Warum Waldmeyers Cousin das Sacher in Wien übernimmt

Österreich kämpft mit dem Umstand, dass das Land einst eine pompöse Grösse aufwies, heute aber nur eine mediokre Gegenwart zu bieten hat. Vielleicht ist es deshalb gut nachvollziehbar, dass der Staat durch die Pandemie-Krise irrlichtert und im Stundentakt neue Regeln erlässt. Bruno Spirig, Waldmeyers Cousin, ist das nur recht. Er hat nämlich einen Plan. Aber dazu später.

Was bisher geschah:

Waldmeyers Cousin Spirig war immer schon etwas windig. In den Neunziger Jahren musste er sich wegen irgendeiner dubiosen Geschichte nach Brasilien absetzen, und im Frühling 2020 erschlich er sich parallel gleich drei Coronakredite auf seinem konkursiten Take-away in Schwamendingen; er setzte sich in der Folge mitsamt der Kohle nach El Hierro ab. Er machte sich keine Sorgen, da Ueli der Maurer die Rückzahlungspflicht auf 2028 verlängert hatte. Bruno wähnte sich also in Sicherheit. Zu allem Übel war diese kleine Kanareninsel auch noch Waldmeyers Tipp zum Untertauchen: äusserst günstig, angenehmes Klima, weitgehend unbekannt, auch weit weg – und trotzdem in Europa. Bruno betätigte sich dort als erfolgreicher Immobilienmakler und sorgte mittels Multiplikator-Effekt somit für makroökonomische Fortschritte auf dem pittoresken Eiland. 

Bruno war jedoch umtriebig genug, parallel dazu kurz darauf eine kleine Restaurantkette in München zu kaufen. Ihm war nämlich nicht entgangen, dass der deutsche Staat die zwangs-geschlossenen Restaurants mit 75% des Vorjahres-Umsatzes entschädigte. Also nicht den Gewinn oder die Marge kompensierte, sondern tatsächlich den Umsatz. Waldmeyer erinnerte sich noch an Brunos Erklärung: „Die Idee mit den 75% kommt ja von diesem Scholz“, meinte Bruno Spirig, „der hoch-gemerkelte Sozi ist zwar Jurist, hat aber wohl noch nie eine Kalkulation einer Kneipe gesehen, he, he…!“. 

Aber nun sass Bruno wieder auf dieser verlorenen Mickey Mouse Insel, bis in die letzte Faser durchtränkt von Langeweile. Er wollte raus. Deshalb nahm er nun sogar mit Österreich Vorlieb. Das Angebot war schlicht und einfach zu verlockend.

Also nun zu Österreich. Während die Schweiz das hektische Tun in Sachen Pandemie rundherum im Ausland mit Neugierde beobachtet und vorab die Räume ein bisschen besser durchlüftet und de facto, mit PCR-Tests auch für Geimpfte und Genesene, die Grenzen verriegelt (um auch Omikron aufzuhalten), verhaspelt sich die Regierung in Österreich täglich in neuen Dekreten. Der neue Kurz, dieser Schallenberg, liess nichts anbrennen: Österreich verhängte stakkatomässig 2G-Regeln, Lockdown für Ungeimpfte, dann trotzdem Lockdown für alle, dann Impfpflicht. Alle warten nun auf neue lustige Entscheide. Österreich, dieses Rumpf-Imperium einstiger Grösse und Grandezza, ist wirklich nicht zu beneiden. Wie meinte doch kürzlich eine SPÖ-Protagonistin sehr treffend: „Wie viele Tote müssen denn noch sterben?“

Neukurz, also Schallenberg, Diplomat von Beruf und eigentlich Schweizer, bleibt nur noch für ein paar Tage Chef der kleinen Alpenrepublik. Er war dann wohl der kürzeste Kanzler Österreichs aller Zeiten. Allerdings kann er ebenso wenig rechnen wie Genosse Scholz. Bruno Spirig hatte das natürlich sofort erkannt und facetimete gleich mit Waldmeyer. Der Handy-Empfang mit den Kanaren war wie immer etwas schwach. Die Auflösung der Bilder leider auch. Waldmeyer glaubte im Hintergrund nämlich ein paar braungebrannte Schönheiten auszumachen, die sich auf Liegestühlen räkelten – er war sich aber nicht ganz sicher.

„Bruno, bist du auf El Hierro…?“

„Ja, aber nicht mehr lange. Scheisslangweilig hier! Ich fliege morgen nach Wien!“

„Kommst du denn da überhaupt noch rein…?“, fragte Waldmeyer entsetzt.

„Klar, ich habe zweimal Sputnik, zweimal Pfizer aus der Schweiz, und jetzt doppelt aufgeboostert in Spanien.“

„Was zum Teufel willst du jetzt in Wien? Die haben das ganze Land runtergefahren. Und auf den Strassen sind nur noch Demonstrationen erlaubt!!!“

„Umso besser! Aber keine Sorge. Schau mal: Ich werde rückwirkend zum Lockdowntermin das jetzt geschlossene Hotel Sacher mieten, gleich mit der ganzen Restauration. Für drei Monate, mit Verlängerungsoptionen bis zur achten Welle!“

Wieder einmal war Waldmeyer verblüfft. Dieser Bruno war schon umtriebig.

„Weisst du, ich habe während dem Lockdown ja gar keine Kosten, ausser dieser reduzierten Miete und einem Abo für die Kronen Zeitung. Da schenken 80% des 2019er-Umsatzes schono ein!“ Dann meinte er noch: „Dieser neue Kurz war vermutlich nur kurz in der Schule in der Schweiz, die Mathematikstunden hatte er dann leider in Österreich. Und der Neukurz II, dieser Kurzhammer, der jetzt dann kommt, war ja Berufssoldat und kann vielleicht auch nicht rechnen.“ Stimmt, zumindest Schallenberg erging es wohl wie Kim Jong-un, denn auch dieser musste seine Bildungskarriere in Bern abbrechen (und zurück nach Nordkorea). Die Zeit ist noch zu kurz, um die Rechenkünste von Neukurz II zu beurteilen. Das Resultat dürfte wohl für Spirig sprechen.

„Weisst du: Je länger der Lockdown, desto besser. Und zwischen den Lockdowns läuft auch nichts, aber die Staatshilfe läuft weiter“, erklärte Bruno weiter. Sein Geschäftsmodell war bedrückend einfach. Da soll noch einer sagen, diese Pandemie bringe nur Verlierer hervor. Volkswirtschaftlich gesehen war das auch nicht kriminell oder unethisch. Im Gegenteil: Dieser schon auf El Hierro greifende Multiplikatoreffekt war der beste Freund von Brunos Handlungen; wichtig ist, dass das Geld rasch zirkuliert.

Das Abo der Kronen Zeitung war Bruno Spirig übrigens wichtig, weil er nur auf die Headline wartete: „Schweizer Spirig übernimmt Sacher!“, mit dem Untertitel: „Vorbildliche Aktion mitten in der Pandemie.“ Waldmeyer erhob sich vom Sofa, öffnete die Fenster zum Lüften und schenkte sich noch etwas Terre Brune ein. Wieso hat nur immer sein Cousin die guten Geschäftsideen?