Waldmeyers wirres Energieszenario

Waldmeyer suchten in letzter Zeit nicht nur Albträume heim. Er hatte neuerdings auch ein Problem mit den Tagträumen. Genauer genommen handelte es sich um Gedankengänge, die ihm während seiner geliebten Siesta entglitten. (Die Siesta ist übrigens die einzige herausragende Erfindung der südlichen Länder, befand Waldmeyer.) Gestern zum Beispiel beschäftigte ihn ein neues Schreckensszenario: Wann würde man ihm das Autofahren verbieten…?

Schon heute ist es den Politikern eigentlich egal, dass eine Kuh pro Jahr ebenso viel CO2 ausstösst wie ein durchschnittliches Fahrzeug mit einer jährlichen Fahrleistung von 18‘000 Kilometern. Waldmeyer begann zu rechnen: Schweizer Rindviehbestand 1.5 Millionen, Personenfahrzeugbestand rund dreimal mehr. Also verdreckt allein das gehörnte Schweizer Vieh die Luft so stark wie ein Drittel der Fahrzeuge. Jetzt kommen aber noch 1.5 Millionen Schweine dazu, plus weitere Tiere, welche die Luft ebenso kontaminieren. Wieso dürfen die das…? 

Aber nicht genug: Korrekterweise muss man die CO2-Belastung hinzurechnen, welche die ganze ausländische Viehzucht verursacht, die durch die Fleisch-Belieferung in die Schweiz entsteht (Waldmeyer dachte z.B. an die Vorstufe des feinen Stücks Black Angus, das er manchmal auswählt). Waldmeyer schätzte, dass sich die CO2-Belastung des gesamten Schweizer Pkw-Bestandes mit dem CO2-Ausstoss der Viehbestände die Waage hält (inklusive dieses „grauen Viehbestandes“ im Ausland).

Nur: Rindviecher müssen keine Treibstoff- und andere -steuern abliefern, kriegen keine Bussen, finden immer Parkplätze – und dürfen eben unbehelligt Abgase produzieren. 

Es hätte nur eine Siesta werden sollen, aber Waldmeyer dämmerte nun in den tiefen Schlaf hinein, nahm seine letzten Gedanken jedoch mit in den Traum. Diese entwickelten sich zu einem Schreckensszenario in die Zukunft:

2023 wurde nämlich der Diesel gekillt. Wegen den Stickstoffwerten. Es half nichts, dass die modernen neuen Fahrzeuge nur noch einen Bruchteil an schädlichen Abgasen ausstiessen. Die Politik wollte es so. Oder die Demokratie. Oder beides.

Dann, 2024, wurden auch die klassischen Benziner massiv attackiert. Die vorgegebenen CO2-Werte wurden von den Behörden so tief angesetzt, dass diese unmöglich eingehalten werden konnten: Es waren nämlich Negativ-Werte. Das heisst, ein Fahrzeug müsste CO2 absorbieren, um noch eine Fahrbewilligung zu erhalten – ein rollender Wald quasi.

Inzwischen durfte man auch nicht mehr in die Stadt Zürich reinfahren. Alle Strassen waren bereits in Grünflächen konvertiert worden; sogar die Oberflächen von Baucontainern mussten begrünt, und die privaten Dachgärten mussten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Zürich war ein grosses, fröhliches und autofreies Kibbuz geworden.

2026 dann der Sturm auf die Hybridfahrzeuge. Die sind im normalen Fahrbetrieb ja auch nicht sauber. Und ihr produzierter Feinstaub entspricht dem der konventionellen Fahrzeuge. Sie wurden verboten. Notgedrungen stellten alle auf Elektrofahrzeuge um. Die Tragik hielt sich allerdings in Grenzen, da seit Covid-25 eh alle im Homeoffice sassen.

2029, August: Dunkelgrüne Kreise formierten plötzlich eine massive Opposition gegen Elektrofahrzeuge. Deren Strombezug, so entdeckten sie plötzlich, stamme ja noch zu einem grossen Teil aus dreckigen Kohle- und Atomkraftwerken aus dem Ausland. Das war nicht mehr vertretbar. Und  der Feinstaub ist auch sau-gefährlich. Und die seltenen Erden, die in den Vehikeln stecken, werden ziemlich schmutzig abgebaut. Und die Fahrzeuge sind schwierig zu entsorgen. Und überhaupt. Also wurden alle Elektrofahrzeuge mit ganz hohen Steuern belegt – als integrierender Teil des Programms „Energiewende 3.0“.

