Bargeld ade…? (II)

Zweiter Teil: Bargeldabschaffung – Möglichkeiten, Grenzen, Auswege 

Elektronische Zahlungsmethoden sind im Vormarsch, Corona hat den Wandel noch beschleunigt. Zudem werden digitale Währungen angedacht. Und ganz klar: Einzelne Regierungen prüfen die weitere Reduktion oder sogar die Abschaffung von Bargeld (China beispielsweise ganz konkret). Die Risiken sind bekannt: Unsere Zahlungssysteme werden noch verletzbarer, und der Staat kann die Einnahmen, Ausgaben und Vermögen der Bürger noch besser kontrollieren. Wie können wir uns dagegen wehren…?

Rezepte gegen den Anlagenotstand

Abgesehen von der drohenden Unbill, dass uns der Staat vermehrt ins (dann virtuelle) Portemonnaie schauen könnte, drohen uns allen Einschränkungen in der Verwaltung unseres Vermögens. Denn auch Bargeldhalten gehört in ein umsichtiges Portfolio.

Selbstredend gelten – auch bei einer weiteren Einschränkung des Bargeldverkehrs – die bisherigen Regeln: wie z.B. „nie alle Eier in den gleichen Korb legen“.

Diversifiziert werden muss sowohl in der Vermögensart (also Immobilien, Aktien, Bankkonten, Bargeld, Gold, Kunst, etc.) wie auch in der Geografie (nicht alle Vermögensteile in einem Land halten), aber es ist auch Diversifizieren in Währungen angesagt.

Für weniger Privilegierte fallen die zweiten und dritten Diversifikationen wohl weg. Für sie gilt es trotzdem, das Vermögen nicht zu stark zu bündeln: also nicht das ganze Vermögen in eine Immobilie stecken, nicht zu viel Aktien halten, nicht alles auf dem Konto stehen lassen. Und es kommt etwas hinzu: Schulden machen! Angesichts der Tatsache, dass wir uns heute zu unter 1% verschulden können und dieser Zustand wohl noch auf Jahre hinaus andauern wird, macht eine Investition z.B. in eine Immobilie besonders Sinn.

Für Privilegierte wie weniger Privilegierte jedoch gilt im Moment: Bargeld halten ist trotz allem nicht dumm. Es kostet nichts, denn wir erleiden keinen Zinsverlust. Sofern wir es gefahrlos aufbewahren können, ist Bargeld ein Sicherheitsgewinn. Ein intelligenter Plan B sieht ohnedies vor, an einen Zusammenbruch des Zahlungs- oder sogar Finanzsystems (also den Worstcase) zu denken. Aber bitte Bargeld nur in kleinen Scheinen halten – und nicht auf einer Bank. Siehe Zypern oder Griechenland vor rund 10 Jahren, als die Bankomaten plötzlich kein Geld mehr ausspuckten oder die Tresorräume nicht mehr zugänglich waren. 

Wichtig: Es lohnt sich, das Bargeld bei den Steuerbehörden anzugeben. Sollte die Rechtslage in Sachen Bargeld tatsächlich einmal kippen, können wir unser versteuertes Bargeld jederzeit wieder in Buchgeld umwandeln. Wichtig auch: Bankbelege beim grossen Bargeldbezug aufbewahren. Denn sonst wird unsere Hausbank die schönen Noten nicht zurücknehmen – zumindest nicht grössere Summen! 

Bargeld kann bedenkenlos auch in Euro oder USD gehalten werden. Im Sinne einer Diversifikation ist das gar nicht dumm. Aber Vorsicht: Von Zeit zu Zeit werden Noten, insbesondere die des Greenbacks, erneuert, dann ist Umtausch angesagt – wozu es wieder die früheren Bezugsbelege braucht.

Bargeld kann bald nur noch schwer versteckt werden

Bargeld wird künftig also aufgrund des Herkunft-Nachweises weniger versteckbar sein. Und so sind automatisch vermehrt Abflüsse in Auslandinvestitionen, Aktien, Anlagefonds, etc. zu erwarten. Es gibt kaum noch Ausweg-Verstecke: Auch das Parken von Werten in Gold, Edelmetallen, Kunst, einer Oldtimersammlung oder Immobilien wird künftig transparenter werden. Natürlich kann Geld immer noch in Firmen versteckt werden, insbesondere im Ausland – aber hierfür braucht es dann schon etwas an Financial Engineering.

