Hat Warren Buffett immer recht?

Dann sollten wir jetzt so handeln wie er.

Ja, der Starinvestor Warren Buffett hatte sehr oft recht mit seinen Anlagestrategien. Diese beruhen in der Regel auf Langzeit-Visionen – Visionen, die uns als Hinweis dienen können, was wirtschaftlich auf uns zukommen wird. Sollten wir also weiter von ihm lernen? Nicht nur seine Anlagestrategie kopieren (wir könnten natürlich auch seine Aktie kaufen), sondern sein ganz aktuelles Verhalten richtig interpretieren: nämlich das Nichtstun. Er investiert nicht mehr. Glaubt er also an eine längerfristige Rezession, und befürchtet er doch noch einen grösseren Einbruch an den Aktienbörsen? Uns interessiert seine Grundhaltung – aber auch sein aktuelles, atypisches Investmentverhalten. Die Interpretation von letzterem lässt nämlich tief blicken.

Warren Buffett hat noch nie nichts getan – ausser jetzt

Das „Orakel von Omaha“ ist jetzt 90 geworden. Kaum eine Zeitung, die nicht davon berichtete. Zahlreiche Bücher sind in den letzten Jahren über ihn erschienen. True Economics möchte deshalb keinen weiteren Aufsatz über sein Leben und seine Anlagestrategie sowie den Erfolg seiner Berkshire Hathaway verfassen. Uns interessiert eher sein gegenwärtiges Nichtstun. Es ist atypisch. In seiner ganzen Karriere hatte er nämlich noch nie nichts getan. Dabei hatte Buffet immer schon ein gutes Händchen; seit er 14 ist, handelt und investiert er. Es gibt wohl kaum eine lebende Person, welche damit auf immerhin 76 Jahre Berufserfahrung in der Wirtschaftswelt zurückblicken kann.

83 Milliarden Dollar – und er macht sich nichts draus

Warren Buffett ist mit 83 Milliarden USD der drittreichste Mann der Welt – nach Jeff Bezos und Bill Gates. Aber er verteilt immer ein bisschen etwas, und er unterhält zahlreiche Stiftungen. Die Milliarden hindern ihn auch nicht daran, seit über 60 Jahren im gleichen Haus zu leben (das er 1958 für USD 31‘500 gekauft hatte). Seit Jahren beträgt sein Salär USD 100‘000. Buffett hält immer noch knapp 20% an seiner börsenkotierten  amerikanischen Investment-Gesellschaft. Die Aktie von Berkshire Hathaway ist die teuerste Aktie der Welt. Wir haben nachgeschaut: 1969 kostete ein Anteil USD 43, heute deutlich über USD 300‘000. Bei einem solchen Aktienpreis muss man sich zumindest nicht mit unangenehmen Kleinaktionären herumschlagen.

Immer überdurchschnittliche Renditen. Das Geheimnis?

Anstatt das Geheimnis seines Anlage- und Beteiligungserfolges zu ergründen, könnten wir natürlich einfach Aktien von Berkshire Hathaway kaufen. Oder sein Anlagemuster oder gar sein Portfolio kurzerhand kopieren. Zurückblickend lässt sich auf jeden Fall beobachten, dass Buffett nie Index-orientiert handelte. Er pickte Rosinen und hielt sie langfristig. Aktien, Unternehmensanteile, Anleihen. Das Gegenteil eines Daytraders eigentlich. Er verfolgte auch immer den Value-Ansatz, und er kaufte nur, was er verstand. Er liebte immer Low-Tech: Coca Cola, Heinz, Gillette. Unkomplizierte Sachen. Sogar die Aktien der Washington Post waren immer noch selbsterklärend. Dow Chemical dann schon etwas komplizierter – aber transparent. Auch General Re oder General Electric. Heute ist Buffet etwas flexibler, so sind Investitionen in Goldman Sachs hinzugekommen – offenbar traut er der Firma zu, nie Geld zu verlieren – was für die Kunden von Goldman Sachs selbstredend nicht gilt.

Warren Buffetts Denken und erfolgreiches Handeln lässt sich mit den folgenden 11 Punkten erklären:

  1. Buffett handelt ziemlich konsequent nach dem Prinzip des Value Investing. Wenn der innere Wert einer Beteiligung deutlich unter dem Börsenkurs liegt, deutet er dies als Kaufsignal. Er liebt ganz einfach den reellen Gegenwert. Deshalb hat er auch nie auf die Überflieger der Tech-Branche gesetzt. Die Dotcom-Blase im Jahr 2000 ging an ihm spurlos vorüber – er besass keine einzige Aktie der hochgejubelten Branche. Kurz vor dem Platzen der Blase wurde ihm das noch als Anlagefehler angekreidet – doch er behielt recht.

Im Durchschnitt der letzten 40 Jahre erzielte er eine rekordverdächtige jährliche Rendite von 20%.

Dass Value-Aktien in der Regel hinter den sogenannten „Wachstumsaktien“ hinterherhinken, ist ihm ziemlich egal. Ob er auch hier recht behält? In ein paar Jahren werden wir es wissen.

  • Buffett investiert nicht in Dinge, die er nicht begreift. So betonte er oft, dass er nichts von Technologie verstehe. Also kaufe er das auch nicht… Erst 2017 investierte er massiv in Apple – als die Firma eigentlich schon fast eine „normale“ Firma war. Strukturierte Produkte, Derivate? Solche Instrumente bezeichnete Buffett schon mal als „finanzielle Massenvernichtungswaffen“.
  • Warren Buffett sah sich nie als Aktionär, sondern immer als Teilhaber. So kann er nachhaltiger denken.
  • Er investiert nur in Firmen mit erwiesenen Erträgen – nicht erhofften.
  • Er investiert nur in Firmen mit kompetentem Management. Er versucht nicht, mittels Führungsaustausch Einfluss auf die Unternehmensstrategie zu nehmen – eine sonst beliebte Praktik der Investmentfirmen.
  • Buffett macht persönlich keine Schulden. Er „leveraget“ seine Beteiligung bei Berkshire Hathaway nicht. Die Regel gilt auch für die Firmen, in die Berkshire investiert – diese müssen immer gesund kapitalisiert sein. Allerdings war er sich in den letzten Jahren gut genug, sich bei Berkshire doch etwas Geld zu borgen (spottbillig natürlich), um gezielte Investitionen zu tätigen.
  • Buffett hält immer genügend Cash, um jederzeit investitionsbereit zu sein. Im Moment werden es um die 130 Milliarden USD sein, die bei Berkshire rumliegen.
  • Berkshire Hathaway schüttet keine Dividenden aus. So steigt das Eigenkapital konstant an, und damit kann mehr dazugekauft werden. Notfalls kauft Buffet manchmal die eigenen Aktien, wenn diese vorübergehend gestützt werden müssen.
  • Buffett hat sein ganzes Vermögen in Berkshire Hathaway investiert. Er ist kein Fonds-Manager, auch kein CEO einer Investmentgesellschaft. Er ist Eigner und seine langfristigen Ziele decken sich deshalb mit denen der Aktionäre.
  • Buffett lebt selber einen bescheidenen Lebensstil. Geld an sich ist für ihn kein Antrieb – ein nützlicher Charakterzug für langfristiges Denken. Der Multimilliardär wird nur einen Bruchteil seines Vermögens an seine Kinder vererben; der Grossteil wird an gemeinnützige Institutionen gehen. Ob das Donald Trump auch schon angedacht hat? Buffet jedenfalls denkt nicht vermögensgetrieben – ein weiterer Beweis, dass er die richtigen Voraussetzungen mitbringt für nachhaltige Investments.
  • Buffett arbeitet immer noch. Warum er sich das antut? Ganz einfach: Es macht ihm Spass. Vielleicht ist er doch eher ein Unternehmer und kein Investor? Die Freude an der Arbeit ist auf jeden Fall eine gute Voraussetzung, um Erfolg zu haben.

Wie reagiert Buffett in der Coronakrise?

Zu Beginn der Krise, im März 2020, verkaufte Buffett sofort alle Airline-Beteiligungen. Anschliessend machte er folgendes: nichts. Es wird ihm seit Monaten Inaktivität vorgeworfen, und zum ersten Mal kommt sein Alter zur Sprache.

In der Regel kauft Buffett in Krisen immer hinzu. Wir vermuten jedoch, dass er die Airlines nicht nur in einer vorübergehenden Krise sieht, sondern eher eine länger andauernde Agonie befürchtet – was tatsächlich einen konsequenten Ausstieg erforderte. Was bemerkenswert ist: Er tätigte diesen schon früh, gleich zu Beginn der Krise – als noch alle im Nebel stocherten und von einem rezessiven V-Shape fabulierten.

Buffett investierte in den letzten Wochen einzig in japanische Handelshäuser. Offenbar betrachtet er deren Aktivitäten als krisenresistent und ortet Entwicklungspotential.

Buffett griff in der Finanzkrise tüchtig zu

Während der Finanzkrise 2008/2009 hatte Warren Buffett umfassend zugekauft. Er nutzte die  Unterbewertung von vielen an sich gesunden Firmen. In der jetzigen Krise sieht er das offenbar anders. Nun, nachdem er während Dezennien recht hatte, liegt die Wahrscheinlichkeit vielleicht hoch, dass er auch diesmal recht hat.

In der Tat sind noch allerlei tiefgreifende wirtschaftliche Verwerfungen möglich – die Krise ist beileibe noch nicht ausgestanden. Eine langanhaltende Rezession oder Depression ist immer noch ein wahrscheinliches Szenario. Das sieht Buffett wohl auch so.

Fazit:

Die Coronakrise wird wohl oder übel als die grösste Wirtschaftskrise seit dem 2. Weltkrieg in die Geschichte eingehen. Dabei geht es nicht eigentlich um die medizinische Bewältigung der Pandemie, sondern um die Bewältigung von deren makro- und mikroökonomischen Folgen. Die Finanzmärkte könnten nochmals richtig durchgeschüttelt werden. Wenn Warren Buffett recht hat, so haben die Börsen einige Talfahrten noch vor sich – sonst hätte er schon lange zugeschlagen. Unsere Interpretation also: Das Nichtstun des alten Starinvestors ist nicht auf sein bald biblisches Alter zurückzuführen. Sondern auf seine Vision, dass die Wirtschaftskrise noch lange nicht ausgestanden ist. Vergessen wir die V- und die U-Shapes. Es wird länger dauern. Also sollten wir vielleicht so handeln wie Warren Buffett: nämlich nichts tun?

