Waldmeyer und sein Schlüsselerlebnis in Jogjakarta

Oder wie man mit mikroökonomischen Erlebnissen im Dschungel umgeht – wieder einmal eine wahre Waldmeyer-Geschichte

Max Waldmeyer blickte, vom Sofa aus, über den Hallwilersee. Oder starrte zumindest dorthin, wo dieser unter dem Nebel liegen sollte. Die Coronazeit brachte es mit sich, dass man nicht gross reisen kann. Aber zumindest lassen sich vergangene Reisen umso schöner Revue passieren. Waldmeyer erinnerte sich so an sein Dschungelerlebnis, es war 1998. „Jogjakarta war schon sehr beeindruckend“, meldete Waldmeyer zu Charlotte rüber. Indonesien ist im Moment ohnehin brandaktuell – wegen der Palmöl-Geschichte und so, ein für die Schweiz vermutlich überlebenswichtiger Staatsvertrag.

In der Tat hatte Waldmeyer im indonesischen Jogjakarta ein persönliches Schlüsselerlebnis. Subjektiv sogar viel prägender als dieses geplante indonesisch-schweizerische Mickymaus-Abkommen.

„Eigentlich wolltest du damals ja nur nach Bali“, meinte Charlotte überrascht. Das war richtig. Waldmeyer, zu jenem Zeitpunkt noch in einer delikaten CEO-Position, sehnte sich eigentlich nur nach ein bisschen Erholung. Also bot sich, zum Beispiel, Bali an. Flugbashing gab es damals, vor gut 20 Jahren, noch keines und Pandemien waren noch nicht erfunden. Also konnte man beschwingt auch längere Reisen antreten. Es war sogar Charlotte, welche die Reisestrecke gar noch verlängerte; sie überredete Max zu einer ziemlich ausgedehnten Indonesien-Rundreise. Und erst am Schluss dann Bali. Es kamen einige Tempel zusammen.

Es geschah im Raum Jogjakarta: Hinter der sehr schönen Hotelanlage lag dieser Dschungel-Treck. Gleich am ersten Morgen machten sie sich auf den Weg. Max stapfte voraus. Alles sehr feucht, alles sehr grün, alles sehr dunkel. 

Plötzlich sprang ein ebenso dunkler Einheimischer hinter einem dieser dunklen Bäume hervor. Waldmeyer erschrak, Charlotte noch stärker. „Gudmoninsir“, begrüsste er beide. Parthorasan (nennen wir ihn so), präsentierte, fein säuberlich über seinen Unterarm gehängt, dunkle lange Socken. Es waren die Art Business-Socken, die kurze Zeit später, 1999, von diesem Startup Blacksocks im Abonnement angeboten wurden. Schwarze Kniesocken, Baumwolle, braucht man immer. Aber warum nur, um alles in der Welt, bot sie Parthorasan gerade hier im Dschungel zum Verkauf an? Waldmeyer war auf jeden Fall tief beeindruckt. Dieser Mensch musste offenbar durch ein besonders hartes Stahlbad von Sales-Trainings gegangen sein. Schwarze Kniestrümpfe  im tropischen Urwald anzubieten war in der Tat eine Leistung!

Überhaupt, reflektierte Waldmeyer weiter, wird „Sales“ unterschätzt. „Sales“ ist ja nicht einfach „Verkauf“. In der Businesswelt, insbesondere in der Konzernwelt, wird „Sales“ berechtigterweise sehr hoch eingestuft, dort ist dann „Sales“ sogar „Corporate Sales“. Karrieremässig überrunden die Sales-Manager oft die Marketing- und Finanzfritzen. Sales ist in der Regel hart, deshalb hatte Waldmeyer grösste Achtung vor diesen professionellen Sales-Leuten. Parthorasan gehörte genau in diese Kategorie. Für das anspruchsvolle Verkaufen braucht es nämlich Selbstvertrauen, Mut, Überzeugungskraft, auch Überraschungseffekte. Sales ist eben auch Psychologie in der Endstufe.

