Waldmeyer an der Expo in Dubai (Teil 1)

Oder: Warum Weltausstellungen heute ein Witz sind

Waldmeyers Besuch an der Expo in Dubai wurde zu einem bizarren Eintauchen in ein an Komik grenzendes Länder-Marketing. Die schlechte Nachricht vorab: Die meisten Länder-Pavillons sind grottenschlecht. Die gute Nachricht: Sie sind so grottenschlecht, dass der Besuch zu einer äusserst amüsanten Tour de Monde wird! Den Schweizer Pavillon sparte sich Waldmeyer bis zum Schluss auf.

Waldmeyer studierte die letzten Expo-Themen: In Südkorea 2012 ging es um das wenig atemberaubende Thema „lebendiger Ozean“. In Mailand 2015 ums Essen – immerhin, das passte ganz gut. 2017 dann Kasachstan (wir erinnern uns leider nicht mehr).

An der Weltausstellung 2021/2022 in Dubai geht es, wenn man den langfädigen Slogan radikal vereinfacht, um „Sustainability“, also um Nachhaltigkeit. Nur schon das Thema erscheint etwas fragwürdig, denn das Wüstenemirat mag heute zwar durchaus modern aufgestellt sein, dessen ökologischer Fussabdruck indessen ist spitze – allerdings im negativen Sinne.

Weltausstellungen gibt es seit 170 Jahren; London eröffnete den Reigen dieser globalen Shows im Jahr 1851. Seinerzeit ging es darum, „moderne“ Errungenschaften eines Landes zu zeigen. In Erinnerung geblieben ist deshalb auch Paris, wo der Eiffelturm 1889 Zeugnis für die brillante französische Ingenieurskunst ablegen sollte. Leider ging dabei unter, dass der Chefingenieur nicht Monsieur Eiffel, sondern der Schweizer Maurice Koechlin war. 

Doch zurück nach Dubai: Einen brauchbaren interaktiven Übersichtsplan des riesigen Geländes gab es nicht. Waldmeyer, armeegeprüft und auch sonst mit helvetischer Bodenhaftung, studierte deshalb minuziös den Falt-Plan des Expogeländes: 192 Staaten stellen aus. Die UNO zählt weltweit 195 Staaten, inklusive Vatikan und Palästina. Nicht in der UNO-Liste sind Hongkong und Macao (da heute Kolonien Chinas), und Taiwan durfte offenbar nicht ausstellen. Waldmeyer entdeckte weiter: Es fehlt Ecuador (das Land hatte seinen Pavillon schlichtweg nicht fertiggekriegt). Vorsätzlich nicht vertreten an der Expo waren offenbar nur Nordkorea und Liechtenstein. Ja, Liechtenstein – ein Rätsel.

Umso erfreulicher deshalb, dass sogar Somalia, Mali oder Afghanistan Pavillons betrieben. Oder selbst Zwergstaaten wie San Marino, oder Mini-Inselstaaten in der Karibik oder im Pazifik, so St. Kitts and Navis, die Salomonen-Inseln, Kiribati oder Tonga. Aber: Warum nur, um Himmels Willen, stellen die aus…? Und Liechtenstein andererseits nicht…?

Waldmeyer fasste einen Plan: Am ersten Tag wollte er vorab nur „normale“ Staaten besuchen. Und erst am Schluss des Tages, so das Konzept, wollten er und seine Frau Charlotte dann bei der Schweiz vorbeischauen – als krönender Abschluss des Ausflugs quasi. Am zweiten Tag wollte er sich dann die etwas weniger bekannten Staaten vorknöpfen. Auch ein paar richtige „Shithole Countries“ sollten dann dabei sein.

Waldmeyer Family parkte also ihr nicht gerade „sustainable“ SUV auf dem Sustainable Parking (so ausgeschildert), das so gross ist wie das Appenzellerland, und schwang sich dort auf den mit schmutzigem Diesel betriebenen „Sustainable Shuttle“, welcher sie bis zum „Sustainable Entry Portal“ führte.

Die paar Solarzellen, die da und dort an einzelnen Ausstellungspavillons angebracht worden waren und die vereinzelten „nachhaltigen“ Themenübernahmen trösteten marginal darüber hinweg, dass die ganze Übungsanlage selbstredend nicht sehr sustainable ist. Auch wenn störrisch behauptet wird, dass die traurigen Infrastrukturüberbleibsel der gigantischen Anlage nach der Expo in ein neues sustainable Hightech-Quartier überführt werden sollen.

