Waldmeyers Länderanalysen (Fortsetzung)

Oder das Geheimnis, wie man sich ein persönliches bedingungsloses Grundeinkommen sichert und gratis zum zweiten Wohnsitz kommt

Max Waldmeyer war schon immer von der Idee fasziniert, einen zweiten Lebensmittelpunkt zu errichten (2.LMP). Gleichzeitig faszinierte ihn auch die Idee des BGE (des bedingungslosen Grundeinkommens) – zumal z.B. im Zürcher Kantonsparlament diesbezüglich immer wieder heftig diskutiert wird. Pointiert links regierte Länder haben es auch schon eingeführt. Waldmeyer überlegte also, ob sich die beiden Themen, das heisst 2.LMP und BGE, eventuell elegant verbinden liessen: Könnte man den Ort eines Second Homes nämlich so wählen, dass dieser ihm gleichzeitig ein bedingungsloses Grundeinkommen sichern würde…? Die Lösung dieser Frage sah nach einer typischen Management-Aufgabe aus.

Waldmeyer hatte Charlotte versprochen, das mit der Suche nach einem Second Home nun systematisch an die Hand zu nehmen. Schon seit einiger Zeit spielten sie mit dem Gedanken, die Ferienwohnung im Tessin gegen ein richtiges zweites Zuhause – wo auch immer auf der Welt – einzutauschen. Allenfalls sogar mit einer Verlegung des formellen Wohnsitzes. Die Suche war anspruchsvoll. Doch Charlotte war gleichzeitig froh, Waldmeyer dergestalt beschäftigt zu wissen. Denn seit seinem Ausstieg aus der Firma neigte er zuweilen etwas zur Unterbeschäftigung.

Die Bedenken Charlottes waren indessen umsonst. Waldmeyer war äusserst absorbiert von allerlei Analysen. Die grosse finanzielle Bandbreite der Lebenshaltungskosten in den verschiedenen Ländern führte Waldmeyer beispielsweise zu einer zusätzlichen Idee: Sollte der zweite Lebensmittelpunkt in einem Niedrigkostenland definiert werden, so entstünde eine Ersparnis an Lebenshaltungskosten (ein „Agio“ sozusagen), welches im Kopf als plötzlich erlangtes Grundeinkommen definiert werden könnte. Natürlich als „persönliches bedingungsloses Grundeinkommen“, da selbstfinanziert. Immer mehr Leute kokettieren ja damit, von einem bedingungslosen Grundeinkommen zu leben – das ihnen selbstredend der Staat verschafft. Waldmeyer ging hingegen einen Schritt weiter, indem er sich dieses selber erschaffen wollte.

Ja, so könnte ein Second Home sozusagen zu einem „Arbitrage-Ort“ werden. Es ergab sich also dieser neue Aspekt, dass die am kostengünstigen neuen Ort mittels Ersparnissen virtuell „verdienten“ neuen Mittel mit den Mehrkosten für den doppelten Wohnsitz gegengerechnet werden könnten. Andererseits dürften allfällige Steuerersparnisse aufgrund des neuen, klug gewählten Domizils wieder subtrahiert werden. Und falls in der neuen Heimat nur einigermassen intelligent und langfristig in eine Immobilie investiert würde, könnte mit dem so gewonnenen Mehrwert die Bilanz nochmals zusätzlich aufgebessert werden. Alles klar?

Quintessenz: Ein zweiter Lebensmittelpunkt könnte durchaus gratis sein! Oder Waldmeyer könnte, anders ausgedrückt, mit einiger Raffinesse sein PBGE (persönliches bedingungsloses Grundeinkommen) erzielen, ganz individuell, ohne staatliche Beihilfe, indem er einen zweiten Wohnsitz wählt.

„Charlotte, wir sollten uns ein bedingungsloses Grundeinkommen schaffen!“, rief Waldmeyer ins Gym rüber.