2031: Alle Oldtimer wurden von der Strasse genommen. Zwar waren die rund 60‘000 rollenden Kulturgüter in der Schweiz seit 2020 durchschnittlich nur je 790 km pro Jahr bewegt worden, und die ganze Oldtimerbranche erzielte eine jährliche Wirtschaftsleistung von fast einer Milliarde CHF p.a. Aber diese Argumente zählten nicht. Waldmeyer erschien im Traum kurz der Museumsdirektor des Schlosses Hallwyl: „Kein Problem, Waldmeyer, Sie dürfen Ihren Jaguar E bei uns ins Museum stellen! Bitte von Hand reinstossen und vorher alle Kraftstoffe ablassen.“ 

Die weiteren Ereignisse überschlugen sich. 2033: Der Individualverkehr wurde nun generell als schädlich betrachtet und weitgehend eingestellt. Der ÖV war dafür ab sofort für alle gratis. Waldmeyer ärgerte sich im Schlaf – doch, das geht –, dass Charlotte dies gar nicht so schlimm fand.

2035: Endlich funktionierte autonomes Fahren – einigermassen. Allerdings waren die dafür genutzten Fahrzeuge nicht mehr in privatem Besitz. Und es funktionierte nach wie vor nicht im Winter, wenn Schnee auf der Strasse lag. Wegen den Markierungen, die eben unter dem Schnee lagen. Aber endlich wurde die Sharing Economy nun auch zur Sharing Society.

2048 war das Ziel erreicht: Es gab überhaupt keinen privaten Individualverkehr mehr. Normale, mit fossiler Energie betriebene Fahrzeuge gab es nicht einmal mehr für kommunale Zwecke. Und alle Verkehrsmittel durften nur noch mit digitalen und in Bern im Büro von Sommarugas Nachfolger überwachten Spezialbewilligungen verkehren.

Die Speicherung von Energie war allerdings nach wie vor nicht gelöst: Während der Nacht und an sonnenarmen und windfreien Tagen, der „Dunkelflaute“ also, musste der Stromverbrauch drastisch rationiert werden. Die letzten Atomkraftwerke wurden bereits Mitte der 2040-Jahre abgeschaltet. Fossile Kraftwerke waren eh verboten, und individuelle Blockkraftwerke wurden schon viel früher nicht mehr erlaubt. Das private Verbrennen von Holz, Öl, Gas oder anderen Energieträgern wurde unter Strafe gestellt; mehrere Tausend Bürger verbüssten sogar hohe Gefängnisstrafen, viele sassen in Untersuchungshaft. Auch Waldmeyers Nachbar Freddy Honegger. Man hatte ihn beim Rasenmähen erwischt. Mit dem Elektrorasenmäher zwar, aber er konnte nicht nachweisen, dass der verbrauchte Strom auch gänzlich aus erneuerbarer Energie produziert wurde.

Waldmeyer liess seinen Blick – im Traum natürlich – über die Dächer schweifen: Eigentlich sah er gar keine Dächer mehr, sondern nur noch Sonnenkollektoren, welche allerdings nicht nur die Hausdächer, sondern alle gegen einigermassen gegen die Sonne gerichteten Flächen überzogen. Also auch Fassaden, auch brache Flächen. Und auch eine Fahrspur der Kantonsstrasse (die andere Fahrspur war bereits seit 2039 Grünfläche).

Teure und in der Produktion energieaufwendige Batteriespeicher standen in vielen Kellern. Private, gewerbliche und öffentliche Haushalte durften nur noch auf max. 19 Grad geheizt werden, das Kühlen von Räumen war nur noch Spitälern, Lagerhäusern und für Lebensmittel-Transporte erlaubt. Blasenentzündungen häuften sich.

Kann man im Traum philosophisch sein? Waldmeyer konnte. Er stellte fest, dass das Leben mit der staatlich verwalteten Energie zu einer neuen Sozialisierung und Ent-Individualisierung der Gesellschaft führte… Gleichzeitig entwickelte sich die Wirtschaft seit Jahren jedoch nur noch negativ und befeuerte soziale Probleme. Viele vermögende Personen hatten Europa und insbesondere die Schweiz verlassen, meistens nach Übersee.

