Waldmeyer macht auf LGBTQ* (Fortsetzung)

Oder: Warum Waldmeyer Hellgelb patentieren lassen möchte

Wer seine Firma nicht in Farben hüllt, ist sexistisch. Wenn grosse Unternehmen, vorab aus dem Konsumgüterbereich, sich nicht proaktiv als genderfreundlich outen, gelten sie als genderfeindlich. Also schalten sie Anzeigen, hissen Regenbogenfahnen oder beleuchten ihre Firmenfassaden in bunten Farben. Sie machen das selbstredend nicht freiwillig, nicht aus Überzeugung. Es ist nur eine neue passive Ausprägung des Marketings. Vielleicht könnte auch Waldmeyer selbst aus dem ganzen Gender-Trend ökonomischen Profit schlagen?

Mitunter ist es nur die nackte Angst, Marktanteile aufgrund einer möglicherweise nicht genderfreundlich wahrgenommenen Denke zu verlieren. Also macht man auf Regenbogen. Man beleuchtet die Firmenfassade in den Genderfarben oder koloriert vorübergehend das eigene Logo. „Ja, keine Angst, wir sind auch dabei! Ihr dürft weiter konsumieren bei uns!“ Eine geniale Message? Ob man damit wirklich den Markt der LGBTQ-Individuen erreichen möchte? Waldmeyer vermutet eher, dass die Firmen nur die Hose voll haben und befürchten, irgendetwas oder irgendwo an Ansehen zu verlieren, wenn sie nicht mitmachen. Es geht also nicht um den Markt der tatsächlichen non-binären Gemeinde, sondern nur um das Image bei Gender-Sympathisanten, welches, falls regenbogenlos, leiden könnte.

Ist der Trend nur eine Wohlstandsverwahrlosung?

Waldmeyer überlegte sich, ob diese „Vergenderisierung“ nur eine weitere Ausprägung unserer Wohlstandsverwahrlosung ist. Bei allem Recht für die Anliegen der LGBTQ-Gemeinde: Haben wir tatsächlich keine anderen, vielleicht fundamentaleren Probleme in unserer Gesellschaft? 

«Mohren» sind jetzt verboten, BLM andererseits muss uns zwingend betreffen, obwohl wir in der Schweiz kaum je von vergleichbaren Problemen in Sachen Rassendiskriminierung betroffen waren. Die „Zehn kleinen Negerlein“ dürfen nicht mehr verkauft werden, sie sind vermutlich nur noch im Darknet erhältlich. Und jetzt LGBTQ* als ein plötzliches und allgegenwärtiges Thema.

Gewisse Themen werden in gewissen Kreisen offenbar subjektiv als sehr dramatisch wahrgenommen. Die Beschäftigung mit sich selbst scheint zu überragen, bestenfalls unter Einbezug der unmittelbaren Umwelt (z.B. auch die Beschäftigung mit Fahrradwegen). Während die Chinesen die Seidenstrasse bauen, bauen wir eben Fahrradwege. Ja, jeder macht halt, was er kann. 

Auf jeden Fall ist das Genderthema zurzeit nicht aufzuhalten. Um ja keine Fehler zu begehen, so fiel Waldmeyer plötzlich ein, sollten vielleicht nur noch geschlechtsneutrale Vornamen vergeben werden: Andrea, Alex, Robin oder Mika. Da könnte man nichts falsch machen, falls der/die/das Kind später in irgendeine Richtung geht.

LGBTQ*: Die Aussprache ist das Schwierigste an allem

Die Aussprache des Begriffes ist zweifelsohne schwierig. Nur schon aufgrund des Sterns. (Wie wir wissen, behilft sich Waldmeyer bei der Aussprache des Sterns mit einem kurzen Antippen der Nasenspitze). Aber den Stern braucht es, um auch wirklich alle, die sonst nicht erfasst würden, einzuschliessen. Also nicht nur Lesbians, Gays, Bisexuals, Transgenders, Intersexuals, Queers. Eben auch noch die vielen anderen – die mit dem Stern halt. So weit, so schwierig, den Überblick zu behalten.

Dagegen Ist die physische Intersexualität viel besser überblickbar, davon sind allerdings nur etwa 0.2% der Bevölkerung betroffen (welche weder richtig Mann noch Frau sind). Und für Waldmeyer ist es keine Frage, dass diese Menschen ein volles Integrationsrecht in unserer Gesellschaft verdienen. Schwieriger wird es, wenn sich die Menschen – mit psychischer Intersexualität – im Geist irgendwo dazwischen definieren, als Transgender eben oder Non-Binäre. Natürlich soll es auch für sie einen normalen Platz in unserer Gesellschaft geben. Aber braucht es dafür diesen Hype um das Thema?