„Max, konzentrier dich jetzt bitte auf die Länderanalysen, ja“, entgegnete Charlotte. „Wir kommen so nicht weiter!“ 

Ist Max Waldmeyer paranoid? (Teil1)

Oder wie Waldmeyer seine Strom-Autarkie plant

Der Normalzustand einer Gesellschaft war noch nie ein Zustand ohne Katastrophen. Im Gegenteil: Gerade die Abfolge von Katastrophen hat ihren Verlauf bestimmt! Gleich einer Perlenschnur haben sich Zufälle und unvorhersehbare Ereignisse aneinandergereiht und einen quasi schicksalshaften Verlauf ergeben. Das galt auch für Waldmeyers CV: Eine Verkettung von unendlich vielen Zufällen und Einzelentscheiden führte letztlich dazu, dass er gerade jetzt mit Charlotte in seiner Villa in Meisterschwanden sass und ins Kaminfeuer starrte. Den Pfad Waldmeyers Vergangenheit säumten zwar nicht so viele Katastrophen. Hervorzuheben wäre eventuell noch sein Tsunami-Erlebnis 2004 auf den Malediven (vgl. den Waldmeyer-Bericht vom 27.12.2020). Oder dieser Junkie mit dem Messer in Windhoek (Namibia 2015). Oder eben diese blöde Pandemie jetzt. Fast schlimmer noch hätte kürzlich erst der 8. Januar 2021 sein können. Doch dazu später.

Katastrophen haben bestimmte Eintretens-Wahrscheinlichkeiten. Sie reichen von fast nie (z.B. einem Meteoriteneinschlag) zu ziemlich sicher (z.B. eine Flut oder ein Sturm). Man kann die Verteilung dieser Eintretens-Wahrscheinlichkeiten als Gauss’sche Verteilung sehen: links der Glocke fast nie, in der Mitte die vermutlichen, rechts die ziemlich sicher eintretenden Ereignisse. Die links können wir quasi ausser Acht lassen, die rechts kriegen wir einigermassen in den Griff (ein Hochwasser beispielsweise). Die in der Mitte sind die gemeinen: Wir wissen nicht wie sie eintreten, geschweige denn wo und wann. Das sind die echten Katastrophen. Vor allem das Wann bleibt Willkür.

Es handelt sich äusserst selten um die „Black Swans“, wie sie Nassim Taleb beschreibt, die unvorhersehbaren, überfallmässig und plötzlich eintretenden Ereignisse mit eruptiver Wirkung. Die Finanzkrise 2007/2008 beispielsweise war in diesem Ausmass von niemandem vorausgesehen worden. Die meisten grossen Katastrophen sind allerdings keine Black Swans – das war auch die Pandemie nicht. Weil sie nämlich vorauszusehen war und man sich vorbereiten konnte. Oder besser gesagt: Man sich hätte vorbereiten können.

Waldmeyer möchte gerne festhalten, dass der kein „Prepper“ ist. Er hält ja keine Notvorräte in Bunkern, hat kein geheimes Treibstofflager und auch keine umfassende Waffenausrüstung. Wenn die Welt nach einer Katastrophe wie bei „Mad Max“ aussehen würde, müsste man sich natürlich dennoch selber zu helfen wissen. Aber dazu man muss ja nicht gerade ein Prepper werden, sondern einfach nur in Szenarien denken und sich vorsehen.

Natürlich gibt es da eine beachtliche Anzahl von möglichen künftigen Katastrophen: Covid-27 beispielsweise, oder der Vesuv könnte ausbrechen. Ein Erdbeben ist auch nicht auszuschliessen, ebenso wenig eine böse Cyberattacke, der Ausfall des Internets, eine grosse Flut, eine Atomkatastrophe, ein Blackout, der Zusammenbruch des Finanzsystems. Oder gar ein Umsturz?

Ausklammern könnte Waldmeyer das Szenario eines Studienabbruchs seiner Tochter Lara (sie studiert Kunst in Basel). Die Eintretens-Wahrscheinlichkeit ist zwar hoch, aber es wäre eigentlich keine Katastrophe. Ausklammern könnte Waldmeyer auch eher unwahrscheinliche Vorgänge, eine grosse Feuersbrunst beispielsweise in Meisterschwanden. Oder einen Atomkrieg, zu dessen Anlass er in seinem Luftschutzbunker, welcher aufgeklärte Schweizer in der Regel schon längst zu einem Weinkeller umfunktioniert hatten, bis auf weiteres verharren müsste.

Was Waldmeyer jedoch aus seiner Auslegeordnung mit den vielen wahrscheinlichen Katastrophenszenarien lernt: Er muss nicht nur mental auf der Hut sein, sondern sich auch adäquat vorbereiten. (Waldmeyer hatte dazu speziell 13 Theoreme entworfen, die er nächstens zu veröffentlichen gedenkt – aber mehr dazu in einem andern Beitrag).