Braucht die Schweiz einen Staatsfonds?

Oder warum unter dem Deckmantel eines Staatsfonds der Staatskapitalismus gefördert werden könnte

Immer wieder kommt die Idee eines Staatsfonds auf den Tisch: vor Jahren schon, als der Bund regelmässig Überschüsse im Staatshaushalt erzielte. Und kürzlich wieder, als man nicht wusste, wohin mit den fetten Überschüssen der Nationalbank. Und jetzt wieder, im Lichte Coronas: Der Staat könnte doch mittels eines Fonds kranke „systemrelevante“ Unternehmen übernehmen… In allen Fällen krankt es jedoch an nachhaltigem Denken: Staatsfonds lassen sich nur rechtfertigen, wenn man wirklich nicht mehr weiss wohin mit dem Geld! True Economics analysiert.

Die Idee ist verführerisch: Sollte ein Staat tatsächlich über überflüssige Einnahmen verfügen, könnte man das Geld doch in einem separaten Fonds bunkern. Für schwere Zeiten, für später, für die kommenden Generationen. Man entzieht die Mittel der – wo vorhanden – demokratischen Kontrolle und spart sie. So werden sie zumindest nicht unnütz verschwendet. Ein eleganter Gedanke an sich.

Nur: Die wenigsten Staaten kommen je in die beneidenswerte Lage, dass sie mehr einnehmen als sie ausgeben können. Trotzdem gab es ein paar Länder, die sich in den letzten Jahren in dieser Situation befanden und die Gunst der Stunde nutzten. Entweder handelte es sich um eine Situation von brillantem Staats-Management (in Singapur z.B.), oder um Glück aufgrund übermässig sprudelnder Ölquellen.

Hier ein paar Beispiele der grössten Staatsfonds der Welt:

Norwegen beschloss, einen Gutteil seiner Erdölerträge für spätere Generationen in dem weltweit grössten und billionenschweren eigenen Staatsfonds zu bunkern – eine gute Sache.

Oder Saudi Arabien, Kuwait, die Emirate, Katar: Die Golfstaaten unterhalten alle gut gefüllte Fonds-Schatullen. Allerdings müssen diese nun geplündert werden, da sich aufgrund der erodierenden Erdölpreise gigantische Defizite in den Staatshaushalten auftun.

Auch China, Singapur oder Hong Kong unterhalten gut dotierte Fonds. Am meisten Ruhm (wenn auch im negativen Sinne) brachte sein Staatsfonds allerdings Malaysia ein: Sein 1MBD Fund hatte sich als Abgrund von Korruption und Regierungsversagen erwiesen. Womit sich uns die Grenzen des Fonds-Managements offenbaren: Es braucht demokratische Kontrollen. Allerdings keine demokratische Einflussnahme im Fonds-Management, sonst wird das Vehikel zum Spielball politischer Partikular-Interessen.

Die reiche Schweiz könnte doch einen fetten Staatsfonds aufbauen

Der Ideen waren schon viele. Insbesondere während Zeiten von nachhaltigen Überschüssen im Staatshaushalt kamen immer wieder Ideen für die Gründung eines Staatsfonds auf. In solchen Fällen zumindest diskussionswürdig.

Variante 1: Der Staatsfonds mit Schuldenaufnahmen

Oft werden Ideen zum Fondsaufbau jedoch mit gefährlichen Pferdefüssen versehen: Die SP zum Beispiel lancierte jüngst die Idee, einen Staatsfonds mit grosszügiger Schuldenaufnahme zu finanzieren. Aus Sicht eines Bankers zum Beispiel (hier machte die SP betreffend Sichtweise wohl eine ideologische Ausnahme) könnte dies Sinn machen: Zu Negativzinsen extrem langfristige Milliardenschulden aufnehmen, dann klug zu investieren – in Aktien, Anleihen, Fremdwährungen, Immobilien, etc. Die Rendite müsste doch extrem positiv sein, also könnte man mit dieser soziale Ausgaben bestreiten. Nur: Der Staat sollte es sich nicht leisten, einen solchen gigantischen Hedgefonds mit der Wette auf Zeit und Erfolg zu unterhalten. Und: Wieso sollte dies der Staat besser tun als private Unternehmen?

Variante 2: Der Staatsfonds zur Stützung systemrelevanter Unternehmen

Die CVP gab sich erst kürzlich ins staatskapitalistische Abseits: Sie schlug einen Staatsfonds vor, welcher „systemrelevante“ Firmen unterstützen oder übernehmen könnte. Wir ahnen schon, wie dies dann vonstatten gehen würde: Die Systemrelevanz würde mit Sicherheit äusserst politisch ausfallen, es müsste dann basisdemokratisch ausgejasst werden, was alles als systemrelevant gelten soll. Am Schluss vielleicht alles. Tür und Tor würden geöffnet für staatliche Übernahmen und Beteiligungen. Wie in Frankreich – oder schlimmer. Ordnungspolitische Sündenfälle wären absehbar.

Variante 3: Staatsfonds aus Überschüssen

Sollten die Schulden einmal nahezu abgebaut sein, könnte ein Staatsfonds in der Tat angedacht werden. Anstatt Überschüsse unnötig zu verpulvern oder irgendwo zu parken, könnte in einem solchen Fall tatsächlich an einen professionell geführten Staatsfonds gedacht werden. Eine Ausnahmesituation, wie sie sich etwa in Norwegen ergab.

Der Weg zum Staatskapitalismus ist kurz

In allen drei Fällen droht das Übel, dass die Staatsfonds Verstaatlichungen oder zumindest ungebührliche Staatseinflüsse fördern, sofern sie deren Manager sich bei den Anlageentscheiden nicht als kluge und unabhängige Investoren betätigen, sondern als staatskapitalistische Gestalter. Das Risiko ist hoch, dass ein Staatsfonds nicht apolitisch gemanagt wird. Norwegen und Singapur sind die wohl wenigen löblichen Ausnahmen, welche die Regeln begriffen haben.

Die höchste Entwicklungsstufe eines Staatsfonds ist wohl dann erreicht, wenn der Staat gleich grosse Teile der Wirtschaft besitzt und verwaltet. Der Fonds ist der Staat – bzw. der Staat ist der Fonds. Die de facto Verschmelzung der beiden Gebilde heisst dann weder „Fonds“, noch „Staat“. Das staatliche Gebilde ist dann einfach Besitzer und Lenker eines Grossteils der Wirtschaft.

Frankreich liegt heute schon bei einer besorgniserregenden Staatsquote von 56%, Deutschland bei 45%. Die Nach-Corona-Ära wird vermutlich aufzeigen, wie stark die Quote allein im 2020 gewachsen sein wird. Die Schweiz liegt Gott sei Dank nur bei rund 35%, allerdings mit steigendem Trend. (Kiribati, die klamme Pazifikinsel, liegt übrigens bei über 150% – ein Fingerzeig, dass die Skala gegen oben durchaus offen sein kann. Im Falle dieses merkwürdigen Eiland-Staates zum Beispiel, indem man – dank ausländischer Hilfe und explodierenden Schulden – tatsächlich nur schon als Staat jährlich mehr ausgibt als das komplette BIP hergibt.)

Wir kennen das Resultat: unproduktiver Staatskapitalismus. Die Eurozone wird 2020 wohl bei 50% liegen. Das heisst, dass der Staat mit seinem eigenen Konsum die Hälfte zum BIP beiträgt. Nur logisch, dass der verstärkte Einsatz von Staatsfonds die Prozentzahl weiter gegen oben drücken würde.

Fazit:

Ein Staatsfonds für die Schweiz könnte erst dann Sinn machen, wenn die Staatsschulden auf ein unerhebliches Mass abgesunken sind, der Bund aber immer noch Überschüsse erzielt. In diesem Fall dürfte ein Fonds indessen nicht risikobehaftetes Leverage betreiben (also nicht Fremdkapital aufnehmen, um die Rendite zu verbessern). Ausserdem müsste der Fonds durch Dritte und völlig apolitisch gemanagt werden. Und da sich alle diese Einschränkungen und Konstellationen in den nächsten Jahren kaum ergeben werden, können wir das Thema Staatsfonds getrost erst einmal auf die Seite legen!

Schaden der Bundesrat und das BAG der Schweizer Wirtschaft?

Der Bundesrat und das BAG profilieren sich seit Monaten durch erratisches Handeln. Vergessen wir die frühere Maskenlüge. Heute geht es um mehr, denn Agieren und nicht langsames Reagieren in wesentlichen Wirtschaftsfragen ist angesagt. Einerseits hat der Bundesrat den Kantonen eine zum Teil willkürliche Führung der Krise ermöglicht, andererseits kokettiert er immer mehr mit strukturerhaltenden Finanzhilfen. Macht er es einfach nicht gut – oder schadet er gar? True Economics geht der Sache ungeschönt auf den Grund.

Willkürliche Schutzmassnahmen

Nur wenige Wochen ist es her, dass der Bundesrat die Bewilligung für Grossanlässe gelockert hatte, just zum Zeitpunkt, als die Corona-Fallzahlen wieder in die Höhe schnellten. Ein PR-Gau, welcher sehenden Auges eingeleitet wurde.

Inzwischen wissen wir wie sich – weltweit – Hotspots ergeben: u.a. in Clubs, bei Events, Festen, etc. Also verhängte die Züricher Regierung nun auch, im Zuge eines Schildbürgerstreiches quasi, in den menschenleeren Museen eine Maskenpflicht. Die Clubs aber sind immer noch offen, auch das frivole Leben in den Rotlichtquartieren geht mehr oder weniger weiter. Wir wissen neu auch um die rasche Verbreitung des Virus in den Schulen. Trotzdem ist eine Maskenpflicht an diesen Orten kaum angedacht.