Aufgeklärte Bürger nennen heute, vereinfacht, drei Geschlechter: männlich, weiblich, divers. So far, so good. Waldmeyer sieht sich übrigens als männlich. Aber Facebook zählt 60 soziale Geschlechter auf! Von androgyn über geschlechtslos zu butch etwa oder trans. Da gibt es ganz feine Nuancen, fluide Geschlechteridentitäten. Das wird in vielen Kreisen durchaus auch als cool betrachtet.

Waldmeyer war verwirrt. Er betrachtete sich bisher als vollkommen maskulin – und damit als binär. Zwischen fünf und sieben Prozent der Bevölkerung sieht sich indessen anders, eben LGBTQ*, sozial gesehen irgendwo zwischen männlich und weiblich orientiert. Könnte es etwa sein, dass Waldmeyer auch nicht ganz binär ist? Weil es eine Nuance von etwas geben könnte, welche (ein klitzekleines Bisschen nur) eine Abweichung von „männlich“ ergeben könnte? Also nur eine Fraktion von etwas Non-Binärem, so beispielsweise eins bis zwei Prozent. So wenig nämlich, dass Waldmeyer das bisher gar nicht wissen konnte? Die LGBGT+AB-cde-XXX Bewegung könnte vielleicht manch einen Bürger (ja, auch Bürgerinnen…) zu neuen persönlichen und ganz intimen Reflektionen führen. Waldmeyer schüttelte den Gedanken sofort wieder ab und versuchte, sich den ökonomischen Ausprägungen der Genderbewegung zuzuwenden. Eigentlich war ihm das Genderthema ohnehin ein bisschen egal, denn als liberal denkender Mensch gestand er jedem Individuum so oder so zu, so zu sein, wie es sich fühlt. 

Non-Binäre tragen Hellgelb

Waldmeyer, soweit mikro-ökonomisch gestählt, machte sich nun Gedanken darüber, wie man wirtschaftlich von all der Genderei profitieren könnte. Die grossen Firmen profitieren ja auch – also müsste es vielleicht ein persönliches neues Geschäftsmodell geben, um hier mitzumachen? Waldmeyer wurde in seinem singulären Brainstorming jäh von Charlotte unterbrochen: 

„Max, was bringen wir am Samstag für Andrea mit, dem Baby von Irmgard und Sven? Einen Pyjama? Aber hellblau oder rosa? Wir sollten keine Fehler machen!“
Waldmeyer reflektierte erst. Charlotte hatte recht. Man darf das Risiko einer frühzeitigen Zwangs-Sozialisierung nicht eingehen. Deshalb auch das Kind. Das Baby. Aber blöd: Der Boy, aber das Mädchen. Anstatt die Mädchen. Die weibliche Form wird also nur geduldet, wenn Mädchen im Schwarm auftreten. Aber noch viel erstaunlicher, da neuzeitlich: warum das und nicht die Girl? Die Girls sind also auch nur im Pulk weiblich? 

Vieles scheint da ungerecht zu sein. Man müsste mit der Geschlechterzuweisung auf jeden Fall warten bis zur Adoleszenz. Oder zumindest bis zur Fahrprüfung. Dann entscheidet das Kind. Vorher sollte es als Neutrum behandelt werden. Die Namensgebung „Andrea“ war in diesem Sinne also sehr umsichtig!

Waldmeyer hatte nun plötzlich eine Eingebung: „Der Pyjama für Andrea muss zwingend hellgelb sein!“ Charlotte überlegte und dachte an die Druckerpatronen: rot, blau, gelb. Oder eben rosa, hellblau, hellgelb! Eigentlich ganz logisch.

Waldmeyer war in Gedanken bereits bei einem Geschäftsmodell: Man sollte die Farbe Hellgelb marketingmässig besser erschliessen. Non-Binäre tragen ab sofort Hellgelb! Sie wissen es nur noch nicht.

„Charlotte, glaubst du, man kann Hellgelb patentieren lassen?“
Charlotte antwortete, wie so oft, nicht – was Waldmeyer auch nicht weiter störte. Auf jeden Fall freute er sich auf den Besuch bei das Andrea. Der ist das herzige Wesen, die mit dem hellgelben Pyjama.