Vorab ging es Waldmeyer nun um das Durchdenken ganz praktischer Dinge. Waldmeyer unterteilt Katastrophen in solche, die entweder von etwas zu viel oder von etwas zu wenig mit sich bringen. Also beispielsweise zu viel Wasser. Oder zu wenig Treibstoff. Oder von irgendetwas zu wenig. Das „Zuwenige“, soweit es sich um Dinge mit Feststoffen handelt, könnte man natürlich elegant mit einem 3D-Drucker kompensieren: Man stellt einfach her, was fehlt. Doch das mit dem 3D-Drucker hatte ihm Charlotte bereits ausgeredet. „Weil Du es nie schaffen würdest, ihn zu bedienen“. Vielleicht hatte sie recht – allerdings hat die Idee eines 3D-Druckers ohne Zweifel seinen Reiz, denn im Krisenfall könnte man genau das herstellen, was es dann eben nicht mehr gibt, und Waldmeyer könnte so vielleicht ein neues Geschäftsmodell entwickeln.

Am 8. Januar 2021 schrammte Europa an einer Strommangellage mit einer hohen Blackout-Wahrscheinlichkeit vorbei. Wenn die Windräder stillstehen, die Sonne nicht scheint, die Atomkraftwerke in Frankreich etwas gar runtergefahren wurden und gleichzeitig irgendwo im Osten ein klassischer Versorgungsmangel oder ein grösserer Spannungsfehler auftritt, kann das europaweit vernetzte Stromnetz instabil werden. Dann sind die Blackouts da. Um ein Haar wäre es am 8. Januar dazu gekommen. Ein Krisenszenario, das der Bund tatsächlich noch grösser einschätzt als eine Pandemie – seit Jahren. „Aber wir wären ja autark, zumindest für ein paar Tage“, meinte Waldmeyer triumphierend zu Charlotte, „wir haben für fast alle Katastrophenarten vorgesorgt“.

„Und was machst du, wenn plötzlich ein Einbrecher im Schlafzimmer steht?“, meinte Charlotte. Stimmt, daran hatte Waldmeyer nicht gedacht. Das wäre vielleicht ein Vorgang, der sogar wahrscheinlicher wäre als ein Tsunami im Hallwilersee. Oder immerhin so wahrscheinlich wie eine Cyberattacke auf Waldmeyers PC. Oder eben eine Strommangellage.

„Stimmt, Charlotte, wir sollten unser Sicherheits-Dispositiv überarbeiten. Vielleicht müssen wir doch an Waffen denken. Gehen wir doch einmal alle Szenarien durch.“ „Ja, klar, Max. Aber bitte nicht mehr heute Abend, ja!“

Also richtete Waldmeyer seine Gedanken wieder in Richtung Blackout und analysierte die Idee einer eigenen Strom-Autarkie. Ein Blackout wird nämlich kommen, das schien Waldmeyer nun so sicher wie das Amen in der Kirche. Also soll er nur kommen! Nun müsste folgerichtig eine zünftige Solaranlage aufs Dach, auch ein starker Generator müsste her, plus ein grosser Stromspeicher. Vielleicht müsste Charlotte dann ihren Audi aus der Garage rausstellen. Die Batteriespeicher, welche wirklich ein paar Tage oder gar Wochen Autonomie garantieren, sind nämlich auch heute noch so gross wie ein Fahrzeug – und würden so einen Garagenplatz benötigen. Das Problem mit der Batteriegrösse hat selbst der Elon Musk noch nicht in den Griff bekommen, vielleicht auch, weil er sich etwas gar verzettelt mit seinen Plänen (so der Bevölkerung des Mars).

Als weitere Massnahme müsste selbstredend jemand Verdunkelungsvorhänge nähen. Für jeden Raum, wegen den Plünderern. Man stelle sich vor, wie nach ein paar Tagen Blackout brandschatzende Horden durch die Strassen ziehen und in der Nacht plötzlich irgendwo ein Licht sehen. Waldmeyers Licht, Gartenstrasse 4, Meisterschwanden. Das wäre eine zu offensichtliche Einladung. Waldmeyer nahm sich betreffend der Vorhänge vor, Alain anzurufen, den Dekorateur. 