Wir vermissen die top-down Entscheide. Wieso können die Probleme und die Verbreitungsrisiken der Pandemie und die Hotspots nicht apolitisch definiert werden, um den Rest des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens zu verschonen? Die Kantonsregierungen sind offenbar der politischen Willkür ausgeliefert oder – im besten Fall – einfach überfordert. Aber wenn der Bundesrat in diesen Fällen nicht eingreift, nimmt er seine Rolle nicht wahr. Er führt nicht. Und er tut dies unter dem Deckmäntelchen des unantastbaren Föderalismus. Leider ist das Corona-Virus indessen kein kantonales Virus. Alle Entscheide – und Fehlentscheide – diesbezüglich haben nationale Auswirkungen. Es fehlen klare Empfehlungen an die Kantone, und die Koordination müsste bedeutend stärker gefördert werden. Abweichler müssten ins Gebet genommen werden. Das wäre Führung. Es darf nicht sein, dass wir uns in einer Krise mit bedeutender wirtschaftlicher Auswirkung (für den Staat, für Unternehmen und Bürger) mit Achselzucken hinter föderalistischen Strukturen verstecken.

Keine Führung des BAG

Dass das Bundesamt für Gesundheit heillos überfordert ist, ist inzwischen ziemlich evident. Es gibt in Fällen von solchen Defiziten jedoch eine Lösung: Der Kopf der betreffenden Institution müsste eingreifen – also der Bundesrat. Aber er tut es nicht. Damit schadet er uns – mit  schlechtem Management in seinem Departement sowie eigener Führungsarmut.

Unsere Infektions-Fälle steigen. Unabhängig von deren medizinischer Relevanz (oder Nicht-Relevanz) hat dies bedeutende Auswirkungen: Bald dürfen Schweizer in noch mehr Staaten nicht mehr frei einreisen, und die Erholung im Tourismus ist gefährdet. Dass „andere Länder ähnliche Probleme haben“, dürfen wir nicht als Benchmark akzeptieren. Wir müssen ja nicht wie die anderen sein – wir könnten es besser machen.

Fazit: Der Bundesrat führt nicht.

BAG pflegt eine absurde Länderliste

Südafrika wird neu von der Risikoliste genommen, obwohl das Land noch ganz tief im Coronasumpf steckt. Russland befindet sich nicht auf der Liste – ein Land, das sich noch mitten in der Infektionskrise befindet. Dafür wurden Aruba, Guam oder Cooks Island, zu welchen zur Zeit kaum Verkehrsverbindungen bestehen, auf die Risikoliste gesetzt. Hier herrscht dann Quarantäne bei der Einreise. Das BAG bezieht sich immer noch auf das Verhältnis positiv Getestete vs. Population – ungeachtet des Umstandes, dass die Testintensität der massgebende Faktor für die Resultate ist. Wenn kaum getestet wird, gibt es keine Fälle – der Trump‘sche Vorschlag sei in Erinnerung gerufen.

Und wie wird mit Frankreich umgegangen, wo die Fallzahlen schon lange im roten Bereich liegen? Mit dem Land, mit dem wir einen äusserst relevanten Grenzverkehr unterhalten? Die Schweizer Aussengrenze wird einfach gegen aussen verschoben. Dafür werden aber die oben genannten Mickey Mouse-Inseln auf der Risikoliste gelassen. Bei dieser Inkonsequenz treten nicht nur Fragezeichen auf, sondern sollten alle Alarmglocken läuten.

Ist die Länderliste des BAG nur einfach amüsant?

Ist diese Risikoländerliste nur amüsant – und deren Auswirkungen gar nicht so schlimm? Nein, die Liste ist nicht nur peinlich, sondern eben falsch und in ihrer Wirkung äusserst negativ. Erstens führt derlei Missmanagement zu erodierendem Vertrauen in die Behörden, und zweitens entfällt damit jegliche Planbarkeit für Reisen. Reisen ist wichtig für die Wirtschaft, Zoom kann nun mal nicht alles ersetzen. Der freie Reiseverkehr für Geschäftsreisende und Dienstleister ist ein Multiplikator für das Wirtschaftsgeschehen. Auch medizinisch wird mit diesen falschen Restriktionen Sinnlosigkeit produziert, denn die wahren Risiken des Personenaustausches werden durch die willkürliche Länderliste nur bedingt erfasst.

Der Bundesrat gibt neuerdings zu, dass die Liste des BAG vielleicht nicht perfekt ist. Aber sie sei konstant, basiere auf den Daten, die man nun einmal habe. Lieber Bundesrat: konstant falsch, leider!

Kaum Tests

Im Vergleich zu anderen Ländern wird in der medizinisch hochentwickelten Schweiz lächerlich wenig getestet. Tests könnten andere Massnahmen ersetzen, z.B. Quarantänen. Es wird auch nirgends Fieber gemessen – obwohl dies ein Indikator für eine Infektion wäre. In vielen Ländern, insbesondere in Asien, wird konstant Fieber gemessen, um so Infektionsfälle quasi nach dem Zufallsprinzip rauszuziehen. Es funktioniert.

Auch unsere Covid-App muss heute als Flop deklariert werden. Das BAG und der Bundesrat propagieren sie kaum mehr – es ist merkwürdig still geworden um sie. Haben sie wohl Angst, sich den Themen Freiheitsberaubung und digitaler Überwachung auszusetzen? Tatsache ist, dass Infektionsfälle der App-Administration kaum gemeldet werden, die App de facto also wenig bringt. Taiwan und Südkorea hatten das besser hingekriegt. Im Frühjahr dieses Jahres schon.

Absurde Strukturerhaltung

Nun soll also auch den Reisebüros geholfen werden. Wer hat noch nicht, wer will noch mal. Auch der Eventbranche soll geholfen werden. Bei beiden Branchen pflegt der Bund nichts anderes als Strukturerhaltung. Im Falle der Reisebüros muss einfach akzeptiert werden, dass diese schon vor der Krise in einem schmerzhaften Strukturwandel standen – Corona macht deren Existenz leider auf absehbare Zeit nun definitiv ziemlich obsolet. Der Markt für Reisebüros würde noch auf Jahre hinaus so oder so in rasantem Tempo schrumpfen. Der Staat jedoch versucht diesen Prozess, welcher zu einem Gutteil nicht nur durch den implodierten Flugverkehr, sondern ganz einfach durch die fortschreitende Digitalisierung geprägt ist, krampfhaft aufzuhalten. Als Lektüre empfehlen wir dem Bund und dem Parlament Schumpeters Ansatz der „schöpferischen Zerstörung“ – vielleicht würden diese Gedanken zu gewissen Erleuchtungen führen. Im Moment meidet der Bundesrat solche Gedanken wie der Teufel das Weihwasser. Aber so kann nichts Neues entstehen.

Dass auch die Eventbranche jetzt arg gebeutelt wird, ist durchaus bedauernswert, ist der Markt doch fast auf null eingebrochen. In Unkenntnis darüber, wann dieser Markt – und in welcher Grössenordnung –je wieder existieren wird, darf der Staat indessen eine einzelne Branche nicht einfach durchfüttern. Wenn später die Veranstaltungen wieder möglich sind, werden wieder innovative und initiative Unternehmer auftauchen, welche Events organisieren werden. Es werden vielleicht nicht die gleichen Firmen sein – aber so viel Marktglaube sollte der Regierung eben zugetraut werden, dass sich neue Strukturen in einer offenen Marktwirtschaft wie der unseren sofort konstituieren werden. Inzwischen muss notgelandet werden – tragisch, aber der Situation geschuldet. Das Gleiche gilt für Gastronomen und Clubs: Schliessen sie heute, ist auch dies bedauernswert. Aber es werden wieder neue auftauchen, ohne staatstragende Lücken zu hinterlassen.

Firmenblase, Arbeitsblase

Führung würde bedeuten, dass dieses Big Picture betreffend längerfristigen Überlebenswahrscheinlichkeiten vorhanden wäre. Ist es aber nicht. Wenn also dringend notwendige Strukturanpassungen verhindert und zu viel Geld für Strukturerhaltung ausgegeben werden, dann schadet der BR der Volkswirtschaft – in systemischer und in monetärer Hinsicht.

Im Moment werden Zombie-Firmen am Leben erhalten, die teilweise auch ohne Coronakrise nicht überlebt hätten. Dennoch werden sie durchgefüttert.

Das Gleiche gilt für die Arbeitslosigkeit: Bis Ende 2021 möchte die Regierung nun die Kurzarbeit verlängern. Kein Wunder, lag True Economics mit ihrer Schätzung der Arbeitslosigkeit (zu Beginn der Krise) falsch: Beim besten Willen konnte man nicht erahnen, dass der Bundesrat die Kurzarbeit auf bis fast zwei Jahre verlängern würde. Der Effekt ist vordergründig nur ein soziales Pflaster, hintergründig jedoch nichts anderes als ein hinausgeschobener Wandel. Arbeitsplätze, die auch in Monaten nicht mehr erhalten werden können, werden mittels Kurzarbeit geschützt. Entlassene Arbeitsnehmer könnten sich heute jedoch schon – mit Hilfe von Arbeitslosenunterstützung, klar – am Markt neu orientieren, wenn sie eben jetzt schon freigestellt würden. Jeder Einzelfall einer Entlassung mag einem leid tun. Aber wenn die Arbeit mittelfristig einfach nicht mehr da ist, ist es für alle Beteiligten besser, den so oder so notwendigen Schnitt frühzeitig zu vollziehen. 

Dauerhilfen werden zu Immerhilfen

Es scheint eben, dass da und dort der ordnungspolitische Kompass verloren ging. Krisen lassen sich nicht mit Geld eliminieren – vorübergehende Hilfen ausgenommen. Alles Weitere führt indessen zu planwirtschaftlichen Auswüchsen, denn es wird ungefragt ins Marktgeschehen eingegriffen. Dauerhilfen drohen zu Immerhilfen zu mutieren. Beispiel Swiss: deren Überleben am Markt in der derzeitigen Form ist unmöglich, aber dennoch wird aus vorgeschobenen Gründen der „Systemrelevanz“ erst mal durchfinanziert. Wetten, dass uns das Thema Swiss noch länger beschäftigen wird? Und noch teurer wird.

