Oder: Wurden wir über all die Jahre von unseren Zentralbanken betrogen?
Seit der Finanzkrise 2008/2009 hat sich die Inflation von der Geldmenge abgekoppelt. Wenn zu viel Geld in das System gepumpt wird, gibt’s Inflation. So die bisherige Lehre. Aber jetzt kriegen die Regierungen trotz Geldschwemme keine Inflation mehr hin – und obwohl sie diese doch so gerne hätten. 2% Inflation möchten die meisten: ein Wert, der für den Konsumenten kaum spürbar sei, und den die Volkswirtschaft brauche, um zu wachsen. Nun wurde über Jahre also Geld geflutet, tiefe Zinsen angesetzt und zum Teil bewusst die Währungen geschwächt, um die Exporte zu beflügeln. Tiefe Zinsen reflektieren das Vertrauen in eine Währung – also auch gut. Aber wann hört dieser Wettlauf auf? Und wann kommt plötzlich, mit Wucht, trotzdem die Inflation? Oder irren wir uns, und die Inflation ist bereits zur Hintertüre reingeschlichen, und wir haben es nicht bemerkt? True Economics analysiert.
Die Notenbanken haben uns betrogen
Ursachen für Inflation können einerseits die Ausweitung der Geldmenge sein, jedoch auch ein Nachfrageüberhang – wenn das Angebot nicht mithält. Es gibt auch die angebotsgetriebene Inflation, weil sich die Produktionen und Dienstleistungen verteuern. So die Lehrbücher. Nur: Seit 12 Jahren laufen die Notenbankpressen auf Hochtouren und die Zinsen oszillieren weltweit um die Nullmarke. Vordergründig galt es, die Wirtschaft mit billigem Geld anzukurbeln. Es hat nicht funktioniert. Eigentlich wurden wir von den Notenbankern und Politikern über Jahre betrogen, denn hintergründig ging es den Herren Dragi & Co. nur darum, mittels Inflation die Staatsverschuldungen abzubauen (da diese sich quasi teil-vernichten mit der Geldentwertung). Was eben misslang. Aber der Betrug geht weiter, denn die grosszügigen Corona-Geldverteilungen lassen die Schuldenberge weiter explodieren und erfordern jetzt erst recht eine Nullzins-Politik. Gleichzeitig wird immer noch von diesem optimalen zweiprozentigen Inflationsziel schwadroniert.
Lange Betrugsliste
Die Negativliste der Begleiteffekte für den Bürger ist lang: Negativzinsen, reduzierte Rentensicherheit, erschwerte Ersparnisbildung, die nächsten Generationen bleiben auf gigantischen Schuldenbergen der Staaten sitzen.
Es war letztlich ein Schuss in den Ofen: Via günstiges Geld hätten die Zentralbanken die Geschäftsbanken mit viel und günstiger Liquidität ausrüsten sollen, damit diese billige Kredite vergeben können. So sollte die Wirtschaft angekurbelt werden. Nur: Das Problem liegt nicht beim Angebot. Firmen expandieren nicht unverhofft, weil Kredite en masse und günstig auf der Strasse liegen. Es braucht Nachfrage. Immerhin könnte ein „Leverage-Effekt“ winken, es bräuchte – verhältnismässig – weniger Eigenkapital, wenn (günstiges) Fremdkapital eingesetzt werden könnte – also würde das Eigenkapital dank Hebelwirkung höhere Renditen abwerfen. Aber von diesem Leverage-Effekt profitieren nur die Firmenbesitzer oder die Aktionäre. Die Unternehmen investieren deshalb nicht mehr. Der Volkswirtschaft als Ganzes dient das nicht.
Kommt hinzu, dass in einzelnen Ländern staatliche Hürden, Auflagen, Soziallasten und Steuern dermassen zugenommen haben, dass es, abgesehen von der schwachen Nachfrage, für die Firmen einfach zu wenig attraktiv ist zum Investieren.
Wer möchte heute schon in Ländern wie Frankreich, Italien, Spanien oder Deutschland – auf KMU-Basis – investieren? Wer schnallt sich freiwillig diese Unternehmerbürde an…?
Hat die Ökonometrie ausgedient?
Es scheint, dass weder Keynesianer noch Monetaristen – noch unabhängige Ökonomie-Mathematiker, also die Ökonometriker – richtig liegen. Die Ausweitung der Geldmenge und die Niedrigzinsen hätten laut Lehre schon lange zu Inflation führen sollen. Auch das QE (Quantitative Easing, also das massive Aufkaufen von Anlagewerten durch die Notenbanken), erfunden vom Italiener Dragi, übernommen von seiner französischen EZB-Nachfolgerin Lagarde und ebenso gepflegt vom FED, hat nichts gebracht. Ausser die Börse künstlich beflügelt. Die zum Teil provozierten Abwertungen der Landeswährungen haben auch nichts gebracht: Wenn alle gleichzeitig abwerten, befinden sich alle wieder auf dem gleichen Stand, ohne positive Exporteffekte.