Der Nebel in Meisterschwanden und über dem See lichtete sich immer noch nicht. Charlotte riss Waldmeyer aus seinen Gedanken: „Max, warum hattest du damals gleich sechs Paar von diesen Socken gekauft?“

„Stimmt“, antwortete Waldmeyer. „Angebot und Nachfrage waren eigentlich nicht im Einklang. Es war ein Fehler, ich hätte verhandeln sollen. Preis/Menge stimmten nicht.“

Charlotte war nur partiell zufrieden mit der Antwort. Aber es war ihr eigentlich auch gleich. Hauptsache, Max hatte die Socken später nicht am Hotelpool getragen. 

Was blieb, so für Waldmeyer, war der Respekt vor diesen harten Sales-Jobs. Unmögliches möglich zu machen, das sind wahre Leistungen!

Aber eigentlich war die ganze Sockengeschichte ziemlich irrelevant. Wohl genauso irrelevant wie diese Abstimmung betreffend dem Freihandelsabkommen mit Indonesien, fasste Waldmeyer für sich zusammen. Zumal das Palmöl zum grössten Teil nämlich gar nicht aus Indonesien, sondern aus Malaysia kommt. Ob es dort auch Sockenverkäufer gibt?

Waldmeyers böser Corona-Traum 2024

Waldmeyer schrak schweissgebadet aus seinem Traum auf. Wieder so ein hässlicher Covid-Albtraum. Er schaute auf seinen Analogwecker (ein Geschenk von Charlotte, 1984) mit den grünen Leuchtziffern: 01:34.

Charlotte schlief tief. Waldmeyer trat nackt auf den Balkon, blickte auf die Skyline von Meisterschwanden runter und war erleichtert: Es brannten vereinzelt Lichter in den Häusern, die Strassenbeleuchtung funktionierte einwandfrei. Im Traum allerdings war das nicht so. Doch dazu später.

Dieser schmutzige Traum katapultierte Waldmeyer genau in die erste Juli-Woche 2024. Die Schweiz war – coronamässig – erst etwa gleich weit wie heute. Der Bundesrat fühlte sich für die Causa Covid nach wie vor nur partiell zuständig. Die Regierung schien weiter nur zu reagieren, anstatt zu agieren, und sie tat dies ziemlich irrlichternd und wenig datenbasiert. Die Inzidenzen lagen zwar relativ tief, aber die Fallzahlen gingen aufgrund des wirren regionalen Krisen-Managements lokal rauf und runter, mit ihnen allerlei Einschränkungen im Land. Die Kantone wurstelten sich weiter separat durch – und dies seit 2020. 

Das Ausland rundum hatte die Eidgenossenschaft bereits Ende 2021 klar überholt: Die konsequente Kontrolle der sanitären Auflagen, umfassendes Testen und Tracen sowie eine fast flächendeckende Durchimpfung hatten Früchte getragen. Lockdowns und dergleichen gehörten in ganz Europa der Vergangenheit an. Ausser in der Schweiz.

Die Schweiz gab sich vor allem Mühe, primär Warnungen und Verwarnungen auszusprechen. Die Corona-App funktionierte nach wie vor nicht richtig (die Preisgabe von privaten Daten war einfach zu gefährlich). Getestet wurde nur spärlich, es war zudem kompliziert und mit hohen privaten Kosten verbunden (den welthöchsten),  das Tracing glückte ebenfalls immer noch nicht, und mit dem Impfen kamen die Kantone auch nicht voran. Auch hatte man mangels professionellem Daten-Management immer noch nicht herausgefunden, wie sich dieses Virus übertrug. Ein Jammer.

Konsequenterweise wollte Helvetien auch nicht bei dem internationalen Projekt des Digitalen Impfpasses mitmachen – das heisst, es wollte schon, vielleicht, aber es brauchte Vernehmlassungen. Seit September 2021.

Am 4. Oktober 2021 hatte sich Waldmeyer übrigens impfen lassen. Er hatte den russischen Impfstoff gewählt. Das Datum war alles andere als ein Zufall: Auf den Tag genau vor 64 Jahren schossen nämlich die Russen Sputnik I in die Erdumlaufbahn, und jetzt schoss sich Waldmeyer eben dieses Sputnik V.

