Bargeld ade…? (I)

Teil I: Eine Auslegeordnung und eine Szenarien-Übersicht 

In Schweden wird schon jeder Kaugummi mit Karte oder Handy bezahlt, China kokettiert mit einem Bargeldverbot, drastische Einschränkungen gibt es bereits landauf, landab in der EU. Kryptowährungen tauchen auf, und gleichzeitig schwadronieren einige Staaten von digitalen Währungen. Auch Verschwörungstheorien tauchen auf, so soll sich das WEF, angeführt von Klaus Schwab, zum Ziel gesetzt haben, die globale Übernahme der Macht mittels Aussetzen von Bargeld zu beschleunigen… Müssen wir tatsächlich bald auf Cash verzichten? 

In der Tat geht der Anteil der Barzahlungen in den meisten Ländern zurück, nicht nur in Schweden – in Entwicklungsländern wie auch in hochentwickelten Staaten ist der Trend nicht aufzuhalten, und Corona hat ihn verstärkt. Kreditkarten, Twint, Google Pay oder andere neue digitale Zahlungsmittel sind im Vormarsch. Eigentlich kam die Angst vor Corona-kontaminierten Geldscheinen sowohl Banken wie Staaten ganz gelegen, damit sich der Anteil des Bargeldverkehr weiter reduziert. 

Banken wollen kein Bargeld mehr

Das Handling von Bargeld ist teuer, die Banken lieben es überhaupt nicht mehr. Sie möchten am liebsten alle Schalter schliessen und ihre Geschäfte nur noch bargeldlos abwickeln – zumal sie beim Kreditkartengeschäft kräftig mitverdienen – von beiden Seiten, also bei den Kreditkartenhaltern und bei den Vertragsgeschäften. Selbst beim Bezahlen mit der Debit-Karten profitieren die Geldhäuser: Die Geschäfte liefern mit jeder Transaktion Gebühren ab. Kein Wunder, werden die Banken den bargeldlosen Verkehr weiter fördern.

Auch der Staat möchte kein Bargeld mehr

In Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien können Beträge über 2‘000 bis 3‘000 Euro nicht mehr bar beglichen werden. (In der Schweiz sind noch CHF 100‘000.- möglich, darüber gibt es relativ strenge Deklarationspflichten.) Und länderüberschreitend darf man in der EU gerade mal 9‘999 Euro mit sich führen, ansonsten kurzerhand eine Konfiszierung droht. 

Der Staat freut sich wohl auch über das Online-Shopping. Das reduziert den Bargeldverbrauch. Natürlich hat der Staat auch ein Interesse daran, die Schattenwirtschaft zu unterbinden und sein Steuersubstrat zu schützen. Ob die Bargeld-Vorschriften dafür der richtige Weg sind, darf angesichts der mannigfaltigen elektronischen Zahlungsmöglichkeiten indessen fraglich sein. Italien ist das beste Beispiel, wie eine starke Schattenwirtschaft trotz Cash-Restriktionen bestens funktionieren kann. Ist Bargeldhalten ein „Menschenrecht“? Ja, wir meinen schon – zumindest empfindet das heute wohl der weitaus überwiegende Teil der Bevölkerung. Viele Regierungen sehen dies allerdings nicht mehr so.

Digitale Währungen in Aussicht

Bitcoin und andere Kryptowährungen sind im Umlauf, Diem (ex Libra) ist in Vorbereitung, viele Staaten planen digitale Währungen. Die Frage ist nicht, ob sie kommen, sondern wann. Ganz klar werden solche neue Währungen das Bargeld weiter verdrängen. Grund genug, sich mit unseren demokratischen Mitteln dagegen zu wehren. Totalitäre Staaten (wie China z.B.) haben die digitale Währung als Ersatz von Bargeld ganz klar auf dem Schirm.

Grosse Risiken mit der Digitalisierung von Geld

Risiko Nummer eins: Mit der weiteren Entwicklung des elektronischen Bezahlens geht nicht nur die schleichende faktische Abschaffung des Bargeldes einher, sondern der Prozess beschleunigt die Realisierung von digitalen Währungen. Damit wird eine Büchse der Pandora geöffnet: Den weiteren Staatsverschuldungen kann so kaum mehr Einhalt geboten werden. Nur schon deshalb ist es wichtig, den Erhalt von Bargeld zu pflegen.