Man spricht heute von der „säkularen Stagnation”: Der Bürger gibt nicht mehr aus, und die Unternehmen investieren nicht und fragen kein Kapital nach – trotz billigstem Geld. Auch die Phillipskurve, welche uns einen direkten kausalen Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit (bzw. Beschäftigung) und Teuerung lehrte, ist nicht mehr das, was sie einmal war. Die ganze Lehre der Ökonometrie muss in Frage gestellt werden: Die volkswirtschaftlichen Daten bewegen sich einfach nicht so, wie die Wissenschaft dies einst vorsah!
Letztlich haben die Politiker heute die Zügel der wirtschaftlichen Führung eines Landes aus der Hand gegeben und an die Zentralbanker weitergereicht. Oder sie kollaborieren ganz klandestin mit ihnen – eine ordnungspolitische Todsünde, sollten doch Geld- und Fiskalpolitik immer unabhängig voneinander funktionieren.
MMT – die Modern Monetary Theory ist Gift
Der Staat sei eben kein Privathaushalt, also könne man sich von der engen Denkweise des vernünftigen Haushaltens lösen. Der Staat könne in beliebigem Ausmass selber Geld produzieren. Inflation ist übrigens nicht vorgesehen bei diesem Ansatz, denn Konjunktureingriffe werden einfach mit Steuererhöhungen oder –senkungen vorgenommen. Eine makroökonomische Zeitbombe. Aber die Theorie kommt einigen Politikern, die die Staatsverschuldung ohne Hemmungen explodieren lassen, sehr zupass.
Wieso kommt sie einfach nicht…?
Japan kennt seit Jahren eher Deflation, nicht Inflation. Dies trotz einer gigantischen Verschuldungsquote von 250% des BIP. Und das Land kauft den Grossteil seiner Staatsschulden gleich selber auf. Dann ist der Staat eben Schuldner und Gläubiger zugleich. Geht das einfach so, in einem modernen Staat? Tatsache ist, dass dem Land grosse Probleme bevorstehen. Es gibt eine krasse Überalterung, und die Bevölkerung schrumpft. Das sind schlechte Aussichten, um einst eine gesunde Balance mit den Schulden zu halten. Die Balance würde auf jeden Fall im Nu kippen, wenn die Zinsen erhöht würden. Das wird indessen genau aus diesem Grund auch längerfristig nicht stattfinden – und Japan, als die drittgrösste Volkswirtschaft der Welt, könnte es sogar schaffen, im eigenen grossen Währungsraum einfach so weiterzuleben. Mit tiefen Zinsen eben – for ever. Oder zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Schneeballsystem doch noch zusammenbricht.
Auch in der EU war in den 10er-Jahren in Spanien, Griechenland und Zypern Deflation auszumachen. Ein starker Nachfragerückgang drückte auf die Preise. Erfolgt eine Deflation vorübergehend, ist das überhaupt nicht tragisch. Es kommt nicht zur Deflationsspirale, welche die Finanzmärkte einschliesst – wie in den 30er-Jahren. Deflation bedeutet also nicht gleich Depression. Aber sie wird von staatlich bezahlten und etatistisch gesinnten Ökonomen oft als Damoklesschwert vorgeschoben, um mittels Geldmengenvermehrung stark gegenzusteuern zu können. Mittels Gelddrucken und tiefen Zinsen lassen sich nun mal einfacher Schulden machen. Heute ist so viel Geld im Markt, dass eigentlich schon lange Inflation herrschen sollte. Das Geld kreist jedoch zu langsam, womit der inflationäre Effekt des Geldumlaufs gar nicht greifen konnte. Sobald die Nachfrage in einer – vielleicht viel späteren – post-Corona-Ära wieder anzieht, könnte die Inflation jedoch schlagartig einsetzen. Das Geld ist dann schon im Markt und kann nicht mehr rausgenommen werden. Der Pool könnte dannzumal plötzlich überlaufen. Eine Vermutung nur – alle Ökonomen sind sich einig, dass man sich hier uneinig ist.
Nachhaltige böse Folgen der Gelddruckerei
Geld schwemmen und Nullzinsen ist eine sehr asoziale Strategie. Denn so steigen nur Vermögenswerte (wie Immobilien, Anlagen) von Begüterten.
