Waldmeyer studiert die Aussteigerorte

Waldmeyer ist kein „Aussteiger“. Aber dennoch, man könnte ja damit kokettieren, einer zu sein. Er überlegte sich nämlich, ob extrem niedrige Lebenshaltungskosten vielleicht doch noch zu einem cleveren Entwurf eines Aussteiger-Konzeptes verleiten könnten. 

Der Gedankengang, nicht mit Charlotte abgesprochen, sieht Waldmeyer einfach als Notfallplanung. Zum Beispiel, wenn er sein ganzes Vermögen an der Börse verspielt hätte. Aber es sollte dann nicht irgendein Land sein – bei der Auswahl der Orte müsste nämlich eine gewisse Systematik mitspielen.

Das mit dem Albanien-Tipp kürzlich für seinen Sohn Noa war natürlich ein Flopp. Noa würde nie nach Albanien ziehen, nicht einmal wegen seiner albanischen Freundin Bekime (zumal Bekime offenbar doch eher als friend with benefit klassifiziert wurde). 

Die Gedankengänge betreffend „Auswandern“ hatten aber einen gewissen Reiz und brachten Waldmeyer auf die Idee, das nun ein bisschen für sich selbst durchzuspielen. Als vorbehaltene Entschlüsse quasi, als contingency plan –so, wie er das früher als CEO immer gemacht hatte. Waldmeyer könnte also so tun, als ob er „austeigen“ möchte, obwohl er gar nicht richtig wollte, um so, nur virtuell, Optionen zu prüfen.

In der sozialen Aussenwahrnehmung ist es heute ohnehin nicht mehr cool, Unternehmer zu sein. Schon gar nicht Ex-Unternehmer. Da stehen andere Berufs- und Lebensentwürfe viel höher im Kurs. So wäre es sicher angesehener, sich als Influencer oder Blogger an einem angesagten Ort zu betätigen (in Chang Mai beispielsweise?), oder sich als Digitaler Nomade zu profilieren (vorübergehend beispielsweise in Bogotá). Man könnte auch  Philanthrop werden oder Schauspieler – oder sich als Gründer einer Kryptowährung profilieren (siehe Waldmeyer lanciert seine Kryptowährung, 20.12.2020). Oder, ein brandaktueller Ansatz und letztlich ganz simpel: normal aussteigen und ein bedingungsloses Grundeinkommen beziehen. Immer noch besser, als einfach zuhause zu bleiben, sich den Körper tätowieren zu lassen und sich verbissen eine coolere Identität zuzulegen. 

„Aussteigen“, so Waldmeyers Wahrnehmung, verbindet man mit „richtig weg“, „günstig leben“ und „nichts tun“. Dies einmal abgesehen von merkwürdigen Selbstfindungsansätzen. Also müssten die möglichen Zielländer unter diesen Prämissen analysiert werden. Das Wichtigste dabei: Lower the Cost of Living. Denn richtig Aussteigen geht nicht, ohne die Lebenshaltungskosten drastisch runterzubringen.

Nun zur Systematik: Wenn wir Zürich als Benchmark nehmen (Lebenshaltungskosten in USD Index 100, also 100 Punkte) sollten wir demzufolge untersuchen, in welchen Ländern diese Punktzahlen richtig runterkommen. Hier eignen sich, ganz in der Nähe, eindeutig Kroatien (Index 39, also 39 Punkte) oder Griechenland (45 Punkte), notfalls die Türkei (30 Punkte) – vor allem im Wissen darum, dass an peripheren Orten in diesen Ländern, also nicht in den Citys, das Leben nochmals deutlich günstiger sein wird. 

Oder doch etwas weiter weg? Mauritius (40 Punkte) sowie viele Länder in Südamerika oder Fernost könnten sich hervorragend eignen. Die Statistik der Lebenshaltungskosten könnte Waldmeyer automatisch zu den richtigen Zielen führen. Man müsste die Zahlen nur mit Zürich vergleichen, dann würde es einem wie Schuppen von den Augen fallen.

Vereinfachend kommt nämlich hinzu, dass es eigentlich an allen Orten weltweit günstiger ist als in der Schweiz! In der Tat: Sogar in Singapur oder in Miami wären die normalen Lebenshaltungskosten tiefer als in Zürich! Zum Aussteigen eignen sich allerdings nur Orte, die wirklich günstig sind. Südspanien (39 Punkte) bietet sich tatsächlich als eine der naheliegendsten Destinationen an. Oder irgendeine griechische Insel (die günstigsten liegen bei 37 Punkten), für Mutigere dann Bali (36 Punkte) oder Thailand (ebenso 36 Punkte). Sensationell günstig wären, wenn auch etwas peripher gelegen, die Azoren (36 Punkte).

Zum Aussteigen gehört indessen auch ein gutes Klima, denn sonst lässt sich das Rumfläzen nur unbefriedigend umsetzen. Gewisse Länder fallen deshalb sicher gleich weg. Bolivien zum Beispiel (28 Punkte), oder Kasachstan (obwohl wirklich sehr günstig mit 26 Punkten). Dann doch lieber noch Casablanca (34 Punkte). Humphrey Bogart wusste wahrscheinlich sehr genau, warum. Damals.

Für die zweite Stufe einer Notfallplanung müsste Waldmeyer wohl die Liste mit den angenehmen Orten verlassen. Es wäre sozusagen die „Nuklearoption“, sollte er wirklich völlig abgebrannt dastehen und es nochmals einen Quantensprung günstiger sein müsste. Waldmeyer könnte vorerst nach Albanien ziehen (nur 18 Punkte!). Also doch wieder dieses seltsame Albanien? Der Sache müsste man vielleicht trotzdem nochmals nachgehen.

Für ein Worst-Case-Szenario müsste allerdings Rawalpindi in Pakistan gewählt werden (11.5 Punkte); Waldmeyers Kosten würden sich auf einem rekordverdächtigen, vernachlässigbaren Bruchteil seiner heutigen Ausgaben bewegen. Selbst mit der minimalen staatlichen Schweizer Rente, der AHV, liesse sich hier – vor allem im Vergleich zum lokalen Umfeld – in Saus und Braus leben.

Bruno Spirig, Waldmeyers etwas windiger Cousin, hatte sich aus diesen Gründen ja nach El Hierro verzogen, auf diese kanarische Mini-Insel, mitsamt seinen erschlichenen Corona-Krediten (vgl. Waldmeyer-Rapport vom 11. Mai 2020). El Hierro hat nur 33 Punkte. Bruno war schon immer ein cleverer Kerl.

„Also Rawalpindi kommt trotzdem nicht in Frage“, murmelte Waldmeyer gedankenversunken zum anderen Ende des Livings, zu Charlotte, rüber. Charlotte antwortete so, wie sie oft zu antworten pflegt: einfach gar nicht.

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