Diesen Herbst stehen Wahlen an in Deutschland. Es gibt die nicht ganz unrealistisch Variante, dass die derzeitige flügellahme Koalition abgewählt und tatsächlich eine Grün-Rot-Rote Mehrheit ans Ruder kommt.
Die Linke (also die Dunkelroten) sieht in ihrem Programm gar vor, erst einmal richtig bei den Vermögenssteuern anzusetzen. Laut Plan sollen 10% auf höheren Vermögen einmalig abgeliefert werden, anschliessend sollen es nochmals 5% Vermögenssteuern sein – jährlich. Kapital soll also, indirekt via Staat, neu verteilt werden. Karl Marx würde aufwiehern for Freude im Grab! Droht hier demnächst eine gesellschaftspolitische Zeitbombe zu explodieren?
Waldmeyer überlegte sich, was er tun würde, wenn er jetzt Deutscher wäre und in Deutschland leben würde.
Max Waldmeyer wäre also z.B. Axel Waldmeyer. Axel wäre ebenso Mitte 50, ein nicht mehr operativer Unternehmer, lebte an der Elbe in Hamburg, in einem schönen Haus. Er wäre quasi ein Klon des Schweizer Waldmeyers aus Meisterschwanden. Axel Waldmeyers Frau heisst übrigens Heike, und auch sie ist, wie Charlotte, Interior Designerin.
Die Aldi-Kassiererin in Lörrach verdient ziemlich genau die Hälfte ihrer Kollegin in Basel. Sie bezahlt jedoch kaum Steuern. 50% der deutschen Bürger (also der BürgerInnen oder Bürger*innen, oder vielleicht der Bürgerern?), bezahlt nämlich keine. Die andern müssen demzufolge etwas mehr abliefern. Auch Axel. Bald die Hälfte des BIP wird via Staat realisiert, und die Staatsverschuldung steigt rasant. Dennoch kann es sich das „reiche“ Deutschland leisten, so die Grün-Rot-Rote Politik-Phalanx, welche zurzeit zum Sprung in die deutsche Regierung ansetzt, jetzt noch einmal so richtig in die Staats-Schatulle zu greifen und Geld zu verteilen. Wegen Corona, und überhaupt. Bezahlt werden soll es ganz einfach mit neuen Schulden, aber auch mit einem weiteren Griff ins Portemonnaie der Vermögenden und Gutverdienenden.
Die Maximale Progression bei den Einkommenssteuern greift in Deutschland bereits bei 54‘000 Euro. Axel und auch Heike hatten nun während Jahren über die Hälfte ihrer Einkommen brav abgeliefert. Das war natürlich nie motivierend. Und dann dieser frivole Umgang der deutschen Regierung mit den Steuergeldern! Doch Axel Waldmeyer war nicht erst jetzt verstimmt. Ihn bedrückten seit einiger Zeit auch die deutschen Erbschaftssteuern von 19% (sogar für direkte Familienangehörige). Zwar gibt es einen Freibetrag vor 400‘000 Euro, aber wenn die Weitergabe eines KMUs ansteht, wird’s brenzlig. Wer soll denn die Erbschaftssteuer, und mit welchen Cashmitteln, bezahlen?
Sollten da Jürgen und Jutta (die Klons Max Waldmeyers Kinder Noa und Lara) nicht besser heute schon alternative Strategien schmieden? Bevor dieser neue brachiale Etatismus mit den bekannten Umverteilungstricks greift? Wenn sie Deutschland verlassen würden, wäre das quasi Mainstream: 200‘000 Deutsche pro Jahr tun es ebenso. Dabei handelt es sich selbstredend nicht um abgewiesene Asylbewerber, sondern um stinknormale Deutsche.
Axel Waldmeyer wusste: Reichtum macht nicht glücklich, Armut aber auch nicht. Es war nun einfach Zeit, vorzusorgen. Bevor die neue Politik ansetzt und die „Gesellschaft grundsätzlich umgekrempelt“ wird – so in etwa die Aussagen von Annalena, der Grünen, die mit dem Kanzleramt kokettiert. Diese hat allerdings noch nie ein richtiges Exekutivamt bekleidet. Sie müsste sich dann halt etwas einarbeiten, das Kanzleramt und die Bundesministerien beschäftigen indessen immerhin 18’000 Mitarbeiter. Das sind Konzernmassstäbe und etwa so viel wie bei der Swisscom, also auch etwas zu viel und zu ineffizient. Ob das nur gut geht…?
Deshalb fasste Axel nun einen Plan: die Flucht.