Die Entwicklung liess sich nicht mehr stoppen. Die Viehhaltung übrigens wurde ab 2050 zur Gänze verboten; das BAG lieferte dafür unnütze Tofu-Rezepte. Aber es war zu spät: In dem viel gepriesenen Abendland war das Licht schon ausgegangen. Und Waldmeyer lag schon unter der Erde.Waldmeyer schrak plötzlich aus seinem Schlaf auf. Er torkelte zum Sideboard beim Hauseingang: Der Porsche-Schlüssel lag noch an seinem gewohnten Platz. Hallelujah, die Welt war doch noch in Ordnung.

Waldmeyer, die Swiss und der Werteverfall, auch önologisch

Waldmeyer sass in einem unbequemen und engen Sessel in der Swiss, ärgerte sich über die Auflösung des Mickymaus-Bildschirms, den unbrauchbaren Kopfhörer, die ungehobelten Nachbarn und dachte voraus, nämlich an das Ende der Swiss: Zum Beispiel 2022, nach dem endgültigen Grounding des maroden Carriers. Dann würde er vielleicht mit seinem Grossneffen Tim nach Basel Mulhouse fahren und dort die Flugzeuge anschauen. Der Bundesrat hätte, nach dem Niedergang der nationalen Airline (die allerdings schon lange den Deutschen gehörte), der Bevölkerung versprechen können, wenigstens auf einem Easyjet-Flieger ein kleines Schweizer Kreuz anzubringen. Deshalb auch, so stellte sich Waldmeyer weiter vor, diese Nostalgie-Reise mit Tim nach Mulhouse. Doch noch sind wir nicht soweit.

Waldmeyer beobachtete die Swiss-Misere schon länger. Bereits im Frühling 2020 las er bei True Economics, dass die Lage eigentlich hoffnungslos werden würde; die von der Swiss in Aussicht gestellten Erholungszahlen konnten nie und nimmer erreicht werden. Der damals von True Economics als äusserst pessimistisch prognostizierte Chart mit den Auslastungen für 2020 bis 2022 war im Nachhinein betrachtet sogar zu optimistisch. Der Bundesrat beging einen ordnungspolitischen Sündenfall und schickte eine Milliarde nach Berlin – de facto dem deutschen Staat, denn die Swiss gehört ja schon lange nicht mehr uns. Merkel und Scholz werden künftig als Copiloten bei der Muttergesellschaft Lufthansa im Cockpit sitzen. Die Eidgenossen subventionieren damit den deutschen Staat – eine hehre Haltung. Ähnliches passierte einzig 150 Jahre zuvor, als Helvetien aus purem Mitleid die französische Bourbaki-Armee unterstützte und ihr Asyl bot.

Waldmeyer ahnte nun, wie es demnach kommen würde: Die Auslastungszahlen der Swiss können sich nicht erholen, es wird kaum mehr Business und auch kaum mehr Langstrecke geflogen – und zwar längerfristig. Die stolze Airline mit dem Schweizer Kreuz, die gar nicht den Schweizern gehört, droht endgültig abzustürzen. Oder müsste sinnvollerweise eben vorher gegroundet werden.

Es könnte zuvor weiteres Ungemach drohen, so reflektierte Waldmeyer weiter in seinem unbequemen Gestühl im A330-300 der Swiss: Der digitale internationale Impfpass wird kommen. Aber das Schweizer Parlament und der Bundesrat werden der Swiss verbieten, Impfungen und digitale Impfpässe als Bedingungen für einen Flug festzulegen. Das werden zwar alle Airlines weltweit tun, könnte aber nicht für Flüge mit der Swiss gelten. Eine solche Diskriminierung wäre nämlich unhelvetisch, und ein digitaler Pass könnte die Persönlichkeitsrechte tangieren, und überhaupt. In der Folge würde selbstredend weitergeflogen, aber eben nicht mehr mit der Swiss.