Charlotte antwortet normalerweise nicht auf Waldmeyers seltsame Pläne. Doch diesmal machte sie eine Ausnahme, sie rollte nur die Augen und meinte, allerdings eher spöttisch: „Das Briefing mit Alain übernehme ich. Die Sache ist natürlich hoch-geheim, er darf absolut nichts erfahren. Ich werde ihm erklären, dass wir alle Räume so dunkel wollen, weil wir abwechselnd in allen Räumen schlafen wollen. Alain wird damit als Plünderer schon mal wegfallen.“

Zum Glück hatte Waldmeyer das mit der Garage und dem Audi nicht erwähnt.

Axel Waldmeyer flieht aus Deutschland

Diesen Herbst stehen Wahlen an in Deutschland. Es gibt die nicht ganz unrealistisch Variante, dass die derzeitige flügellahme Koalition abgewählt und tatsächlich eine Grün-Rot-Rote Mehrheit ans Ruder kommt.

Die Linke (also die Dunkelroten) sieht in ihrem Programm gar vor, erst einmal richtig bei den Vermögenssteuern anzusetzen. Laut Plan sollen 10% auf höheren Vermögen einmalig abgeliefert werden, anschliessend sollen es nochmals 5% Vermögenssteuern sein – jährlich. Kapital soll also, indirekt via Staat, neu verteilt werden. Karl Marx würde aufwiehern for Freude im Grab! Droht hier demnächst eine gesellschaftspolitische Zeitbombe zu explodieren?

Waldmeyer überlegte sich, was er tun würde, wenn er jetzt Deutscher wäre und in Deutschland leben würde.

Max Waldmeyer wäre also z.B. Axel Waldmeyer. Axel wäre ebenso Mitte 50, ein nicht mehr operativer Unternehmer, lebte an der Elbe in Hamburg, in einem schönen Haus. Er wäre quasi ein Klon des Schweizer Waldmeyers aus Meisterschwanden. Axel Waldmeyers Frau heisst übrigens Heike, und auch sie ist, wie Charlotte, Interior Designerin. 

Die Aldi-Kassiererin in Lörrach verdient ziemlich genau die Hälfte ihrer Kollegin in Basel. Sie bezahlt jedoch kaum Steuern. 50% der deutschen Bürger (also der BürgerInnen oder Bürger*innen, oder vielleicht der Bürgerern?), bezahlt nämlich keine. Die andern müssen demzufolge etwas mehr abliefern. Auch Axel. Bald die Hälfte des BIP wird via Staat realisiert, und die Staatsverschuldung steigt rasant. Dennoch kann es sich das „reiche“ Deutschland leisten, so die Grün-Rot-Rote Politik-Phalanx, welche zurzeit zum Sprung in die deutsche Regierung ansetzt, jetzt noch einmal so richtig in die Staats-Schatulle zu greifen und Geld zu verteilen. Wegen Corona, und überhaupt. Bezahlt werden soll es ganz einfach mit neuen Schulden, aber auch mit einem weiteren Griff ins Portemonnaie der Vermögenden und Gutverdienenden.

Die Maximale Progression bei den Einkommenssteuern greift in Deutschland bereits bei 54‘000 Euro. Axel und auch Heike hatten nun während Jahren über die Hälfte ihrer Einkommen brav abgeliefert. Das war natürlich nie motivierend. Und dann dieser frivole Umgang der deutschen Regierung mit den Steuergeldern! Doch Axel Waldmeyer war nicht erst jetzt verstimmt. Ihn bedrückten seit einiger Zeit auch die deutschen Erbschaftssteuern von 19% (sogar für direkte Familienangehörige). Zwar gibt es einen Freibetrag vor 400‘000 Euro, aber wenn die Weitergabe eines KMUs ansteht, wird’s brenzlig. Wer soll denn die Erbschaftssteuer, und mit welchen Cashmitteln, bezahlen?

Sollten da Jürgen und Jutta (die Klons Max Waldmeyers Kinder Noa und Lara) nicht besser heute schon alternative Strategien schmieden? Bevor dieser neue brachiale Etatismus mit den bekannten Umverteilungstricks greift? Wenn sie Deutschland verlassen würden, wäre das quasi Mainstream: 200‘000 Deutsche pro Jahr tun es ebenso. Dabei handelt es sich selbstredend nicht um abgewiesene Asylbewerber, sondern um stinknormale Deutsche.