Aber zurück zum Schweizer Corona-Management: Seit 2021 waren immer mehr Test-Verweigerer auszumachen. Der Bundesrat hätte zwar eine nationale Testpflicht anordnen können, tat es jedoch nicht, und die kantonalen Behörden konnten sich so nicht durchsetzen. Erwähnenswert ist, dass sich Waldmeyers Schwester Claudia (frühpensionierte Lehrerin, SP, Kurzhaarfrisur, lustige farbige Brille) beim Fondue-Essen bei Waldmeyers noch an Weihnachten 2022 als Impfgegnerin geoutet hatte – und sie war nicht die einzige.

Die Restaurants waren – nun im Juli 2024 – immer noch zu, fast alle Läden auch. Sogar der Teppichladen – sicher ist sicher. Kurzfristig gingen ein paar Läden mal auf, damals im Frühjahr 2020, aber nicht für lange. Bundesrat Maurer (er wollte sein Mandat nochmals um ein Dezennium verlängern) verteilte inzwischen, zusehends zerknirscht, noch mehr Millionen, um alle durchzufüttern. Die Kurzarbeit wurde übrigens für alle auf vier Jahre erhöht. 

Für die Skistationen hatte man das bereits seit der Wintersaison 21/22 bewährte Verteilsystem gewählt: Das Wallis durfte die Saison von anfangs Dezember bis 15. Januar bestreiten, die Innerschweiz und Bern vom 16. Januar Mitternacht bis Ende Februar (da nur zu dieser Zeit dort richtig Schnee liegt), Graubünden dann vom 1. März um Mitternacht bis Saisonschluss. Das hatte den Vorteil, dass während den jeweils kurzen sechs Wochen regionaler Intensiv-Saison die Fallzahlen lokal schön ansteigen durften – bis zum Saisonabbruch, dann jeweils mit einer kantonalen Ganzquarantäne. Die nächste Region konnte dann wieder sauber mit tiefen Fallzahlen starten, bis zum Peak jeweils – und dann eben mit einem frühen Abbruch wieder enden. Ein genialer eidgenössischer Kompromiss, betriebswirtschaftlich zwar alles andere als sinnvoll, aber die Corona-Patienten konnten so doch fair auf alle Kantone verteilt werden. Und die Hotellerie und die Restaurants erhielten inzwischen während der Schliessungszeiten attraktive Subventionen. Die Engländer hatten dieses Saisonwechsel-Konzept natürlich sofort durchschaut und wechselten elegant die Skigebiete. Sie störten sich auch nicht an den Flüssignahrungs-Stationen, die nun an den Takeaways in den Skigebieten überall errichtet wurden – die britischen gastronomischen Ansprüche liessen dies problemlos zu, und mit einiger Übung konnte die Kraftnahrung einfach durch die Maske hindurchgeschlürft werden. Stehend natürlich und auf den Skiern, mit den Stöcken an den Händen (eine Vorschrift des BAG, um das Social Distancing für alle Ethnien gleichermassen aufrecht zu erhalten).

Im europäischen Ausland herrschte inzwischen wieder mehr oder weniger Normalbetrieb. Nur eben in der Schweiz immer noch nicht. Trotz mahnender Worte Bersets („Wir müssen einfach sehen, dass wir daran denken, Beschlüsse zu fassen…“). Aber die Kantone brachten die Fallzahlen einfach nicht dauerhaft auf 0,0 runter. Vergeblich wartete Simonetta Sommaruga immer noch auf diesen doch so oft beschworenen Ruck in der Bevölkerung, welcher das Virus wohl endgültig vertreiben sollte.

In einer Verzweiflungsaktion verordnete am 17. Mai 2024 Bundespräsidentin Karin Keller-Suter ein schweizweites „Ausgangsverbot“. Keine „Ausgangssperre“, das wäre zu weit gegangen. Also einfach „kein Ausgang“. Ab 20:00 bis 05:00 galt: Bleiben Sie zuhauseVorsichtshalber musste dann überall auch das Licht gelöscht werden.