Kann man überhaupt in die Zukunft „reflektieren“? Waldmeyer kann es. Er stellte sich vor, dass die Piloten, seit einem Jahr in Kurzarbeit, einfach weiter in Kurzarbeit bleiben würden, bis sie mindestens 60 sind. Sie könnten auch gar nicht fliegen, denn die Airline würde zum Beispiel am 2. Oktober 2021 endgültig grounden. Es wäre ein schönes Datum, nämlich haargenau 20 Jahre nach dem Swissair-Grounding. Die kranke Lufthansatochter wäre am Schluss nur noch ein fliegendes marodes Geldinstitut gewesen, und alle wären erlöst, wenn dieser Agonie ein Ende bereitet worden wäre. Der Bundesrat würde dann ab Oktober 2021 sofort mit Easy Jet verhandeln, damit wenigstens auf den paar wenigen Fliegern, die Basel anfliegen, das Schweizerkreuz angebracht werden könnte. Ja, und deshalb dann der Ausflug Waldmeyers mit Tim nach Basel-Mulhouse!

Waldmeyer überlegte weiter: Eine alternative Rettung des maroden Carriers könnte nur erfolgen, wenn die ganze Schweizer Bevölkerung – also wirklich alle, auch Kleinkinder und Corona-Geschädigte – sich mindestens zweimal pro Jahr ins Flugzeug setzen würden (weil die Ausländer zum Beispiel nicht mehr können oder dürfen oder wollen). Und dann, ja dann könnte das Ziel vielleicht erreicht werden. Das Ganze müsste 16 Millionen Mal stattfinden, so viel wie 2019 mit der Swiss geflogen wurde. Aber es dürfte nicht nur Mallorca angeflogen werden, sondern es müsste auch mal Singapur oder Sydney drin liegen. Und natürlich auch Business und First. Fazit: Ein Ding der Unmöglichkeit. Ein Flug ins sehr gewisse Ungewisse.

Waldmeyer flog heute auf seinem Trip in den Mittleren Osten nicht Business, sondern, aus ökonomischen Optimierungsgründen, nur Economy. Mit Schrecken musste er feststellen, dass sich die Rotweinauswahl auf einen Billigstwein aus Frankreich, mit sagenhaft tiefen 12.5 Volumenprozenten beschränkte. Das dünne Getränk unterbot damit sogar die Werte von ungeniessbaren Schweizer Landweinen, qualitätsmässig drängte sich ein Vergleich mit Weinen aus dem Tetrapack (für 99 Cent) aus französischen Supermärkten auf. Beschafft („sélectionné“) wird diese önologische Pfütze, laut Etikette, durch Coop. Offenbar gelingt es der international aufgestellten Airline nicht, ihre weltweite Weinbeschaffung direkt sicherzustellen. Das Plastikfläschchen mit 1,87 Deziliter wird von der Swiss wohl für unter einem Franken bei Herrn Loosli bei Coop eingekauft, und Coop wird den Fusel in Hektolitern für eine Fraktion des Preises organisiert haben.

Kurzum: Der Wein war ungeniessbar. Soweit jedoch keine Tragik. Tragisch indessen betrachtete Waldmeyer den Werteverfall bei der Airline. Also nicht nur den Kurszerfall der Aktie der Lufthansa, sondern auch die falsche Wertestrategie der Swiss, als selbsternannte „Premium Airline“. Dieser toxische Wein, ein „Mythique Pay d’oc“, der in einem Blindtest wohl kaum als Rebensaft erkannt würde, widerspiegelt leider diese Agonie des flügellahmen Kranichs mit dem Schweizerkreuz. Der Fusel wird quasi zur flüssigen Metapher, die uns nun nicht nur finanziell mit Direktzahlungen aus der Schweizer Bundeskasse quält, sondern neu auch önologisch.

„Wir müssen Goethe umschreiben, Charlotte“, meinte Waldmeyer zu seiner Frau auf dem engen Nebensitz. „Richtig sollte es heissen: Der Flug ist zu lange, um schlechten Wein zu trinken!“ „Goethe konnte noch nicht fliegen, Schatz“, erwiderte Charlotte wie immer schlagfertig. 

