Waldmeyer und die elektrische Verschwörung

Oder: Der wahre Hintergrund des Elektro-Hypes

Waldmeyer wunderte sich: Bei Fahrzeugen mit herkömmlicher fossiler Verbrennung interessieren sich Männer meistens für die Leistung. Frauen interessieren sich vorab für die Abgaswerte, allenfalls für den Verbrauch. Bei Elektrofahrzeugen interessiert nur die Reichweite. Deren Emissions-Bilanz ist egal, sie wird mit null suggeriert. Diese fällt u.a. bei der Produktion der Elektroenergie an – also irgendwo. Das interessiert seltsamerweise niemanden. Aber Waldmeyer schon.

Bei Elektrofahrzeugen wird kaum über den Verbrauch gesprochen. Man lädt den modernen Schlitten einfach wieder auf – was ja nicht viel kostet. Waldmeyer war stolz auf seine Reflexion und entdeckte, dass der ganze Elektrifizierungs-Hype vielleicht nur eine Verschwörung ist. Aber was sollte er nun anstellen mit seiner neuen Erkenntnis …?

Wenn jeder ein Einfamilienhaus hätte, könnte jeder mit seinen Solarpanels das Auto am Tag aufladen – zumindest wenn die Sonne scheint. Da künftig alle im Homeoffice arbeiten und die Karre unbenutzt in der Garage steht, geht das spielend. Auch für Schichtarbeiter ist das ideal: So könnte beispielsweise ein Securitas-Mitarbeiter tagsüber in seiner Villa schlafen und die private Solaranlage arbeiten lassen, nachts dann mit dem fetten Tesla ausrücken.

Brave, new world? Leider, so stellte Waldmeyer fest, sieht die Welt anders aus: Erstens besitzt nicht jeder eine Villa. Und zweitens ist die Produktion der Batterien ausnehmend dreckig und umweltschädigend. Aber das scheint keine Rolle zu spielen. Ebenso wenig, dass nur schon die Rohstoffgewinnung für diese Batterien stark umweltbelastend ist (z.B. im Kongo, wo u.a. die Seltenen Erden abgebaut werden, womöglich mit Kinderarbeit). 

In der Schweiz wird die Energie heute zu weniger als 5% dem Wind und der Sonne abgetrotzt. Der überragende Teil der Elektroenergie kommt aus der Wasserkraft, vor allem aber aus der Atomkraft. Viel Energie wird auch importiert – im Winter bis zu 40%. Die saubere Energie aus unseren Steckdosen kommt dann zu einem guten Teil aus dreckigen Kohlekraftwerken aus Deutschland oder Atomkraftwerken aus Frankreich. Allein das Kohlekraftwerk im deutschen Neurath, so hatte Waldmeyer schon früher hochgerechnet, produziert zehnmal mehr CO2 als der gesamte Schweizer Luftverkehr (Basis: Zeitalter vor Corona).

Bettina Honegger, Waldmeyers Nachbarin, ist der Typ, dem man am Gartenzaun möglichst ausweichen sollte. Leider lässt sich ein Aufeinandertreffen im Raum der Garageneinfahrten manchmal nicht verhindern. Gestern zeigte sie stolz auf ihren neuen Elektro-Golf: „Isch voll elektrisch, weisch!“ Und sie erklärte Waldmeyer, dass wir doch etwas tun müssen. Wegen der Luft, und überhaupt. 

Waldmeyer überlegte kurz, ob er ihr ein „du tötest damit aber Kinder im Kongo, weisch!“ entgegenschleudern sollte. Oder etwas feiner: „Ich meinerseits unterstütze ein Kinderhilfswerk im Kongo, weisch.“ 

Waldmeyer überlegte auch, ob er Bettina die neuesten Erkenntnisse in Sachen Gesamt-CO2-Bilanz eines Fahrzeuglebens näherbringen sollte: Dass ein Elektro-Golf nämlich einem modernen Diesel-Golf unterlegen ist. Der Stromer erreicht ein Break-even in Sachen CO2, über den gesamten Lebenszyklus gemessen, erst nach rund 200‘000 Kilometern – vorher ist der Verbrenner-Golf sauberer. Erst nach dieser hohen Fahrleistung, wenn ein Fahrzeug bei uns also bereits aussortiert und im besten Fall noch in die Ukraine exportiert wird, fällt die Gesamtrechnung leicht zugunsten des Elektrofahrzeuges aus. 

Doch zurück zu Bettina. Kommunikationsmässig entschied sich Waldmeyer nun anders. Bettina hätte seine ökologischen und ökonomischen Überlegungen so oder so nicht verstanden. Andererseits war Bettina, übrigens strenge Veganerin und fundamentalistische Impfgegnerin, immer für alle möglichen und unmöglichen Verschwörungstheorien zu haben. Sie war zum Bespiel überzeugt, dass man mit Covid-19 nun dreimal gechipt wird: das erste Mal beim Maskentragen (denn Masken enthalten einen Chip zur Geo-Ortung, damit „die“ künftig genau wissen, wann wir wo sind). Das zweite Mal beim PCR-Test, wenn ein Chip in die Nasennebenhöhlen eingesetzt wird. Das dritte Mal dann wird man bei der Impfung gechipt. Bettina war neuerdings auch davon überzeugt, dass man aufgrund der 5G-Antennen (welche ja die ganze Misere mit der Pandemie erst ausgelöst hatten), nun auch mit einem einfachen Smartphone, sofern man geimpft ist, 5G-Empfang erhält. Man muss sein Smartphone zu diesem Zweck nur flach auf die Haut am Oberarm halten: Bist du geimpft, hast du 5G-Empfang! Aber das verstärkt natürlich die Pandemie.

Waldmeyer überlegte also: Der ganze Hype um die Elektrifizierung des persönlichen Verkehrs in der Schweiz könnte also ebenso nur eine Verschwörung sein!?

„Bettina, du weisst, dass hinter der ganzen Klimadebatte nur Marxisten stecken? Sie möchten nämlich das Kapital so umverteilen, damit künftig jeder Büezer ein Einfamilienhaus hat. Zum Beispiel auch ein*e Securitas-Mitarbeiter*in (Waldmeyer tippte sich beim Stern* jeweils genderkonform kurz an die Nase). Denn nur mit einer solchen Umverteilung hat jeder auch eine Solaranlage auf dem Dach, und nur so kann jeder genügend saubere Energie produzieren. Die erzwungene CO2-Reduktion mit einer sauberen Luftsäule genau über der Schweiz ist nämlich nur eine Vorbereitung für den bewaffneten Klassenkampf!“

Bettina war verwirrt, und Waldmeyer war zufrieden mit seinem neuen Ansatz. Er setzte sich in seinen Porsche Cayenne (schwarz, innen auch), drehte den Zündungsschlüssel und lauschte dem angenehmen Blubbern des V8-Motors. Aber plötzlich ärgerte er sich, dass er nun doch ein schlechtes Gewissen hatte. Nicht wegen Bettina, sondern wegen dem V8.