Möchte der Staat künftig vermehrt ans Geld seiner Bürger – z.B. um horrende Staatsdefizite zu decken – so muss er sowohl den Bargeldverkehr einschränken als auch das Halten von gewissen Cash-Beständen einschränken. Er muss nicht einmal Verbote aussprechen, er könnte den Banken ganz elegant verbieten, Bargeld von z.B. mehr als 1’000 Euro entgegenzunehmen – ausser mit aufwendigen Nachweisen der Mittelherkunft. Und mittels Negativzinsen auf den Konti wird dann zusätzlich jedes Jahr ein bisschen Vermögen abgezwackt. Oder noch schlimmer: Es wird zur Defizitdeckung und Sanierung des Staatshaushaltes eine einmalige Vermögensabgabe eingeführt – Gedanken, die die heutige EZB-Chefin schon vor Jahren hegte (und die Zypern vor ein paar Jahren, zumindest auf Bankguthaben, gleich umgesetzt hatte). Für den Moment jedenfalls gilt: Bargeld ist nicht unattraktiv. Zwar wirft es keine Zinsen ab – allerdings auch keine negativen!

Kann der Staat einfach tun, was er möchte?

Entgegen den abstrusen Verschwörungstheorien (welche in der Regel vor allem von bildungsfernen Leuten unterstützt werden) ist klar, dass in einigermassen demokratischen Gebilden die Notenbanken und der Staat Währungs- und Bezahlformen nicht einfach willkürlich ändern können. Nur: Gerade hier liegt eben das Risiko, denn z.B. die Hälfte der EU-Bürger verfügt über gar keine nennenswerten Bankguthaben. Ein durchaus demokratischer Prozess könnte also der bereits bestehenden Idee einer “10%igen einmaligen Vermögensabgabe auf Bankeinlagen inklusive Geldanlagen ab Euro 50’000“ durchaus zu einem Durchbruch verhelfen. Der böse Staat müsste also gar nicht enteignen. Es genügt, einen demokratischen Willen für solches Tun zu initiieren. Auch die weitere Reduktion des freien Bargeldverkehrs könnte auf durchaus demokratischer Basis erfolgen – Klaus Schwab (im Rahmen dieser abstrusen Verschwörungstheorien, welche demnächst eine bargeldlose Weltherrschaft durch das WEF herbeireden) müsste gar nicht aktiv werden. Prozesse in diese Richtung sind im Gange, ein Ende ist zurzeit nicht abzusehen. Was jedoch neu ist: Solche Pläne liessen sich bei weitem einfacher durchsetzen, wenn möglichst wenig Bargeld im Umlauf ist. 

Könnte der Staat Papiergeld also einfach verbieten? Ja, viele Staaten könnten. Entweder, weil sie totalitär geführt sind, oder weil sie es dann so demokratisch vorsehen. Bis 1974 bestand in den USA übrigens ein Verbot von privatem Goldbesitz. Möglich ist vieles. 

Die Grenzen der Bargeldabschaffung

Die Notenbank in Schweden kriegt langsam kalte Füsse: Sie hat nicht nur Angst, bei elektronischen Ausfällen über keinen Plan B mehr zu verfügen. Sie sorgt sich neuerdings ebenso, dass das Gefühl für Geld verloren gehen könnte, wenn dazu bald keinerlei physische Relation mehr besteht. Wenn Bezahlen nur noch ein virtueller Vorgang ist, betrifft das Problem insbesondere die neuen Generationen. Die Schwedische Notenbank merkt plötzlich, dass eine solche Entwicklung nicht nur tragisch, sondern auch schädlich sein kann. Sogar das Taschengeld der Jungen wird heute vorwiegend elektronisch verteilt, und Bargeld macht in diesem fortschrittlichen skandinavischen Staat heute nur noch 1% des BIP aus (in der Eurozone sind es 10%). Corona hat nun alles noch beschleunigt. Es ist jedoch beruhigend zu beobachten, dass sich nicht nur demokratische Prozesse gegen eine weitere Reduktion des Bargeldes richten, sondern dass sogar intelligente Notenbanken selbst die Grenzen erkennen.