„Wer wohl den Fusel ausgesucht hat? Ich meine nicht bei Coop, den würde der Loosli nicht mal probieren. Sondern wer von den Verantwortlichen bei der Swiss?“ Charlotte hatte auch hier eine Antwort: „Das war wohl der Scholz, Max.“ 

Wir alle sind Waldmeyer

Oder warum sich Waldmeyer über die begrünten Container und andere absurde Sachen ärgert

Waldmeyer brauchte mehrere Wochen, um sich vom Ärger zu erholen und sich einen Reim auf die neuesten Pläne der rot-grünen Zürcher Stadtregierung zu machen. Diese verqueren Pläne sehen nämlich vor, bei öffentlichen Bauvorhaben die Oberseite der Container begrünen zu lassen. Also zwangszubegrünen. Vordergründig ganz amüsant, aber letztlich gar nicht so lustig, findet Waldmeyer.

Vor kurzem nur mussten wir den merkwürdigen Vorstoss des Zürcher Stadtparlaments zur Kenntnis nehmen: Private Dachgärten sollten künftig für die Öffentlichkeit geöffnet werden. Ein paar Wochen später nahmen wir mit Verwunderung den Initiativtext der Jusos zur Kenntnis, welche mit ihrer 99%-Initiative Kapitalertragssteuern von 150% vorsehen. Beides ziemlich bizarre Idee. Und, richtig: Beides sind Enteignungs-Vorstösse, und nicht einmal Karl Marx hätte sich solch schöne Umverteilungsideen des Kapitals erhofft. 

Und nun also die Container. Aber auch dies nur zum Allgemeinwohl: Die individuellen Luftsäulen über jedem Container (im Durchschnitt auf einer Fläche von 15 m2), welche den C02-Ausstoss, global gesehen, bestimmt markant reduzieren werden, sind eben ein positiver Beitrag gegen die Klimaerwärmung. Zudem soll so die lokale Biodiversität zu spürbar besserer Lebensqualität vor Ort führen. 

Allerdings, so die Vermutung Waldmeyers: Dieser raffinierte Containerplan könnte nur der Anfang sein. Was kommt als nächstes? Die Begrünung der Gehwege? Künftig müssten die Zürcher Banker also besseres Schuhwerk bereithalten, wenn sie durch die Sumpfwiesen die Bahnhofstrasse runterschlendern. Innert Kürze könnten auch die Strassen fallen: nur noch Acker,  geplegt durch neue Staatsdiener vielleicht in einer Dreifelder-Wirtschaft? Offroadfans hätten sich zu früh gefreut, denn das ginge natürlich mit einem kompletten Fahrverbot in der Innenstadt einher.

Auch Waldmeyers Porsche Cayenne (früher schwarz, innen auch) müsste in einer ersten Phase wohl mit einem begrünten Dach leben, in der zweiten dann aber ganz einfach stillgelegt werden. Anschliessend wären alle Hausdächer dran, dann die Menschen.

Die totale Begrünung also. Und deren Finanzierung? Kein Problem: Diese 99%-Initiative der Jusos wird es richten; deren Initiative sieht ja vor, das oberste Prozent nun massiv zu schröpfen, mit dieser 150% Kapitalertragssteuer. Vergessen dabei bleibt, dass dieses eine reiche Prozent der Bevölkerung blitzartig die Flucht antreten würde, und das Steuersubstrat des Staates würde implodieren. Das oberste Prozent schultert übrigens fast 25% des gesamten Steueraufkommens.

Zurück aber zu den begrünten Containern. Es ist schon bemerkenswert, mit welchen Problemen wir uns auseinandersetzen dürfen. In einer hochentwickelten Welt sublimieren sich quasi die echten Probleme, und es werden dann ziemlich einfältige oder sonst weltfremde und absurde Themen gewälzt.

Aber das mit den Containern könnte Waldmeyer vielleicht so was von egal sein. Er wohnt ja in Meisterschwanden! Waldmeyer blickte von seiner grossen Terrasse aus ins Grün Richtung See runter. Alles war grün, der Garten, die Gärten der Nachbarn, die Wiesen, manchmal auch der See. Das gegenüberliegende Ufer, zum Teil bewaldet, ebenso. Die Waldbestände erhöhen sich in der Schweiz übrigens jährlich um Dutzende von Quadratkilometer. Schön, dass sich die Zürcher Exekutivpolitiker mit dem nicht zufrieden geben und ein paar Dutzend Quadratmeter Grün zusätzlich vorschreiben. Waldmeyer überschug kurz: 1 Quadratkilometer hat 1 Million Quadratmeter; es gälte also rund 67‘000 Container zu begrünen, um das Schweizer Grüntotal nur um einen einzigen Quadratkilometer zu erhöhen. Es müssten also eine Menge Bauvorhaben in Zürich anstehen.