Risiko Nummer zwei: Das Gefahrenpotential von Cyberattacken durch Hacker oder Terroristen ist bei digitalem Geld noch verheerender als die heutige Verletzbarkeit elektronischer Zahlungssysteme. Auch „normale“, technisch bedingte Pannen hätten noch weit grössere Auswirkungen. Solche Katastrophen wären an sich schon schlimm genug, würden sich jedoch ohne Bargeldumlauf noch krass verstärken. (Gerade für solche Krisen sei es ja jedem geraten, einen ordentlichen Stock Bargeld zu halten.)

Risiko Nummer drei: Zahlungssysteme können schon heute von feindlichen Mächten gegroundet werden. Die Auswirkungen eines Eingriffs in digitale Geldströme wären indessen noch weit fataler. Konflikte müssen heute nicht mehr militärisch ausgetragen werden: Nordkorea, Russland, China, Iran oder die Türkei könnten auf den Gedanken kommen, unsere Systeme zu Fall zu bringen. Eine solche Aktion könnte durchaus hybrid, also verdeckt und ohne offenen militärischen Konflikt erfolgen (“wir waren es nicht…”). Das Resultat wäre nicht sehr appetitlich, denn der Grossteil unseres gesamten zivilen und wirtschaftlichen Lebens würde zusammenbrechen. Selbst neue Kampfflieger könnten hier wohl nichts verrichten, es würde dann insbesondere auch keine Rolle spielen, ob Frau Amherd Raphael, Tiger oder Eurofighter gen Himmel schicken würde (allerdings erst ab 2030.).

Ein paar echte Nötli im Umlauf könnten das Drama jedoch zumindest vorübergehend lindern und das Leben erträglicher gestalten, bis die Misere behoben ist.

Viertes Risiko: Der Staat übernimmt die Kontrolle über unsere Einnahmen, Ausgaben und Ersparnisse. Nicht nur das gesamte Konsumverhalten würde nahezu gläsern. Es kann auch zur schleichenden Enteignung kommen: Wenn dem Bürger die Freiheit genommen wird, den Negativzinsen mit Halten von Bargeld zu entrinnen, hat er längerfristig verloren. 

Cash ist einer der letzten Horte unserer Privatsphäre: Ein Nachvollzug unseres Ausgabenprofils, welches wir nicht preisgeben möchten, ist mit Cash nur erschwert möglich. Der Wunsch nach Privatsphäre hat dabei nichts mit einfachem Verstecken oder kriminellen Absichten zu tun – sondern einzig und allein mit Freiheit. Der Vormarsch von digitalen Währungen wird diese Freiheit leider reduzieren. Und wenn Bargeld keine valable Alternative mehr darstellt, treibt der Staat den Bürger dazu, sein Geld in andere Anlageformen zu konvertieren: also in Immobilien, Aktien, Staatsanleihen, etc. Damit riskiert der Staat, volkswirtschaftlich unerwünschte Bewertungsblasen zu fördern. Das erfolgt schon heute, würde sich mit der Reduktion des freien Bargeldverkehrs jedoch noch akzentuieren.

Fazit:

Der fortschreitende Ersatz von Bargeld durch elektronische Zahlungsmittel ist unaufhaltbar. Allerdings steigen so die Risiken in Krisenfällen, denn unsere Zahlungssysteme werden gegen Angriffe von aussen immer vulnerabler, je mehr wir uns von Bargeld abwenden. Das grösste Risiko besteht allerdings darin, dass der Staat die weitgehende elektronische Kontrolle über unsere privaten Mittel übernehmen könnte – und es so immer leichter wird, uns mit Steuern und Abgaben zu drangsalieren. 

Wie können wir uns dagegen wehren…? True Economics bleibt dran – siehe Folgebeitrag (Teil II) nächste Woche! 

Autor: Paul Carpenter

Paul Carpenter ist ein Pseudonym. Der dahinter stehende Kommentator bleibt anonym. Paul Carpenter lebt seit 15 Jahren in Dubai, ist international vernetzt und beobachtet das Wirtschaftsgeschehen sehr kritisch. Er studierte Ökonomie und Publizistik in St. Gallen und betätigte sich lange als CEO und Unternehmer. Seit einigen Jahren ist er Unternehmensberater und schreibt Kolumnen, welche sich auf den Link von Mikro- und Makroökonomie konzentrieren.