Weite Teile der Wirtschaft stehen unter Schutz

Der Ruf nach noch mehr Staat wird deutlich, nachdem gewisse Politiker jüngst einen Staatsfonds vorschlugen, welcher sich an systemrelevanten und serbelnden Unternehmen beteiligen sollte. Also nochmals ein Schritt in Richtung mehr Staatswirtschaft. Unsere Meinung hier ist klar: Staaten und deren Protagonisten sind schlechtere Manager als Unternehmen und deren Lenker – also soll der Staat die Finger davon lassen und seine Staatsquote möglichst tief halten!

Wir kennen das Resultat: unproduktiver Staatskapitalismus, nicht funktionierende planwirtschaftliche Auswüchse usw. Länder mit hohen Staatsquoten zeigen uns, wohin es nicht gehen sollte: Frankreich z.B., mit einer Staatsquote von stolzen 56%. La Grande Nation unterhält nicht nur Infrastrukturunternehmen wie die marode Air France oder die Electricité de France, sondern auch Rüstungs- und Kommunikationsunternehmen sowie zahlreiche Beteiligungen an Industrieunternehmen. So beispielsweise an Renault, in einem wohl wenig staatsverwandten Feld. Für die Staatsquote besonders schwer ins Gewicht fallen allerdings nicht nur die staatlichen Beteiligungen, sondern der staatliche Konsum, welcher sich nur mit jährlich höheren Schulden (und damit noch höheren Defiziten) finanzieren lässt. Frankreich bietet uns einen Ausblick, wohin die Reise eben nicht hingehen darf.

Corona als Brandbeschleuniger zur Erhöhung der Staatsquote

Die Coronakrise wird nun leider als Brandbeschleuniger für die Erhöhung der Staatsquoten wirken, denn die staatlichen Rettungs- und Unterstützungsmassnahmen werden in vielen Ländern den Staatsanteil am BIP in die Höhe treiben. Die Schweiz bleibt nicht verschont. Es bleibt zu hoffen, dass der Bundesrat künftig mehr Augenmass bei den Hilfeleistungen behält und auch das Parlament aufhört, das Füllhorn über nicht erhaltenswerten Branchen auszuschütten.

Fazit:

Die eingangs gestellte Frage muss leider mit JA beantwortet werden: Durch Missmanagement und Führungsschwäche schaden unsere Bundesregierung und insbesondere das BAG unserer Wirtschaft. Und durch Strukturerhaltung und massiven Schuldenaufbau schaden sie ein zweites Mal. Durch eine immer mehr dirigistische und planwirtschaftliche Wirtschaftspolitik – welche realistischerweise weiter abzusehen ist –  erleidet unsere soziale Marktwirtschaft nachhaltigen Schaden.

Das Parlament und der Bundesrat täten gut daran, sich nicht mit marktverzerrenden Geschenken zu überbieten, sondern flexiblere ordnungspolitische Leitplanken zu definieren – diese kurbeln die Wirtschaft nämlich erwiesenermassen nachhaltiger an. Und sie kosten erst noch nichts.

Neue Steuern braucht das Land

Oder eben nicht… ?

Die Pandemiekrise hat nicht nur die Wirtschaft, sondern auch den Staat Milliarden gekostet. In den Staatskassen rund um den Globus tun sich riesige Löcher auf; die Verschuldungen steigen überall stark an. Einsparungen allein werden hier nicht viel bringen – also wird über neue Steuern nachgedacht. Auch in der Schweiz. Doch: Ist das wirklich nötig? True Economics meint: Nein, es wäre gerade falsch. Mit ein paar wenigen Ausnahmen vielleicht…

Teure Krise

Das Pandemiejahr 2020 wird ein grosses Loch in die Bundeskasse reissen. Die Hochrechnungen sind noch vage, jedoch werden es am Ende des Jahres wohl gut 20 Milliarden sein, die fehlen. Die Schweizer Staatsverschuldung wird damit von bescheidenen 40% (je nach Rechnungsweise) des BIP auf schätzungsweise gegen 50% steigen. Dazu müssen die Defizite der Kantone und Gemeinden dazugerechnet werden – deren Kassenwarte stochern noch im Nebel.

Der konsolidierte Rechnungsabschluss des Unternehmens Schweiz wird erst im Laufe des ersten Semesters nächsten Jahres vorliegen. Insbesondere die verringerten Steuereinnahmen werden vielleicht noch ein paar negative Überraschungen bringen.

2021 wird nicht besser

Massive Unterstützungsmassnahmen des Staates werden auch im nächsten Jahr fortgeführt, und die verringerten Steuereinnahmen werden sich auch im 2021 fortpflanzen. Das Staatsdefizit wird also nochmals steigen, denn ein ausgeglichenes Ergebnis ist wohl frühestens im Jahre 2022 zu erwarten.

Andere Staaten sind Konkurs…

Verglichen mit anderen Staaten steht die Schweiz hervorragend da. Italien wird seine Staatsverschuldung auf gegen 160% hieven, Griechenland wird es vielleicht sogar schaffen, die 200er-Marke zu knacken. Spanien ist noch am Rechnen, da sieht es nach dem missglückten Lockdown in militanter Franco-Manier besonders düster aus. Frankreich und die USA lassen ihre aufgestauten Defizite auf deutlich über 100% hochschnellen, Deutschland von mustergültigen 60% wohl auf gegen 75%.

Einzelne EU-Staaten (wie Italien, Spanien und Griechenland) sind de facto bankrott – sie können sich nur noch mit EU-Hilfe refinanzieren. Doch Staatsbankrotte werden uns nächstens so oder so noch begleiten: Argentinien, Libanon, Ecuador, usw sind vermutlich nur die Vorboten… Länder wie Indien, Südafrika oder die Türkei sind auch auf dem Radar, sie werden sich wohl demnächst in die Arme des IMF schmeissen müssen.

Da erscheint unser Loch in der Bundeskasse geradezu als Gentleman-Delikt.

Wie saniert man einen Staat?

Die Frage ist natürlich eine rhetorische: Man saniert entweder mittels Einsparungen und/oder mittels mehr Steuereinnahmen. Kurzfristig wählen die meisten Staaten allerdings eher einen einfacheren, einen dritten Weg nämlich: Man saniert mit Vorliebe mittels erhöhter Schuldenaufnahme. Geld kostet ja nichts, und Schulden müssen vielleicht nie zurückbezahlt werden – so die Denke vieler Politiker und Regierungen heute.

Ein Staat sollte zur Sanierung natürlich auch die Wirtschaft ankurbeln. Das wäre längerfristig die eleganteste und intelligenteste Sanierungsmethode. Nur wird der Vorgang leider oft falsch verstanden. Anstatt sich von vielen administrativen und anderen Fesseln zu entledigen, die vor allem die Unternehmen beuteln, lanciert man z.B. in Deutschland in alter Keynesianischer Manier teure Konjunkturprogramme. Oder man versucht mit ebenso falsch verstandenen konjunkturpolitischen Methoden den Konsum anzukurbeln, indem beispielsweise die deutsche MwSt. während 6 Monaten um 2 bzw. 3% gesenkt wird. Natürlich hoffnungslos. True Economics hatte schon früher vorgerechnet: Der Becher Joghurt vergünstigt sich so (sofern die Steuer-Reduktion auch an die Konsumenten weitergegeben wird) um genau einen Cent. Natürlich ist dadurch zu befürchten, dass gleich alles leerverkauft wird…

Mittelfristig steigt der Steuerdruck

Mittelfristig wird der Steuerdruck mit Sicherheit wieder steigen. Die heutigen Hochrechnungen der Staaten schliessen nämlich den Umstand oft aus, dass das Steuersubstrat in den nächsten Jahren weiter schmelzen wird.

Wie in vielen anderen Ländern auch, können die Verlustvorträge der Firmen – in der Schweiz während den kommenden sieben Jahren – mit Gewinnen kompensiert werden. Ergo ist damit zu rechnen, dass auch in kommenden Jahren das Steuersubstrat reduziert wird. Denn die Höhe der Unternehmensverluste im 2020 und vermutlich auch 2021 sind noch nicht abzuschätzen, werden jedoch erheblich sein und noch während Jahren fiskalisch nachwirken.

Da der Staat es also nicht schafft zu sparen oder die Wirtschaft gescheit anzukurbeln, werden kurzfristig weiter Schulden aufgenommen. Geld wird vermutlich sogar verstärkt von den Zentralbanken mehr oder weniger direkt in den Staatshaushalt umgeleitet werden – ein gefährlicher Frevel. Das Fed und die EU machen es vor. Doch irgendwann wird Schluss sein mit lustig, hohe Inflationsraten könnten drohen.

Die MMT (Modern Monetary Theory) meint zwar, dass ein Staat gar nie richtig Konkurs gehen kann und dieser fast unbeschränkt Schulden aufnehmen und/oder Geld drucken kann. Diese Theorie ist Gift. Die Geschichte zeigt uns, wohin das führen kann. Und es gibt keinen Grund, dass die Geschichte jetzt plötzlich ausgehebelt wird und rund um den Globus 195 monetäre staatliche Perpetuum mobile entstehen könnten.

Steuern in der Krise zu erhöhen, ist kontraproduktiv. Dass der Staat neue Einkommen braucht, ist andererseits keine neue Erkenntnis, der Forderungen dafür gibt es deshalb viele. Somit ist es klar: Irgendwann brechen die Regierungen jeweils ein und die Steuern werden erhöht – auch im dümmsten Moment. Doch ist das die Lösung?

Die intelligente Sanierung scheitert – also doch Steuern?

Wir sind uns also einig: Die Staaten werden es kaum schaffen, ihre Einnahmen effizienter einzusetzen, Schulden können nicht ewig aufgenommen werden, und Einsparungen kriegen sie auch nicht richtig hin. Insbesondere in südlichen Ländern können die Steuern gar nicht umfassend eingetrieben werden, es blüht zudem die Schattenwirtschaft. Wo soll also angesetzt werden, um notfalls trotzdem neue Steuern einzutreiben zu können?

Wir werden darauf verzichten, nun die zum Teil haarsträubenden Steuerprobleme aller Staaten zu beleuchten. Konzentrieren wir uns im Folgenden auf die Schweiz.