Waldmeyer atmete tief durch auf dem Balkon. Er war erleichtert, dass Träume glücklicherweise fast nie wahr werden und genoss das Lichtermeer über Meisterschwanden. Er versuchte nun, den letzten Teil seines Traumes zu rekonstruieren: Sein Nachbar Freddy Honegger und Bettina (Anhängerin von allerlei Verschwörungstheorien) wollten nämlich übers Wochenende nach Kopenhagen. Dies trotz vieler Handicaps für Schweizer Reisende, welche inzwischen ziemlich geächtet waren. Im Vergleich zu den meisten Europäern verfügten Honeggers allerdings über keinen Digitalen Impfpass, deshalb mussten sie einen Covid-19-Test vorlegen – und zwar einen mit einer notariellen Beglaubigung. So eben auch bei der Ankunft in Kopenhagen. Sie wählten den Schalter „All Passports, except SCP“.

Bettina lächelte triumphierend, als sie ihren schönen roten Pass durch den schmalen Schlitz unter dem Glas durchschob. Der Grenzbeamte schrie laut auf und ging hinter dem Schalter in Deckung. Ein Deutscher Staatsbürger tippte Ursula von hinten auf die Schulter: „Können’se denn nich lesen? No SCP – keine Schweizer Covid Pässe!!!“

Und das war eben der Moment, als Waldmeyer aus den Schlaf aufschrak. „Max, wieso stehst du nackt auf dem Balkon und schaust zu Bettina Honegger rüber?“, hörte er plötzlich Charlotte aus dem Schlafzimmer rufen.Waldmeyer war plötzlich hellwach: „Schatz, ich kann dir alles erklären.“

Waldmeyer und das europäische Tollhaus

Oder warum Waldmeyer Italien aufkauft 

Waldmeyer beobachtete schon länger: Die Schuldenberge in Europa nehmen zu, und zwar in einem gigantischen Ausmass. Die italienische Schuldenquote beispielsweise stieg 2020 auf 159% des BIPs, die Spaniens auf 122%, Griechenland knackte die 200er-Marke. Irgendwie und irgendwo wurde offenbar Rettungspolitik mit Konjunkturpolitik vermischt. Und mittels Notenpresse werden de facto künstliche Einkommen erzeugt, Bürger und Firmen profitieren und erhalten Geld. Seit Lehman Brothers – Waldmeyer hatte nur einen Monat zuvor, im August 2008, seinen ersten Porsche Cayenne (schwarz, innen auch) gekauft – hatte sich die Euro-Geldmenge sage und schreibe versiebenfacht. Grund genug für Waldmeyer, sich eine neue Geldstrategie zurechtzulegen. Doch dazu später.

Waldmeyer, als ehemaliger Unternehmer soweit mikroökonomisch gestählt, fühlte sich plötzlich, zumindest was die Makroökonomie betraf, hilflos und leer. Das europäische Perpetuum mobile war einfach ein Rätsel: Die Schuldenexplosion bleibt nämlich ohne Folgen – es geht einfach weiter.

Italien erhält nun aus dem Corona Hilfsfonds über 200 Milliarden Euro. Premier Conte, jetzt zwar abgehalftert, war clever genug, sich quasi eine carta biancha auszuhandeln, wie er das Euro-Manna verwenden darf. Und nun ist es Mario Draghi vergönnt, dem ex EZB-Chef und wundersamen Geldvermehrer, diese 200 Euro-Milliarden zu verteilen –  natürlich eine schöne Aufgabe.

Bereits fliessen drei Milliarden als frische Kapitalisierung in die neue Alitalia ITA ein – 12 Milliarden hat die seit Jahren marode Airline den italienischen Staat bereits gekostet.

12 Milliarden! Das entspräche, nur so zum Vergleich, rund 100’000 neuen, gut ausgestatteten Porsche Cayenne – was einer Wagenkolonne von Meisterschwanden bis nach San Gimignano gleichkäme. Schön viel, nur für eine Airline, zumal man mit den 100‘000 Porsches eine halbe Million Italiener transportieren könnte. Das Sümmchen von 12 Milliarden entspräche auch dem zehnjährigen BIP des Kantons Appenzell Innerrhoden (was Waldmeyer wiederum weniger schockierte, zumal der Minikanton über keinen Flughafen verfügt). Trotzdem: Die Kosten für solche Airlines scheinen gigantisch zu sein. Die Swiss wird auch noch ein paar Zuschüsse einfordern, reflektierte Waldmeyer weiter, ein Ende dieser Agonie scheint ebenso wenig in Sicht. 

