Waldmeyer erklärt die Hospitalisierung

Oder: Droht den SVP-Wählern bald eine Prämienerhöhung von 50 Stutz…? 

Eigentlich hatte Waldmeyer die Nase gestrichen voll von dieser blöden Pandemie. Trotzdem grübelte er weiter. Er hatte nämlich einen Verdacht: Könnte es einen Zusammenhang geben zwischen Intensivbetreuten und ihrer politischen Haltung?

Die Vermutung war etwas brisant, Waldmeyer war sich auch nicht ganz sicher. Also analysierte er nochmals: Inzwischen hatte sich gezeigt, dass ein Grossteil der hospitalisierten Corona-Opfer ungeimpfte Patienten sind. Statistisch ist das auf den ersten Blick nicht ersichtlich, da in gewissen Spitälern nicht nur Ungeimpfte liegen. Gäbe es indessen überhaupt keine Ungeimpften (und nur Geimpfte), lägen 100% Geimpfte in den Betten. 

Waldmeyer führte seinen persönlichen mathematischen Exkurs weiter: Er ging von einer Impfquote der Bevölkerung aus, die in der Schweiz zurzeit bei rund 68% liegt, bei den Erwachsenen bei rund 80%. Impfskeptiker und Impfgegner, sowie medizinisch nicht „Impfbare“ machen unter der erwachsenen Bevölkerung also nur etwa 20% aus. Von den besonders vulnerablen über 60-Jährigen sind vielleicht 85% geimpft. Das Verhältnis der Geimpften zu den Nichtgeimpften beträgt in dieser Spital-trächtig relevanten Gruppe also etwa 7:1. Würde die Impfung nicht funktionieren, lägen sechs oder sieben Geimpfte im Verhältnis zu einem Ungeimpften in den Intensivbetten. Das Verhältnis ist indessen ein genau inverses (nämlich rund 1:7)! Ein Ungeimpfter liegt damit mit einer Wahrscheinlichkeit von 7×7:1, also 49-mal eher in einem dieser Betten. 

Fazit: Die Impfung – ob man diese nun toll findet oder nicht – scheint im Moment zumindest zu funktionieren. Das würden wohl auch Impfgegner nicht abstreiten. Ausser vielleicht die Hardcore-Coronakritiker, die immer noch an eine Verschwörung glauben. Waldmeyer dachte gleich an Bettina Honegger, seine Nachbarin in Meisterschwanden (ja, Bill Gates, George Soros, 5G, Komplott der Pharmaindustrie, etc.).

So weit, so gut.

Waldmeyer überlegte noch, ob es bei diesen Zahlen vielleicht kantonale Unterschiede gibt. Beispielsweise bei den Korrelationen zwischen Gestorbenen und Intensivbetreuten, oder zwischen Hospitalisierten und dem Infektionsgeschehen. Aber tatsächlich sind zwischen den einzelnen Kantonen keine Unterschiede auszumachen – ausser die Zahlen könnten durch unterschiedliche gesundheitliche Voraussetzungen gestört werden: Ein Städter in Genf beispielsweise könnte über kein so starkes Immunsystem verfügen wie ein gestandener Treichler in Schwyz (was allerdings noch nicht nachgewiesen werden konnte). In der Tat wird die Wahrscheinlichkeit einer Hospitalisierung aufgrund einer Infektion in jedem Gebiet des Landes etwa gleich sein. Auch das Risiko, intensiv betreut zu werden. Und die Sterbewahrscheinlichkeit einer Person an der Beatmungsmaschine wird wohl ebenso in jedem Kanton identisch sein. Wir nehmen dabei grosszügigerweise an, dass das Spitalpersonal in Burgdorf den gleich guten Job macht wie in Zürich. Ausser in Appenzell Innerrhoden oder in Obwalden: Dort gibt es nämlich gar keine Intensivbetten. Und vielleicht ist es fraglich, ob die bescheidenen sechs Intensivbetten im Jura tatsächlich durch routiniertes Personal bedient werden können (nur schon die Beatmungsmaschine verfügt über ein mehrere hundert Seiten starkes Manual – und dies vielleicht nur auf Deutsch oder Englisch).