Die Rechnung war ja ganz amüsant, aber Waldmeyer ging es eigentlich um dieses Vorschreiben, um diese zunehmende und wenig zielführende Regeldichte, welche Ihm den Atem stockte. Und das mit den Containern, fiel ihm deshalb ein, dürfte ihm deshalb trotzdem nicht egal sein: Es besass nämlich UBS-Aktien. Es war kein guter Entscheid, vor 20 Jahren, als er sie bei CHF 40 als sichere Langfristanlage gekauft hatte (heute dümpeln sie bei jämmerlichen CHF 15 dahin). Und jetzt der Zusammenhang: Diese glücklose Begrünungs-Schlacht in Zürich verteuert nämlich die Ausschreibungen der Stadt, die Ausschreibungen verteuern die Ausgaben, was tendenziell zu schlechten Abschlüssen der Gemeinde führt – welche wiederum Einfluss auf die Steuerlast nehmen. Die UBS versteuert einen Teil ihrer Gewinne nämlich in der Stadt Zürich; damit reduzieren sich – wenn auch im Nanobereich – deren Gewinne, folglich behindert dies eine gute Kursentwicklung der UBS-Aktie. Mit jedem Container Begrünung verliert Waldmeyer also Geld!

Waldmeyer reflektierte weiter: Es hängt also alles zusammen. Es kann uns nicht gleich sein, wenn jeder Junkie künftig auf die privaten Dachgärten raufsteigen darf, weil diese der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen. Es darf uns nicht gleich sein, dass vermögende Bürger aufgrund absurder Steuerpläne die Flucht antreten oder wenn – ziemlich sinnlos – teure Begrünungsorgien gefeiert werden. Irgendwie kommt alles auf uns zurück. We all are family. Nein: We all are Waldmeyer.

„Wir sind alle Waldmeyer“, fasste Waldmeyer das Thema zusammen und platzierte so ein Statement gegenüber seiner Frau Charlotte. „Natürlich, ich musste damals deinen Namen annehmen“, antwortete Charlotte etwas mürrisch.

„Nun, es kommen jetzt noch 8.6 Millionen Schweizer hinzu“.

„Also einer reicht mir schon“, seufzte Charlotte.

Waldmeyer und die Prozentillusion

Oder warum Aufholen schwieriger ist als Verlieren

Die Passagierauslastung der Swiss lag letztes Jahr bei etwas über 30%; scharf gerechnet fehlen also 70%. Aber an reinem Flug-Umsatz und -Profit fehlten mehr, denn erstens konnte ein leidlich laufendes Frachtgeschäft das Bild etwas verschönern und zweitens fehlten die lukrativen Langstrecken sowie die fetten Margen der Businessflüge. Im klassischen Fluggeschäft gälte es, rund 80% Umsatzeinbruch aufzuholen. Das könnte jedoch in 4 Jahren, würden in Folge schöne 20%-Steigerungen hingelegt, kompensiert werden. Wirklich? Waldmeyer rechnete kurz nach: Richtigerweise würde es fast 9 Jahre mit kontinuierlichen 20%-Schritten brauchen, bis die flügellahme Airline das Ergebnis von 2019 übertroffen hätte. Waldmeyer war entsetzt – um ein Haar wäre er der Prozentillusion erlegen.

Die ganze Misere verhält sich eben so wie mit Waldmeyers UBS-Aktien. Vor dem Kaminfeuer sitzend, liess er (zum wiederholten Male) diese Bank-Agonie Revue passieren – bzw. versuchte, sein persönliches Investitions-Desaster zu verarbeiten: Einst als vorsichtige, langfristige Anlage bei CHF 40 gekauft (es mag vor gut 20 Jahren gewesen sein), überschritt die UBS-Aktie 2007 den Peak von CHF 70. Heute dümpelt sie bei rund CHF 15 rum. Also über 60% unter Einstand und fast 80% unter dem Allzeithoch. Und hier zeigt sich eben das bekannte Prozentdrama: Aufholen ist immer schwieriger als Verlieren. Eine theoretische Aufholjagd bis rauf wieder zu Waldmeyers Einstand würde ein Wachstum von 167% bedingen, zu schaffen zum Beispiel in 6 Jahren mit kontinuierlichen 20%-Sprüngen. Oder zurück zum Peak mit einer fetten 367%-Steigerung, zu schaffen vielleicht mit 20%-Sprüngen in fast 9 Jahren. 2030 etwa wäre es dann soweit. Good luck. Waldmeyer schenkte sich gleich etwas Cognac nach. Aber er rechnete weiter.

