Waldmeyers böser Corona-Traum 2024

Waldmeyer schrak schweissgebadet aus seinem Traum auf. Wieder so ein hässlicher Covid-Albtraum. Er schaute auf seinen Analogwecker (ein Geschenk von Charlotte, 1984) mit den grünen Leuchtziffern: 01:34.

Charlotte schlief tief. Waldmeyer trat nackt auf den Balkon, blickte auf die Skyline von Meisterschwanden runter und war erleichtert: Es brannten vereinzelt Lichter in den Häusern, die Strassenbeleuchtung funktionierte einwandfrei. Im Traum allerdings war das nicht so. Doch dazu später.

Dieser schmutzige Traum katapultierte Waldmeyer genau in die erste Juli-Woche 2024. Die Schweiz war – coronamässig – erst etwa gleich weit wie heute. Der Bundesrat fühlte sich für die Causa Covid nach wie vor nur partiell zuständig. Die Regierung schien weiter nur zu reagieren, anstatt zu agieren, und sie tat dies ziemlich irrlichternd und wenig datenbasiert. Die Inzidenzen lagen zwar relativ tief, aber die Fallzahlen gingen aufgrund des wirren regionalen Krisen-Managements lokal rauf und runter, mit ihnen allerlei Einschränkungen im Land. Die Kantone wurstelten sich weiter separat durch – und dies seit 2020. 

Das Ausland rundum hatte die Eidgenossenschaft bereits Ende 2021 klar überholt: Die konsequente Kontrolle der sanitären Auflagen, umfassendes Testen und Tracen sowie eine fast flächendeckende Durchimpfung hatten Früchte getragen. Lockdowns und dergleichen gehörten in ganz Europa der Vergangenheit an. Ausser in der Schweiz.

Die Schweiz gab sich vor allem Mühe, primär Warnungen und Verwarnungen auszusprechen. Die Corona-App funktionierte nach wie vor nicht richtig (die Preisgabe von privaten Daten war einfach zu gefährlich). Getestet wurde nur spärlich, es war zudem kompliziert und mit hohen privaten Kosten verbunden (den welthöchsten),  das Tracing glückte ebenfalls immer noch nicht, und mit dem Impfen kamen die Kantone auch nicht voran. Auch hatte man mangels professionellem Daten-Management immer noch nicht herausgefunden, wie sich dieses Virus übertrug. Ein Jammer.

Konsequenterweise wollte Helvetien auch nicht bei dem internationalen Projekt des Digitalen Impfpasses mitmachen – das heisst, es wollte schon, vielleicht, aber es brauchte Vernehmlassungen. Seit September 2021.

Am 4. Oktober 2021 hatte sich Waldmeyer übrigens impfen lassen. Er hatte den russischen Impfstoff gewählt. Das Datum war alles andere als ein Zufall: Auf den Tag genau vor 64 Jahren schossen nämlich die Russen Sputnik I in die Erdumlaufbahn, und jetzt schoss sich Waldmeyer eben dieses Sputnik V.

Aber zurück zum Schweizer Corona-Management: Seit 2021 waren immer mehr Test-Verweigerer auszumachen. Der Bundesrat hätte zwar eine nationale Testpflicht anordnen können, tat es jedoch nicht, und die kantonalen Behörden konnten sich so nicht durchsetzen. Erwähnenswert ist, dass sich Waldmeyers Schwester Claudia (frühpensionierte Lehrerin, SP, Kurzhaarfrisur, lustige farbige Brille) beim Fondue-Essen bei Waldmeyers noch an Weihnachten 2022 als Impfgegnerin geoutet hatte – und sie war nicht die einzige.

Die Restaurants waren – nun im Juli 2024 – immer noch zu, fast alle Läden auch. Sogar der Teppichladen – sicher ist sicher. Kurzfristig gingen ein paar Läden mal auf, damals im Frühjahr 2020, aber nicht für lange. Bundesrat Maurer (er wollte sein Mandat nochmals um ein Dezennium verlängern) verteilte inzwischen, zusehends zerknirscht, noch mehr Millionen, um alle durchzufüttern. Die Kurzarbeit wurde übrigens für alle auf vier Jahre erhöht. 