Axel Waldmeyer wusste: Reichtum macht nicht glücklich, Armut aber auch nicht. Es war nun einfach Zeit, vorzusorgen. Bevor die neue Politik ansetzt und die „Gesellschaft grundsätzlich umgekrempelt“ wird – so in etwa die Aussagen von Annalena, der Grünen, die mit dem Kanzleramt kokettiert. Diese hat allerdings noch nie ein richtiges Exekutivamt bekleidet. Sie müsste sich dann halt etwas einarbeiten, das Kanzleramt und die Bundesministerien beschäftigen indessen immerhin 18’000 Mitarbeiter. Das sind Konzernmassstäbe und etwa so viel wie bei der Swisscom, also auch etwas zu viel und zu ineffizient. Ob das nur gut geht…?

Deshalb fasste Axel nun einen Plan: die Flucht. 

Vorerst beriet er sich noch mit Jochen Rubinstein, Axel Waldmeyers Freund und Steuerberater (Ende 50, gross und schlank, grüner Cord-Veston, Pferdeleder-Schuhe, randlose Brille). Rubinstein warnte: „Waldmeyer, so geht das nicht. Es ist nicht so einfach, den Wohnsitz ruckzuck ins Ausland zu verlegen. Als einigermassen gut verdienender Deutscher Bürger ist man leider ein bedauernswertes Opfer des fiskalischen Imperativs. In Deutschland gilt der Ansatz des „gewöhnlichen Aufenthaltes“, welcher die Betrachtung des Lebensmittelpunktes sogar übersteigt und die 182-Tage-Regel sofort aushebeln kann. Ausserdem kommen hier noch Aspekte einer ziemlich perfiden “Wegzugssteuer“ hinzu: So kann ein Deutscher Staatsbürger noch während den folgenden zehn Jahren nach seinem Wegzug in ein „Niedrigsteuerland“ für alle Einkünfte aus Deutschland zur Kasse gebeten werden. Als Niedrigsteuerland gilt eigentlich fast alles, denn es sind natürlich nicht nur die Bahamas gemeint. Die Behörden gehen von einem effektiv bezahlten Steuersatz von 22% und weniger aus, um als „niedrig“ zu gelten. Damit sind nicht nur die klassischen „Steueroasen“ betroffen, sondern auch einige Länder Europas, wie z.B. Zypern oder Bulgarien, Ungarn oder je nach Kanton auch die Schweiz.“

Ausserdem, was die Schweiz betrifft, meinte Rubinstein noch: „Willst du von der Steuerhölle ins Steuer-Fegefeuer?“

„Ich gehe sicher nicht nach Bulgarien“, seufzte Waldmeyer. „Ich melde mich einfach ab und versuche nichts mehr zu verdienen, so muss ich auch keine Steuern bezahlen.“

Rubinstein führte weiter aus, und Waldmeyer fasste für sich zusammen: Er müsste alle Brücken abbrechen, ansonsten der deutsche Fiskus ihn nie gehen lassen würde. Er müsste sein Unternehmen verkaufen und dabei eine Kapitalgewinnsteuer von 25% entrichten. Er müsste auch sein schönes Haus an der Spree verkaufen. Überschreibung an die Kinder zählt nicht, auch eine Vermietung an Dritte nicht. 

Axel hatte nun verstanden: Er stand, nur schon kraft seines Seins, unter Generalverdacht, und die Lage wird sich nun noch zuspitzen. Die Gesellschaft, so die neue Politik, sollte nämlich grundsätzlich verändert werden. Das neue Modell würde (tatsächlich eine Idee einer ganzen Reihe von Linksaussen) einer „DDR, aber mit Internet“ entsprechen. Es sollen alle Verhältnisse umgeworfen werden. Das Primat des Staates sollte gelten, welcher eben nimmt und gibt. Aber dies würde nun, so Axel Waldmeyers Entscheid, ohne ihn stattfinden.

Rubinstein meinte noch, dass nun ein minutiöser Wegzugsplan her müsse. Er zitierte dabei Benjamin Franklin: If you fail to plan, you are planning to fail. Und er nuschelte noch etwas von „erweiterter beschränkter Steuerpflicht nach dem Wegzug“, von „Hinzurechnungssteuern“, „Oasenerlassen“ und „Fluchtsteuer“. Und die Jagdhütte müsse er, Axel, auch verkaufen.