Die Schweiz in einer Sonderposition

Die Schweiz verfügt über die weltgrösste Banknote, den 1000er Schein. Zum Vergleich: In den USA geht’s nur bis zum 100er, und im United Kingdom ist bei 50 Pfund schon Ende der Fahnenstange. Nur schon aus Aufbewahrungsgründen ist in der Schweiz also das Halten von grösseren Bargeldbeständen sehr komfortabel, eine Million in Cash lässt sich auf die Grösse eines Milch-Tetrapacks komprimieren. Der Brite müsste dafür schon mit einem Überseekoffer unterwegs sein. Bis 2014 übrigens bestand eine Alternative mit einer 10‘000er-Note in Singapur-Dollar (heute entsprechend rund CHF 6‘600.-). Seit 2015 verbleibt in der Tat nur noch der 1‘000er aus der Schweiz – deshalb nicht unbeliebt. Nicht nur die Schweizer Bevölkerung, sondern auch Firmen und Institutionen im ganzen Land (auch ausländische Institutionen) halten gigantische Bargeldbestände in Schweizer Franken – oft auch nur aufgrund der Negativzinsen. Damit besteht ein natürlicher Druck auf die Nationalbank, in Sachen Bargeld vorerst einmal nichts zu ändern.

Der starke Glaube und das Vertrauen der gesamten Bevölkerung in die eigene Währung verankern den Wunsch nach Bargeld zusätzlich. Es mag sein, dass gewisse Länder – so vor allem in der EU – Bargeld zusehends verbannen werden. Die Eidgenossen werden dieser Entwicklung allerdings mit Sicherheit hinterherhinken. So lässt sich das künftige Geschehen aus der helvetischen Voyeur-Position hervorragend und ziemlich risikolos beobachten, und überstürzte Handlungen sind nicht angezeigt. 

Allerdings werden wir uns immer stärker in einer Situation wiederfinden, in der das Halten von Bargeld zwar nicht beeinträchtigt wird, sehr wohl indessen der Transfer und die Bezahlung von grösseren Beträgen erschwert werden. 

Fazit:

Der fortschreitende Ersatz von Bargeld durch elektronische Zahlungsmittel bietet einigen Komfort – aber auch Risiken. Die Krisen-Anfälligkeit wird erhöht und die Privatsphäre wird eingeschränkt. Die Gefahr einer künftigen Bargeld-Einschränkung ist in einigen Staaten durchaus latent. Trotzdem spricht  – für uns in der Schweiz erst recht – immer noch einiges für Bargeld. Das wissen glücklicherweise auch andere, einigermassen intelligent geführte Staaten. Es lohnt sich, dafür zu kämpfen, dass die private Wahl der Zahlungsmittel möglichst frei bleibt. Unser Recht, Cash zu halten und es nach Bedarf einzusetzen, muss unbedingt unangetastet bleiben.

Bargeld ade…? (I)

Teil I: Eine Auslegeordnung und eine Szenarien-Übersicht 

In Schweden wird schon jeder Kaugummi mit Karte oder Handy bezahlt, China kokettiert mit einem Bargeldverbot, drastische Einschränkungen gibt es bereits landauf, landab in der EU. Kryptowährungen tauchen auf, und gleichzeitig schwadronieren einige Staaten von digitalen Währungen. Auch Verschwörungstheorien tauchen auf, so soll sich das WEF, angeführt von Klaus Schwab, zum Ziel gesetzt haben, die globale Übernahme der Macht mittels Aussetzen von Bargeld zu beschleunigen… Müssen wir tatsächlich bald auf Cash verzichten? 

In der Tat geht der Anteil der Barzahlungen in den meisten Ländern zurück, nicht nur in Schweden – in Entwicklungsländern wie auch in hochentwickelten Staaten ist der Trend nicht aufzuhalten, und Corona hat ihn verstärkt. Kreditkarten, Twint, Google Pay oder andere neue digitale Zahlungsmittel sind im Vormarsch. Eigentlich kam die Angst vor Corona-kontaminierten Geldscheinen sowohl Banken wie Staaten ganz gelegen, damit sich der Anteil des Bargeldverkehr weiter reduziert. 

Banken wollen kein Bargeld mehr

Das Handling von Bargeld ist teuer, die Banken lieben es überhaupt nicht mehr. Sie möchten am liebsten alle Schalter schliessen und ihre Geschäfte nur noch bargeldlos abwickeln – zumal sie beim Kreditkartengeschäft kräftig mitverdienen – von beiden Seiten, also bei den Kreditkartenhaltern und bei den Vertragsgeschäften. Selbst beim Bezahlen mit der Debit-Karten profitieren die Geldhäuser: Die Geschäfte liefern mit jeder Transaktion Gebühren ab. Kein Wunder, werden die Banken den bargeldlosen Verkehr weiter fördern.