Vorerst beriet er sich noch mit Jochen Rubinstein, Axel Waldmeyers Freund und Steuerberater (Ende 50, gross und schlank, grüner Cord-Veston, Pferdeleder-Schuhe, randlose Brille). Rubinstein warnte: „Waldmeyer, so geht das nicht. Es ist nicht so einfach, den Wohnsitz ruckzuck ins Ausland zu verlegen. Als einigermassen gut verdienender Deutscher Bürger ist man leider ein bedauernswertes Opfer des fiskalischen Imperativs. In Deutschland gilt der Ansatz des „gewöhnlichen Aufenthaltes“, welcher die Betrachtung des Lebensmittelpunktes sogar übersteigt und die 182-Tage-Regel sofort aushebeln kann. Ausserdem kommen hier noch Aspekte einer ziemlich perfiden “Wegzugssteuer“ hinzu: So kann ein Deutscher Staatsbürger noch während den folgenden zehn Jahren nach seinem Wegzug in ein „Niedrigsteuerland“ für alle Einkünfte aus Deutschland zur Kasse gebeten werden. Als Niedrigsteuerland gilt eigentlich fast alles, denn es sind natürlich nicht nur die Bahamas gemeint. Die Behörden gehen von einem effektiv bezahlten Steuersatz von 22% und weniger aus, um als „niedrig“ zu gelten. Damit sind nicht nur die klassischen „Steueroasen“ betroffen, sondern auch einige Länder Europas, wie z.B. Zypern oder Bulgarien, Ungarn oder je nach Kanton auch die Schweiz.“
Ausserdem, was die Schweiz betrifft, meinte Rubinstein noch: „Willst du von der Steuerhölle ins Steuer-Fegefeuer?“
„Ich gehe sicher nicht nach Bulgarien“, seufzte Waldmeyer. „Ich melde mich einfach ab und versuche nichts mehr zu verdienen, so muss ich auch keine Steuern bezahlen.“
Rubinstein führte weiter aus, und Waldmeyer fasste für sich zusammen: Er müsste alle Brücken abbrechen, ansonsten der deutsche Fiskus ihn nie gehen lassen würde. Er müsste sein Unternehmen verkaufen und dabei eine Kapitalgewinnsteuer von 25% entrichten. Er müsste auch sein schönes Haus an der Spree verkaufen. Überschreibung an die Kinder zählt nicht, auch eine Vermietung an Dritte nicht.
Axel hatte nun verstanden: Er stand, nur schon kraft seines Seins, unter Generalverdacht, und die Lage wird sich nun noch zuspitzen. Die Gesellschaft, so die neue Politik, sollte nämlich grundsätzlich verändert werden. Das neue Modell würde (tatsächlich eine Idee einer ganzen Reihe von Linksaussen) einer „DDR, aber mit Internet“ entsprechen. Es sollen alle Verhältnisse umgeworfen werden. Das Primat des Staates sollte gelten, welcher eben nimmt und gibt. Aber dies würde nun, so Axel Waldmeyers Entscheid, ohne ihn stattfinden.
Rubinstein meinte noch, dass nun ein minutiöser Wegzugsplan her müsse. Er zitierte dabei Benjamin Franklin: If you fail to plan, you are planning to fail. Und er nuschelte noch etwas von „erweiterter beschränkter Steuerpflicht nach dem Wegzug“, von „Hinzurechnungssteuern“, „Oasenerlassen“ und „Fluchtsteuer“. Und die Jagdhütte müsse er, Axel, auch verkaufen.
Aber Waldmeyer wäre nicht Waldmeyer, oder Axel nicht Axel oder Max nicht Max oder Axel nicht Max, wenn er nicht einen Plan hätte: nämlich Malta! Axel könnte zum Digitalen Nomaden werden. Er würde heute schon alles liquidieren in Deutschland und sich offiziell in Malta anmelden. Dort eine nette Wohnung kaufen, eine steueroptimierte Firma errichten, über welche er ein bisschen financial engineering betreiben könnte. Ansonsten würde er aufs Meer schauen oder etwas reisen. Ganz vorsichtig würde er im Sommer ein paar Tage im Allgäu verbringen. Vielleicht unter einem falschen Namen in Hamburg ein paar Freunde besuchen. Ein ganz raffinierter Plan B also, nur jetzt schon umgesetzt.
Max Waldmeyer lief es kalt den Rücken runter, obwohl er vor seinem wärmenden Cheminée in Meisterschwanden sass und er Max und nicht Axel war. Das alles waren schlechte Aussichten. Aber eben: besser heute als morgen handeln.
Waldmeyer schaute traurig zu Charlotte rüber: „Heike, wie weit bist du mit dem Kofferpacken?“ Charlotte schaute Waldmeyer entgeistert an und verdrehte nur die Augen.