Aber Waldmeyer wäre nicht Waldmeyer, oder Axel nicht Axel oder Max nicht Max oder Axel nicht Max, wenn er nicht einen Plan hätte: nämlich Malta! Axel könnte zum Digitalen Nomaden werden. Er würde heute schon alles liquidieren in Deutschland und sich offiziell in Malta anmelden. Dort eine nette Wohnung kaufen, eine steueroptimierte Firma errichten, über welche er ein bisschen financial engineering betreiben könnte. Ansonsten würde er aufs Meer schauen oder etwas reisen. Ganz vorsichtig würde er im Sommer ein paar Tage im Allgäu verbringen. Vielleicht unter einem falschen Namen in Hamburg ein paar Freunde besuchen. Ein ganz raffinierter Plan B also, nur jetzt schon umgesetzt. 

Max Waldmeyer lief es kalt den Rücken runter, obwohl er vor seinem wärmenden Cheminée in Meisterschwanden sass und er Max und nicht Axel war. Das alles waren schlechte Aussichten. Aber eben: besser heute als morgen handeln.

Waldmeyer schaute traurig zu Charlotte rüber: „Heike, wie weit bist du mit dem Kofferpacken?“ Charlotte schaute Waldmeyer entgeistert an und verdrehte nur die Augen.

Waldmeyer studiert die Aussteigerorte

Waldmeyer ist kein „Aussteiger“. Aber dennoch, man könnte ja damit kokettieren, einer zu sein. Er überlegte sich nämlich, ob extrem niedrige Lebenshaltungskosten vielleicht doch noch zu einem cleveren Entwurf eines Aussteiger-Konzeptes verleiten könnten. 

Der Gedankengang, nicht mit Charlotte abgesprochen, sieht Waldmeyer einfach als Notfallplanung. Zum Beispiel, wenn er sein ganzes Vermögen an der Börse verspielt hätte. Aber es sollte dann nicht irgendein Land sein – bei der Auswahl der Orte müsste nämlich eine gewisse Systematik mitspielen.

Das mit dem Albanien-Tipp kürzlich für seinen Sohn Noa war natürlich ein Flopp. Noa würde nie nach Albanien ziehen, nicht einmal wegen seiner albanischen Freundin Bekime (zumal Bekime offenbar doch eher als friend with benefit klassifiziert wurde). 

Die Gedankengänge betreffend „Auswandern“ hatten aber einen gewissen Reiz und brachten Waldmeyer auf die Idee, das nun ein bisschen für sich selbst durchzuspielen. Als vorbehaltene Entschlüsse quasi, als contingency plan –so, wie er das früher als CEO immer gemacht hatte. Waldmeyer könnte also so tun, als ob er „austeigen“ möchte, obwohl er gar nicht richtig wollte, um so, nur virtuell, Optionen zu prüfen.

In der sozialen Aussenwahrnehmung ist es heute ohnehin nicht mehr cool, Unternehmer zu sein. Schon gar nicht Ex-Unternehmer. Da stehen andere Berufs- und Lebensentwürfe viel höher im Kurs. So wäre es sicher angesehener, sich als Influencer oder Blogger an einem angesagten Ort zu betätigen (in Chang Mai beispielsweise?), oder sich als Digitaler Nomade zu profilieren (vorübergehend beispielsweise in Bogotá). Man könnte auch  Philanthrop werden oder Schauspieler – oder sich als Gründer einer Kryptowährung profilieren (siehe Waldmeyer lanciert seine Kryptowährung, 20.12.2020). Oder, ein brandaktueller Ansatz und letztlich ganz simpel: normal aussteigen und ein bedingungsloses Grundeinkommen beziehen. Immer noch besser, als einfach zuhause zu bleiben, sich den Körper tätowieren zu lassen und sich verbissen eine coolere Identität zuzulegen. 

„Aussteigen“, so Waldmeyers Wahrnehmung, verbindet man mit „richtig weg“, „günstig leben“ und „nichts tun“. Dies einmal abgesehen von merkwürdigen Selbstfindungsansätzen. Also müssten die möglichen Zielländer unter diesen Prämissen analysiert werden. Das Wichtigste dabei: Lower the Cost of Living. Denn richtig Aussteigen geht nicht, ohne die Lebenshaltungskosten drastisch runterzubringen.