Dennoch: Der Besuch lohnte sich allemal! In der Tat gibt es allerlei Belustigendes zu betrachten. Für Interessierte hier ein Auszug aus Waldmeyers Beobachtungen, vorab aus der Liste mit mehr oder weniger „normalen“ Ländern:

Deutschland: Hier kann Bier getrunken werden. Das eher wenig elektrisierende Thema „Wissen, Forschen und Begegnung“ gerät dabei leicht in den Hintergrund. Unser Nachbarland hat es immerhin geschafft, auf ihrem „Campus“ das Expo-Thema zu streifen.

Frankreich: Historische Bücher, eine Frau lädt einen elektrischen Renault auf, es gibt Lacoste-Polos zu kaufen, ein Pain au Chocolat gibt‘s für vier Franken.

Italien: Von einem riesigen nackten David wird nur der Oberkörper gezeigt. Ob sein mageres Gemächt bei den Macho-Arabern Bedauern hervorgerufen hätte? Auf jeden Fall gibt es einen ganz guten Espresso an diesem Stand.

Holland: Im Untergrund des Pavillons wird etwas künstlicher Regen erzeugt. Die Vermittlung des Themas bleibt geheimnisvoll.

Spanien: Es geht um die ehemalige Grösse des spanischen Reiches, die Conquistadores, etc. Es kommt einem spanisch vor.

UK: Ziemlich verwirrend, denn die Halle ist komplett leer. Man darf ein frei gewähltes Wort digital abgeben, welches dann später, irgendwann nach der Expo, mittels Künstlicher Intelligenz zu einem Gedicht zusammengefügt wird. Pretty strange…

Slowakei: Der beste Pavillon der ganzen Expo, findet Waldmeyer. Denn es gibt allerlei Interessantes aus der Autoindustrie zu sehen und die mit Abstand hübschesten Hostessen. In der Warhol-Bar auf dem Rooftop gibt es eine robuste Auswahl an Drinks.

USA: Ganz praktisch, man wird auf Gepäckbändern durch die Ausstellung befördert – man geht keinen Schritt zu Fuss!

Russland: Der Pavillon prangt perverserweise in der Nähe der Ukraine, und die digitale Präsentation fabuliert von „connecting people“. No comment.

Japan: Die anspruchsvolle Stahlkonstruktion des Pavillons ist leider made in Germany, drinnen wird Papier gefaltet („Origami“).

Korea: In der riesigen leeren Halle gibt es nur Dutzende von QR-Codes (mit wenig spannenden Informationen).

VAE: Der vermutlich grösste Pavillon des Gastgeberlandes scheint nur etwas für Kinder zu sein. Zumindest wurde die Kommunikation (mit vielen Cartoons) so ausgerichtet.

Baden-Württemberg: Ja, merkwürdig, das Bundesland wird hier offenbar als Staat gehandelt. Es werden moderne Trachten und Holz gezeigt, die Biergarten-Terrasse wird gut besucht.

Waldmeyer hatte sich, wie schon gemeldet, den Schweizer Pavillon bis zum Schluss seiner Exkursion aufgespart. Der glänzende, 16.5 Millionen teure Kubus besteht eigentlich nur aus einem Fussweg im Inneren, der in künstlich erzeugtem Nebel in die Höhe führt. Am Ende der Nebel-Show locken ein paar QR-Codes, mit welchen man extrem spannende Informationen der Firma Schindler herunterladen kann. Und dann, plötzlich, blitzt dem Besucher ein riesiges Plakat von Novartis entgegen. Ja, das ist die Schweiz, dachte sich Waldmeyer. Wir sind Novartis! Ob das wohl intelligentes Zielgruppen-Marketing für die Millionen-Besucher ist? Werden diese ab jetzt nur noch Novartis-Produkte konsumieren? Etwas betreten wandte sich Waldmeyer an Charlotte: „Kennst du ein Novartis-Produkt?“. Charlotte antwortete nur: „Komm, wir gehen jetzt zum Thailänder, da gibt es sicher etwas Anständiges zum Essen!“

(Anm. der Red.: Im nächsten Beitrag in einer Woche wird Waldmeyer über die skurrilen Präsentationen eher rückständiger Staaten berichten.)