  1. Einkommensteuern erhöhen?

Die effektive Steuerlast in der Schweiz ist im Vergleich zu vielen andern Staaten einigermassen moderat. Aber die Spitzensteuersätze in einzelnen Kantonen haben bereits Höhen erreicht, welche sich kontraproduktiv auswirken: Sie führen zu Abwanderungen. Und zwar nicht einfach in günstigere Kantone, sondern auch ins Ausland. An der Steuerschraube zu drehen, ist also gefährlich. Wenn aufgrund höherer Steuerlast keine direkte Abwanderung der Steuerzahler erfolgt, so wird zumindest die Einkommens-Abwanderung vermehrt mittels raffinierter Steuerkonstrukte erfolgen. Money talks, money walks.

Ein schönes Vorbild dafür ist Deutschland, die maximale Progression greift bereits ab 56‘000 Euro Jahreseinkommen. Kein Wunder, überlegen sich viele, gar nicht mehr zu verdienen und ziehen es vor, in der sozialen Hängematte zu liegen. Oder sie kommen ganz gerne zu uns in die Schweiz. Da lohnt sich das Geldverdienen noch einigermassen.

Unsere SP spielt mit dem Feuer, wenn sie mit der Idee kokettiert, eine „Reichensteuer“ für Einkommen ab CHF 300‘000 pro Jahr einzuführen. Leute mit solchen hohen Einkommen sind in der Regel in der Lage auszuweichen. François Hollande wollte 2013 eine Reichensteuer von 75% auf Einkommen von über einer Million Euro durchboxen. Die Steuer wurde nie eingeführt, vorsorglich hatten sich aber bereits hunderte von Topverdienern ins Ausland abgesetzt.

Also Hände weg vom Drehen an der Steuerschraube. Umverteilung im grossen Stil funktioniert nicht. Sie treibt Gutverdiener in die Flucht und fördert nur die Demotivation, mehr zu arbeiten, mehr Risiken einzugehen – und damit mehr zu verdienen.

2. Vermögenssteuer erhöhen?

Die SP möchte auch eine Vermögensabgabe auf ganz hohen Vermögen einführen. Die serbelnde Partei mit den altsozialistisch verbrämten Umverteilungsideen vergisst jedoch, dass es in ganz Europa – ja weltweit – kaum Vermögensteuern gibt. In Europa werden nur noch in Norwegen Vermögenssteuern erhoben, in Frankreich und Spanien gibt es Vermögenssteuern auf Immobilien. Sonst sind Vermögensteuern weltweit fast  tabu, auch in den USA gibt es keine. Nicht einmal in Deutschland!

Vermögenssteuern verhindern die Ansiedelung von Gutbetuchten und vertreiben reiche Schweizer – z.B. Besitzer von grossen Unternehmensteilen, für deren Werte, je nach Kanton, Vermögenssteuern erhoben werden, welche bisweilen sogar zu Zwangsverkäufen von solchen Unternehmensteilen führen können.

Vermögensteuern wirken oft kontraproduktiv. Eine Erhöhung würde das Gesamt-Steuersubstrat letztlich reduzieren. Eine paar teure Kantone bekommen dies schon seit Jahren zu spüren.

3. Einmalige Vermögensabgabe?

In der Folge der Finanzkrise hatte Christine Lagarde als IMF-Chefin die impertinente Idee lanciert, eine einmalige Vermögensabgabe von 10% auf allen Individualvermögen zugunsten der Staatshaushalte einzufordern. Wetten, dass die Juristin (sie ist keine Ökonomin) als heutige EZB-Chefin dieses Thema demnächst nochmals aufgreifen wird?

Thomas Piketty (nochmals ein etatistischer Franzose) wird als Starökonom zurzeit etwas gar gefeiert. Er mag in einigen Dingen recht haben: Es ist in der Tat stossend, dass die 1% Reichsten der Bevölkerung rund 50% besitzen. Die Schere ging in den letzten Jahren insbesondere in den USA weiter auseinander. Piketty fordert jedoch einen unrealistischen und radikalen Ausgleich von Vermögenswerten.

In der Schweiz hat sich die Vermögens-Schere nicht weiter aufgetan. Hoffen wir, dass dieser Kelch einer Vermögensabgabe an uns vorübergehen wird. Zumal die wahren Probleme der Staaten mit einer solchen Umverteilung gar nicht zu lösen wären – die propagierte „Wiedergutmachung zwecks Chancengleichheit“ bleibt ein abenteuerlicher Traum.

4. Kapitalertragssteuern erhöhen?

Kapitalerträge werden in der Schweiz bereits sehr hoch besteuert, sie unterliegen der normalen Steuerprogression – welche je nach Kanton bis zu 40% gehen kann. Selbst in Deutschland werden Kapitalerträge (etwa Dividenden) pauschal nur mit 25% besteuert.

Keine gute Idee also, hier anzusetzen.

5. Kapitalgewinnsteuern einführen?

Die Einführung einer Kapitalgewinnsteuer wird von linker Seite immer wieder gefordert. Die meisten europäischen Staaten kennen sie. Dabei bleiben oft gleich zwei Punkte vergessen: Erstens ist die Erhebung und Administrierung einer solchen Steuer sehr aufwendig, zweitens haben wir in der Schweiz die Kapitalgewinnsteuer quasi mit unserer Vermögenssteuer substituiert. Zweimal auf Kapitalien abliefern geht nicht.

Also auch keine realistische Idee.

6. „Reichensteuer“ einführen?

Das Thema haben wir bereits unter Punkt 1 abgehandelt. „Reichensteuern“, „Reichtumssteuern“, „Milliardärssteuern“ – der Wunschbegriffe gibt es viele. Hoffentlich bleiben es Wünsche, denn deren Auswirkungen sind nur kontraproduktiv.

7. Erbschaftssteuern einführen und/oder erhöhen?

Die SP – schon wieder – forderte im Zuge der Pandemie-Finanzierung eine Steuer auf hohen Erbschaften. Vor Jahren hatte das Stimmvolk ein solches Begehren bereits abgelehnt. Schon damals jedoch wirkte nur schon die Abstimmungsinitiative als Brandbeschleuniger: Zahlreiche Vermögensteile wurden noch vor der Abstimmung verschoben.

Die Erbschaftssteuern sind kantonal sehr unterschiedlich und bewirken sogar Wohnortwechsel. Selbstredend auch global, nicht nur von einem Kanton in den andern.

Zu hohe Erbschaftssteuern führen nicht nur zur Abwanderung oder verhindern Zuzüge, sie fördern auch die Errichtung von Umgehungskonstrukten. (Kein Wunder, steckt ein Grossteil der Vermögen von britischen Bürgern in Trusts auf illustren Inseln, denn die Erbschaftssteuer von 40% für direkte Nachkommen ist in der Tat absurd.)

Auch Deutschland hat ein Problem mit seinen 19% Erbschaftssteuern für Ehepartner oder direkte Nachkommen. Auch wenn unter gewissen Auflagen Steuerreduktionen gewährt werden, können KMUs zum Teil nicht überleben, weil bei deren Übergabe die Nachkommen die hohen Steuern schlicht nicht aufbringen können.

In der Schweiz weist das Erbschaftsrecht ebenso Defizite auf und müsste dringend modernisiert werden: Zum Teil absurd hohe Steuern bis zu 50% für nicht-verwandte Begünstigte (z.B. auch für Lebenspartner) oder unnötig hohe Pflichtteile entsprechen nicht mehr dem Zeitgeist.

Andererseits wäre es verträglich, eine minimale Erbschaftssteuer im einstelligen Bereich auch für direkte Nachkommen zu erheben. Eine solche Steuer würde den Staaten-Wettbewerb kaum verzerren und auch nicht zu Abwanderung führen. In den nächsten Jahren werden enorm hohe Milliardenbeträge der Babyboomer-Generation weitergegeben. Eine moderate Abgabe auf Bundesebene für direkte Nachkommen wäre in der Tat verträglich. True Economics – ansonsten eher der Steuerphobie verschrieben – könnte hier sogar einwilligen!

8. Sozialabgaben erhöhen?

Sozialversicherungen wie die Arbeitslosenkasse oder die AHV sind klamm. Die erste ist pandemiebedingt bald illiquid, die zweite aus demografischen und systemischen Gründen langfristig nicht mehr zahlungsfähig. Also bräuchte es mehr Abgaben oder Steuern? Eine Erhöhung der Sozialabgaben verringert allerdings die Wettbewerbsfähigkeit und schmerzt Arbeitnehmer wie Arbeitgeber sehr direkt. Deshalb ist es zu bevorzugen, einerseits Systemanpassungen vorzunehmen, andererseits die Alimentierung dieser Sozialkassen eher aus dem Bundeshaushalt sicherzustellen. Die entsprechenden Steuereinnahmen dazu könnten – so diese tatsächlich zusätzlich notwendig werden, weil die Systemanpassung aus politischen Gründen nur mühsam greift – ziemlich elegant mittels Mehrwertsteuer finanziert werden (siehe Punkt 17, Mehrwertsteuer).

9. Immobiliensteuern erhöhen und/oder einführen?

Die SP denkt auch immer wieder darüber nach, neue Steuern auf Immobilien einzuführen – so z.B. für kommerzielle Immobilienanbieter. Ein solches Begehren gilt es klar abzuwenden, es führt auch hier zur Wettbewerbsbehinderungen und zu Kapitalverlagerungen. Es reicht schon, dass wir in der Schweiz unter dieser unsäglichen Eigenmietwertbesteuerung leiden – eine helvetische Sondersteuer notabene, die es fast nirgends gibt, nicht einmal in der germanischen Steuerhölle.

10. Firmensteuern erhöhen?

Der internationale Druck steigt, damit gewisse Mindeststeuern für Firmen eingeführt werden. Wir haben es in der Schweiz geschafft, diesem Druck etwas nachzugeben, indem wir dank klugen Reformen trotzdem ein attraktiver Steuerort geblieben sind. Kantone, die heute zu hohe Firmensteuersätze kennen, werden mittelfristig leider an Steuersubstrat verlieren. Sie werden es bereuen.

Die SP – schon  wieder – hat bereits laut über einen Pandemie-Zuschlag von 5% auf den Unternehmenssteuern nachgedacht. Ein sehr kurzsichtiger Plan natürlich. Die Firmensteuern dürfen wir auf keinen Fall erhöhen. Firmen haben kein soziales Umfeld, sie wandern deshalb noch schneller ab als Individuen.

11. „Pandemiesteuer“ einführen?