Trotz all dieser berechtigten Fragezeichen konnte Waldmeyer eine erste Schlussfolgerung ziehen: Je höher die Inzidenz, desto mehr Hospitalisierungen – und desto mehr Intensivbetreute pro Kanton (in Relation zur Bevölkerung natürlich). Leider auch desto mehr Tote. Dieses Fazit war vielleicht gar nicht so überraschend; Waldmeyer war indessen froh, den Gedankenstrang für sich selbst nochmals so sauber aufzeigen zu können.

Waldmeyer wähnte sich in einer weiteren Phase der absoluten Klarheit; dabei fiel ihm noch etwas auf: Erstens ist bereits seit ein paar Monaten bekannt, dass SVP-Wähler eine tiefe Impfrate aufweisen. Zweitens weisen Kantone mit hoher Inzidenz einen überdurchschnittlichen Anteil an SVP-Wählern auf. Zufall? Beides wird zumindest durch mehrere Medienrecherchen belegt. Aber  noch niemand hat den brisanten Zusammenhang ausgesprochen: Kantone mit einer tiefen Impfrate verfügen über einen höheren SVP-Wähleranteil. Das ist doch ganz interessant, fand Waldmeyer, und er ahnte schon, was er als nächstes überlegen könnte.

In der Tat hatte er nun eine delikate Schlussfolgerung: Es liegen mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr SVP-Wähler in diesen inkriminierten Betten als andere Wähler!

Waldmeyer orientierte sofort sein Frau: „Charlotte, wir sollten eine Befragung bei allen Intensivbetreuten machen und herausfinden, ob in diesen Betten vor allem SVP-Wähler liegen!“ Charlotte antwortete wie immer nicht, rollte aber immerhin mit den Augen.

Waldmeyer überlegte: Sollten SVP-Wähler nun zur Kasse gebeten werden? Sie belasten unser Gesundheitssystem offenbar mehr als „normale“ Wähler. Gerade die SVP schwingt sich doch gerne als Gegnerin von sozialen Ausgleichen auf und vertritt oft den Ansatz des Verursacherprinzips. Für viele Belange findet dies auch Waldmeyer ganz ok. Bei den Müllsäcken beispielsweise funktioniert dieses Prinzip sehr gut. Sollte nun jedem SVP-Wähler vielleicht 50 Stutz oder so bei der Krankenkassenprämie draufgeschlagen werden…? Einfach im Sinne des Verursacherprinzips?

Waldmeyer und das bizarre Übergangskonzept

Oder: Wie man den Dry January richtig plant

Die EU-Kommission möchte Atom- und Gaskraftwerke „übergangsweise“ als Grün einstufen. Waldmeyer überlegte, was auch er „übergangsweise“ aussetzen könnte.

Dass sich die EU, bewehrt mit ihrer germanischen Pfeilspitze, mit ihren unrealistischen Klimazielen schon seit geraumer Zeit hoffnungslos verrannt hatte, war Waldmeyer seit Monaten klar: Man kann nicht in wenigen Jahren schon auf Atom- und Kohlestrom verzichten, indem man Windräder baut und Solarpanels aufstellt – und gleichzeitig erst noch alles auf „Elektro“ umstellt. Die Krux liegt in der „Dunkelflaute“. Einerseits ist diese ganz einfach dem Zustand der Nacht geschuldet, während der bekanntlich keine Sonne scheint, andererseits zeitgleich aber auch kein Lüftchen weht. Wochenlang schlechtes, düsteres Wetter ist ebenso wenig hilfreich. Dann fehlt‘s ganz einfach an Stromproduktion. Vor allem im Winter.

Noch vor kurzem hatte die EU-Kommissionspräsidentin, die ehemalige Kinderärztin von der Leyen, den Green Dealfür ganz Europa verkündet, mit einer baldigen neutralen CO2-Bilanz. Offenbar hat sie nun jedoch den Winter entdeckt. Und die Nacht. Deshalb der Trick mit der raffinierten Umetikettierung: Atomstrom darf jetzt plötzlich Grün sein, zumindest vorübergehend, und Gas ebenso. Gas ist vermutlich ebenso CO2-frei – auch übergangsweise.