Waldmeyer fordert den Nato-Beitritt!

Das tapfere Helvetien hatte sich gut gehalten im Zweiten Weltkrieg. Die eingenommene Position „neutral“ war genial. Die Zeit damals war indessen noch nicht digital, sondern nur analog. Waldmeyer weiss, warum wir jetzt schleunigst der Nato beitreten sollten.

Erst Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg kam raus, dass die Schweiz auf alle Seiten, immer unter dem Deckmäntelchen der Neutralität, die ganze Zeit ein bisschen beschissen hatte. Aber eben: too late to cry.  Informationen konnten damals einfach besser unter dem Deckel gehalten werden. Heute wissen wir in real time fast alles. Das digitale Zeitalter beeinflusst jedoch nicht nur die Verfügbarkeit von Informationen, sondern auch die Gefahrenlagen.

Ein Blick auf die Karte liess Waldmeyer erschaudern: Fast ganz Europa ist in der Nato! Die wehrhafte kleine Schweiz, mittendrin, allerdings nicht. Es gibt jedoch verschiedene Lücken auszumachen:

Lücke Nummer eins ist Finnland. Ein Nato-Beitritt ist für das Land ausgeschlossen. Zu spät. Bis 1917 gehörte Finnland noch zum Zarenreich – ein Umstand, der Putin noch heute ärgert. Finnland verfügt über eine gemeinsame Grenze mit Russland von weit über 1‘000 km. Erst kürzlich feuerte der irrlichternde und unberechenbare Ex-KGB-Mann im Kreml wieder einen Warnschuss ab: Finnland dürfe nicht einmal daran denken, der Nato beizutreten.

Lücke Nummer zwei ist Schweden: Die Schweden könnten, eventuell, gerade jetzt noch der Nato beitreten. Denn historisch gehörte das Land nie zum Zarenreich, zur Sowjetunion auch nie. Die Schweden waren auch nie so hardcore-mässig neutral. Sie sollten sich die Sache mal genauer ansehen. Möglichst bald allerdings, denn das Fenster könnte sich rasch schliessen! 

Lücke Nummer drei ist Moldawien. Der vergessene europäische Staat gehörte bis 1991 zur Sowjetunion. Das Land hat den Natobeitritt verpasst, denn Transnistrien, der östliche Teil Modawiens, ist bereits unter russischer Kontrolle – ein Expansions-Konzept, das Putin auch mit der Krim und Donbass in der Ukraine verfolgt hatte. Dieser üble Wladimir wird sich diesen lächerlichen Kleinstaat, im Sandwich zwischen Rumänien und der Ukraine, noch ganz krallen. Für Waldmeyer ist ein solcher Schritt so sicher wie das Amen in der Kirche. Wladimir Putin, der neue grosse Despot Europas, hätte dann seine Grenze zu den „richten“ West-Staaten erheblich vergrössert. Georgien, Armenien und Aserbeidschan sind übrigens in einer ähnlichen Situation: Am liebsten wären sie in der EU. Aber leider liegen die Staaten auf dem asiatischen Kontinent. Und was die Nato betrifft: Putin würde eine Natomitgliedschaft dieser Länder nie akzeptieren. Auch hier hatte er sich schon Teile von deren Staatsgebieten einverleibt (so beispielsweise Südossetien und Abchasien von Georgien) oder er zündelt in Aserbaidschan in der Provinz Bergkarabach. Alle diese Länder stehen auf Putins Speisezettel. Das Prädikat „Nato-Lücke“ verdient realistischerweise jedoch nur Moldawien. Ein Blick auf die Karte spricht Bände, die Grenze zu Rumänien ist 700 km lang.

Lücke Nummer vier ist Irland: Diese Lücke ist allerdings irrelevant. Die zum Teil etwas rückständige Insel, auf der man mehr Schafe als Einwohner zählt, interessiert den Kremlherrn nicht.