Eine besonders verquere Idee kam kürzlich auf: Die „Gewinner der Pandemie“ sollten  besteuert werden. Also Online-Anbieter und andere „digitale Profiteure“, auch Pharmafirmen, etc. – Firmen also, welche in der Krise Ausserordentliches geleistet haben.

Einsatz, Risikobereitschaft (und generell: unternehmerisches Denken) müssen auch in Zukunft weiterhin belohnt werden.

Abstruse Ideen wie „Pandemiesteuern“ müssen blitzartig beerdigt werden.

12. Energiesteuern erhöhen?

„Energiesteuern“ kennen wir schon heute. Sie sind zum Teil auch sinnvoll, sofern sie den Energieverbrauch tatsächlich nachhaltig reduzieren – und nicht nur staatliche Abschöpfung darstellen. Wichtig ist, dass solche Abgaben einfach und transparent erhoben werden, sodass damit auch edukative Effekte erzielt werden. „Energiezertifikate“ zum Beispiel begreift niemand, eine CO2-Abgabe schon eher. Die Abgabe auf einem Liter Heizöl oder Benzin oder auf einer Kilowattstunde Strom lässt sich erklären. Solche Steuern müssen jedoch international wettbewerbsfähig bleiben, Alleingänge können Schäden anrichten.

Tatsächlich könnte zum Beispiel überlegt werden, ob bei stark sinkenden Erdölpreisen nicht eine Teil-Abschöpfung durch den Staat erfolgen könnte. Es müsste dafür jedoch ein intelligentes Modell entwickelt werden, welches sich einfach umsetzen lässt und nicht sofort zu individuellen Ausweichmanövern führt.

13. Finanztransaktionssteuer einführen?

Eine solche Steuer hat sich als kaum umsetzbar erwiesen, auch nicht die Variante mit der „Mikrosteuer“: Die Administrierung solcher Abgaben ist zu aufwendig. Ausserdem können diese nur international erhoben werden, andernfalls sind sofortige Wettbewerbsnachteile in Kauf zu nehmen.

Hier lässt sich also nichts holen.

14. Online-Steuern einführen?

Online-Steuern sind schwierig zu erheben, die meisten Anbieter verfolgen heute den Ansatz der Omni-Channels – also den Verkauf sowohl online als auch über stationäre Kanäle, wobei der Warenbezug zum Teil in gemischter Form erfolgen kann. Den Online-Umsatz spezifisch besteuern zu können, ist damit eine Illusion.

Tatsache ist indessen, dass internationale Online-Anbieter kaum Steuern bezahlen – ein durchaus stossender Umstand. Mit zunehmendem Online-Anteil wird sich das Problem noch verschärfen, damit allerdings auch der internationale Wille, hier anzusetzen.

National lässt sich eine Online-Steuer nicht einführen. Frankreich kämpft gerade mit US-Retorsionsmassnahmen, weil La Grande Nation sich diesbezüglich in ein Minenfeld begeben hat.

Aus diesen Online-Töpfen wird man sich demnächst also nicht bedienen können.

15. Stempelabgaben und ähnliche Steuern erhöhen?

Solche Steuern sind nur im Rahmen eines Schutzes der guten internationalen Wettbewerbsfähigkeit sinnvoll. Also bräuchten wir in der Schweiz eher einen Abbau solcher Abgaben.

16. Negativverzinsung erhöhen?

Die Negativverzinsung ist eigentlich eine Art Steuer, und zwar eine ziemlich gemeine: Sie führt zu einer schleichenden Erosion des individuellen Vermögens, während der Staat – bzw. die Nationalbank – kassiert. In ihrer Wirkung also tatsächlich eine Fiskalabgabe. Allerdings keine sehr gute, sie führt zu Abwanderung von Vermögen, zu Immobilien- und anderen Spekulationsblasen und aufgrund der zinsbedingt erodierenden Renditen zu ungesicherten Renten. Junge Leute können mittels Sparen zudem kaum mehr Kapital anhäufen. Negativzinsen sind in ihrer Wirkung sehr unsozial, denn nur die grossen Kapitalbesitzer können mit klugen Investitionen ausweichen.

Wenn die eingesackten Negativzinsen der Nationalbank dann in den Staatshaushalt gekippt werden, ist der Fiskalvorgang abgeschlossen. Keine schöne Sache generell – und keine gute Idee, auf diesem Weg noch mehr einnehmen zu wollen.

17. Mehrwertsteuer erhöhen?

Die Mehrwertsteuer hat den Vorteil, dass sie ziemlich flächendeckend erhoben werden kann. Klamme Länder erhöhen diese Steuer in der Regel als erstes.

Aber Vorsicht: Steigt die MWST z.B. über 12%, wirkt sie plötzlich als Katalysator für die Schattenwirtschaft. Nicht umsonst ist diese sogar in Deutschland etwa doppelt so hoch wie in der Schweiz  (schliesslich ist die MWST dort auch doppelt so hoch). Länder wie  Spanien (21%), Italien (22%) oder Griechenland (24%) haben diese Steuer bereits mehr als ausgereizt. Kein Wunder, grassiert hier die Schattenwirtschaft besonders stark. Bevor Griechenland dem Binnenmarkt beitrat, betrug die Steuer sogar 36% – wenig erstaunlich, dass sie selten abgeliefert wurde.

Insbesondere südliche Länder werden des öfteren von MWST-Betrügereien gebeutelt. Je höher die Steuer, desto höher liegt die Versuchung, doch lieber ein schnelles Bargeschäft ohne Rechnung und Quittung zu tätigen. Deshalb ist die aktuelle Idee von einigen verträumten spanischen Politikern, die MWST auf 30% zu erhöhen, wohl nicht sehr zielführend. Saudi Arabien verdreifachte jüngst die MWST über Nacht auf 15% – zu viel auf einmal natürlich, denn jetzt wird auf Teufel komm raus betrogen.

In der Tat könnte die Schweizer MWST durchaus erhöht werden. Gewisse Kreise betrachten dies allerdings als einen sehr unsozialen Plan. Rund 50% der Schweizer Steuerzahler liefern keine Bundessteuer ab, weil ihre Einkommen zu tief sind. Also sollte man diese Gruppe wohl auch weiter schonen – so die generelle Denke der Gegner von Mehrwertsteuern und deren Erhöhungen. An sich ein hehrer Gedanke. Nur: Eine moderate Erhöhung der MWST wäre kaum spürbar.

Der starke Franken und die einhergehende Deflation aufgrund günstigerer Importe führen mittelfristig wohl zu weiter sinkenden Preisen. Umso mehr wäre eine Erhöhung der MWST verträglich. Viele Produkte sind in der Schweiz massiv teurer als im Ausland. Beispiel Nivea, Pampers oder Waschmittel: Oft bezahlen wir das Doppelte oder Dreifache für gewisse Artikel. Die Abschöpfung findet dabei bereits beim Produzenten im Ausland statt. Eine MWST-Erhöhung würde also zum Teil wohl gar nicht weiterverrechnet, sie käme beim Konsumenten gar nicht an. Die Produzenten würden vermutlich auf einen kleinen Teil ihrer eh zu üppigen Margen verzichten.

Eine MWST-Erhöhung wäre nicht wettbewerbsverzerrend, mit dem rekordtiefen Schweizer Satz von heute 7.7% hätten wir noch viel Ausbaupotential. Wettbewerbsverzerrend sind eher die generell hohen Schweizer Preise. Wenn schon, müsste hier angesetzt werden!

In der Tat: Falls überhaupt Steuererhöhung, so könnte eine solche ziemlich schmerzfrei via Erhöhung des MWST-Satzes stattfinden. Könnte.

Steuererhöhungen? Wenig Ausbeute, aber ein bisschen schon.

Gouverner, c’est prévoir. Die wahren Staatsaufgaben sollten darin bestehen, den Staatsapparat effizient zu führen, die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und die Wirtschaftsaktivitäten zu fördern. (Abgesehen von den vielen andern Aufgaben aus den Bereichen Sicherheit oder Wohlfahrt zum Beispiel.)

Tatsächlich verbleiben nur wenige intelligente Steuerlösungen, so denn die Steuern doch erhöht werden müssten: Bei der MWST könnte man sich alimentieren, bei den Energiesteuern, allenfalls bei den Erbschaftssteuern.

Fazit:

Die Steuern müssen gar nicht erhöht werden. Und wenn, dann – notfalls! – höchstens in Teilbereichen wie bei der MWST, allenfalls bei Energie- oder den Erbschaftsteuern.

Die pandemiebedingten Budgetdefizite dürfen wir in der Schweiz vorerst getrost in der Bilanz stehen lassen, die Refinanzierung bleibt wohl auch längerfristig zinslos.

Ersparnisse im öffentlichen Haushalt sollten mittels mehr Effizienz beim staatlichen Konsum erreicht werden, nicht jedoch bei den staatlichen Investitionen (in die Infrastruktur z.B.). Steuererhöhungen jedoch – insbesondere in einer Wirtschaftskrise – sind alles andere als zielführend. 

Die Schweizer Landwirtschaft abschaffen…?

Oder: Warum uns der helvetische Agrarluxus pro Jahr 21 Milliarden kosten soll

Wenn man das teure Prinzip der helvetischen Landwirtschaft in Frage stellt, begibt man sich automatisch in ein besonders tückisches Minenfeld. Nun, tun wir‘s trotzdem! Unser Vorschlag also: Die derzeitige Landwirtschaft gehört abgeschafft. Sie kostet unsere Volkswirtschaft jährlich Milliarden und ist ineffizient. Mit dem Einsatz von fünf Franken erzielen wir einen Output von einem einzigen Franken. Hallelujah. Ein Anachronismus, der dringend durch ein zielorientierteres System ersetzt werden muss.

21 Milliarden für die Landwirtschaft

Soviel kostet uns laut Avenir Suisse die Schweizer Landwirtschaft: CHF Mia 20.7 pro Jahr. Ein wahrlich teurer Luxus. Zölle, nicht-tarifäre Importrestriktionen, Subventionen, Direktzahlungen, andere Beiträge, Vergünstigungen, eine aufgeblähte Verwaltung, Planwirtschaft, viele Folgekosten: So kommen in der Tat fast 21 Milliarden Schweizerfranken an direkten und indirekten Kosten zusammen.