Damit wird die oft links geprägte Politik des viel Geldausgebens (via monetäres Fluten und Schulden) zum Bumerang. Auf einen Nenner gebracht: Die derzeitige Ausgabenflut wirkt letztlich unsozial. Der Vorgang scheint schwer vermittelbar, diese Analyse ist jedoch stringent! Die heutige Geldpolitik fördert also die Ungleichheit und damit mittelfristig auch die sozialen Spannungen. Junge Leute werden in absehbarer Zeit mittels verzinstem Sparen kein Vermögen schaffen mehr können. Die Nullzins-Politik ist damit ein Verrat der alten Generation an der jungen.
Das gibt viel Nahrung für die künftigen politischen Verteilungskämpfe: Die Lohnentwicklung ist nämlich an den Index der Konsumentenpreise gekoppelt. Ein Immobilienkauf mit verdientem Einkommen aus Arbeit zu realisieren, wird immer schwieriger, leichter gestaltet sich dies aus Kapitaleikommen. Karl Marx hätte bestimmt Freude an dieser sozialkritischen Analyse. Sie widerspiegelt indessen eine Tatsache und ist von ihrer Wirkung her staatspolitisch äusserst toxisch: Es dient einer Gesellschaft längerfristig nicht, wenn sich die Schere in der Vermögensverteilung weiter auftut.
Wird Inflation falsch gemessen?
Ist die Inflation bei uns etwa bereits angekommen, und wir haben es gar nicht bemerkt? Das ist durchaus möglich. Und zwar hat sie sich ganz gemein eingeschlichen, durch die Hintertüre. Es betrifft die Investitionen von vermögenden Personen, welche ihr Geld in andere Werte konvertieren möchten: Dann erhalten sie für ihr Geld heute nämlich weniger an Immobilien, Aktien, Oldtimer, Kunst, Gold, etc. Alles ist teurer geworden. Hier, bei den „Vermögenspreisen“ ist die Inflation bereits angekommen. Das trifft natürlich nicht auf den normalen Mix mit Konsumgütern zu.
So klassisch, wie die Inflation heute gemessen wird, wird sie demnächst wohl kaum stattfinden, Zumindest – vermutlich – weder mittel- noch langfristig. Die rekordtiefen und langanhaltenden Zinssätze haben also nur eine ungeplante Inflation bei Vermögenden provoziert, die gar nie bei der Durchschnittsbevölkerung angekommen ist. Die gescheiten Notenbanker wollten mit ihrer Geldschwemme die Konsumgüter in die Inflation zwingen, um ihre Staatsschulden zu vernichten. Nun ist sie an einem ganz andern, luxuriösen Ort – wo sie nämlich nicht gemessen wird – angekommen.
Wird Inflation also falsch – oder zumindest unvollkommen – gemessen?
Was tun?
Was bedeutet diese Misere nun für uns Anleger? Die Antwort ist eine theoretische – doch hier ist sie: keine verzinsten Anlagen tätigen, welche nicht kurzfristig sind. Also Hände weg von Investitionen in vermeintlich sichere Staatsanleihen, besonders nicht in Fremdwährungen. Steigt die Inflation trotzdem (z.B. Import-bedingt wie in der Türkei aufgrund der erodierenden Lira), verlieren solche Anlagen massiv an Wert – logischerweise vor allem, wenn diese langfristigen Charakter haben. Besser Geld parken (in sicheren Währungen), Wohnimmobilien kaufen, nur vorsichtig und selektiv an der Aktienbörse präsent sein – und warten. Es könnte nur wenige Jahre dauern, und man könnte mit dieser Strategie gewinnen. Ja, es herrscht Anlagenotstand: Obligationen sind ebenso out, Fremdwährungen nur Spekulation; sie dienen allenfalls zur Diversifikation. Gold ist eine kleine Alternative, aber nur als Notbatzen. Gold dient kaum zur Spekulation und wirft auch keinen Zins ab; das gelbe Metall ist nur ein Back-up. Und auch nur dann, wenn es in kleinen, handelbaren Grössen gehalten wird. Also bitte keine Goldzertifikate oder Minenanleihen. Nur Nuggets, Vreneli, Krügerrand, Kleinst-Barren…
Fazit:
So wie die Inflation heute gemessen wird, wird sie demnächst nicht flächendeckend ankommen. Zwar versuchen die Zentralbanken, eine solche seit Jahren herbeizuzwingen – doch es funktioniert nicht. Ob die Verschuldungsblase jemals platzen wird und dannzumal eine Inflation – oder gar eine Hyperinflation – provoziert, ist absolut unsicher.
Sicher ist nur, dass es in den nächsten Jahren und Jahrzehnten aufgrund der horrenden Staatsverschuldungen nie mehr nennenswerte Zinsen geben wird. Brave new world: Das Geld ist nichts mehr wert. Auch ohne Inflation.
Kurz- und mittelfristig ist also nicht mit Inflation zu rechnen, eher mit einer kleinen Deflation – oder gar mit einer „Stag-Deflation“? Wir bleiben dran.