Aber zurück zum Bel Paese: Der italienische Staat übernimmt zurzeit weitere grosse Konzerne, so beispielsweise den maroden Stahlkonzern AM, mithin der grösste europäische Stahlkocher. An allen Ecken und Enden wird also verstaatlicht.

Auch bei Renault in Frankreich sitzt der Staat als Copilot in den mit viel Plastik bewehrten und schwer verkäuflichen Fahrzeugen. Nicht systemrelevante Firmen schlüpfen nun vermehrt, elegant getarnt mit Pandemiehilfen, unter staatliche Schutzschirme. Frau von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, sekundiert von Madame Lagarde, der Chefin der Europäischen Zentralbank EZB (sehr spendabel, wie der Vorgänger Draghi),  zeigen sich grosszügig und verteilen Billionen. Richtig: echte Billionen, nicht nur die angelsächsischen mageren „billions“. Die beiden Damen scheinen zudem das stillschweigende Plazet von Mutti Merkel zu geniessen. Dieses feminine Triumvirat aus Nicht-Ökonomen scheint hier aus ökonomischer Sicht ein ganz toxisches Süppchen zu kochen.

Ja, da geschieht so einiges unter dem Deckmäntelchen von Corona. Allerdings bezahlen vor allem die Deutschen die Rechnung, plus die Holländer und die Skandinavier. Die Briten haben sich bekanntlich abgeseilt und beschäftigen sich nun lieber mit sich selbst.

Banken, Medienkonzerne, Werften, Energieunternehmen, Börsen, Fluggesellschaften: Viele Firmen und Konstrukte in Europa sind nicht mehr überlebensfähig. Und so werden diese Zombie-Konzerne verstaatlicht oder im besten Fall durchgefüttert. Allerdings torkeln auch im Privatbereich viele Zombie-Firmen durch die Wirtschaftswelt. Aber Banken statten sie einfach mit billigem Geld aus, welches sie gratis von ihren Zentralbanken erhalten. Letztere kaufen auch schon mal, mittels eigens geschaffenem Geld, diverse Werte direkt an der Börse zusammen. Und wie wir wissen, kauft die EZB auch fast unbegrenzt Staatsanleihen ihrer klammen Länder auf; vor allem die de facto wertlosen Papiere Italiens (welche magischerweise trotzdem mit 0.5% rentieren, was sonst nur supergesunde Staaten schaffen) wiegen derzeit etwas schwer in diesen illustren Portefeuilles der Zentralbanken.

La Cage aux Folles, besetzt mit den verantwortlichen Staatsdienern der Finanzwelt? Max Waldmeyer versuchte, dieses absurde Gebaren zusammenzufassen: Es wird also schier unbegrenzt Geld gedruckt und anschliessend gratis oder nahezu mit Nullzinsen in marode Wirtschaftszweige  gepumpt.

Waldmeyer überlegte in der Folge, ob er nun ebenso umdenken und (beispielsweise nur) die Hotelbuchung in der Toscana stornieren sollte? Alternativ könnte er das Hotel nämlich einfach kaufen. Geld kostet ja nichts. In Dänemark wurden jüngst Hypotheken mit negativen Zinsen vergeben. Vielleicht liesse sich auch in Italien eine Bank finden, welche, auch nur beispielsweise, dieses hübsche Hotel Castello Rosato finanzieren würde, mit einer Hypothek von 0.25%. Waldmeyer hätte also ein regelmässiges Zusatzeinkommen – und dies aus einer Schuld! Plus das Castello natürlich.

Man könnte noch ein bisschen grosszügiger denken. Think big, mit einer gewissen römischen Grandezza eben: „Charlotte, vielleicht sollten wir ganz Italien kaufen!“, seufzte Waldmeyer vor sich hin.

Charlotte antworte, wie sie immer antwortete in solchen Fällen: nämlich gar nicht.