Auch der Staat möchte kein Bargeld mehr

In Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien können Beträge über 2‘000 bis 3‘000 Euro nicht mehr bar beglichen werden. (In der Schweiz sind noch CHF 100‘000.- möglich, darüber gibt es relativ strenge Deklarationspflichten.) Und länderüberschreitend darf man in der EU gerade mal 9‘999 Euro mit sich führen, ansonsten kurzerhand eine Konfiszierung droht. 

Der Staat freut sich wohl auch über das Online-Shopping. Das reduziert den Bargeldverbrauch. Natürlich hat der Staat auch ein Interesse daran, die Schattenwirtschaft zu unterbinden und sein Steuersubstrat zu schützen. Ob die Bargeld-Vorschriften dafür der richtige Weg sind, darf angesichts der mannigfaltigen elektronischen Zahlungsmöglichkeiten indessen fraglich sein. Italien ist das beste Beispiel, wie eine starke Schattenwirtschaft trotz Cash-Restriktionen bestens funktionieren kann. Ist Bargeldhalten ein „Menschenrecht“? Ja, wir meinen schon – zumindest empfindet das heute wohl der weitaus überwiegende Teil der Bevölkerung. Viele Regierungen sehen dies allerdings nicht mehr so.

Digitale Währungen in Aussicht

Bitcoin und andere Kryptowährungen sind im Umlauf, Diem (ex Libra) ist in Vorbereitung, viele Staaten planen digitale Währungen. Die Frage ist nicht, ob sie kommen, sondern wann. Ganz klar werden solche neue Währungen das Bargeld weiter verdrängen. Grund genug, sich mit unseren demokratischen Mitteln dagegen zu wehren. Totalitäre Staaten (wie China z.B.) haben die digitale Währung als Ersatz von Bargeld ganz klar auf dem Schirm.

Grosse Risiken mit der Digitalisierung von Geld

Risiko Nummer eins: Mit der weiteren Entwicklung des elektronischen Bezahlens geht nicht nur die schleichende faktische Abschaffung des Bargeldes einher, sondern der Prozess beschleunigt die Realisierung von digitalen Währungen. Damit wird eine Büchse der Pandora geöffnet: Den weiteren Staatsverschuldungen kann so kaum mehr Einhalt geboten werden. Nur schon deshalb ist es wichtig, den Erhalt von Bargeld zu pflegen.

Risiko Nummer zwei: Das Gefahrenpotential von Cyberattacken durch Hacker oder Terroristen ist bei digitalem Geld noch verheerender als die heutige Verletzbarkeit elektronischer Zahlungssysteme. Auch „normale“, technisch bedingte Pannen hätten noch weit grössere Auswirkungen. Solche Katastrophen wären an sich schon schlimm genug, würden sich jedoch ohne Bargeldumlauf noch krass verstärken. (Gerade für solche Krisen sei es ja jedem geraten, einen ordentlichen Stock Bargeld zu halten.)

Risiko Nummer drei: Zahlungssysteme können schon heute von feindlichen Mächten gegroundet werden. Die Auswirkungen eines Eingriffs in digitale Geldströme wären indessen noch weit fataler. Konflikte müssen heute nicht mehr militärisch ausgetragen werden: Nordkorea, Russland, China, Iran oder die Türkei könnten auf den Gedanken kommen, unsere Systeme zu Fall zu bringen. Eine solche Aktion könnte durchaus hybrid, also verdeckt und ohne offenen militärischen Konflikt erfolgen (“wir waren es nicht…”). Das Resultat wäre nicht sehr appetitlich, denn der Grossteil unseres gesamten zivilen und wirtschaftlichen Lebens würde zusammenbrechen. Selbst neue Kampfflieger könnten hier wohl nichts verrichten, es würde dann insbesondere auch keine Rolle spielen, ob Frau Amherd Raphael, Tiger oder Eurofighter gen Himmel schicken würde (allerdings erst ab 2030.).

Ein paar echte Nötli im Umlauf könnten das Drama jedoch zumindest vorübergehend lindern und das Leben erträglicher gestalten, bis die Misere behoben ist.

Viertes Risiko: Der Staat übernimmt die Kontrolle über unsere Einnahmen, Ausgaben und Ersparnisse. Nicht nur das gesamte Konsumverhalten würde nahezu gläsern. Es kann auch zur schleichenden Enteignung kommen: Wenn dem Bürger die Freiheit genommen wird, den Negativzinsen mit Halten von Bargeld zu entrinnen, hat er längerfristig verloren. 