In der Schweiz haben wir allerdings das gleiche Problem: Wir haben den Ausstieg aus der Atomkraft beschlossen und dies ohne eine echte Energie-Alternative. Sonne und Wind reichen auch in der Schweiz nicht aus, im Winter importieren wir Strom schon heute bis zu 40%! Die Dunkelflaute wird´s auch bei uns geben. Wie das übergangsmässige Rezept von Simonetta Sommaruga wohl aussehen wird?

Natürlich könnten wir die Wasserkraft ausbauen. Waldmeyer schaute aus seiner Villa auf den Hallwilersee runter: Wenn man diesen mit Staumauern kräftig stauen würde, läge sein Haus sogar näher am See. Im Extremfall wäre gar ein Seeanstoss möglich. Vielleicht ein eigener Strandabschnitt. Charlotte würde sich um die Auswahl der Palmen kümmern.

Waldmeyer verwarf den Gedanken wieder und erinnerte sich an einen alternativen Vorschlag, den er früher schon präsentiert hatte: Man könnte das Wallis stauen. Etwa bei Martigny. Oder gar erst bei Monthey. Lonza, heute noch in Visp, müsste einzig ihre Impfstoff-Fabrik weiter ins Tal hinunter verlegen, und ein paar Walliser müssten etwas höher an den Hang rauf ziehen – mit dem künftigen Vorteil eines schönen Seeblickes allerdings. Auf den Fendant würden sie dann verzichten (die qualitativ eh mittelmässigen Rebstöcke würden natürlich dem Flutungsprozess zum Opfer fallen); sie würden aber zweimal täglich weiter ihre Aperitifzeiten präzise einhalten und sich einfach mit dem mediokren Chasselas aus der Waadt zuprosten.

Mit einem solchen gigantischen Walliser Speicherkraftwerk könnte auch die Schweiz spielend ihren Green Deal kriegen. Wir würden zudem, wie bis anhin, den dreckigen (wenn übergangsweise auch grünen) Atomstrom und den ebenso dreckigen überschüssigen Gasstrom importieren, um mit dieser Energie, auch wie bisher, Wasser in die Stauseen raufpumpen. Wir würden künftig also das Gleiche tun wie bis anhin, nur viel umfangreicher, nämlich im Rahmen eines grossen Geschäftsmodells. Das Wasser würden wir dem Genfersee entnehmen, das fällt nicht so ins Gewicht – zumal die Hälfte den Franzosen gehört. Anschliessend liessen wir, immer schön bedarfsgerecht, das Wasser aus dem grossen neuen Wallisersee wieder runter durch die Turbinen rauschen. So produzieren wir den günstigsten aller Ströme und könnten diesen in der Folge (gewaschen quasi) wieder an die Kinderärztin zurückschicken, welche in der Dunkelflaute hockt. Das Konzept ist ein typisch schweizerisches, denn es ist von Geschäftssinn geprägt und ein klassischer Kompromiss. Wir importieren den im Ausland punktuell zu viel produzierten Strom übrigens schon heute, oft gar zu Negativpreisen, verkaufen ihn dann aber zu Saupreisen zu Spitzenzeiten.

Das mit dem Strom ist nun eine Sache. Das mit den übergangsmässigen Ausnahmen eine andere. Waldmeyer überlegte sich, ob er nicht übergangsmässig auch etwas einführen könnte. Er könnte beispielsweise versuchen, übergangsmässig ein bisschen mehr Steuern zu sparen. Oder die verhasste Gartenarbeit, zulasten von Charlotte natürlich, übergangsmässig auszusetzen. Er beschloss, zumindest übergangsmässig, am Sonntagmorgen nun künftig doch wieder mit dem Porsche Cayenne (schwarz, innen auch) die Brötchen im Dorf unten zu holen. Und nicht mit dem langweiligen E-Bike – womöglich bei Wind und Wetter. Dies im Sinne der Nutzung einer raffinierten „Brückentechnologie“, so wie das jetzt auch die EU-Kommission mit einem semantischen Salto formuliert hatte.