Das ganze Unterfangen schien sich durch eine gewisse Hoffnungslosigkeit auszuzeichnen. Vor allem, wenn sich dazwischen wieder mal ein kleiner Crash einordnen würde, zum Beispiel von 40%, der sich im folgenden Jahr nur mit einem Plus von 67% ausbügeln liesse. Aber eigentlich nur mit einem Gewaltssprung von 100%, um auf dem 20%-Pfad zurückzukehren.

Bei der CS Aktie, so rechnete Waldmeyer kurz durch, sieht es auch nicht besser aus: Der Peak wurde 2007 mit einem Kurs von fast CHF 90 erreicht, vor übrigens 20 Jahren stand die Aktie auch schon einmal dort. Heute, ein Jammer, liegt der Kurs bei rund CHF 10. Die virtuelle 20%-Aufholjagd würde tatsächlich bis 2033 dauern, müsste das Allzeithöchst wieder erreicht werden. Verlorene 30 Jahre wären dann zu verzeichnen. Aber das gilt natürlich nicht für alle: Das oberste Bankenkader konnte in diesem Zeitraum sehr schöne Millionen-Boni einstreichen. 

Die Deutsche Bank übrigens liegt im gleichen Fahrwasser wie die helvetischen Institute: Dort würde die Aufholjagd, nach Waldmeyers 20%-Muster, auch fast 12 Jahre dauern.

Mit der Swiss nun mag es ähnlich sein. Deren Aktienkurs – also der der Lufthansa, denn die Swiss gehört ja nicht mehr zu uns – stand schon mal bei 30 Euro, die Zahl 7 hatte sie auch schon gesehen, zurzeit werden 11 dafür bezahlt. Immer noch beachtlich, bei diesen Milliardenverlusten. 

Wenn Mutti Merkel und ihr SPD-Adlat Scholz, quasi als finanzielle Copiloten, nicht im Cockpit hocken würden, würde der Kurs wohl den Boden berühren. Waldmeyer hatte schon im März vor einem Jahr geraten, die Swiss, diesen Kranich mit dem Schweizerkreuz, zu grounden. Niemand wollte auf ihn hören.

Unabhängig von den mannigfaltigen Rentabilitätsproblemen gälte es heute bei der Swiss, die CHF Mia 1.85 Umsatz von 2020 wieder auf die Mia 5.1 von 2019 hochzubringen. Der Umsatzverlust von 80% im klassischen Passagiergeschäft könnte, wie eingangs von Waldmeyer berechnet, elegant mit 20%-Schritten in 9 Jahren wieder wettgemacht werden. Klar, vielleicht würde man noch 7 Jahre lang Verluste verzeichnen, bis ein Break-even wieder erreicht ist. Und, einverstanden, vielleicht könnte 2022 auch ein 30%-Plus drin liegen; aber dann später, auch im 9. Jahr, immer noch zweistellige Zuwachsraten hinzulegen, grenzt schon eher an Woodoo-Zauber.

Auf diesem sportlichen theoretischen Aufholpfad (nehmen wir uns Waldmeyers 20%-Schritte vor) dürfte es allerdings auch hier, wie bei den Banken, nie einen Unterbruch geben. Waldmeyer seufzte. Ein solcher Plan würde wohl zu einem Irrweg ins Nirwana verkommen. Leider vermutlich auch bei der UBS. Und bei der CS.

„Charlotte, die UBS sollten wir verkaufen, es ist hoffnungslos!“, meldete Waldmeyer zum andern Fauteuil vor dem Kamin rüber. „Ja, wer sollte denn so eine Bank kaufen?“, fragte Charlotte ratlos.

„Wir fragen den Scholz“, entgegnete Waldmeyer und schenkte sich nochmals Cognac nach.

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