Heute arbeiten nur noch 150‘000 Beschäftigte im Agrarsektor – auf Vollzeit umgerechnet sind es bescheidene 2.5% von 5.1 Mio Beschäftigten im Land. Es läppern sich schwindelerregende CHF 200‘000 pro Beschäftigten zusammen, sofern wir die Gesamtkosten tatsächlich auf die Belegschaft umrechnen.

Absurde Geldvernichtung

Noch absurder wird der Vergleich, wenn wir den BIP-Beitrag der Landwirtschaft (nämlich nur 0.6%) ins Verhältnis zu den 21 Milliarden Kosten setzen: Wir setzen also tatsächlich 21 Milliarden ein, um einen landwirtschaftlichen Output von rund 4 Milliarden zu erzielen!

Diesen Vergleich scheint bis heute noch niemand gewagt zu haben, True Economics tut es. Offenbar scheinen diese Zahlen einfach nicht sozialverträglich zu sein?

Tatsache ist, dass das staatliche Manna, das über der Landwirtschaft ausgeschüttet wird, sowohl unsere Staats-, also auch unsere Lebenshaltungskosten deutlich verteuert. Leider wird deshalb auch unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt.

Warum unterstützen wir die Landwirtschaft mit diesen Unsummen?

Zusammenfassend sind – jetzt einmal ganz unwissenschaftlich, unpolitisch und nur gefühlt – insgesamt fünf Ziele für dieses groteske Tun auszumachen:

  1. Autonomie betreffend Nahrungsversorgung
  2. Die „Qualität“ der Lebensmittel muss gewährleistet werden
  3. Der Wunsch nach „Landschaftsgärtnern“
  4. Die Landwirtschaft muss als touristisches Juwel gepflegt werden
  5. Und überhaupt

Etliche Sünden in der Landwirtschaftspolitik

An irrwitzigen Beispielen mangelt es kaum. Beispiel Nummer 1: Der Tabakanbau im Tessin wird subventioniert und die Tabakimporteure dazu verdonnert, den mehr als mittelmässigen Schweizer Blend den in der Schweiz verkauften Tabakwaren zwangs-beizumischen. Gleichzeitig wird viel Geld für Anti-Raucherkampagnen eingesetzt, und die AHV darf von den Tabaksteuern profitieren.

Beispiel Nummer 2: Fast amüsant erscheinen die Beträge des Bundes für besonders intelligente Werbekampagnen zur Konsumsteigerung von Schweizer Fleisch (Betrag 2018: fünf Millionen CHF). Gleichzeitig investieren gewisse Bundesämter Geld für Aufklärungsarbeiten zur Reduktion des Fleischkonsums.

Beispiel Nummer 3:  Der Bund fördert den biologischen Anbau und die ökologisch saubere Tieraufzucht mit massiven Summen. Gleichzeitig reduziert er für die Bauern die Mehrwertsteuer auf (schädlichen) Pflanzenschutzmitteln.

Beispiel Nummer 4: Der Anbau von Zuckerrüben wird durch den Staat grosszügig gefördert – gleichzeitig laufen teure Kampagnen zur Reduktion des Zuckerkonsums.

Beispiel Nummer 5: Der Weinanbau wird ebenso kräftig gefördert, als ob beispielsweise die Fendant-Produktion im Wallis systemrelevant wäre (wobei anzumerken wäre, dass die Walliser den regelmässigen Konsum ihres mittelmässigen Weissweins tatsächlich als schützenswertes Kulturgut betrachten.) Wie dem auch sei, nebst der Produktionsförderung von Alkohol versucht der Staat gleichzeitig dessen Genuss einzudämmen – mit erheblichen Ausgaben.

Beispiel Nummer 6: Mit zum Teil absurd hohen Zöllen wird der Import von ausländischen Nahrungsmitteln zum Teil regelrecht abgewürgt. An Zöllen bringt dies verhältnismässig wenig ein, denn wenn Importe massiv unterbunden werden, fallen die Zölle gar nicht an. Der Trick mit den Zöllen erinnert uns an den unseligen deutschen Finanzminister Steinbrück, als er das Gleichnis der Kavallerie benutzte, die gar nicht erst ausreiten muss.

An allen Fronten sind also sowohl teure Förderungen, als auch teure Eindämmungen auszumachen. Die Logik würde es gebieten, auf beiden Seiten einfach massiv den Rotstift anzusetzen. 

Doch zurück zu den eingangs aufgeführten fünf landwirtschaftlichen Zielen:

Zu Argument 1: Autonomie

Während der Pandemiekrise wurden verschiedene Stimmen laut, welche mehr „Autonomie“ für unsere Nahrungsmittelbeschaffung forderten. Eigentlich forderten sie nur mehr Landwirtschaft. Ob sie wohl an eine Anbauschlacht wie im 2. Weltkrieg dachten? Vielleicht sollten also mehr grosse Anbauflächen bereitgestellt werden, um die Autonomie zu gewährleisten? Aber wo…? Es bräuchte nämlich eine ziemlich grosse Zahl von km2 für Getreide, Gemüse und Obst. Eine solche Autonomie wäre – theoretisch – nur realisierbar, wenn wir auf die flächenintensive Fleischproduktion verzichten und auf jedem freien m2 Kartoffeln anbauen würden.

Fakt ist nun mal, dass die „Graue Agrarfläche“ (die theoretische Anbaufläche, die wir für die Produktion unserer Lebensmittelimporte im Ausland beanspruchen) deutlich grösser ist als die eigene. Eine Autonomie wäre also unmöglich. Sie würde auch zu einem ökologischen Gau führen, die Ausbeutung der letzten Böden mit Einsatz von viel Wasser, Energie und nötigen Düngern und Pestiziden wäre ein Albtraum. Was wohl das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung BWL dazu meint?

Die meisten Produktionsmittel der Bauern werden heute übrigens importiert. So zum Beispiel der überwiegende Teil der Futtermittel. Soviel also zur autonomen Versorgung.

Natürlich wird die „Systemrelevanz“ vorgeschoben, wenn es um den Schutz der Landwirtschaft geht. Die nicht realisierbare Autonomie und die heute einfach nicht mehr umkehrbare Abhängigkeit von ausländischen Produzenten für Saatgut, Produktionsmittel, Dünger, Mittel zur Schädlingsbekämpfung und letztlich fertigen Nahrungsmitteln muss einfach akzeptiert werden – alles andere ist blauäugig. Oder eben politisch motiviert.

Wir wären in der Schweiz nicht einmal mehr fähig, unser eigenes Bier zu brauen: Da wäre in der Tat Hopfen und Malz verloren (denn beide Produkte müssen fast zur Gänze importiert werden).

Die „Sicherung der Landesversorgung“ kann einzig gewährleistet werden, indem grössere  Pflichtlager gehalten werden und die Beschaffung im Ausland diversifiziert wird, um nicht in lokale Abhängigkeiten zu geraten.

Fazit: „Unsere“ Landwirtschaft gibt es schon lange nur noch partiell, die Autonomie ist eine Illusion.

Zu Argument 2: Qualität

Nur Schweizer Produkte garantieren für Qualität – so die vorherrschende Meinung an vielen Orten. Schweizer Fleisch zum Beispiel sei einfach per se besser. Unsere Produkte sind sauberer als die importierten, unsere Aufzucht tiergerechter. Es geht um den Bevölkerungsschutz – was soweit in Ordnung wäre. Qualität kann indessen nicht nur mit eigener Produktion erzielt werden, sondern auch mit Qualitätsnormen, welche für den Verkauf gelten. Wir wollen in der Tat keine Chlorhühner oder mit Antibiotika vollgepumpte Filets. Aber das lässt sich mit Deklarationspflichten und Qualitätsstandards beim Verkauf regeln. Dazu braucht es nicht einmal Importrestriktionen – eine politisch eh immer heikle Angelegenheit.

Fazit: Das Qualitätsargument ist nur ein vordergründiges.

Zu Argument 3: die Landschaftsgärtner

Es stimmt: Jemand muss die Wiesen mähen, die Wälder pflegen, die Bäume zurückschneiden. Aber dafür müssen nicht 200‘000 CHF pro Kopf ausgegeben werden. Flächenbeiträge für die Pflege der Landschaft würden nur einen Bruchteil kosten. „Landschaftsgärtner“ könnte doch ein angesehener Beruf sein! Beitragsempfänger könnten nicht nur Bauern oder grosse Landbesitzer sein – sondern auch Kooperationen oder andere pflegewillige Individuen oder Institutionen.

Fazit: Das Argument zieht einfach nicht, das Problem – so denn eines bestünde – lässt sich lösen.

Zu Argument 4: touristisches Juwel erhalten

Dieses Argument wird oft ins Feld geführt. Es lässt sich selbstredend kaum quantifizieren, und eigentlich könnte es in Argument 3 untergehen: Ja, ein gewisses landwirtschaftliches Image zu pflegen ist dem touristischen Gesamtbild der Schweiz sicher nicht abträglich. Aber wieviel darf dies kosten? Wir würden von einer Fraktion der Subventionssummen sprechen, wenn es nur darum ginge, für die Chinesen und Inder ein bisschen Heidi zu spielen. Schön adrett sollten die Wiesen aussehen, die Fassade des Bauernhofes müsste gepflegt sein, ein bisschen Vieh müsste rumstehen.

Fazit: Falls dieses Argument wirklich wichtig sein sollte, liessen sich Lösungen bestimmt günstiger finden.

Zu Argument 5: und überhaupt

Hier das vielleicht wichtigste Argument: Es geht ums Prinzip. „Wir müssen doch eine anständige Landwirtschaft haben“. „Die Landwirtschaft ist ein wichtiger Pfeiler unserer helvetischen Demokratie“. „Für unsere Bauern sollten wir schon etwas tun.“ Dahinter stecken oft eine falsch verstandene Heimatliebe und die im Parlament über-repräsentierte Landwirtschaftsbranche. Deren Lobby ist stark und setzt sich im Bundeshaus meistens durch.

Zudem verursacht die Agrarbürokratie in jedem Kanton und beim Bund leider immense zusätzliche Kosten.