Waldmeyer und die Korrelation zwischen Felix IV und der Börse

Waldmeyer ist ein bekennender News-Junkie. Deshalb ist es ihm nicht entgangen, dass Corona offenbar einen Haustier-Boom ausgelöst hatte. Nebst allerlei Verwerfungen, die die Pandemie in verschiedenen Märkten hervorgerufen hat, war dieser Haustier-Trend besonders spannend – ganz einfach, weil man ihn schlichtweg nicht vorausgesehen hat. Auch Waldmeyer nicht.

Waldmeyer las also in seinem Leibblatt (Anm. der Redaktion: NZZ), dass zurzeit insbesondere „kompakte“ Hunde sehr beliebt sind. Es scheint so, dass gewisse Teile der Bevölkerung geradezu lechzen nach Krisenkompensatoren in Form dieser praktischen (kompakten) Tiere. Allerdings werden diese dann oft ins Tierheim gesteckt, wenn’s in den Urlaub geht. So des Öfteren geschehen im letzten Sommer. Die Tiere werden anschliessend gar nicht mehr abgeholt. Vom Corona-Frust geheilt und mental gestählt aus den Ferien zurückkommend, scheint die Tierwärme plötzlich erkaltet. Das macht jedoch nichts und führt nicht einmal zu einer Marktverzerrung, denn es besteht eine grosse Nachfrage nach Günstig-Tieren aus dem Tierheim. Hier kann gratis auf eine attraktive Auswahl zurückgegriffen werden – was viele Bürger derzeit auch tun. Im Nu leeren sich diese Tierhotels dann wieder. Durch diesen massenweisen Auszug aus der Tier-WG in Individualhaushalte werden alle Marktverwerfungen geglättet: Angebot und Nachfrage scheinen also zu funktionieren; die Liquidität an Hunden und Katzen ist sichergestellt. Waldmeyer glaubte generell schon immer an den Markt, und es war beruhigend, dass in diesem Nano-Abzweiger der Makroökonomie keine Ausnahme gemacht wird.

Auch die Nachfrage nach Katzen steigt. Der Bestand in der Schweiz wird derzeit auf 1.8 Mio  geschätzt – und er nimmt stetig zu. Dazu kommen, auch hier in zunehmendem Masse, noch allerlei Hamster, Meerschweinchen, Vögel und Fische. Das Total dieser Haustiere übersteigt vermutlich die Schweizer Bevölkerung von 8.6 Millionen. 

Waldmeyer dirigierte seinen Gedankenstrang nun zurück in Richtung Corona-Effekt in Sachen Tierhaltung: Offenbar steigt in Krisenzeiten wie der aktuellen die Lust nach sozialer „Company“. Eine Quarantäne z.B. lässt sich gefühlt wohl verkürzen, wenn ein Büsi zugegen ist. Nur, und hier die Krux: Neu können sich auch Haustiere mit dem Virus infizieren! Wir erinnern uns an den Hund in Hongkong, der bereits im Februar 2020 als infiziert rapportiert wurde, und nun kam noch diese Katze an Weihnachten hinzu. Allerdings ist es medizinisch noch nicht erwiesen, ob auch eine Weitergabe der Infektion an andere Menschen möglich ist. Das Büsi als Superspreader zum Beispiel wurde – glücklicherweise – noch nicht entdeckt.

Doch zurück zur Analyse des Tiermarktes: Jetzt lässt sich auch erklären, warum, zusammen mit den Nahrungsmitteln, während der Coronazeit auch die Tierfutter-Umsätze gestiegen sind. Einerseits also durch den erhöhten Tierbestand, vermutlich aber auch, weil zu verschiedenen Zeiten Einkäufe im grenznahen Ausland nicht möglich waren. Wie wir wissen, konnten Migros, Coop, etc. ihre Umsätze in diesen Zeiten markant erhöhen – das war nicht nur auf die Restaurants-Schliessungen zurückzuführen. Nebst Waschmittel, Nivea, Windeln, Fleisch, etc. ist auch Pet Food nämlich ein beliebtes Einkaufsschnäppchen im deutlich günstigeren Ausland. Covid-befeuert stiegen damit, vorübergehend, die Tierfutter-Umsätze im Inland.

Waldmeyer fand alle diese Zusammenhänge einigermassen interessant, wusste aber nicht, was er damit anfangen sollte. Normalerweise hatte er gelernt, einen Wissensvorsprung auch zu nutzen. Als früherer CEO und Unternehmer wusste er, dass nebst Organisations- und etwas Führungstalent vor allem eines entscheidend war: eben ein Wissens- oder Informationsvorsprung. Nur so konnte man gewinnen. 

