Waldmeyer und das bizarre Übergangskonzept

Oder: Wie man den Dry January richtig plant

Die EU-Kommission möchte Atom- und Gaskraftwerke „übergangsweise“ als Grün einstufen. Waldmeyer überlegte, was auch er „übergangsweise“ aussetzen könnte.

Dass sich die EU, bewehrt mit ihrer germanischen Pfeilspitze, mit ihren unrealistischen Klimazielen schon seit geraumer Zeit hoffnungslos verrannt hatte, war Waldmeyer seit Monaten klar: Man kann nicht in wenigen Jahren schon auf Atom- und Kohlestrom verzichten, indem man Windräder baut und Solarpanels aufstellt – und gleichzeitig erst noch alles auf „Elektro“ umstellt. Die Krux liegt in der „Dunkelflaute“. Einerseits ist diese ganz einfach dem Zustand der Nacht geschuldet, während der bekanntlich keine Sonne scheint, andererseits zeitgleich aber auch kein Lüftchen weht. Wochenlang schlechtes, düsteres Wetter ist ebenso wenig hilfreich. Dann fehlt‘s ganz einfach an Stromproduktion. Vor allem im Winter.

Noch vor kurzem hatte die EU-Kommissionspräsidentin, die ehemalige Kinderärztin von der Leyen, den Green Dealfür ganz Europa verkündet, mit einer baldigen neutralen CO2-Bilanz. Offenbar hat sie nun jedoch den Winter entdeckt. Und die Nacht. Deshalb der Trick mit der raffinierten Umetikettierung: Atomstrom darf jetzt plötzlich Grün sein, zumindest vorübergehend, und Gas ebenso. Gas ist vermutlich ebenso CO2-frei – auch übergangsweise.

In der Schweiz haben wir allerdings das gleiche Problem: Wir haben den Ausstieg aus der Atomkraft beschlossen und dies ohne eine echte Energie-Alternative. Sonne und Wind reichen auch in der Schweiz nicht aus, im Winter importieren wir Strom schon heute bis zu 40%! Die Dunkelflaute wird´s auch bei uns geben. Wie das übergangsmässige Rezept von Simonetta Sommaruga wohl aussehen wird?

Natürlich könnten wir die Wasserkraft ausbauen. Waldmeyer schaute aus seiner Villa auf den Hallwilersee runter: Wenn man diesen mit Staumauern kräftig stauen würde, läge sein Haus sogar näher am See. Im Extremfall wäre gar ein Seeanstoss möglich. Vielleicht ein eigener Strandabschnitt. Charlotte würde sich um die Auswahl der Palmen kümmern.

Waldmeyer verwarf den Gedanken wieder und erinnerte sich an einen alternativen Vorschlag, den er früher schon präsentiert hatte: Man könnte das Wallis stauen. Etwa bei Martigny. Oder gar erst bei Monthey. Lonza, heute noch in Visp, müsste einzig ihre Impfstoff-Fabrik weiter ins Tal hinunter verlegen, und ein paar Walliser müssten etwas höher an den Hang rauf ziehen – mit dem künftigen Vorteil eines schönen Seeblickes allerdings. Auf den Fendant würden sie dann verzichten (die qualitativ eh mittelmässigen Rebstöcke würden natürlich dem Flutungsprozess zum Opfer fallen); sie würden aber zweimal täglich weiter ihre Aperitifzeiten präzise einhalten und sich einfach mit dem mediokren Chasselas aus der Waadt zuprosten.

Mit einem solchen gigantischen Walliser Speicherkraftwerk könnte auch die Schweiz spielend ihren Green Deal kriegen. Wir würden zudem, wie bis anhin, den dreckigen (wenn übergangsweise auch grünen) Atomstrom und den ebenso dreckigen überschüssigen Gasstrom importieren, um mit dieser Energie, auch wie bisher, Wasser in die Stauseen raufpumpen. Wir würden künftig also das Gleiche tun wie bis anhin, nur viel umfangreicher, nämlich im Rahmen eines grossen Geschäftsmodells. Das Wasser würden wir dem Genfersee entnehmen, das fällt nicht so ins Gewicht – zumal die Hälfte den Franzosen gehört. Anschliessend liessen wir, immer schön bedarfsgerecht, das Wasser aus dem grossen neuen Wallisersee wieder runter durch die Turbinen rauschen. So produzieren wir den günstigsten aller Ströme und könnten diesen in der Folge (gewaschen quasi) wieder an die Kinderärztin zurückschicken, welche in der Dunkelflaute hockt. Das Konzept ist ein typisch schweizerisches, denn es ist von Geschäftssinn geprägt und ein klassischer Kompromiss. Wir importieren den im Ausland punktuell zu viel produzierten Strom übrigens schon heute, oft gar zu Negativpreisen, verkaufen ihn dann aber zu Saupreisen zu Spitzenzeiten.

Das mit dem Strom ist nun eine Sache. Das mit den übergangsmässigen Ausnahmen eine andere. Waldmeyer überlegte sich, ob er nicht übergangsmässig auch etwas einführen könnte. Er könnte beispielsweise versuchen, übergangsmässig ein bisschen mehr Steuern zu sparen. Oder die verhasste Gartenarbeit, zulasten von Charlotte natürlich, übergangsmässig auszusetzen. Er beschloss, zumindest übergangsmässig, am Sonntagmorgen nun künftig doch wieder mit dem Porsche Cayenne (schwarz, innen auch) die Brötchen im Dorf unten zu holen. Und nicht mit dem langweiligen E-Bike – womöglich bei Wind und Wetter. Dies im Sinne der Nutzung einer raffinierten „Brückentechnologie“, so wie das jetzt auch die EU-Kommission mit einem semantischen Salto formuliert hatte.

Übergangsweise darf man offenbar vieles tun, da gilt der moralische (und auch logische) Kompass nicht mehr. „Übergangsweise“ ist einfach viel mehr erlaubt. Aber natürlich nur dann. Die Kinderärztin war in der Tat inspirierend, denn Waldmeyer schossen noch ein paar weitere unmoralische Dinge durch den Kopf, die er „vorübergehend“ tun könnte – verwarf diese allerdings wieder.

Waldmeyer hatte eine andere Idee: Eigentlich hatte er nämlich einen „Dry January“ geplant. Was nun folgte, war ein typischer Managemententscheid: Mit sofortiger Wirkung entschied Waldmeyer, diesen Dry January auszusetzen. Natürlich nur „übergangsweise“.

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