Übergangsweise darf man offenbar vieles tun, da gilt der moralische (und auch logische) Kompass nicht mehr. „Übergangsweise“ ist einfach viel mehr erlaubt. Aber natürlich nur dann. Die Kinderärztin war in der Tat inspirierend, denn Waldmeyer schossen noch ein paar weitere unmoralische Dinge durch den Kopf, die er „vorübergehend“ tun könnte – verwarf diese allerdings wieder.

Waldmeyer hatte eine andere Idee: Eigentlich hatte er nämlich einen „Dry January“ geplant. Was nun folgte, war ein typischer Managemententscheid: Mit sofortiger Wirkung entschied Waldmeyer, diesen Dry January auszusetzen. Natürlich nur „übergangsweise“.

Waldmeyer wird überstimmt

An gewissen Zürcher Schulen sollen demnächst die Schüler bestimmen, welche Lehrer sie wollen. Waldmeyer vermutet, dass das nur der Anfang ist: Vielleicht handelt es sich hier nur um den Beginn eines Umsturzes. Passiert es nun also doch, dass demnächst alle Macht an das Volk geht?

Es könnte tatsächlich nur der Anfang sein. Die Signale sind klar. Denn es ist zum Beispiel nicht vorgesehen, dass auch die Lehrer ihre Schüler auswählen dürfen.

Waldmeyer beobachtet schon länger, wie gewisse Städte in der Schweiz langsam zu einem heiteren, egalisierenden und verkehrsfreien Kibbuz verkommen. Eigentum droht zusehends kollektiviert zu werden, und da und dort wird ein bedingungsloses Grundeinkommen angedacht. Es droht zudem Tempo 30, auch auf grossen Durchgangsachsen – und demzufolge ein Abwürgen des Individualverkehrs. Dafür sollen demnächst Lastenräder subventioniert werden (so die neue Idee des rot-grünen Zürcher Stadtrates). 

Und nun der neue Trick: Wird jetzt mittels einem Geheimplan, mit dem Feigenblatt basisdemokratischer Entwicklung (Beispiel: freie Lehrerauswahl), die Macht doch noch ganz ans Proletariat übertragen? So, wie es unsere kommunistischen Vordenker schon planten?

Das Zürcher Modell ist insofern reizvoll, als weitergedacht werden darf: Sollten nicht auch Mitarbeiter (ja, inklusive der Mitarbeiterinnen…) ihre Chefs oder gar die Besitzer eines Unternehmens auswählen? Unternehmertum würde dann endlich so richtig bottom-up entwickelt. Die guten Ideen entwickeln sich bekanntlich selten top-down, vor allem nicht in grossen Konzernen. Echte Innovationen, wenn nicht in einer Garage im Silicon Valley, entstehen nämlich meistens von unten. Also müsste künftig doch auch die Führung von unten her organisiert werden. Deutschland kennt seit langem schon die Vorstufe zu diesem Modell: Arbeitnehmer hocken in paritätischen Aufsichtsräten und schwatzen bei der Unternehmensstrategie mit (es ist die Umkehr beispielsweise von Elon Musk‘s Ansatz). Vielleicht sieht das Zürcher Modell nun eine weitere Eskalation vor? Aber man sollte nicht nur schwarzsehen, denn eventuell könnte dergestalt gar ein modernes, digitales Proletariat entstehen!?

Waldmeyer blickte von seinem Tablet auf und sah zu Charlotte rüber: „Nächstes Jahr werde ich mich als VR-Präsident in meiner Firma nicht von den Aktionären, sondern von den Mitarbeitern wählen lassen. Die sollen doch mal abstimmen!“

„Und wenn sie dich abwählen und einen andern einsetzen, was dann?“, warf Charlotte ein.

„Das wäre natürlich blöd. Dann müsste ich einfach zum alten Wahlsystem zurückgreifen, wir beide zusammen haben ja die Aktienmehrheit, die Belegschaft hat nur 20%.“

„Und was ist, wenn ich dann mit der Belegschaft stimme…?“, blitzte Charlotte zurück.

Waldmeyer schaute entgeistert.