Lücke Nummer fünf ist Österreich: Da im Moment – geografisch – noch ziemlich weit weg von den neuen Grenzen der wiedererwachenden Sowjetunion, könnte sich für das neutrale Land ohne nennenswerte Armee noch kurzzeitig ein Türspalt zur Nato auftun. Ja, Österreich könnte gerade jetzt noch, klandestin fast, in die Nato reinschleichen. Im Moment könnte Putin dies noch nicht als richtige „Osterweiterung“ der Nato werten und einfach durchwinken!

Waldmeyer entdeckte nochmals etwas: Die Nicht-Nato-Mitglieder Finnland, Schweden, Irland und Österreich profitieren vom weitgehend unbekannten „EU-Beistandspakt“: immerhin auch eine valable Rückversicherung. 

Abgesehen von ein paar unerheblichen Staaten in Ex-Jugoslawien mit beschränktem strategischem Wert gibt es dann eben noch die Nato-Lücke Nummer sechs, die Schweiz: Ja, die Eidgenossenschaft ist immer schön neutral geblieben. 1939 war das in der Tat nicht nur raffiniert, sondern wohl auch richtig. Die Taktik hatte sich über einen langen Zeitraum bewährt. Man musste nie richtig Stellung beziehen und konnte sich überall wunderbar durchmogeln. Nur: Heute ist eben nicht gestern. Stellung gegen ein Unrechtregime zu beziehen, ist per se kein Neutralitätsbruch. Für Waldmeyer ist klar: Es wäre nicht nur ein Gebot der Stunde, sondern auch intelligent, jetzt einen Natobeitritt zu prüfen. Künftige Bedrohungen kann die Schweiz kaum mehr allein meistern. Erstens ist ihre Armee nur bedingt einsatzfähig: Das Material ist veraltet (neues Gerät ist zwar bestellt, aber mit Lieferdatum ca. 2030). Die Flugabwehr in der Ukraine, nur einen Tick schlechter als diejenige der Schweiz, wurde beim Einmarsch der Russen binnen zwei Stunden landesweit ausgeschaltet. Das gibt nicht nur Waldmeyer zu denken. Auch einen grossen Cyberangriff könnte die Schweiz allein nicht abwenden. Die Nato könnte in diesem Fall nicht kurzfristig angerufen werden. Denn erstens würde vielleicht niemand den Hörer abnehmen, und zweitens sind wir „neutral“. Und wie sich unsere Truppen, zum Teil im Homeoffice ausgebildet, tatsächlich bewähren würden, steht in den Sternen.

Max Waldmeyer sieht jedoch ein Problem: Unsere helvetischen Rechtsaussen-Hardliner könnten, mangels Reflexionsvermögen, einen Nato-Beitritt mit einem EU-Beitritt oder sonstigem EU-Abkommen verwechseln. Die weitverbreitete Ablehnung dieser Gruppen zu allem könnte die Frage eines möglichen Nato-Beitritts bereits im Keime ersticken. Aber ein Blick über den Tellerrand und damit über die Grenzen hinweg zeigt: Es geht! Norwegen beispielsweise ist nicht in der EU, aber in der Nato. Es wird Zeit, diesen übersteigerten Begriff der „Neutralität“, der sich in der Eidgenossenschaft offenbar komplett verselbständigt hat, abzulegen und zu erkennen, dass die Schweiz zum Westen gehört – wohl unwiderruflich.

„Charlotte, wir müssen in die Nato – schnellstmöglich, noch haben wir Zeit dafür“, meldete Waldmeyer aus seinem Eames Chair zu seiner Frau rüber. Tatsächlich, heute wäre dies noch möglich. Putin hat zurzeit andere Sorgen, er würde wohl auf ein Njet verzichten. Und die restlichen Russenkonten bei der Credit Suisse wären davon nicht betroffen, denn die Nato interessiert sich nicht für wirtschaftliche Sanktionen. 

Aber Charlotte hatte einen Einwand, dem Waldmeyer nichts widersetzen konnte: „Ja, Max, so ein Natobeitritt wäre wohl nicht dumm. Allerdings dürfte die Ostschweiz nicht mitmachen. Das wäre eine Osterweiterung!“

Keine Waldmeyer-Glosse verpassen!

Ich melde mich für den Newsletter an und erhalte alle zwei Wochen per Email eine kurze Info.

Sie haben sich erfolgreich angemeldet

There was an error while trying to send your request. Please try again.

TRUE ECONOMICS will use the information you provide on this form to be in touch with you and to provide updates and marketing.