Rätsel des nicht-präsenten Staates Liechtenstein konnte Waldmeyer übrigens bis zum Schluss nicht lösen. Vielleicht war der Fürst des Ländles – nebst seinem nordkoreanischen Kollegen Kim Jong-un – ganz einfach der einzige Staatsführer, welcher mit einer Nicht-Teilnahme an der Expo staatsmännisch und richtig entschieden hatte?
Die Expo 2025 soll in Moskau stattfinden. Waldmeyer weiss schon heute: Erstens wird sie nicht stattfinden, und zweitens wäre er auch nicht hingegangen. Er fragte sich, ob der liechtensteinische Fürst wohl überlegt hatte, dass man sein Land einfach googeln könnte. Also googelte Waldmeyer kurz Liechtenstein: ganz sauber und putzig, dieses Zwergenland! Waldmeyer beschloss, 2025 ein nachhaltiges Wochenende im Fürstentum zu verbringen. Einfach so.