Nun zur Systematik: Wenn wir Zürich als Benchmark nehmen (Lebenshaltungskosten in USD Index 100, also 100 Punkte) sollten wir demzufolge untersuchen, in welchen Ländern diese Punktzahlen richtig runterkommen. Hier eignen sich, ganz in der Nähe, eindeutig Kroatien (Index 39, also 39 Punkte) oder Griechenland (45 Punkte), notfalls die Türkei (30 Punkte) – vor allem im Wissen darum, dass an peripheren Orten in diesen Ländern, also nicht in den Citys, das Leben nochmals deutlich günstiger sein wird. 

Oder doch etwas weiter weg? Mauritius (40 Punkte) sowie viele Länder in Südamerika oder Fernost könnten sich hervorragend eignen. Die Statistik der Lebenshaltungskosten könnte Waldmeyer automatisch zu den richtigen Zielen führen. Man müsste die Zahlen nur mit Zürich vergleichen, dann würde es einem wie Schuppen von den Augen fallen.

Vereinfachend kommt nämlich hinzu, dass es eigentlich an allen Orten weltweit günstiger ist als in der Schweiz! In der Tat: Sogar in Singapur oder in Miami wären die normalen Lebenshaltungskosten tiefer als in Zürich! Zum Aussteigen eignen sich allerdings nur Orte, die wirklich günstig sind. Südspanien (39 Punkte) bietet sich tatsächlich als eine der naheliegendsten Destinationen an. Oder irgendeine griechische Insel (die günstigsten liegen bei 37 Punkten), für Mutigere dann Bali (36 Punkte) oder Thailand (ebenso 36 Punkte). Sensationell günstig wären, wenn auch etwas peripher gelegen, die Azoren (36 Punkte).

Zum Aussteigen gehört indessen auch ein gutes Klima, denn sonst lässt sich das Rumfläzen nur unbefriedigend umsetzen. Gewisse Länder fallen deshalb sicher gleich weg. Bolivien zum Beispiel (28 Punkte), oder Kasachstan (obwohl wirklich sehr günstig mit 26 Punkten). Dann doch lieber noch Casablanca (34 Punkte). Humphrey Bogart wusste wahrscheinlich sehr genau, warum. Damals.

Für die zweite Stufe einer Notfallplanung müsste Waldmeyer wohl die Liste mit den angenehmen Orten verlassen. Es wäre sozusagen die „Nuklearoption“, sollte er wirklich völlig abgebrannt dastehen und es nochmals einen Quantensprung günstiger sein müsste. Waldmeyer könnte vorerst nach Albanien ziehen (nur 18 Punkte!). Also doch wieder dieses seltsame Albanien? Der Sache müsste man vielleicht trotzdem nochmals nachgehen.

Für ein Worst-Case-Szenario müsste allerdings Rawalpindi in Pakistan gewählt werden (11.5 Punkte); Waldmeyers Kosten würden sich auf einem rekordverdächtigen, vernachlässigbaren Bruchteil seiner heutigen Ausgaben bewegen. Selbst mit der minimalen staatlichen Schweizer Rente, der AHV, liesse sich hier – vor allem im Vergleich zum lokalen Umfeld – in Saus und Braus leben.

Bruno Spirig, Waldmeyers etwas windiger Cousin, hatte sich aus diesen Gründen ja nach El Hierro verzogen, auf diese kanarische Mini-Insel, mitsamt seinen erschlichenen Corona-Krediten (vgl. Waldmeyer-Rapport vom 11. Mai 2020). El Hierro hat nur 33 Punkte. Bruno war schon immer ein cleverer Kerl.

„Also Rawalpindi kommt trotzdem nicht in Frage“, murmelte Waldmeyer gedankenversunken zum anderen Ende des Livings, zu Charlotte, rüber. Charlotte antwortete so, wie sie oft zu antworten pflegt: einfach gar nicht.

Keine Waldmeyer-Glosse verpassen!

Ich melde mich für den Newsletter an und erhalte alle zwei Wochen per Email eine kurze Info.

Sie haben sich erfolgreich angemeldet

There was an error while trying to send your request. Please try again.

TRUE ECONOMICS will use the information you provide on this form to be in touch with you and to provide updates and marketing.