Cash ist einer der letzten Horte unserer Privatsphäre: Ein Nachvollzug unseres Ausgabenprofils, welches wir nicht preisgeben möchten, ist mit Cash nur erschwert möglich. Der Wunsch nach Privatsphäre hat dabei nichts mit einfachem Verstecken oder kriminellen Absichten zu tun – sondern einzig und allein mit Freiheit. Der Vormarsch von digitalen Währungen wird diese Freiheit leider reduzieren. Und wenn Bargeld keine valable Alternative mehr darstellt, treibt der Staat den Bürger dazu, sein Geld in andere Anlageformen zu konvertieren: also in Immobilien, Aktien, Staatsanleihen, etc. Damit riskiert der Staat, volkswirtschaftlich unerwünschte Bewertungsblasen zu fördern. Das erfolgt schon heute, würde sich mit der Reduktion des freien Bargeldverkehrs jedoch noch akzentuieren.

Fazit:

Der fortschreitende Ersatz von Bargeld durch elektronische Zahlungsmittel ist unaufhaltbar. Allerdings steigen so die Risiken in Krisenfällen, denn unsere Zahlungssysteme werden gegen Angriffe von aussen immer vulnerabler, je mehr wir uns von Bargeld abwenden. Das grösste Risiko besteht allerdings darin, dass der Staat die weitgehende elektronische Kontrolle über unsere privaten Mittel übernehmen könnte – und es so immer leichter wird, uns mit Steuern und Abgaben zu drangsalieren. 

Wie können wir uns dagegen wehren…? True Economics bleibt dran – siehe Folgebeitrag (Teil II) nächste Woche! 

Wenn Kinderärztinnen Digitalwährungen planen

Oder wenn die Büchse der Pandora digital wird

Wenn die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, als ehemalige Kinderärztin eine digitale europäische Währung in Aussicht stellt, so ruft das zumindest  Stirnrunzeln hervor. Von wem sie sich wohl beraten und beeinflussen lässt? Von den Finanzministern klammer Staaten, oder von Geldschöpfungs-Berserkern, wie den Verfechtern der MMT (Modern Monetary Theory)? True Economics beleuchtet die Hintergründe und zeigt auf, wie brandgefährlich solches Tun ist.

Was haben der gute alte Biden, der Staatskapitalist Xi Jinping, der ehemalige Licence-to-kill Agent (Putin), die Juristin Lagarde (Europäische Zentralbank), und eben die Kinderärztin gemeinsam? Erstes träumen sie alle von einer digitalen Währung, zweitens sind sie alle keine Ökonomen, und drittens verstehen sie nichts davon. Auch der deutsche  Finanzminister Scholz, ansonsten nicht gerade ein Ausbund an Dynamik, eher schon die Inkarnation eines altsozialistischen Langweilers, hatte kürzlich für einmal etwas Spannendes von sich gegeben: Er sei gegen dieses „Libra“, aber für eine europäische Digitalwährung. Unserer Ex-Konzertpianistin Sommaruga ist immerhin zugute zu halten, dass sie sich, im Moment noch als Bundespräsidentin, in der Causa „Digitaler Schweizerfranken“ (noch nicht) geäussert hat. Ein besonderes Lob müssen wir unserem Finanzminister Ueli Maurer aussprechen, denn auch er schweigt zu dem Thema. Dabei wäre gerade er noch halbwegs berufen, sich in dieser Sache zu melden – sind bei ihm doch immerhin ein paar dünne ökonomische Spuren in seinem CV auszumachen (KV, führte den Volg). Auch Mutti schweigt. Obwohl es vielleicht gerade der Atomphysikerin Angela Merkel noch zuzutrauen wäre, in dieser komplexen mathematischen und digitalen Mengenlage Kompetenz zusammenzuklauben. 

Natürlich könnten wir nun alle diese Protagonisten in Schutz nehmen und anführen, dass Staatsführer nicht alles selber verstehen müssen – es gibt ja Stäbe, Berater und Spezialisten, auf die man zurückgreifen kann. Aber verstehen auch alle diese Berater diese digitalen Vorgänge…? Erkennen sie die Gefahren?