Auch an der Börse wird dies genutzt. Leider zeigt sich dabei allerdings nur zu regelmässig, dass all diese intellektuellen persönlichen Vorsprünge nicht richtig umgesetzt werden können – weil die Börse eben nicht das tut, was sie logischerweise tun sollte. Wenn Tesla heute nun auf ein so irrwitziges Niveau steigt, dass Elon Musk unmöglich je überhaupt so viele Autos produzieren könnte, um die derzeitige Börsenbewertung abzubilden, entspricht das dem Gegenteil von Logik. Oder die Bewertung von Bitcoin muss heute einfach so hingenommen werden, als virtuelle Wert-Erscheinung, ohne logische Erklärung. 

Waldmeyer überlegte nun trotzdem, wie sich seine Beobachtungen und Erkenntnisse in Sachen Haustieren pekuniär umsetzen liessen: Ein Haustier-Boom musste nun wohl auch einen Boom nicht nur bei Züchtern und anderen Haustier-Produzenten auslösen, sondern, wie er vorhin schon analysiert hatte, eben bei der Tiernahrung. Also sollte man sich Whiskas, Sheba, Pedigree, etc. genauer ansehen und dort investieren? Nicht, indem man den Luftschutzkeller mit diesen Produkten füllt, sondern selbstredend mit cleveren Aktienkäufen. Der neue Haustierhaltungstrend – wohl ein weltweites Phänomen, da auch die Pandemie weltweit organisiert ist – wird die Börsenwerte von den betroffenen Firmen in der Branche künftig mit Bestimmtheit beflügeln. Jetzt also in Mars Incorporation investieren (die US-Firma hält einen grossen Teil an diesen Pet Food-Brands)?

„Charlotte, haben wir noch genügend Whiskas für Felix?“ Charlotte war etwas konsterniert, denn Max hatte sich in all den Ehejahren noch nie um den Futter-Nachschub für ihre Katze gekümmert – weder bei Felix I, II, III, noch jetzt bei Felix IV. „Max, der Keller ist voll mit Whiskas, es gab doch letzten Monat diese Aktion 2 für 1. Die müssen wohl irgendwelche Überbestände abbauen“.

Nun war Waldmeyer konsterniert. Seine Theorie kam ins Wanken. Es passierte wieder einmal genau das Gegenteil. Vielleicht, so schoss es ihm durch den Kopf, nahm die Industrie einen Nachfrage-Einbruch vorweg. Und dieser konnte sich nur dadurch ergeben, dass die Pandemie nun die Haustiere flächendeckend erfasst. Der Markt „eskomptiert“ ja vieles, er nimmt einen Trend vorweg. Wenn die Gefahr nun offenkundig wird, dass vor allem Hunde und Katzen sich mit Covid-19 kontaminieren können, würde der Haustier-Bestand abgebaut, und es würde, zum Beispiel, weniger Whiskas gekauft. Dann kommt erst die Phase „2 für 1“, worauf sinkende Börsenkurse von Mars Inc. folgen könnten. Vielleicht sollte Waldmeyer doch besser einen Put auf diese Mars-Aktien setzen, also à la baisse spekulieren?

Aber vorerst sollte man die Hausaufgaben zu Hause erledigen, d.h. den Whiskas-Bestand schnellstmöglich abbauen. Konsequenterweise auch auf ein Umstellen der Tierart denken, zum Beispiel an Fische. Hier wäre die Covid-19-Übertragung bestimmt vernachlässigbar. „Charlotte, wir sollten künftig auch an Fischfutter denken“, entfuhr es Waldmeyer. Charlotte antwortete wie immer in solchen Situationen: nämlich gar nicht.

Max Waldmeyer streichelte Felix IV und zog sich etwas frustriert zum Apéritif zurück. Die Märkte vollziehen nicht nach, was der Logik entspricht. Zudem kann seine messerscharf analysierte Korrelation pekuniär nicht umgesetzt werden. Und das mit den Fischen war auch wenig befriedigend.