Oft geht es nur um Partikularinteressen oder um „Switzerland first“ – und Nostalgie. Vorgeschoben wird, wie so oft in letzter Zeit, die Systemrelevanz. 

Fazit: Mit Heimatliebe lässt es sich nicht rechtfertigen, 21 Milliarden auszugeben.

Gefährliche Suggestivfragen

Befragungen in der Bevölkerung resultieren in der Regel zugunsten der Landwirtschaft. Man kann einfach nicht gegen die Bauern sein… Sollte man nicht auch die Krokodile besser schützen? Wer möchte denn wirklich dagegen sein…?

Suggestivfragen führen oft zu einem wenig überraschendem JA, wenn nach „höherem Selbstversorgungsgrad“ geforscht wird. Würde man die Frage stellen, ob die Landwirtschaft CHF 200‘000 pro Beschäftigten kosten darf, so wäre die Antwort allerdings mit Sicherheit ein dickes NEIN.

Die Umweltschleuder Landwirtschaft

Oft geht vergessen, dass unser Agrarsektor einer der ganz grossen Energieverschwender ist. Zudem ein grosser Umweltverschmutzer: Schweizer Traktoren und alle landwirtschaftlichen Geräte zum Beispiel dürfen dreckig sein, sie sind von strengen Abgasnormen praktisch ausgenommen. Ein grosser Teil der Wasserverschmutzung geht auf den Einsatz von Pestiziden und der zum Teil massiven Düngung zurück.

Ineffiziente Betriebsgrössen führen ebenso zu einem teuren und wenig umweltverträglichen Einsatz von Produktionsmitteln, inklusive Energie. In einem eng besiedelten Raum wie der Schweiz wirkt sich das besonders nachteilig aus.

Gesalzene Rechnung

Wer bezahlt nun eigentlich diese 21 Milliarden? Einerseits der „Staat“ mit den vielen Subventionen. Den grössten Teil aber berappt der Konsument. Aber de facto eigentlich dieselben Subjekte: die Bürger.

Nebst den ziemlich gut messbaren Kosten an Beiträgen und Vergünstigungen für die Landwirtschaft gehen andere Kosten bei der wahren Kostenberechnung oft verloren. Die Importhindernisse für die meisten landwirtschaftlichen Produkte beispielsweise provozieren aufgrund der damit einhergehenden inländischen Preiserhöhungen einen ausufernden Einkaufstourismus im Ausland. Dieser führte nicht nur zu Verlusten an heimischem Agrarumsatz, sondern insgesamt zu einem rund 10-Milliardenverlust an generellem Einzelhandelsumsatz. Wenn das Schnitzel nur die Hälfte kostet im nahen Ausland, wird dieses Schnitzel eben zur Benchmark – und löst generell eine Schoppingwut ennet der Grenze aus. Ein Lehrstück, wie man sich selber schaden kann. Man kauft nebst dem Schnitzel nämlich auch gleich andere Konsumgüter, für welche man die Unbill mit der Fahrt über die Grenze eigentlich gar nicht in Kauf genommen hätte. Eine typische negative Rückkoppelung, welche meistens dann eintritt, wenn das Big Picture verloren geht. Planwirtschaft geht eben oft ins Auge. So wird der von einer breiten Schicht vertretene aktive Protektionismus mit dem derzeitigen Agrar-Regime tatsächlich zum Schuss ins eigene Bein.

Unsere Landwirtschaft konnte bereits zwei wichtige Freihandelsabkommen (USA und Mercosur) bodigen oder einbremsen. Sie scheiterten in der Tat an der Agrarlobby. Die Landwirtschaft produziert also auch Kollateralschäden, welche in den 21 Milliarden noch gar nicht eingerechnet sind.

Schweizer Landwirtschaftsprodukte als Exportschlager?

Nur zu oft wurde die Strategie kolportiert, landwirtschaftliche Spezialitäten zu produzieren, welche auch exportfähig sind. Käse, Milch, geräucherte gastronomische Preziosen, und so weiter. Ja, Skalenerträge sollten her: Wenn wir nur genügend Volumen hinkriegen, könnten wir günstiger produzieren. Also Export.

Ein hehrer Anspruch. Aber warum sollte dies der Staat fördern? Er könnte ebenso eine heimische und exportfähige Automobilproduktion fördern. Es darf nun einmal nicht am Staat sein, solche Aufgaben zu übernehmen. Wenn sich Schweizer Bauern auf einzelne Spezialitätenprodukte konzentrieren, welche sich im Ausland tatsächlich absetzen lassen, ist das erfreulich. Aber der Bürger sollte dafür nicht bezahlen müssen. Wieso auch sollten wir einen Käse subventionieren, der schliesslich in Shanghai verkauft wird?

Die wahren Export-Champions für Nahrungsmittel sind so oder so die Industrien: Nestlé zum Beispiel ist zum weltweit grössten Exporteur von Kaffee aufgestiegen. Aus der Schweiz raus, ohne eigenen Kaffeeanbau – und ohne Subventionen.

Vergessen wir also die Exportförderung von Nahrungsmitteln. Ein kleinflächiges Land mit atomisierten Anbauflächen, nur mittlerem sonnigem Klima und hohen Löhnen kann nun einmal nicht mithalten im Agrar-Weltmarkt. Ausser eben mit ein paar Nischenprodukten.

Die Lösung?

Ein Umbau der helvetischen Landwirtschaft müsste umfassend angegangen werden. Nachfolgend ein 5-Punkte-Programm, welches mit gewissen Übergangsfristen realisiert werden könnte:

  1. „Autonomie“ mittels eigener Landwirtschaft ist in der Schweiz gar nicht möglich – also müssen wir uns davon verabschieden. Alternativ müssen die Pflichtlager erhöht werden, damit auch der Versorgungsgrad verbessert wird. Pflichtlager können der Bund selber, Importeure oder der Grosshandel halten. Auch die Industrie musste aktuell lernen, mehr Redundanz in der Versorgung zu erzielen. Strengste „Just in time“-Prinzipien sind krisenanfällig – das hat sich gerade aktuell gezeigt. Das gilt auch für die staatliche Sicherstellung der Nahrungsmittelversorgung.
  2. Die meisten Subventionen müssen massiv reduziert werden. Auch alle Direktzahlungen, Zölle und alle anderen protektionistischen Hilfen sollten massiv abgebaut werden. Der bescheidene BIP-Beitrag von 0.6% würde sich vielleicht noch weiter verringern. Auch würden weitere Bauernhöfe eingehen, die heimische Fleischproduktion würde sich reduzieren. Natürlich würde der Bauernstand leiden – ganz klar. Das wäre zwar bedauerlich, wäre indessen mit gewissen Übergangsfristen zu verantworten. Und wir würden Milliarden sparen.
  3. Die Qualität der Lebensmittel muss durch Normen auf Grosshandels- und Einzelhandelsstufe sichergestellt werden. Inhaltsstoffe, Produktionsmethoden, etc.  können (wie heute schon) vorgeschrieben werden – nur würden diese künftig für alle gelten, nämlich auf der Stufe der Verteilung kurz vor dem Verzehr – und nicht ab der Grenze. Die ausländischen Produkte werden heute nämlich oft genauer beurteilt als die einheimischen oder via zahlreiche „nicht-tarifäre Handelshemmnisse“ benachteiligt.
  4. Die Schweizer Landwirtschaft soll sich auf biologisch hochwertige Produkte konzentrieren und dafür Bewirtschaftungsbeiträge pro Hektare erhalten. Keine neuen Staatsangestellten sollten geschaffen werden, sondern effiziente kleine Unternehmen. Diese müssten sich vermehrt auf den lokalen Direktvertrieb konzentrieren. Wenn Handelsstufen umgangen werden können, ergeben sich auch andere Margen, und die höheren Produktionskosten fallen weniger ins Gewicht. Regional, klein und fein: innovative Biobauern. Es würde sich lohnen, wenn allenfalls sogar der Bund hier Institutionen unterstützt, welche Marketing und Vertrieb dieser Betriebe mit Nischencharakter professionalisieren. Ein grosser Teil der Bevölkerung ist heute schon bereit, für regionale und ökologisch überzeugende Produkte etwas mehr auszugeben. Gleichzeitig müssen wir uns von den klassischen Bauernbetrieben verabschieden, welche nur teuer, aber wenig ökologisch und den ausländischen Produzenten qualitativ kaum überlegen sind.
  5. Für die Pflege der Landschaft braucht es ein neues Konzept – das der Landschaftsgärtner. Wie immer auch ein solches Programm ausfallen könnte: Im Vergleich zu heute würde es nur einen Bruchteil der bisherigen Kosten verursachen.

Und was machen wir dann mit dem eingesparten Geld?

Wenn es uns gelingt, mit dem Grossteil der eingesparten Milliarden Steuern zu senken, Schulden abzubauen oder mehr in sinnvolle und zukunftsgerichtete Projekte zu investieren, können wir nur gewinnen. Und wenn sich gleichzeitig die Nahrungsmittel in der Schweiz deutlich verbilligen, sinken unsere Lebenshaltungskosten und unser Preis-/Lohngefüge wird wettbewerbsfähiger. So könnten wir sogar doppelt gewinnen.

Fazit:

Die Pandemiekrise konnten wir nicht wegen unserer tollen Landwirtschaft meistern. Die Versorgung blieb fast immer lückenlos gewährleistet – dank den logistisch hervorragend aufgestellten Detailhändlern, welche sich zum grossen Teil auch im Ausland eindecken. Das Argument der „Autonomie“ oder der „Systemrelevanz“ wird überstrapaziert. Der Staat und die Konsumenten könnten mit einem Umbau der Landwirtschaft immense Summen sparen. Für die Gewährleistung der Lebensmittelversorgung und der Lebensmittel-Qualität gibt es Lösungen, auch für die nötige Pflege der Landschaft.

Unsere kleine offene Volkswirtschaft könnte mit einem klaren Paradigmawechsel nur Vorteile erzielen, denn mit dem Abbau von Zöllen und anderen protektionistischen Winkelzügen stünde unser Land besser da. Vermehrt wären Freihandelsabkommen möglich, und die Effizienz in Beschaffung und Produktion könnte sich erhöhen.

Es gäbe ganz wenige Verlierer – aber viele Gewinner. Wann wohl diese politische Reife einkehren wird?