Immer neue Digitalwährungen

Neue digitale Währungen, wie Bitcoin etwa, stellen eine neue Dimension an Werten dar, weil diese eben in Konkurrenz zu bisherigen Währungen treten. Nach Bitcoin und anderen Kryptowährungen kam nun Libra noch dazu (neu „Diem“), die neue digitale Währung von Facebook: vordergründig die Lösung für Milliarden von Menschen weltweit, die nicht über ein Bankkonto verfügen, hintergründig natürlich als raffiniertes Vehikel, um Kommunikation und Konsum auf einen neuen und lukrativen Level zu führen.

China und die USA wollen sich offenbar in einen Wettlauf in Sachen Einführung von digitalen Staatswährungen begeben. China gar überlegt sich längerfristig die Abschaffung des Bargelds, der digitale Ersatz soll mittels Blockchain-Technik erfolgen – die totale staatliche Kontrolle wäre so perfekt, George Orwells „1984“ Kinderliteratur dagegen.

Sind wir alle überfordert…?

Tatsache ist, dass viele Staaten jetzt kalte Füsse kriegen. Sie haben Angst, dass ihnen die Felle in Sachen Währungskontrolle davonschwimmen, wenn sich immer mehr (private) Konkurrenzwährungen entwickeln. Die Herausgabe von Währungen soll – mehr oder weniger verständlich – staatliches Hoheitsrecht bleiben. Dann doch lieber eigene digitale Währungen lancieren, auch wenn wir die Folgen nicht richtig einordnen können. Und damit sind wir wieder bei der Kinderärztin. In unserer Leserschaft gibt es einige Ökonomen und intelligente Berufsleute, die durch das Stahlbad der Finanzwelt gegangen sind. Doch sie und wir alle (und selbst die schlauesten internationalen Ökonomen) verstehen die Funktion von digitalen Währungen nicht immer à fond. Und sie alle können die langfristigen Folgen der Schöpfung von solchen Werten nicht abschätzen. Was passiert mit der Inflation? Wie sicher ist eine solche Währung in Bezug auf Hacker und Cyberattacken? Oder ganz einfach: Was passiert bei Stromunterbrüchen? Das letzte lässt sich noch am ehesten erahnen. Wir wissen ja, was geschieht, wenn der Kreditkartenterminal ausfällt: Wir ziehen dann unsere Nötli aus dem Portemonnaie. Aber eben: Das Not-Szenario setzt das Vorhandensein von genügend Bargeld voraus – bei jedem persönlich, aber auch im Umlauf.

Elektronische Zahlungsmethoden waren nur die Vorreiter

Wir alle kennen und nutzen die neuen Zahlungsmethoden: ob Kreditkarte, Twint, Google Pay oder andere neuen digitalen Bezahlmittel. Sie sind alle im Vormarsch und verdrängen das Bargeld – Corona hat den Trend noch beschleunigt. Diese neuen elektronischen (oder digitalen?) Bezahlformen sind de facto neue Währungen – zwar in Denomination bekannter Währungen, wie Euro oder CHF. Aber diese Mikroüberweisungen stellen in ihrer Summe bereits Milliarden an neuem künstlichem Geld dar. Es sind de facto bereits Kunstwährungen, welche den Geldumlauf vergrössern. Immerhin basieren sie alle auf unseren Staatswährungen. Aber sie sind dennoch die cybermässigen Vorreiter für parallele digitale Währungen. Die Schnittstelle von traditioneller zu digitaler Währung stellt allerdings einen Quantensprung dar, denn die digitalen Währungen basieren wohl kaum mehr auf reellen Gegenwerten!

Die neuen Währungen könnten auch durch die Hintertüre kommen: als natürliche Weiterentwicklung des elektronischen Geldverkehrs. So würden wir es vielleicht gar nicht merken.

Kryptowährung ist nicht gleich Digitalwährung

Die meisten digitalen Währungen sind heute „Kryptowährungen“, welche i.d.R. auf einer Blockchain-Konstruktion basieren. Zu 50%, so die heutige Schätzung, wird diese heute (so vor allem bei Bitcoin) für kriminelle Zwecke genutzt. Die Zahlungsströme lassen sich nicht „tracen“, benötigen aber einen gigantischen Energiebedarf – was ihre grosse Verbreitung einschränken wird. Das System basiert weltweit auf simultaner Datenverfügbarkeit und verbraucht so eine Unmenge an Energie (bei Bitcoin heute rund den Energieverbrauch Hollands). Ausserdem ist es mit seinem „Mining“-Ansatz volumenmässig limitiert – was immerhin der Kurspflege dient. Solche Blockchain-basierten Digitalwährungen lassen sich also nicht beliebig multiplizieren. Aber das wissen die Notenbanker und Finanzminister der einschlägigen Staaten schon, auch die Kinderärztin. Eine Digitalwährung kann nämlich auch ohne Blockchain funktionieren: Man schafft sie einfach – quasi aus dem Nichts. Man hinterlegt sie nicht mit Gold, eigenen oder Fremdwährungspositionen oder irgendwelchen anderen staatlichen Bilanzwerten. Man stellt sie mehr oder weniger in der richtigen Dosierung einfach ins Netz, wo sie abgerufen werden kann. Zu einfach, um wahr zu sein?