Für die Skistationen hatte man das bereits seit der Wintersaison 21/22 bewährte Verteilsystem gewählt: Das Wallis durfte die Saison von anfangs Dezember bis 15. Januar bestreiten, die Innerschweiz und Bern vom 16. Januar Mitternacht bis Ende Februar (da nur zu dieser Zeit dort richtig Schnee liegt), Graubünden dann vom 1. März um Mitternacht bis Saisonschluss. Das hatte den Vorteil, dass während den jeweils kurzen sechs Wochen regionaler Intensiv-Saison die Fallzahlen lokal schön ansteigen durften – bis zum Saisonabbruch, dann jeweils mit einer kantonalen Ganzquarantäne. Die nächste Region konnte dann wieder sauber mit tiefen Fallzahlen starten, bis zum Peak jeweils – und dann eben mit einem frühen Abbruch wieder enden. Ein genialer eidgenössischer Kompromiss, betriebswirtschaftlich zwar alles andere als sinnvoll, aber die Corona-Patienten konnten so doch fair auf alle Kantone verteilt werden. Und die Hotellerie und die Restaurants erhielten inzwischen während der Schliessungszeiten attraktive Subventionen. Die Engländer hatten dieses Saisonwechsel-Konzept natürlich sofort durchschaut und wechselten elegant die Skigebiete. Sie störten sich auch nicht an den Flüssignahrungs-Stationen, die nun an den Takeaways in den Skigebieten überall errichtet wurden – die britischen gastronomischen Ansprüche liessen dies problemlos zu, und mit einiger Übung konnte die Kraftnahrung einfach durch die Maske hindurchgeschlürft werden. Stehend natürlich und auf den Skiern, mit den Stöcken an den Händen (eine Vorschrift des BAG, um das Social Distancing für alle Ethnien gleichermassen aufrecht zu erhalten).

Im europäischen Ausland herrschte inzwischen wieder mehr oder weniger Normalbetrieb. Nur eben in der Schweiz immer noch nicht. Trotz mahnender Worte Bersets („Wir müssen einfach sehen, dass wir daran denken, Beschlüsse zu fassen…“). Aber die Kantone brachten die Fallzahlen einfach nicht dauerhaft auf 0,0 runter. Vergeblich wartete Simonetta Sommaruga immer noch auf diesen doch so oft beschworenen Ruck in der Bevölkerung, welcher das Virus wohl endgültig vertreiben sollte.

In einer Verzweiflungsaktion verordnete am 17. Mai 2024 Bundespräsidentin Karin Keller-Suter ein schweizweites „Ausgangsverbot“. Keine „Ausgangssperre“, das wäre zu weit gegangen. Also einfach „kein Ausgang“. Ab 20:00 bis 05:00 galt: Bleiben Sie zuhauseVorsichtshalber musste dann überall auch das Licht gelöscht werden.

Waldmeyer atmete tief durch auf dem Balkon. Er war erleichtert, dass Träume glücklicherweise fast nie wahr werden und genoss das Lichtermeer über Meisterschwanden. Er versuchte nun, den letzten Teil seines Traumes zu rekonstruieren: Sein Nachbar Freddy Honegger und Bettina (Anhängerin von allerlei Verschwörungstheorien) wollten nämlich übers Wochenende nach Kopenhagen. Dies trotz vieler Handicaps für Schweizer Reisende, welche inzwischen ziemlich geächtet waren. Im Vergleich zu den meisten Europäern verfügten Honeggers allerdings über keinen Digitalen Impfpass, deshalb mussten sie einen Covid-19-Test vorlegen – und zwar einen mit einer notariellen Beglaubigung. So eben auch bei der Ankunft in Kopenhagen. Sie wählten den Schalter „All Passports, except SCP“.

Bettina lächelte triumphierend, als sie ihren schönen roten Pass durch den schmalen Schlitz unter dem Glas durchschob. Der Grenzbeamte schrie laut auf und ging hinter dem Schalter in Deckung. Ein Deutscher Staatsbürger tippte Ursula von hinten auf die Schulter: „Können’se denn nich lesen? No SCP – keine Schweizer Covid Pässe!!!“

Und das war eben der Moment, als Waldmeyer aus den Schlaf aufschrak. „Max, wieso stehst du nackt auf dem Balkon und schaust zu Bettina Honegger rüber?“, hörte er plötzlich Charlotte aus dem Schlafzimmer rufen.Waldmeyer war plötzlich hellwach: „Schatz, ich kann dir alles erklären.“

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