V-Shape, U-Shape, L-Shape….?

Natürlich geht es bei diesen Fragen nicht um die Ausschnittform eines T-Shirts. Inzwischen sind sich wohl alle Ökonomen einig, dass wir uns bereits mitten in einer Rezession befinden. Über den künftigen Verlauf lässt sich bestens spekulieren.

Das Unwort des Jahres 2020 könnte „Depression“ lauten

Der Wirtschaftsverlauf einer Rezession in V-Form kann wohl als vorübergehender Verlust des Gleichgewichtes betrachtet werden: ein kurzer Taucher, dann ist die Balance wiedergefunden und es geht weiter, das alte Niveau wird wieder hergestellt. Beim U-Shape ist der Verlauf der Rezession hartnäckiger; der Rückgang des BIP dauert länger, die Talsohle wird sehr langsam durchschritten – bis es dann tatsächlich wieder aufwärts geht. Wenn unsere Kristalina vom IMF nun von einer „schweren“ Rezession spricht, wollte sie wohl mindestens einen U-Shape andeuten. Die Bezeichnung dieser „schwersten Rezession seit der grossen Depression in den Dreissigerjahren“ ist allerdings eine Beschönigung. Eigentlich meinte sie wohl, dass wir nun kurz vor einer Depression stehen – das Unwort indessen galt es zu vermeiden. 

Wohl eher ein L-Shape?

Vermutlich steuert die Weltwirtschaft, angeführt von den meisten westlichen Länderwirtschaften, in der Tat auf einen L-Shape zu: Der Rückgang des BIP wird signifikant sein, sich über mehrere Quartale erstrecken, der Aufschwung danach wird nicht gleich einsetzen. Eben eine L-Kurve. Die definitionsgemässe Depression wird damit vorliegen, denn diese wird durch ein paar Faktoren bestimmt, welche dannzumal unzweideutig vorliegen werden: starker Rückgang der Wirtschaftsleistung, kein sofortiger Aufschwung, Verwerfungen in der Mikroökonomie, beschädigte Strukturen, massives Eingreifen der staatlichen Institutionen. Die Verschuldung verschiedener Staaten wird in schwindelerregende Höhen steigen, welche normale Finanzierungen nicht mehr zulassen. Die längerfristig nötige Beschaffung der Mittel durch die Staaten (bei Privaten und Unternehmen) wird wohl sehr unappetitlich werden und damit den Aufschwung zusätzlich behindern. L-Shape for ever? Nein, wohl kaum – jedoch sicher längerfristig. Also doch Depression – einfach definitionsgemäss.

Konsequenzen für Unternehmer?

Was gilt es also zu tun? Wie können wir uns vorsehen? Noch mehr Geld in die Wirtschaft pumpen? Oder besser die Motoren ankurbeln, indem die Wirtschaftsordnungen liberalisiert werden, „aufmachen“, Innovationen und Initiativen mehr Spielraum lassen? Überlassen wir das Problem (nur für heute!) einmal den Makroökonomen und verbrennen uns nicht die Finger. Aus Sicht der Mikroökonomie – und damit der Unternehmer – bedeutet es: Die sehr realistischen Szenarien einer Depression müssen unverzüglich in die mittelfristige Planung der Unternehmen einfliessen – ohne einfach auf einen V-Shape zu hoffen. Also die Märkte komplett neu einschätzen und die Strukturen blitzartig anpassen. Besser früher als später.

Autor: Paul Carpenter

Paul Carpenter ist ein Pseudonym. Der dahinter stehende Kommentator bleibt anonym. Paul Carpenter lebt seit 15 Jahren in Dubai, ist international vernetzt und beobachtet das Wirtschaftsgeschehen sehr kritisch. Er studierte Ökonomie und Publizistik in St. Gallen und betätigte sich lange als CEO und Unternehmer. Seit einigen Jahren ist er Unternehmensberater und schreibt Kolumnen, welche sich auf den Link von Mikro- und Makroökonomie konzentrieren.

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