True Economics sagt: Das birgt ein gigantisches Inflationsrisiko in sich. Aber vielleicht wäre gerade dies die beabsichtigte Lösung, um die explodierenden Staatsschulden zu vernichten? Geldentwertung führt ja bekanntlich auch zu Schuldenentwertung. 

MMT: Gift für die Geldstabilität

Die „Modern Monetary Theory“ basiert auf dem Glauben an die fast unlimitierte Schöpfung von Geld und folgenlose Schuldenmache durch den Staat. Dieser sich munter verbreitende Ansatz kommt einigen Staaten im Moment gerade gelegen.

Der Produktionsfaktor Kapital wird also künftig, nachdem de facto auch der Zins nahezu abgeschafft wurde, nichts mehr kosten. Eine wichtige Forderung von Karl Marx wäre damit bereits erfüllt: Das Kapital zumindest gehört jetzt allen. Wenn dann allerdings Inflation droht, ist es zu spät, um die Geldmenge zu regulieren. Würden die Zinsen drastisch erhöht, würden die Ersatzkredite, welche die auslaufenden fortschreiben, zu plötzlich hohen Kosten führen. Staaten mit hohen Krediten, Kommunen und Infrastrukturen wären dann nicht mehr in der Lage, die Zinsen zu stemmen. (Wie in Italien: Wenn das Land für seine Staatsschulden normale Marktzinsen zu entrichten hätte, wäre es schon gestern bankrott gewesen.)

Dass sich Präsident Madura einer Rekordinflation (von 20‘000 Prozent 2019) gegenübersieht, ist nicht einfach gottgewollt. Inflation schleicht sich ja nicht heimlich ins Haus, oder steigt, wie bei Corona, klandestin mit dem Samichlaus durch den Kamin rein. Inflation ist fast immer hausgemacht und ist fast ohne Ausnahme das Resultat von unkontrolliertem Gelddrucken – unter der Fuchtel der Politik.

Das war schon immer so. Nur kommt jetzt der neue digitale Hebel dazu, welcher die wundersame Geldvermehrung befeuern könnte.

Wie sicher sind digitale Währungen?

In einer ersten Phase könnte ein E-Euro (mit der gleichen Denomination, also 1 Euro = 1 E-Euro) nur dem institutionellen und zwischenstaatlichen Verkehr dienen. Anschliessend der Wirtschaftswelt, dann erst den Privaten. Die digitale Währung würde später die traditionelle schleichend ersetzen. Und, das zusätzliche Risiko nun: zum grossen Teil – oder auch ganz? – am Ende das Bargeld ersetzen. Eine Vision nur? Eine Verschwörungstheorie? Ein Schreckensgespinst für uns traditionell Denkenden? Angenommen, dies wäre das beabsichtigte Szenario: Dann müssten wir uns nun, zumindest persönlich, vorsehen. 

Es sind generell grosse Risiken auszumachen, denn digitale Währungen werden noch mehr als die elektronischen Zahlungssysteme Hackern und/oder Cyberattacken durch Terroristen oder verfeindeten Staaten ausgeliefert sein. Ausserdem besteht das Risiko, dass der Staat die totale Kontrolle über das Konsumverhalten der Bürger übernimmt. Und es kommen staatliche Enteignungsrisiken dazu, insbesondere dann, wenn mittels Einschränkung des Bargeldumlaufes den Negativzinsen nicht mehr zu entrinnen ist. Digitale Währungen im Portefeuille würden unser Leben wohl kaum sicherer machen. 

Die Grenzen des Cybergeldes liegen im Vertrauen

Die Hoffnung vielleicht: Die Geldschöpfung wird wohl doch noch endlich sein, wenn das Vertrauen in eine Währung nicht mehr besteht. Wenn also Erdogan z.B. eine digitale türkische Lira auf den Markt wirft, wird das in der Finanzwelt im besten Fall Schenkelklopfen auslösen. Potential für eine Überlebensfähigkeit im globalen Markt hätten nur grosse Währungen wie der US Dollar, der chinesische Renminbi, der Euro und der Yen. Und vielleicht noch der Schweizer Franken und das britische Pfund, in dritter Linie einigermassen starke Nischenwährungen wie der Singapur Dollar oder der kanadische Dollar. Aber auch alle diese Währungen würden ihren Kredit relativ rasch verspielen, wenn übertrieben und grenzenlos Cybergeld geschaffen wird. Die Geschichte lässt sich nicht ausblenden, damit auch nicht eine potentielle Inflation und Geldentwertung. Was uns jedoch nachdenklich stimmen muss: Die Staaten wollen ja gerade Inflation…! (Aber bitte nur ein bisschen, nicht zu viel.)

Eine staatliche Digitalwährung hätte wohl nur Erfolgschancen, wenn diese die „Papierwährung“ 1:1 abbildet und deren Schöpfung klar definierten monetären Regeln unterordnet; so kann sie nicht unendlich multipliziert werden. Ohne Vertrauen in die Währung geht es letztlich nicht. Unsere Kinderärztin und die Juristin bei der EZB tun also gut daran, sich profund beraten zu lassen, bevor sie den E-Euro ins Netz stellen.

DMMT: der gefährliche Cocktail

Die Verbindung nun von MMT und digitaler Währung führt zu einem brandgefährlichen Cocktail: MMT alleine und digitale Währungen alleine bergen schon Sprengstoff. Der Cocktail aus beiden wird jedoch noch explosiver. Durch den Staat geschaffenes Cybergeld müsste erst  recht gar nie zurückbezahlt werden. Der Staat dürfte mit vollen Händen das Geld verteilen, seine Staatsquote damit erhöhen und die Staatsdefizite ins Unendliche wachsen lassen. Das wäre dann in den Augen der Staatsführer wohl gar nicht tragisch, denn ein Schuldendienst ist eh nicht vorgesehen. Gleichzeitig könnte der Staat bzw. die Zentralbank den Geschäftsbanken (und damit der Wirtschaft) noch ungehinderter fast unbegrenzt billiges Cybergeld zur Verfügung stellen.

Der gesunde Menschenverstand sagt uns: So ein Perpetuum mobile kann doch längerfristig gar nicht funktionieren! Vielleicht weiss es jedoch unsere Kinderärztin. Natürlich, sie ist unter Druck: Es fehlt an Geld, die Wirtschaft soll angekurbelt werden, viele Staaten im südlichen Europa sind kaum noch zahlungsfähig, die Schulden sollen deshalb verallgemeinert werden. Vielleicht kommt da so eine Digitalwährung gerade recht?

Der Cocktail aus Digitaler Währung und MMT – nennen wir es DMMT – könnte einem Öffnen der Büchse der Pandora gleichkommen: nämlich zu Finanzsystemen führen, die komplett ausser Kontrolle geraten. Die Geldschöpfung wäre fatalerweise und schlechterdings zu simpel: Der Staat stellt einfach Geld ins Netz, das z.B. zinslos abgerufen werden kann. Unbegrenzt. 

Schon heute wird in vielen Staaten die Erbsünde begangen, dass die Zentralbanken nicht mehr unabhängig sind, dass sich die Finanzpolitik in die Notenbankpolitik einmischt. Wenn spendable Politiker also auf das System von DMMT zugreifen können, wird der Teufel los sein.

Fazit: Mit der Schaffung von digitalen Staatswährungen besteht tatsächlich die Gefahr, dass das Weltfinanzsystem ausser Kontrolle gerät. Zudem sind die Risiken aufgrund von elektronischen Pannen oder Cyberangriffen nicht zu verharmlosen. Wie stabil eine digitale Währung sein wird, wissen wir – und auch die schlauesten Ökonomen – heute schlichtweg nicht. Es fehlen die Erfahrungswerte. Wir wissen nur eins: Je elektronischer und digitaler der Zahlungsverkehr wird, desto kontrollierter wird auch die Überwachung von Kapital, Einkommen und Ausgaben. Und desto unkontrollierter werden auch die Finanzsysteme. Aber nicht genug: Stehen wir heute etwa vor der faktischen Abschaffung des Bargeldes? True Economics bleibt dran und wird der Sache im nächsten Beitrag vertiefter nachgehen.